Handysperre erst ab 75 Euro Rückstand

Mobilfunkanschlüsse dürfen erst gesperrt werden, wenn der Kunde mit mindestens 75 Euro im Rückstand ist. Dies stellt der Bundesgerichtshof in einem Urteil gegen E-Plus klar. Die Verbraucherzentralen hatten das Mobilfunkunternehmen verklagt, weil es sich eine Anschlusssperre schon für viel geringere Rückstände vorbehielt.

Außerdem sollte eine Sperre sofort möglich sein, wenn ein eingeräumtes Kreditlimit überschritten wird. Auch für Überschreitungen des Kreditlimits gilt nach der Karlsruher Entscheidung aber die 75-Euro-Grenze.

Damit bestätigt der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung. Er hatte nämlich im Februar schon T-Mobile und Congstar verurteilt, die 75-Euro-Grenze bei Anschlusssperren zu beachten. Der Betrag stammt aus einer gesetzlichen Regelung, die aber ausdrücklich nur für Festnetzanschlüsse gilt. Da die obersten Richter keinen Grund für sachliche Unterschiede sehen, wenden sie die 75-Euro-Grenze nun auch konsequent beim Mobilfunk an.

Mitteilung der Verbraucherzentralen / Link zum Urteil

Der Rotz, der unser Leben lebenswert macht

Das nenne ich mal einen Rundumschlag:

Was ja am Ende, glaubt mensch an die Macht von Sprache, Texten und Diskursen u.a. dazu führt, dass Wichser wie Strauss-Kahn trotz relativ eindeutiger Beweislage wohl am Ende freigesprochen werden. Begründet wird das dann gern mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip, der Aufklärung und all dem Rotz, der von weißen europäischen Männern in mächtigen Positionen erfunden wurde, um ihren Besitzstand zu wahren und universale Menschenrechte für ihren eigenen Vorteil zu instrumentalisieren.

Diese pointierte Meinung über gewisse Prinzipien unseres Zusammenlebens steht auf dem Blog “Medienelite”. Er stammt aus der Feder von Nadine Lantzsch. Laut ihrer Vita ist sie gelernte Journalistin und war bisher unter anderem beim Tagesspiegel tätig. Also jetzt nicht unbedingt eine Stimme, die man einfach so einfach in den Kreis “durchgeknallt” ziehen kann.

Ob sich Nadine Lantzsch schon mal gefragt hat, was die Alternative zum Rechtsstaat ist? Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur Regeln für seine Bürger erlässt und diese durchsetzt. Nein, er akzeptiert die Spielregeln auch selbst. Damit gibt er den Menschen zwar kein Glückversprechen, aber ein Anrecht auf ein faires Verfahren.

Der Gegensatz zum Rechtsstaat ist der Willkürstaat. Im Willkürstaat gibt es möglicherweise auch Regeln. Diese werden aber von denen, die das Sagen haben, außer Kraft gesetzt. Und zwar immer dann, wenn ihnen die Regeln gerade mal nicht in den Kram passen. Zum Beispiel dann, wenn sich das erhoffte Ergebnis nicht erreichen lässt.

Das ist es wohl, was die Autorin jedenfalls bei möglichen Sexualstraftaten für notwendig hält. Wenn ein Schuldspruch opportun erscheint, wird er eben herbeigeführt. Hauptsache, die materielle Gerechtigkeit siegt – auch wenn es nur wiederum eine Interessengruppe ist, die definiert, was gerecht zu sein hat. Hier wäre diese Interessengruppe wohl all jene von mächtigen weißen europäischen Männern in mächtigen Positionen sexuell ausgebeuteten Frauen – sofern ich Nadine Lantzsch in diesem Punkt richtig verstehe.

Damit verabschiedeten wir uns gesamtgesellschaftlich ins frühe Mittelalter oder noch dunklere Zeiten. Passenderweise wären dann ja auch die von der Autorin erwähnten universalen Menschenrechte obsolet. Dass sexuelle Gewalt gegen Frauen in diesem neuen Kosmos ein geringeres Problem wäre – diesen Beweis bleibt uns Nadine Lantzsch trotz ihrer vielen Worte allerdings schuldig.

Geschichte und Gegenwart belegen im übrigen das Gegenteil.

Nachtrag 1: Die Autorin nimmt Stellung

Nachtrag 2: Andreas Zielcke schreibt in der SZ zum Thema

Ein Name für jedes Gesicht

Wie moderne Gesichtserkennung funktioniert, zeigen gerade die Macher des Glastonbury Festivals. Sie haben ein hochauflösendes Bild vom Publikum gemacht und lassen nun unter reger Teilnahme Dritter sämtliche Gesichter via Facebook taggen. Am Ende ist das Gesicht in der Menge öffentlich mit seinem Facebook-Profil verbunden.

Das Ergebnis ist beeindruckend, wie ein Besuch auf der Webseite zeigt. Rund 9.000 Besucher sind auf diese Art und Weise bereits “identifiziert”. Die Fehlerquote ist natürlich nicht bekannt.

Ebenso ist das Ergebnis aber auch beunruhigend. Es zeigt, wie leicht Gesichter heute einer konkreten Person zugeordnet werden können. Wenigstens, wenn sie auf einem sozialen Netzwerk vertreten ist. Das bedeutet also Post Privacy. Man sollte es immerhin wissen…

(gefunden bei @frischkopp)

Nachtrag: Der WDR hat ein gleichartiges Projekt

Alles neu bei Berufungen in Zivilverfahren

Das Berufungsrecht im Zivilverfahren wird neu geregelt. Künftig soll es mehr mündliche Verhandlungen geben. Berufungen dürfen nur noch ohne mündliche Verhandlungen zurückgewiesen werden, wenn sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Außerdem wird der Streitwert für Revisionen herabgesetzt. Hierfür gilt künftig eine Streitwertgrenze ab 20.000 Euro.

Mit der Gesetzesänderung reagiert der Bundestag auf den Umstand, dass in Berufungsverfahren viele Prozesse durch schriftlichen Beschluss beendet wurden. Künftig soll die mündliche Verhandlung wieder die Regel sein.

Die mündliche Verhandlung ist nach Auffassung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger das Herzstück im Prozess. Hier könnten die Beteiligten ihren Standpunkt offen mit den Richtern diskutieren. Das neue Gesetz stelle sicher, dass die Richter über alle wichtigen Fälle mit den Beteiligten persönlich reden.

Mit der Reform wird auch ein neues Rechtsmittel eingeführt. Bisher konnten die Berufungsgerichte bestimmte Fälle unabhängig vom Streitwert durch unanfechtbaren Beschluss entscheiden. Dann war in der zweiten Instanz Schluss, ohne dass es weitere Rechtsmittel gab, selbst wenn es um große Summen ging. Das ändert sich nun. Künftig unterliegt die Rechtsprechung der Berufungsgerichte für Streitwerte ab 20.000 Euro immer der höchstrichterlichen Kontrolle.

Die Reform beseitigt auch regionale Unterschiede im Rechtsschutz. Bisher wurde von Gericht zu Gericht sehr unterschiedlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Berufungen durch unanfechtbaren Beschluss zurückzuweisen. Während in bestimmten Gerichtsbezirken mehr als jede vierte Berufung durch unanfechtbaren Beschluss zurückgewiesen wurde, war es in anderen Regionen nicht einmal jede zehnte.

Mit dem neuen Gesetz wirken sich, so die Hoffnung der Bundesregierung, die regionalen Unterschiede nicht mehr aus. Der Gerichtsort entscheide nicht mehr über die Qualität des Rechtsschutzes.

Der Bundestag hat das Gesetz bereits verabschiedet. Der Bundesrat muss nicht zustimmen. Deshalb wird es kurzfristig in Kraft treten.

Jurastudent klaut Dienstmütze

Bei einem Einsatz auf dem Sommerfest der Mainzer Universität mussten Polizisten am Wochenende eilig ihren Streifenwagen verlassen. Mit der Fernbedienung verschloss ein Beamter den Wagen, als er schon einige Meter entfernt war. Den kurzen Zeitraum nutzte ein 24-jähriger Jurastudent und stahl aus dem offenen Fahrzeug eine Dienstmütze.

Das Sicherheitspersonal des Sommerfestes behielt den Studenten samt Trophäe im Auge. Schließlich konnte er von den Beamten kontrolliert werden. Der angehende Jurist war uneinsichtig. Er kannte lediglich seine Rechte, nicht aber seine Pflichten als Beschuldigter im Strafverfahren, welche ihm die Beamten nach eigenen Angaben mit Nachdruck erläuterten.

Die Dienstmütze wurde sichergestellt und ziert nun wieder den Kopf des rechtmäßigen Besitzers.

Junge Polizei: “Kampagne war verunglückt”

Vor einigen Tagen habe ich über eine Fotokampagne der Jungen Polizei Bremen berichtet. Die Junge Polizei ist die Jugendabteilung der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die Bilder lösten in den Kommentaren des verlinkten Beitrags eine heftige Diskussion aus. Die Debatte hat nun Folgen.

Die Junge Polizei nimmt die Bilder aus dem Verkehr. In einer Stellungnahme mir gegenüber heißt es:

Wir haben die Fotos der zugegeben völlig verunglückten Kampagne von unserer Homepage entfernt und auf der Startseite eine Stellungnahme verfasst. Wir distanzieren uns ausdrücklich von irgendwelchen rassistischen Gedanken oder Ähnlichem. Es stand nie in unserer Absicht, irgendwelche Religionen oder Völker negativ darzustellen, sondern auf die politische Lage hinzuweisen, dass die innere Sicherheit durch erhöhte Belastung (Stuttgart 21, Terrorgefahr, Castor etc.) und konsequentem Stellenabbau immer weiter gefährdet wird.

Die offizielle Stellungnahmen, die derzeit auf der Homepage der Jungen Polizei, aber auch der der Deutschen Polizeigewerkschaft Bremen stehen, lesen sich ähnlich.

Ich habe auch einige Mails von Polizeibeamten erhalten, die sich zu der Kampagne äußern. Sie waren alle ziemlich entsetzt über das, was die Junge Polizei in Bremen abgeliefert hat. Mit zweien der Beamten habe ich telefoniert. Nach ihren Angaben gab es eine heftige Protestwelle aus den Reihen der Polizei und insbesondere den Mitgliedern der Deutschen Polizeigewerkschaft. Dazu sollen auch Austrittsdrohungen gehört haben, die auch an den Bundesvorstand der Deutschen Polizeigewerkschaft gerichtet waren. Dieser interne Widerstand gegen die Aktionen der Jungen  Polizei soll maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Kampagne zurückgezogen wird.

Ich erwähne das sehr gerne, weil es zeigt, dass nicht alle Polizisten und insbesondere auch nicht alle Mitglieder der Polizeigewerkschaft, deren Spitze ja auch ansonsten verbal nicht zimperlich ist, auf ein derartige Überspitzung abfahren.

Die Junge Polizei Bremen hat mich freundlich gebeten, die diskutierten Bilder aus dem law blog zu nehmen, um falsche Eindrücke künftig zu vermeiden.

Bericht in der Süddeutschen Zeitung

Vier Worte zu viel

Der Beschluss ist kurz, verständlich – und lehrreich. Der Bundesgerichtshof erklärt jedem, der als Beschuldigter bei der Polizei sitzt, wie gefährlich schon vier Worte sein können. Ein Verdächtiger hatte in seiner Vernehmung erklärt:

Ich sage nur eins: der hat es verdient! Sonst sage ich nichts ohne meinen Anwalt.

Später berief sich der Mann auf Notwehr. Das Gericht glaubte ihm die Notwehr auch deswegen nicht, weil er dazu bei der Polizei nichts gesagt hat. Der Bundesgerichtshof sieht es als zulässig an, die kurze “Aussage” des Mannes zu verwerten, obwohl er ja eigentlich erkennbar von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen wollte.

Hätte der Beschuldigte gar nichts gesagt, wäre sein komplettes Schweigen “neutral” gewesen. Es hätte ihm also nicht vorgeworfen werden können, dass er nicht schon bei der Polizei eine Notwehrsituation geschildert hat. Würde man so was machen, wäre das Recht des Beschuldigten, sich gar nicht zur Sache zu äußern, nämlich wertlos.

Über die Begründung der Karlsruher Richter kann man streiten. Aber sie haben das letzte Wort. Und ihre Botschaft sollte deshalb nicht ungehört verhallen: Wer bei der Polizei nichts sagen will, sollte sich zu 100 % daran halten und wirklich eisern schweigen. Sonst kann es ihm das Genick brechen.

Ich werde dieses Beispiel künftig dankend nutzen, um meinen Mandanten die Gefahren deutlich zu machen, die um die Ecke lauern, selbst wenn sie auf ihr Schweigerecht pochen.

Link zum Beschluss des Bundesgerichtshofs

Anwalt und Internetpirat

Ab und zu werde ich gefragt, welche Fehler man beim Bloggen vermeiden sollte. An erster Stelle sage ich, man sollte sein Blog nicht als reine PR-Veranstaltung aufziehen. Ab heute werde ich hinzufügen, man sollte wenigstens nicht zugeben, dass es einem nur ums Marketing geht – selbst wenn es offensichtlich ist.

Die kleine Ergänzung verdanke ich einem angesäuerten Berliner Anwalt. Dieser beklagt sich heute in seinem Blog darüber, dass andere Juristen auf ihren Internetseiten eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin veröffentlichen, die ER gegen Google erwirkt hat. Die Entscheidung hat der Anwalt zunächst auf seiner eigenen Homepage als PDF veröffentlicht; in seinem Blog wies er darauf hin.

In dem Beschluss wird Google für Beleidigungen haftbar gemacht, die (vermutlich) Unbekannte auf Blogger.com bzw. Blogspot.com hinterlassen haben. Das Landgericht Berlin bejaht also eine “Forenhaftung” auch für den amerikanischen Riesen und droht dem Google-Vorstand Zwangsgelder oder gar Haft an, sofern Google die beanstandeten Inhalte nicht entfernt.

Offensichtlich eine Entscheidung, die fürs Web 2.0 wichtig werden kann. Dementsprechend ist es wenig überraschend, dass der nun mal veröffentlichte Beschluss auch von anderen Anwälten aufgegriffen und publiziert wird. Das aber wiederum stört den Berliner Anwalt, denn er betrachtet die Entscheidung offenbar als so etwas wie sein Eigentum.

Jedenfalls mokiert er sich darüber, dass diverse Kollegen nicht auf sein PDF verlinken, sondern den (kurzen) Beschluss auf ihrer eigenen Seite bringen. Für den Berliner Anwalt handelt es sich hierbei  um “Raubkopien”. Er spricht von “netter Werbung mit fremder Arbeit” und von “ein bisschen Internetpiraterie”. Den aus seiner Sicht raubkopierenden Kollegen gibt er den großzügigen Rat:

Es lohnt in diesem Fall nicht, sich mit fremden Federn zu schmücken.

In seiner Verärgerung scheint der Berliner Jura-Blogger etwas den Sinn für die Realität verloren zu haben. Zunächst mal wird da gar nichts aus seiner Feder raubkopiert. Was auf anderen Seiten auftaucht, ist allein die Entscheidung eines Gerichts. Die ergeht nicht nur im Namen des Volkes; sie ist auch unbelastet von jedem Urheberrecht. Rechtlich ist also gar nichts daran auszusetzen, wenn Urteile von anderen veröffentlicht werden. Es gibt keine Exklusivrechte an Gerichtsentscheidungen.

Ziemlich daneben ist auch die Behauptung, die Betreffenden würden den Eindruck erwecken, sie hätten die Entscheidung erwirkt. Dass Anwälte auf ihren Internetseiten Urteile veröffentlichen, ist ja wahrlich nichts Neues. Kein Leser kommt da auf den Gedanken, der betreffende Jurist sei an jedem Verfahren selbst beteiligt gewesen. Es sei denn natürlich, er lässt das ausdrücklich anklingen. Was hier aber nicht der Fall ist.

Natürlich kann man immer darüber diskutieren, ob es nicht nett ist, jemandem “Credits” zu geben. Der Berliner Kollege besteht aber darauf, dass andere “sein” Urteil nicht selbst veröffentlichen, sondern auf seine Seite verlinken. Tun sie das nicht, sind sie eben Internetpiraten.

So eine Anspruchshaltung, ich habe es eingangs erwähnt, sagt mehr über das betreffende Blog als über die Ziele der Kritik. Aber immerhin ist der Berliner Anwalt freimütig. Er erwähnt selbst, dass bei ihm auch “gekränkte Eitelkeit” eine Rolle spielt. Das ist so erfrischend ehrlich, dass sein Blog vielleicht doch keine hundertprozentige PR-Veranstaltung ist.

Links 647

„Die Mächtigen, die heute mein Land regieren, haben ein sehr schmutziges, hässliches Herz“

Rassenhass gegen Deutsche – ein verdrängtes Problem?

Deutschland muss Gefangenen entschädigen

Leopard-Hersteller spendeten an CDU, FDP und SPD

Die Linke freut sich über Geld von der Polizei

Wieso eine Nachrichtenagentur falsche Abmahnungen in Kauf nimmt

Das Landgericht Freiburg verteidigt die Rechtsordnung

Gericht rehabilitiert mutmaßlichen Vergewaltiger / Artikel aus dem Zeitungsarchiv

„Ich widerspreche meiner Ministerin“

Rückständiges Arbeiten

Zu den ewigen Streitpunkten bei Tempoverstößen gehört die Frage, ob der Verteidiger die Bedienungsanleitung für das Messgerät sehen darf. Hier hat das Amtsgericht Lüneburg richtig geurteilt:

Der Verteidiger … hat ein Recht auf Einsicht in alle Unterlagen, die auch einem Sachverständigen zu Verfügung stehen würden. Um zu gewährleisten, dass der Verteidiger der Betroffenen die Bedienung und Aufstellung des Messgerätes nachvollziehen und überprüfen kann und entsprechend die Zeugen in der Hauptverhandlung befragen kann, ist ihm Einsicht in die Bedienungsanleitung zu gewähren.

So vernünftig dieser Standpunkt ist, so aberwitzig argumentiert das Gericht bei der Frage, ob dem Verteidiger die Bedienungsanleitung oder wenigstens eine Kopie zur Verfügung gestellt werden muss:

Das Einsichtsrecht ist durch Einsichtnahme in den Räumen der Bußgeldbehörde auszuüben. Eine Übersendung kann nicht erfolgen. Das Bußgeldverfahren ist ein Massenverfahren. Zum einen wird die Bedienungsanleitung der Messgeräte von den Messbeamten ständig benötigt und kann deshalb schon nicht im Original versandt werden. Zum anderen würde aufgrund der Vielzahl der Bußgeldverfahren die jeweilige Anfertigung von Kopien die Kapazitäten der Behörde in einem erheblichen Ausmaß überschreiten. 

Stattdessen soll der Verteidiger aus einer anderen Stadt auch “weit”, also möglicherweise mehrere hundert Kilometer anreisen müssen.

Offenbar ist dem Gericht nicht bekannt, dass die Hersteller elektronischer Geräte ihren Kunden heutzutage PDFs der Bedienungsanleitung zur Verfügung stellen. Dass ausgerechnet die Hersteller von Tempomessgeräten noch ausschließlich auf totes Holz setzen, wäre mir neu.

Jeder Sachbearbeiter im Ordnungsamt hat schon heute eine Sammlung von Textbausteinen zur Verfügung. (Deshalb klingen die Briefe auch immer gleich langweilig.) Es wäre also eine leichte Übung, in dieser Textbausteinverwaltung die passenden Bedienungsanleitungen für die genutzten Messgeräte zu hinterlegen.

Wenn der Mitarbeiter dem Anwalt die Akte übersendet (oder diese, wie so oft, gar erst ausdruckt), könnte er mit dem Begleitschreiben problemlos die Bedienungsanleitung mit ausgeben lassen. Von der Möglichkeit, das PDF des Manuals einfach per E-Mail zu schicken, will ich gar nicht reden.

Aber nein, das Amtsgericht Lüneburg stellt es so dar, als müsste bei jedem Einsichtsgesuch die Bedienungsanleitung hervorgekramt und mühsam Seite für Seite abkopiert werden. Entweder ist das bösartig. Oder der zuständige Richter denkt, es wird überall so rückständig gearbeitet wie an einem Amtsgericht.

Letzteres wäre dann wieder ein Beleg dafür, dass es manchmal sehr sinnvoll sein kann, vor einer so weitgehenden Entscheidung aus dem Elfenbeinturm zu blicken.

Link zum Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg

Schmerzhaftes Public Viewing

Während der Fußballweltmeisterschaft 2006 zeigte ein Veranstalter im Rahmen eines "Public Viewings” Länderspiele. Er baute dazu mit Genehmigung des Ordnungsamtes eine dreistöckige Sitztribüne, die nicht mit Geländern abgesichert war. Aus dem Stand stürzte ein selbständiger IT-Fachmann gemeinsam mit einem anderen Zuschauer aus 80 cm Höhe zu Boden und brach sich hierbei den Arm. Der Essener war mehrere Monate arbeitsunfähig und verklagte den Veranstalter nun erfolgreich auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Ein Veranstalter, so sagt es der 9. Zivilsenat des OLG Hamm (Aktenzeichen Z I-9 U 44/10), „ist für die Sicherheit von stehenden Zuschauern auf einer Sitztribüne verantwortlich“. Der Veranstalter werde nicht durch eine ordnungsbehördliche Genehmigung entlastet. Er habe seine „Verkehrssicherungspflichten“ verletzt und hafte daher für die entstandenen Schäden.

Die Gefahr sei „bei wiederholten tumultartigen Bewegungen unter den Zuschauern auf der Bühne offensichtlich gewesen“. Dem Essener sprach der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro und weiteren Schadensersatz (unter anderem für Verdienstausfall) in Höhe von etwa 3.300 Euro zu.

Allerdings machte das Gericht auch Abstriche und rechnete dem verletzten Mann 50 Prozent Mitverschulden an. Er hätte sich durch vorsichtiges Verhalten (Motto „Augen auf“) vor Schaden schützen und den Tribünenrand meiden können. Im Kern gilt jedoch, so was Gerichtssprecherin Ulrike Kaup: „Veranstalter müssen vor Gefahren schützen, die Besucher nicht gleich erkennen können!“ (pbd)

Auch Ärzte dürfen Sado-Maso-Sex haben

Vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg hat sich ein Arzt aus dem Märkischen Kreis erfolgreich gegen den Widerruf seiner Approbation durch die Bezirksregierung Arnsberg gewandt. Die Bezirksregierung hatte sich auf verschiedene strafgerichtliche Verurteilungen des Klägers und darauf gestützt, dass er mit zwei Patientinnen Beziehungen geführt hatte, in deren Verlauf es zu sadomasochistischen Sexualpraktiken gekommen war.

In der Urteilsbegründung kommt die 7. Kammer zu dem Ergebnis, dass das Verhalten des Arztes weder seine Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs noch seine Unzuverlässigkeit begründe. Im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei die Approbation nur zu widerrufen, wenn ein schwerwiegendes Fehlverhalten die weitere Berufsausübung als untragbar erscheinen lasse, oder wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, der Arzt werde in Zukunft die berufsspezifischen Pflichten nicht beachten.

Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Die strafrechtlichen Verurteilungen, insbesondere eine Verurteilung wegen Betruges und Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung, rechtfertigten den Widerruf der Approbation nicht. Sie beträfen weder den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit, nämlich das Arzt-Patienten-Verhältnis, noch überhaupt die Tätigkeit des Klägers als Arzt. Sie stünden in keinerlei Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit.

Das Gericht hat außerdem nach einer Zeugenvernehmung nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger seiner damaligen Freundin bei einem Streit erhebliche Verletzungen beigebracht habe, so dass auch insoweit sein Verhalten nicht den Widerruf der Approbation rechtfertige.

Schließlich werde das Ansehen und das Vertrauen, das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar erforderlich sei, auch nicht dadurch zerstört, dass der Kläger im Rahmen sexueller Beziehungen zu zwei Frauen, die er als Patientinnen kennen gelernt hatte, sadomasochistische Praktiken ausgeübt habe.

Dieses Verhalten sei nicht strafbar, da der Kläger seine Partnerinnen weder mit Gewalt noch mit Drohungen zu sexuellen Handlungen genötigt habe. Diese hätten die Praktiken hingenommen, um die Beziehung nicht zu gefährden. Die Einwilligung sei mit Blick auf Art und Schwere der Verletzungshandlungen auch nicht sittenwidrig.

Es lasse sich zudem nicht feststellen, dass der Kläger das Arzt-Patienten-Verhältnis ausgenutzt habe, um die Beziehungen in der von ihm gewünschten Art führen zu können. Er habe die beiden Frauen zwar als Patientinnen kennen gelernt. Sie seien von ihm als Arzt aber nicht abhängig gewesen. Die sexuellen Beziehungen seien deshalb vom Arzt-Patienten-Verhältnis getrennt zu betrachten. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass der Kläger den Partnerinnen bei den sadomasochistischer Praktiken vorsätzlich gravierende Verletzungen zugefügt habe, die auch bei fehlender Strafbarkeit mit dem Bild eines helfenden und heilenden Arztes unvereinbar wären.

Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteil vom 16. Juni 2011, Aktenzeichen 7 K 927/10

Mimimi-Polizisten

Die Junge Polizei in Bremen macht mit einer Fotokampagne, die auch auf der offiziellen Seite der Deutschen Polizeigewerkschaft Bremen zu sehen ist, auf die dienstlichen Nöte von Polizeibeamten aufmerksam. Ich weise gern auf die Aktion hin. Auch wenn ich meine, dass sie mehr über die Geisteshaltung vieler Polizisten und ihre Mimimi-Einstellung sagt als über die angesprochene Problematik.

Nachhaltig beeindruckt hat mich dieses Motiv:

Bild nachträglich aus Gründen entfernt

Dieses hier ist allerdings auch zeigenswert:

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Und zum Abschluss:

Bild nachträglich aus Gründen entfernt

Offen gesagt, mir ist ein bisschen schlecht.