Anliegen

Ein Mandant schreibt aus der Untersuchungshaft:

Ich werde auch ein Anliegen an den Sozialdienst schreiben, dass ich ein Fax an meine Eltern schicken kann, allerdings ist die Chance auf eine zeitnahe Reaktion so hoch, wie bei einem Autounfall in der Zelle zu sterben.

Immerhin hat er sich seinen Humor bewahrt.

Die richtige Strategie

4. August 2011: Die Staatsanwaltschaft fragt an, “ob in dem o.g. Verfahren noch eine Einlassung beabsichtigt ist”.

8. August 2011: Ich antworte, der Beschuldigte wolle derzeit weiter von seinem Recht Gebrauch machen, sich nicht zur Sache zu äußern.

16. August 2011: Schreiben der Staatsanwaltschaft: “Das Ermittlungsverfahren gegen Ihren Mandanten habe ich mangels Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.”

Wie man sich gegen Abofallen am besten wehrt

Die Bundesregierung möchte Verbraucher besser vor Abzocke im Internet schützen. Soll ein Vertrag wirksam sein, müssen Verbraucher künftig einen klar gestalteten Button drücken, der sie auf die Kostenpflicht des Angebots hinweist.

Der heute verabschiedete Gesetzentwurf verlangt von allen Anbietern, die Kunden vor der abschließenden Bestellung darüber zu informieren, dass das Angebot Geld kostet. Der Button muss deutlich lesbar den Text “zahlungspflichtig bestellen” oder eine ebenso unmissverständliche Formulierung enthalten.

Die Initiative betrifft zwar den gesamten Onlinehandel, sie richtet sich aber ausdrücklich gegen die noch immer blühende Branche der Abofallen. Die Betreiber solcher Seiten sind auch schon in der Vergangenheit damit aufgefallen, dass sie den (auch heute schon verbindlichen) Hinweis auf die Kostenpflicht kreativ umgehen.

So gab und gibt es Seiten, die zwar “offiziell” einen deutlichen Hinweis auf die Kosten enthalten. Kommt der Internetnutzer aber über ein woanders geschaltetes Werbebanner auf das Angebot, wird der Hinweis auf dieser Unterseite ausgeblendet. Die Betroffenen sichern diese Seiten selten, da sie ja von einem Gratisangebot ausgehen. Später können sie dann nicht mehr nachweisen, dass die ihnen gezeigte Seite von der “offiziellen” Version abwich.

Andere Abofallen sollen Schadsoftware verwenden. Diese simuliert den Klick auf eine vorhandene Preisinformation und entfernt sich dann praktisch spurlos wieder. Auch hier gerät der Kunde schnell in Beweisnot.

Ob also eine Buttonlösung das Problem Abofallen wirklich löst, wird sich erst im Praxistest zeigen. Immerhin macht die Bundesregierung nicht den Fehler, den Onlinevertragsschluss nun komplett zu bürokratisieren.

Am besten kommt man um Forderungen von Abofallen übrigens herum, wenn man – natürlich wahrheitsgemäß – jeden Besuch auf der betreffenden Seite abstreitet. Immerhin kann ja jeder Dritte Name, Adresse und womöglich Geburtsdatum eingetragen haben. Solche Daten sind meist kein Geheimnis und können deshalb leicht missbraucht werden.

Die Abofalle muss beweisen, dass der Betreffende sich wirklich selbst angemeldet hat. Als einzigen Beleg hat sie in der Regel nur die IP-Adresse. Der Abofalle fehlt aber – entgegen den Drohungen in ihren Mahnschreiben – eine juristische Möglichkeit zu ermitteln, zu welchem Anschluss die IP-Adresse gehört. Im Gegensatz zur Musik- und Filmindustrie dürfen Abzocker selbst bei Providern keine Anschlussdaten abfragen.

Die Staatsanwaltschaften sehen bei Abofallen regelmäßig nicht mal einen Anfangsverdacht auf Betrug durch den angeblichen Kunden. Dieser hatte ja aller Wahrscheinlichkeit nach die Vorstellung, dass er ein Gratisangebot nutzt. Ihm fehlte also zumindest der Vorsatz.

Von einer Hausdurchsuchung auf Initiative eines Abofallenbetreibers habe ich deshalb noch nichts gehört. Das mag auch daran liegen, dass solche Firmen gut daran tun, von sich aus keinen Kontakt mit Ermittlungsbehörden zu suchen. Nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt nun eine Betrugsanklage gegen mutmaßliche Abzocker zugelassen hat, könnten ja auch andere Staatsanwälte bei entsprechenden Informationen den Spieß umdrehen.

Überdies belegt die IP-Adresse höchstens, welcher Anschluss genutzt wurde. Wie das Nummernschild am Auto sagt sie aber nichts darüber aus, wer tatsächlich am Computer und am Steuer saß.

Letztlich können Abofallenbetreiber also gar nicht beweisen, dass die angemeldete Person tatsächlich selbst auf der Seite war. Das gilt natürlich nur so lange, wie der Betroffene das nicht von sich aus zumindest indirekt einräumt – zum Beispiel durch Anfechtung, Widerruf oder die eine “Bitte um Niederschlagung der Forderung”. Man sollte sich also gut überlegen, ob man in eine Antwort wirklich mehr hineinschreibt, als dass man gar nicht selbst auf der Seite war und demgemäß keinen Vertrag geschlossen hat.

Müsste man mit diesen Angaben ein wenig schummeln, bleibt als Alternative immer noch eisernes Schweigen. Wer sich gar nicht auf eine Korrespondenz mit Abofallen einlässt, hat nach meiner Erfahrung allenfalls, und das auch nur in ganz wenigen Fällen, einen Mahnbescheid zu befürchten. Gegen den lässt sich unkompliziert Widerspruch einlegen. Meist liegt die Sache dann auf Eis, bis der Anspruch verjährt ist.

Sollte es wider Erwarten doch zu einem Rechtsstreit kommen, kann ein Betroffener immer noch alle Argumente geltend machen. Dass er sich nicht auf einen Briefwechsel mit den Abzockern eingelassen hat, darf vor Gericht nicht zu Nachteilen führen.

Werktägliche Betriebsamkeit

Automatenvideotheken müssen in Baden-Württemberg sonn- und feiertags geschlossen bleiben. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof des Landes entschieden.

Der Kläger betreibt seit Mai 2006 in Achern eine Automatenvideothek. Dort konnten an sieben Tagen der Woche rund um die Uhr DVDs über einen Automaten entliehen werden. An Sonn- und Feiertagen wurden DVDs vollautomatisch vom Automaten abgegeben und angenommen. Die Registrierung von Kunden findet nur an Werktagen statt.

Nachdem seinen Automaten eine Sonn- und Feiertagsruhe auferlegt wurde, klagte der Betreiber. Er machte geltend, in seiner Videothek werde nicht “gearbeitet”, deshalb könne der Betrieb nicht gegen das Feiertagsgesetz verstoßen. Außerdem sei der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, weil eine Automatenvideothek nicht anders funktioniere als ein Geld- oder Zigarettenautomat.

Der Verwaltungsgerichtshof bejaht dagegen das Verbot. Nach § 6 Abs. 1 des baden-württembergischen Sonn- und Feiertagsgesetzes sind an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen öffentlich bemerkbare Arbeiten verboten, die geeignet sind, die Ruhe des Tages zu beeinträchtigen.

Eine solche öffentlich bemerkbare Arbeit stellt nach Auffassung des Gerichts auch die automatisierte gewerbliche Vermietung von DVDs dar. Selbst wenn der Mietvorgang ohne Mitwirkung von Personal im Inneren eines Ladengeschäfts ablaufe, handele es sich um einen typisch werktäglichen Lebensvorgang, der geeignet sei, die Sonntagsruhe zu beeinträchtigen.

Werktägliche Betriebsamkeit werde nicht nur durch die Mitarbeiter in den Geschäften, sondern auch durch die Kunden ausgelöst. Der Begriff der Arbeit im Sinne des Sonn- und Feiertagsgesetzes setze keine menschliche Leistung voraus. Eine solche Auslegung hätte in Zeiten zunehmender Technisierung und Automatisierung der werktäglichen Arbeiten sonst die völlige Aushöhlung des Sonntagsschutzes zur Folge.

Der Betrieb einer Videothek lasse sich auch nicht mit einem gewandelten Freizeitverhalten der Bevölkerung rechtfertigen. Zwar dienten die vom Antragsteller vermieteten DVDs auch dem Freizeitvergnügen seiner Kunden an Sonn- und Feiertagen. Sie müssten zu diesem Zweck aber nicht notwendigerweise auch an diesen Tagen entliehen werden.

Die Vermietung von DVDs diene auch nicht der Deckung eines an Sonn- und Feiertagen bestehenden Publikumsbedarfs an Ort und Stelle, sie unterscheide sich dadurch von Darbietungen eines Kinos, Theaters oder von Museen.

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, weil die „ladenähnliche“ Automatenvideothek des Klägers weder einem Waren- noch einem Bankautomaten vergleichbar sei.

Info: In den Bundesländern Berlin Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ist der Betrieb von Videotheken an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen ausdrücklich gesetzlich zugelassen. Die Regelungen enthalten meist zeitliche Einschränkungen (z.B. ab 13.00 Uhr) und nehmen zum Teil bestimmte gesetzliche Feiertage aus.

Urteil vom 15. August 2011, Aktenzeichen 9 S 989/09

Die Crew der Ahnungslosen

Mein Mandant ist sicher kein Unschuldslamm, aber er kennt seine Rechte. So war ihm auch klar, dass Polizeibeamte ihn nicht einfach so zu einer Blutprobe zwingen dürfen. An einem Werktag gegen 14 Uhr muss dafür ein richterlicher Beschluss besorgt werden. Und um diese Uhrzeit wäre im zuständigen Amtsgericht einer nordrhein-westfälischen Großstadt auch ein Ermittlungsrichter im Dienst gewesen.

Die Polizisten interessierte das nicht. Sie riefen lediglich beim Staatsanwalt an, der die Blutprobe “anordnete”. Womöglich war dem Staatsanwalt nicht bekannt, dass sein Wort ebenso wenig wie das der Ordnungshüter die Entscheidung eines Richters ersetzt. Oder er leidet an Selbstüberschätzung. Jedenfalls machte er noch nicht mal den Versuch, jemanden bei Gericht zu erreichen.

Die Polizeibeamten waren offenbar ähnlich ahnungslos, denn sie setzten die Blutprobe rabiat durch. Mein Mandant wurde in eine Klinik gefahren und auf ein Bett geschnallt. Sowohl im Auto als auch im Krankenhaus wehrte er sich nach Kräften und wies immer wieder darauf hin, dass er sich kein Blut abnehmen lassen muss. Am Ende war ein gutes Dutzend Beamte eingesetzt, um ihn in Schach zu halten.

Die Blutprobe hat die Polizei schließlich von einem willfährigen Arzt gekriegt, der es ebenfalls nicht für nötig hielt, auf eine Anordnung durch den Richter zu bestehen. Am Ende war nicht nur mein Mandant übel zugerichtet, sondern auch einige Beamte. Der eine oder andere Fußtritt und Faustschlag des Beschuldigten erreichte nämlich sein Ziel.

Die Staatsanwaltschaft merkte immer noch nichts und klöppelte eine selbstbewusste Anzeige, ohne auch nur ein Wort über die offenkundigen juristischen Probleme zu verlieren. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte lautete der Vorwurf, außerdem gefährliche Körperverletzung. Die Mindeststrafe für die Körperverletzung ist ein halbes Jahr Gefängnis – es ging also schließlich um was, als die Sache vor dem Amtsgericht verhandelt wurde.

Dort saß nun eine Richterin, die offenkundig Problembewusstsein hatte. Ich merkte das gleich beim Reinkommen, dann auf dem Richtertisch lag ein Stapel mit ausgedruckten Gerichtsentscheidungen. Der Titel des obersten Urteils ging in die richtige Richtung. Er lautete “Beweisverwertungsverbot bei Blutproben im Fall grober Willkür.”

Offenbar hatte die Richterin auch schon die Staatsanwältin auf Spur gebracht. Denn schon nach kurzer Erörterung war klar, dass das gesamte Spektakel der Polizei aus Sicht der Vorsitzenden ein Schuss in den Ofen war. Sie ging nämlich nach Aktenlage nicht nur von einem schlichtweg unverständlichen Verhalten der Polizisten (und auch des Staatsanwalts) aus, sondern von nackter Willkür.

Somit war der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schon mal kippelig. Diese Tat kann nämlich nur bestraft werden, wenn die “Diensthandlung” selbst rechtmäßig war. Die Gerichte haben diese an sich klare Aussage des Gesetzes über Jahrzehnte dahingehend zurechtgebogen, dass es nur darauf ankommt, ob der Beamte selbst an Ort und Stelle sein Verhalten für rechtmäßig hält. Tut er das, obwohl es in Wirklichkeit illegal ist, bleibt der schwarze Peter beim Bürger. Er macht sich schon dann strafbar, wenn der Beamte guten Glaubens ist.

Aber selbst das konnte man in unserem Fall nicht mehr annehmen. Entweder hat das Land bei der Ausbildung seiner Polizisten und Staatsanwälte gründlich geschlampt, oder die Beteiligten bevorzugen bei passender Gelegenheit den Durchmarsch auf rustikale Art. Es sprach fast alles für die letzte Variante, so dass mein Mandant sich also wehren durfte.

Bei der gefährlichen Körperverletzung hätte man dann noch um etliche Ecken denken müssen. Notwehr? Notstand? Angesichts des Umstandes, dass nicht mal der ständige Protest meines Mandanten ein Nachdenken bei der Truppe initiierte, war schon klar, dass sich das auch auf dieses Delikt auswirken würde. Und zwar deutlich zu Gunsten des Angeklagten.

Am Ende wollten weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft eine Beweisaufnahme riskieren. Wahrscheinlich auch, weil ich dann Strafantrag gegen die Polizeibeamten gestellt hätte. Mit der sicheren Folge, dass die Polizisten sich nach einigen aufklärenden Worten über ihr Verhalten sicher überlegt hätten, ob sie besser nicht vielleicht gleich die Aussage verweigern und erst mal einen Anwalt fragen.

Mein Mandant war noch wegen einer anderen, viel unbedeutenderen Sache angeklagt. Es war deshalb möglich, den Widerstand und die Körperverletzung mit Blick auf den verbleibenden Rest sang- und klanglos einzustellen. Selbst die Staatsanwaltschaft war damit einverstanden.

Am Ende stand dann eine kleine Geldstrafe wegen des weiteren Delikts.   

Die als Zeugen aufmarschierten Polizisten wunderten sich zwar, warum sie nicht aussagen mussten. Die Richterin fand die sehr schöne Erklärung, wonach mein Mandant mit einem “Geständnis” eine Zeugenvernehmung überflüssig gemacht habe. Dass sich das Geständnis nur auf die Nebensache bezog, musste sie ja nicht erwähnen.

Was mich jetzt nur wurmt ist der Umstand, dass gerade die Polizisten wohl gar nicht erfahren, welche Note ihnen das Gericht für ihre Arbeit gegeben hat. Was durchaus bedeuten kann, dass sie munter so weitermachen wie bisher.

Fremdgeschrieben

Ich habe mal wieder fremdgeschrieben, und zwar auf dem Blog „Hyperland“ des ZDF.

Diesmal geht es um die eilfertige Firma RIM, die den englischen Behörden nach den Krawallen die Daten von Blackberry-Nutzern angedient hat.

So einfach ginge es in Deutschland nicht, lautet mein Fazit auf „Hyperland“.

Zum Beitrag.

Schleswig-Holstein bald Facebook-freie Zone?

Schleswig-Holstein soll Facebook-freie Zone werden – zumindest wenn es nach Thilo Weichert geht. Der Chef des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) fordert per Pressemitteilung alle Behörden, Unternehmen und privaten Webseitenbetreiber in Schleswig-Holstein auf, mit Facebook Schluss zu machen. Konkret sollen sie alle Fanpages bei Facebook entfernen und “Gefällt mir”-Buttons von ihren Seiten verbannen.

Die Stellungnahme ist mal wieder das übliche Gepolter, mit dem Weichert schon in Sachen Google Analytics aufgefallen ist. Auch mit offenen Drohungen spart das ULD diesmal nicht:

Das ULD erwartet von allen Webseitenbetreibern in Schleswig-Holstein, dass sie umgehend die Datenweitergaben über ihre Nutzenden an Facebook in den USA einstellen, indem sie die entsprechenden Dienste deaktivieren. Erfolgt dies nicht bis Ende September 2011, wird das ULD weitergehende Maßnahmen ergreifen. Nach Durchlaufen des rechtlich vorgesehenen Anhörungs- und Verwaltungsverfahrens können dies bei öffentlichen Stellen Beanstandungen nach § 42 LDSG SH, bei privaten Stellen Untersagungsverfügungen nach § 38 Abs. 5 BDSG sowie Bußgeldverfahren sein. Die maximale Bußgeldhöhe liegt bei Verstößen gegen das TMG bei 50.000 Euro.

Das ULD knüpft also nahtlos an die Kampagne an, mit der Verbraucherministerin Ilse Aigner gescheitert ist. Jedenfalls ist es der Politikerin trotz ihrer Verbalattacken bis heute nicht gelungen, das US-Unternehmen Facebook auf das deutsche Datenschutzrecht einzuschwören.

Genau diesen Datenschutz sieht Weichert nun so bedroht, dass er nicht nur auf Ämter, sondern alle Firmen und Bürger seines Landes losgeht, ihnen mit Abschaltung ihrer Netzangebote und Bußgeldern bis 50.000 Euro droht. Dem ULD ist vor allem ein Dorn im Auge, dass über Social-Plugins von Facebook Nutzerdaten in die USA übertragen und dort verarbeitet werden.

Fest steht: Niemand weiß genau, welche Daten Facebook sammelt, wie die Daten aufbereitet, gespeichert und an Dritte verkauft werden. In einer Analyse der Facebook-Praxis stützt sich das ULD vornehmlich auf Erkenntnisse, die jedermann mit dem Tool “Facebook Insights” ermitteln kann. Zusammengefasst lautet das Ergebnis: Facebook informiert Nutzer nicht ausreichend über die Verwendung der Daten, eventuell verlangte Einwilligungen sind unwirksam, selbst Nichtmitglieder bei Facebook laufen Gefahr, bis zu zwei Jahre “getrackt” zu werden.

An all dem ist was dran; die Kritik an der Datenkrake Facebook ist im Grunde richtig. Aber trotzdem sind die Drohungen gegen alle Schleswig-Holsteiner, die Plugins von Facebook verwenden, ein Armutszeugnis für das ULD. Statt sich mit dem wirklichen Gegner Facebook anzulegen und auf Verbesserungen zu drängen, versuchen es Weichert und seine Leute über die Einschüchterung harmloser Facebook-Nutzer. Darunter, das sei nicht vergessen, befinden sich auch viele Unternehmen, die ohne Marketing über Facebook womöglich keine oder nur weniger Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein anbieten könnten.

Es wird interessant sein zu sehen, ob neben der schleswig-holsteinischen Wirtschaft auch im Lande ansässige Medien, Blogger und Quartzillionen Teenager vor Weichert kuschen. Oder ob sie ihm die lange Nase zeigen und ihn damit als Papiertiger entlarven.

Gezielte Überwachung

“Gezielte Überwachung”, vermerkten die Polizeibeamten stolz in der Anzeige. Ihre Ausbeute: unter anderem mein Mandant, der am Steuer unerlaubt ein Handy in der Hand gehalten haben soll. Das sollte nach dem Willen des Ordnungsamtes 40 Euro kosten und einen Punkt in Flensburg bringen.

Immerhin schaffte es die Stellungnahme meines Mandanten ebenfalls in die Akte. “Ich habe mit meiner Brille gespielt”, verteidigte er sich vor Ort. Klingt jetzt nicht sonderlich originell. Deshalb war mir schon klar, dass es im Gerichtstermin mal wieder sehr darauf ankommen wird, ob und was die Beamten tatsächlich gesehen haben. Oder anders gesagt: Wie sehr gelingt es mir als Verteidiger, Polizeimeister Adlerblick aufs Glatteis zu führen?

Überraschenderweise wird es aber dazu nicht kommen. Der Amtsrichter hat das Verfahren von sich aus eingestellt und der Landeskasse die Kosten auferlegt, “weil eine Ahndung nicht geboten erscheint”. Er darf das, weil bei Ordnungswidrigkeiten das Opportunitätsprinzip gilt. Das ermöglicht es den Verantwortlichen, ganz legal auch einfach mal ein Auge zuzudrücken.

Vielleicht hat der Richter geahnt, worauf es bei der Beweisaufnahme hinausläuft. Womöglich ist er aber auch einfach nur genervt davon, dass die Polizei in seinem Ort die “gezielte Überwachung” von Handysündern als eine Art Lebensaufgabe begreift – was man bei möglicherweise drängenderen Kriminalitätsproblemen vielleicht nicht unbedingt sagen kann.

Sofern der Richter das gesamte Ergebnis der “gezielten Überwachung” so abgebügelt hat, wäre das ein Signal in die richtige Richtung. Ob’s bei den Verantwortlichen ankommt und für etwas mehr Augenmaß sorgt, dürfte aber mehr als fraglich sein.

Wenn das Handy vor dem Blitzer warnt

Zu den beliebten Apps gehört blitzer.de – gleichermaßen erhältlich fürs iPhone und für Android. Das Programm bestimmt über das im Handy eingebaute GPS die aktuelle Position und greift dann auf eine Datenbank stationärer und mobiler Radarfallen zurück. Auch die Standorte mobiler Blitzer sind meist topaktuell, denn jeder Nutzer kann von unterwegs aus eine Überwachungsanlage melden. Praktischerweise geht das mit einem Klick.

Blitzer.de ist aus Sicht eines Autofahrers sicher praktisch, ebenso wie vergleichbare Apps oder die ja schon länger, wenn auch meist über Drittanbieter, erhältliche Warnsoftware für die meisten Navigationsgeräte. Dem offenkundigen “Nutzen” steht aber auch ein rechtliches Risiko gegenüber. Denn die Nutzung der App während der Fahrt dürfte gemäß § 23 Straßenverkehrsordnung verboten sein. Darin heißt es:

Dem Führer eines Kraftfahrzeuges ist es untersagt, ein technisches Gerät zu betreiben oder betriebsbereit mitzuführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Das gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte).

Auch die Telefonapp zeigt Verkehrsüberwachungsmaßnahmen an. Bei stationären Blitzern kann man noch ein wenig darüber streiten, ob diese nicht als statische “Points of interest” (POI) geltend und somit gezeigt werden dürfen. Manche Navihersteller vertreten diese Auffassung. Ihre Geräte zeigen deshalb stationäre Radarfallen an. Bei den mobilen Radarfallen erübrigt sich aber die Diskussion. Blitzer.de und andere Warnapps erfüllen mit der Anzeige mobiler Tempokontrollen die Voraussetzungen der Vorschrift. Es ist also untersagt, mit angeschaltetem blitzer.de Auto zu fahren (es sei denn vielleicht, man deaktiviert die Warnung vor mobilen Radarfallen).

Die große Frage ist, ob die App vielleicht schon als “betriebsbereit” gilt, bloß weil sie auf dem Mobiltelefon installiert ist. Urteile zu der Frage gibt es noch nicht. Das Amtsgericht Lüdinghausen hat allerdings mal für einen mobilen Radarwarner entschieden, dieser sei nicht betriebsbereit, wenn er nicht per Batterie betrieben werden kann und die Polizei kein Stromkabel im Auto findet. Der Gedanke lässt sich allerdings nur schwer eins zu eins auf installierte Software übertragen – die startet ja nun mal mit einem Tastendruck.

Gegen eine Betriebsbereitschaft der ausgeschalteten App spricht jedenfalls, dass die Software nach ihrem Start etwas braucht, bis das GPS die Position lokalisiert hat. Ich meine deshalb, dass die App frühestens betriebsbereit im Sinne des Gesetzes ist, wenn sie (und das GPS) eingeschaltet wurde.

Da man das aber auch anders sehen kann, wird es früher oder später sich mal für jemanden kniffelig werden, wenn das Thema bei Polizisten auf dem Radar erscheint und sie anfangen, Smartphones von Autofahrern einfach so auf eine Blitzer-App zu filzen.

Mit anlasslosen Kontrollen, am besten noch bei jedem Angehaltenen, begäben sich die Beamten allerdings auf glattes Parkett. Denn es gibt keine Rechtsnorm, welche Polizisten generell gestattet, Smartphones auf Blitzer-Apps zu kontrollieren. Für eine Untersuchung müsste es zumindest einen Anfangsverdacht geben. Allein der Besitz eines solchen Telefons ist aber nicht verboten und deshalb auch nicht verdächtig.

Interessant wird es spätestens dann, wenn blitzer.de auf dem Smartphone des Beifahrers installiert ist. Hier ist die Straßenverkehrsordnung keineswegs eindeutig. Dem Wortlaut nach nimmt sie nur den Fahrer in die Pflicht. Ob und inwieweit der einem Beifahrer, der ja auch telefonieren darf, den Betrieb einer Blitzer-App untersagen muss oder überhaupt kann, ist eine offene Frage. Gerichte können das so oder auch anders sehen (und werden es wahrscheinlich auch).

Wer also mal in die unangenehme Situation kommt, dass sein Handy oder das des Beifahrers auf “betriebsbereite” Radarwarner untersucht werden soll, kann dem auf jeden Fall entschieden widersprechen und mit rechtlichen Schritten drohen. Zugegeben, das ist nicht jedermanns Sache, klappt aber mitunter ganz gut. Denn unnötigen Ärger wollen sich die wenigsten Polizisten einhandeln – gerade wenn sie sich in rechtliche Grauzonen wagen. Sie suchen sich dann oft lieber jemanden, der klaglos kuscht.

Ansonsten ist die Nutzung von blitzer.de übrigens völlig legal. Jedermann darf sich vor Antritt der Fahrt oder auch unterwegs außerhalb seines Autos mit der App darüber informieren, wo Radarfallen gemeldet sind.

Wird man während der Fahrt mit einer laufenden Blitzer-App erwischt, droht im schlimmsten Fall die Beschlagnahme und Vernichtung des Mobiltelefons. Für Radarwarner haben mehrere Gerichte bereits bestätigt, dass die Geräte eingezogen werden dürfen. Gleiches gilt auch für mobile Navigationssysteme mit zusätzlicher Blitzerwarnsoftware. Bei Smartphones wird die Justiz da wohl nicht plötzlich milde werden.

Ganz billig ist die Benutzung einer Blitzer-App im Auto übrigens nicht. Das Verwarnungsgeld beträgt mindestens 75 Euro Bußgeld. Außerdem bringt der Spaß vier vier Punkte in Flensburg.

“Ihr seid echt die geilsten Bullen, Alder!"

Aus dem Polizeiticker:

Große Erleichterung verspürte am Dienstagnachmittag ein 26-jähriger Mann aus Darmstadt, nachdem er nach langem Hin und Her gerade noch die Verbüßung einer 65-tägigen Haftstrafe abwenden konnte.

Der Mann war von Zivilfahndern der Darmstädter Polizei auf dem Luisenplatz festgenommen worden. Gegen ihn lag ein aktueller Haftbefehl wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz vor.

Zur Auswahl standen die Einzahlung von 650,- EUR Geldstrafe oder 65 Tage Haft in einer Justizvollzugsanstalt. Siegessicher präsentierte der 26-Jährige einen Einzahlungsbeleg über die geforderte Summe. Zu seinem Pech stellte sich jedoch schnell heraus, dass diese Summe für einen zweiten Haftbefehl gegolten hatte, den er erst vor wenigen Tagen eingezahlt hatte. Bei zwei Haftbefehlen kann man schon einmal den Überblick verlieren und so war die Verzweiflung groß.

Die "Freunde und Helfer" gaben dem Mann noch eine Chance, innerhalb seiner Verwandtschaft telefonisch Geld aufzutreiben. Das Telefon glühte und das Gesicht des Mannes wurde immer länger, wollte ihm doch keiner der Verwandten aus der Patsche helfen.

Erst kurz vor den Toren der Justizvollzugsanstalt kam bei den Beamten die für den Mann erlösende Nachricht an, dass nun doch mehrere zahlungswillige Verwandte auf der Polizeiwache eingetroffen seien.

Die dort erschienenen Oma, Tante und Cousine meinten zwar "Ein Tag im Knast täte Dir mal gut!", ließen ihn aber letztlich doch nicht hängen. So konnte die Geschichte letztlich doch noch zu einem für den Betroffenen glücklichen Ende gebracht werden, was wohl auch in den Dankesworten "Ihr seid echt die geilsten Bullen, Alder!" irgendwie zum Ausdruck kommen sollte.

Wenn wir schon mal da sind

Es ging um angebliche Urheberrechtsverletzungen. Diesmal war der Durchsuchungsbeschluss geradezu vorbildlich formuliert, zumindest was die Arbeitsanweisung an die Polizeibeamten anging. Sie sollten nach PCs, Laptops und externen Datenträgern suchen.

Mein Mandant war deshalb erstaunt, dass einer der Polizisten sich bei der Durchsuchung auch für ganz andere Dinge interessierte. Zum Beispiel das Geld im Portemonnaie meines Auftraggebers. Schein für Schein habe er gegen das Licht gehalten und das Geld misstrauisch beäugt. “Wenn wir schon mal da sind, gucken wir auch nach Falschgeld”, soll er gesagt haben.

Dann habe sich der Beamte den privaten Fotoalben meines Mandanten zugewandt und diese seelenruhig durchgeblättert. Auch hierfür habe er eine Erklärung gehabt: “Ich schaue nach, ob Sie vielleicht Kinderpornos besitzen.”

Dass er gar keinen Auftrag hatte, nach solchen “Beweismitteln” zu suchen, hat den Beamten wohl nicht interessiert. “Lassen Sie mich mal meine Arbeit machen, ich weiß schon, wie das geht.”

Mein Mandant hat die Prozedur wohl still erduldet. Ich weiß nicht, ob mir das gelungen wäre.

Urteil: Ausbildungskosten sind absetzbar

Gute Nachrichten für (ehemalige) Auszubildende und Studenten, die den Staat an ihren Ausbildungskosten beteiligen möchten. Der Bundesfinanzhof hat es in zwei Grundsatzentscheidungen für zulässig erklärt, dass Ausbildungskosten nach Berufsantritt von der Steuer abgesetzt werden. Die bisherige Praxis der Finanzämter, eine Abschreibung von früheren Ausbildungskosten nicht anzuerkennen, ist nach Auffassung der Richter nicht mit der Gesetzeslage vereinbar.

Ein Pilot und eine Medizinstudentin hatten geklagt, weil sie ihre Kosten für Ausbildung und Studium nach Berufsantritt nicht steuerlich geltend machen durften. Bei der Ablehnung haben sich die Finanzbehörden auf eine seit 2004 geltende Regelung berufen. Diese hält der Bundesfinanzhof aber nicht für anwendbar.

Die Entscheidung gilt ausdrücklich für Erststudien und Erstausbildungen. Außerdem muss die spätere Berufstätigkeit auf der Ausbildung aufbauen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, dürfen nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs die Ausbildungskosten nun “abgeschrieben” werden.

Ob und inwieweit die Finanzämter mitspielen, ist noch nicht ausgemacht. Der Bundesfinanzminister hat die Möglichkeit, die Nichtanwendung der Urteile zu verfügen. Dann müssen andere Betroffene auf jeden Fall selbst klagen, wenn sie zu ihrem Recht kommen wollen.

Bundesfinanzhof, Urteile vom 28.07.11, Aktenzeichen VI R 38/10 und VI R 7/10