Der Beklagte

In meinem Beruf treibt man sich ja notorisch in Gerichtssälen rum. An sich hätte ich also heute keinerlei mulmiges Gefühl verspüren sollen, als ein Gerichtstermin anstand. Etwas war aber anders. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, als Beklagter ins Gericht zu kommen. Mit meinem Anwalt, der mich doch bitteschön raushauen sollte.

Immerhin, der gegen mich erhobene Vorwurf kam nicht von einem Mandanten. Es ging also nicht um eine wie auch immer geartete Verletzung meiner Berufspflichten. Das ist ja schon mal was. Vielmehr erhob eine dritte Person Vorwürfe. Ich will nicht zu viele Details schildern, um niemandem zu nahe zu treten. Kurz gefasst, ging es um den Brief eines Dritten an die Person, den ich lediglich auftragsgemäß per Fax weitergeleitet habe. Mit dem Schreiben, das wohlgemerkt gar nicht von mir stammt, soll ich tiefen Schmerz ausgelöst haben, der nur mit einer stattlichen Zahlung meinerseits wieder gut gemacht werden kann. 5.000 Euro soll mich das Ganze kosten, meinten die Klägerin und ihre Anwälte. Natürlich zuzüglich der gesamten Kosten für den Prozess.

Gut, man braucht kein erfahrener Zivilrechtler oder auch nur studierter Jurist zu sein um zu ahnen, von wem die Klägerin da tatsächlich über den Tisch gezogen wird. Aber auch diese – natürlich rein sachliche – Gesamtwertung sorgte bei mir nicht unbedingt für Wohlbefinden. Mir war ehrlich gesagt reichlich mulmig, bis das Gericht dann nach dem üblichen Prozedere signalisierte, dass mit der Klage – ich fasse zusammen – schon mangels Anspruchsgrundlage kein einziger Cent zu gewinnen sein wird.

Bei meinen nächsten Verfahren werde ich mich gerne an das Gefühl erinnern. Und mich um größtes Verständnis bemühen, wenn der Mandant momentan etwas angespannter wirkt, als es die Situation tatsächlich erfordert. Dafür habe ich jetzt doppelt gute Laune. Ich löse nämlich pünktlich zum Monatsende gleich die Rückstellung auf, die meine kleine Anwaltskanzlei bei Eingang der Klage gebildet hat.