Vorsicht an der Bahnsteigkante

Manche Mandanten haben ein sonniges Gemüt. So jener, der mit dem Brief eines Amtsgerichts zu mir kam. Das Gericht erwäge den Erlass eines Strafbefehls, wurde dem Mandanten mitgeteilt. Er möge binnen einer Woche einen Pflichtverteidiger benennen. Sonst werde ihm ein Pflichtverteidiger vom Gericht bestellt.

Besonders erfreut war der Mandant vom Servicegedanken. Fand er super, dass er sogar einen Anwalt vom Gericht bekommt. Tja, in der Justiz wird der Servicegedanke halt noch groß geschrieben.

Das mit dem Strafbefahl gefiel dem Mandanten auch. Sicher hat er Mist gebaut. Aber jetzt könne er doch auf die ersehnte Geldstrafe hoffen. Mehr als 90 Tagessätze, also etwas bis zur Eintragungsgrenze für Vorstrafen, dürften doch kaum werden. Sagt Rechtsanwalt Dr. Google.

Ich durfte den Überbringer schlechter Nachrichten spielen. In mehrfacher Hinsicht. Den Pflichtverteidiger gibt es im Strafbefehlsverfahren nur, wenn der Richter eine Haftstrafe verhängen will. Ohne Verteidiger dürfen nur Geldstrafen verhängt werden, mit Verteidiger Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr.

Die vermeintlich großzügige gerichtliche Beiordnung eines Anwalts ist letztlich eine Mogelpackung, jedenfalls in finanzieller Hinsicht. Wenn der Beschuldigte verurteilt wird, muss er die Verfahrenskosten tragen. Zu diesen gehören auch die Honorare, die das Gericht an den Pflichtverteidiger zahlt. Mehr als ein Kredit ist die Beiordnung also nicht.

Allerdings gab es natürlich doch noch eine positive Seite. Nichts wird im Strafverfahren so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das steht wahrscheinlich auch bei Google, stimmt aber. Auch wenn der Richter sich schon recht deutlich positioniert hat, ist eine Geldstrafe nicht ausgeschlossen. Nicht mal eine Einstellung. Der Instanzenzug steht ja quasi noch im Bahnhof, auf der anstehenden Reise kann viel passieren…