Ruhe vor der letzten Ruhe

In einer Ermittlungsakte habe ich einen eleganten Vergleich gefunden, der vor dem Landgericht geschlossen wurde:

Der Beklagte zahlt an die Klägerin einen Betrag von 28.000,00 € zum Ausgleich der Klageforderung. Dieser Betrag wird erst sechs Monate nach dem Tod der Klägerin fällig. Der Beklagte ist zur Aufrechnung mit etwaigen Erbansprüchen an den Nachlass der Klägerin berechtigt.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass die Klägerin selbst nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Sondern von ihrer Tochter vertreten wird, die der Meinung ist, ihr Bruder (der Beklagte) habe schon zu viel von der Mama bekommen. Oder sie gar übers Ohr gehauen.

Leidlich fit scheint die Klägerin aber doch noch zu sein. Das Gericht hat sie nämlich im Verhandlungstermin angehört und zu Protokoll genommen, dass sie „eigentlich mit dem ganzen Hickhack“ nichts zu tun haben will. Von da war es dann ersichtlich nicht mehr weit zu diesem wirklich kreativen Prozessvergleich. Ob die Klägerin nun wirklich ihre Ruhe vor der letzten Ruhe hatte, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt.

Verdächtige Wahrnehmung

Ein Mandant, der zu Fuß zu einem Geschäftstermin unterwegs war und dabei telefonierte, musste sich eine körperliche Durchsuchung gefallen lassen. Unter Tatvorwurf steht im Durchsuchungsprotokoll der Polizei:

Verdächtige Wahrnehmung einer Zeugin

Ich googele geradezu verzweifelt nach diesem Straftatbestand.

Schulnoten im Job

Wer einen Job beendet, hat Anspruch auf ein Zeugnis. Wie dieses jedenfalls nicht aussehen darf, hat das Bundesarbeitsgericht nun klargestellt. Konkret ging es das Zeugnis für einen Elektriker, welches aussah wie ein Schulzeugnis. Also Tabellenform mit bloßen Stichworten, Schulnoten von „sehr gut“ bis „ungenügend“.

So ein tabellarisches Zeugnis reicht nach Auffassung der Richter nicht. Jeder Arbeitgeber könne eine individuelle, auf ihn persönlich zugeschnittene Bewertung seiner Leistung und seines persönlichen Verhaltens verlangen. Das setze einen entsprechend formulierten (Fließ-)Text voraus.

Die Vorinstanz hielt die Tabellenform noch für zulässig, so dass die Klarstellung durch das Bundesarbeitsgericht offensichtlich notwendig war (Aktenzeichen 9 AZR 262/20).

Nette Menschen

Bei der Zentralen Bußgeldstelle des Bundespolizeipräsidiums in Halle arbeiten nette Menschen. Glaube ich. Denn die Behörde ist – nach meiner Erfahrung – die einzige, die bei Akteneinsichten nicht nur einen voradressierten Rückumschlag beifügt. Sondern diesen auch frankiert, also zum Beispiel mit 1,55 Euro.

Schon der Rückumschlag ist keine Pflicht. Aber dass auch gleich noch das Porto für die Rücksendung spendiert wird, ist schon eine freundliche Geste. Denn wir Anwälte müssen zwar für jede Akteneinsicht eine Pauschale von 12,00 Euro an die betreffende Behörde überweisen. Das ist aber keine Rundum-Sorglos-Police. Denn die „Kosten der Rücksendung“ der Akte müssen wir, so will es das Gesetz, selbst tragen, also auch das passende Porto.

Die gesparten 1,55 Euro werfe ich in die Kaffekasse…

„Ich habe eine gute Nachricht für Sie …“

„Ich habe ein gute Nachricht für Sie“, schrieb der Anwaltskollege an seinen Mandanten. „Das Amtsgericht hat einen Strafbefehl erlassen und die Sperrfrist auf 9 Monate festgesetzt. Da Ihr Führerschein schon 4 Monate Monate vorläufig beschlagnahmt ist, können Sie die Fahrerlaubnis nun schon in knapp 5 Monaten wieder beantragen.“

Das, so geht es in dem Brief weiter, sei ja ein sehr positives Ergebnis. „Von daher würde ich Ihnen raten, den Strafbefehl zu akzeptieren.“

Nun ja, der Mandant freute sich erst, dann kamen ihm leise Zweifel, er wandte sich an Dr. Google, das machte es nicht besser – so kam er für eine kleine Beratung zu mir. Kurz gesagt: Die Auskunft des Kollegen ist schlicht falsch.

Wird die Fahrerlaubnis mit einem Strafbefehl entzogen, beginnt die angeordnete Entziehungsfrist mit dem Erlass des Strafbefehls. Die eventuelle vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis unmittelbar nach der Tat muss der Richter stillschweigend abziehen. In unserem Fall kann man also davon ausgehen, dass der Richter eine Entziehung von insgesamt neun Monaten für angemessen betrachtet. Da der Führerschein schon vier Monate weg war, verhängt er also eine Sperre von fünf Monaten. Wobei diese Frist aber, wie gesagt, dann auch erst mit dem Erlass des Strafbefehls beginnt.

So, das war meine Beratung. Der Betroffene will jetzt noch mal einen Termin bei seinem Anwalt machen und das Ganze mit ihm besprochen, natürlich rechtzeitig vor Ablauf der Einspruchsfrist. Bin gespannt, ob ich ein Feedback bekomme und wie es ausfällt.

Richter kopierte Kinderpornos aus Verfahrensakten

Ein Richter am Oberlandesgericht München hat freiwillig den Dienst quittiert und auf Pensionsansprüche verzichtet. Mit diesem Schritt wollte er wohl erreichen, dass er milde bestraft wird. Dem Richter wurde der Besitz von Kinderpornografie zur Last gelegt. Über 4.000 Dateien sollen Ermittler bei ihm im Jahr 2020 gefunden haben.

Aufgefallen ist der Jurist bei Ermittlungen gegen ein Internetforum, über das angeblich ausschließlich pädophile Inhalte verbreitet wurden. Der bloße Umstand der Anmeldung – also nicht der Nachweis einschlägiger Aktivität – bei diesem Forum hat wohl gereicht, damit Durchsuchungsbeschlüsse ausgestellt wurden. Beim Bundesverfassungsgericht hatte der Richter deswegen Verfassungsbeschwerde eingelegt. Erfolglos. Der Richter soll sich aber nicht nur Bilder aus dem Internet besorgt haben. Vielmehr kopierte er auch Bilder und Videos aus Gerichtsakten, auf die er dienstlich Zugriff hatte. Auch dieses Material wurde in seiner Wohnung gefunden.

Einen Strafbefehl über 150 Tagessätze zu 30 Euro hat der Richter nun akzeptiert. Sicher kein dummer Schachzug, denn eine bloße Geldstrafe wegen des Besitzes von Kinderpornografie in solchen Mengen entspricht schon viereinhalb Richtigen im Lotto. Bei „normalen Menschen“ wird eher darüber verhandelt, ob es noch mal Bewährung geben kann.

Bericht in der Süddeutschen Zeitung

Erpressung via Blog

Ein Blog kann Mittel eines Erpressungsversuchs sein, urteilt der Bundesgerichtshof. Es geht um das Blog eines wütenden Aktionärs, der auf seinem Blog ausschließlich über einen rührigen Frankfurter Unternehmensberater schrieb. Diesen machte der Blogautor für hohe Aktienverluste verantwortlich.

Über 100 Beiträge hat der Autor seinem Kontrahenten gewidmet. Unter anderem titulierte er ihn als Bilanzfälscher, Firmenräuber, Börsenhallodri und Börsenversager. Die Rede war von Lüge, Betrug, Habgier und Kriminalität. Laut den Anwälten des Unternehmensberaters hat der Bundesgerichtshof jetzt ein Urteil aufgehoben, welches dem Blogger sein Wirken gestattete. Das Kammergericht in Berlin hatte die Meinungsfreiheit höher gehängt als den möglichen Rufschaden.

Die Richter haben nach Auffassung des Bundesgerichtshofs aber nicht ausreichend geprüft, ob das Blog nicht sogar für eine Erpressung genutzt wurde. Der Unternehmensberater hatte nämlich behauptet, der Blogautor habe ihm die Einstellung des Blogs gegen eine Zahlung von 100.000 Euro angeboten.

Aber selbst wenn keine Erpressung gegeben sei, könne eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegen. Immerhin liege es nahe, dass das Blog darauf angelegt war, den Betroffenen zu zermürben und zu belasten. Wie wichtig das vom Blogautor ins Feld geführte Informationsinteresse der Öffentlichkeit dagegen ist, muss das Kammergericht nun erneut abwägen.

Facharzt für alles

Wann ist ein Facharzt ein Facharzt? Das wollte wohl ein rühriger Mediziner austesten. Er warb für sich mit dem Hinweis auf zahlreiche Facharzttitel, unter anderem in „Akupunktur“, „Hypnose“, „Sexualmedizin“ und „Raumfahrtmedizin“.

Kleines Problem: Diese Facharzttitel gibt es gar nicht. Und deshalb darf man sich auch nicht damit schmücken, so das Landgericht Koblenz. Der Facharzttitel belege den Abschluss einer anerkannten Weiterbildung sowie deren Anerkennung durch die Bezirksärztekammer. Dementsprechend bestehe die Gefahr, dass Patienten die vom Arzt geführten Bezeichnungen für ebenso fachlich unterfüttert halten – und möglicherweise enttäuscht werden. Geklagt hatte ein Wettbewerbsverband (Aktenzeichen 1 HK O 29/21).

Bibelfester Staatsanwalt bleibt ungeschoren

Ein Oldenburger Staatsanwalt muss keine dienstrechtlichen Konsequenzen fürchten, weil er sich bei seinem Plädoyer auf die Bibel berief. „Wer sein Kind liebt, der züchtigt es“, führte der Staatsanwalt unter anderem aus. Damit begründete er seinen Wunsch für eine milde Strafe gegenüber einem Angeklagten, der seine 17 und 21 Jahre alten Kinder körperlich angegangen sein soll.

Die Staatsanwaltschaft hält die Formulierungen ihres Kollegen zwar nach wie vor für „äußerst unglücklich“ und missverständlich. Unter anderem hatte der Staatsanwalt angeblich eine päpstliche Lehre gefunden, die ein Schlagen von Kindern rechtfertigt – so es denn „würdevoll“ geschieht.

Die Dienstaufsicht weist nun darauf hin, der Staatsanwalt habe lediglich be- und entlastende Umstände dargelegt. Die Richterin habe den Staatsanwalt aber nicht so verstanden, dass er eine eigene Meinung wiedergibt. Vielmehr habe dieser – wenn auch auf unglückliche Art und Weise – das Denken des Angeklagten zusammengefasst.

Früherer Bericht im law blog

„Das war ich“

In Rheinland-Pfalz ist ein Gefängnismitarbeiter entlassen worden, weil er einen Inhaftierten einem „Walk of Shame“ aussetzen wollte. Das macht den Mann untauglich für den Beamtenjob, so das Verwaltungsgericht Mainz.

Der Justizbeamte hatte den Flur einer Haftabteilung für die Freistunde aufgeschlossen. An sich ein alltäglicher Vorgang. Allerdings führte die Sozialarbeiterin an einem Ende des Flurs noch ein Gespräch mit einem Mann, der im Verdacht des Kindesmissbrauchs steht. Diesen musste sie dann in seine Zelle am anderen Ende des Trakts zurückbegleiten, um Übergriffe der anderen Gefangenen zu verhindern.

Wegen des Vorfalls zur Rede gestellt, berief sich der Mitarbeiter nicht auf ein Versehen. Vielmehr soll er gesagt haben: „Das war ich. Das war mit Absicht. The Walk of Shame.“ Damit habe der Mitarbeiter absichtlich die „Eskalation des Geschehens“ provoziert und den Gefangenen in Gefahr gebracht. So eine Einstellung sei bei einem Beamten nicht hinnehmbar, befinden die Richter (Aktenzeichen 4 L 513/21 MZ).