Nicht schmerzbefreit

Entgegen anderslautenden Gerüchten scheinen Sachbearbeiter bei der GEZ nicht völlig schmerzbefreit zu sein. Jedenfalls hat das Amtsgericht Düsseldorf nun festgestellt, dass folgende Formulierung in einem Schreiben an die GEZ beleidigend ist:

Ich ficke Deine Mutter, Du kleiner schwuler Sachbearbeiter.

Der Rundfunkkunde wider Willen muss nun eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zahlen. Ich konnte daran leider auch nichts ändern.

Auch alte Sparbücher beweisen Forderung

Eine Bank kann sich bei “vergessenen” Sparbüchern nicht einfach unwissend stellen. Insbesondere kann sie nicht einwenden, keine Kontounterlagen mehr zu haben. Mit dieser Begründung verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt nun eine Bank, Guthaben und Zinsen für ein Sparkonto auszuzahlen, auf dem es seit über 50 Jahren keine Bewegung mehr gegeben hat.

Im entschiedenen Fall ging es nicht bloß um ein vergessenes Konfirmationsguthaben. Vielmehr wies das Sparbuch als letztes Guthaben 106.000 DM aus. Der Sohn und Erbe eines Verstorbenen fand das Sparbuch im Nachlass und legte es der Bank zur Abrechnung vor. Das Geldhaus bestritt jedoch die Echtheit des Sparbuchs und berief sich darauf, nach so langer Zeit seien keine Unterlagen mehr vorhanden.

Die Richter ließen einen Sachverständigen prüfen, ob das Sparbuch echt ist. Der Experte fand keine Anhaltspunkte für eine Fälschung. Somit sei das Sparbuch eine taugliche Beweisurkunde, befand das Oberlandesgericht Frankfurt. Es sei dann Aufgabe der Bank, diesen Beweis zu erschüttern. Wenn die Bank Unterlagen über offene Guthaben nicht aufbewahre, sei das ihr Problem.

Die Bank muss jetzt die 106.000 DM ordnungsgemäß verzinsen und in Euro auszahlen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.2.2011, Aktenzeichen 19 U 180/10

Führerscheinverzicht löscht Punkte nicht

Wird einem Verkehrssünder die Fahrerlaubnis entzogen, hat das wenigstens einen positiven Effekt. Sein Punktekonto in Flensburg wird auf null gestellt. Hierauf hoffte auch ein Autofahrer, der seinen Führerschein freiwillig abgegeben hatte. Zu Unrecht, urteilte jetzt das Bundesverwaltungsgericht. Nach Auffassung der Richter bleibt das Punktekonto unverändert, wenn der Betroffene auf seine Fahrerlaubnis verzichtet.

Geklagt hatte ein Autofahrer, der dem Entzug seiner Fahrerlaubnis zuvorgekommen war. Er sollte wegen zu vieler Punkte zur MPU, konnte sich den “Idiotentest” aber nach eigenen Angaben nicht leisten. Er verzichtete auf die Fahrerlaubnis, machte aber nach Monaten erneut den Führerschein. Nachdem er wegen neuer Verkehrsverstöße 16 Punkte (Kontostand einschließlich alter Führerschein) erreicht hatte, meldete sich die Führerscheinbehörde bei ihm und verlangte ein Aufbauseminar.

Dies lehnte der Kläger mit der Begründung ab, sämtliche Punkte, die er noch auf der alten Fahrerlaubnis gesammelt hatte, müssten gelöscht werden. Dies sei für den Entzug der Fahrerlaubnis vorgesehen. Für den freiwilligen Verzicht könne nichts anderes gelten.

Entgegen den Vorinstanzen verneint das Bundesverwaltungsgericht die automatische Löschung. Die Richter beziehen sich auf die Gesetzesbegründung. Danach ist die Frage diskutiert worden, aber für den Fall des Verzichts ausdrücklich von einer Punktelöschung abgesehen worden. Somit könne die Regelung für den Entzug der Fahrerlaubnis nicht entsprechend angewendet werden.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. März 2011, Aktenzeichen 3 C 1.10

Pakete: Nachbarn sind keine Ersatzempfänger

Paketboten sind findig, wenn der Empfänger nicht anzutreffen ist. Sie geben die Sendung dann gern auch mal bei Nachbarn ab. Ein Postdienstleister erlaubte sich diese unkonventionelle Zustellungsmethode sogar selbst, indem er per Kleingedrucktem den Nachbarn zum tauglichen “Ersatzempfänger” bestimmte. Das Oberlandesgericht Köln hat die Klausel nun für unwirksam erklärt.

Damit stellen sich die Richter ausdrücklich gegen die Vorinstanz. Das Landgericht Köln hatte es noch für sozialüblich gehalten, dass Nachbarn füreinander Pakete annehmen und es dem Empfänger auch zugemutet werden kann, bei Nachbarn zu klingeln.

Ob das alles noch mit den heutigen Gepflogenheiten und dem Datenschutz vereinbar ist, brauchte das Oberlandesgericht Köln gar nicht zu entscheiden. Die Richter beanstanden nämlich, dass der Empfänger nach dem Wortlaut der Klausel noch nicht einmal darüber informiert werden muss, dass seine Sendung bei einem Nachbarn abgegeben wurde.

Dass sich der Paketdienst noch nicht einmal zu einer Nachricht verpflichte, benachteilige den Empfänger über Gebühr. Schon aus diesem Grund sei die Klausel komplett unwirksam.

Gut möglich also, dass sich die Gerichte demnächst wieder damit beschäftigen müssen, wie bequem es sich Paketdienste machen müssen. Dann nämlich, wenn der betreffende Paketdienst in seine Klausel reingeschrieben hat, dass der Zusteller einen Zettel in den Briefkasten des Empfängers zu werfen hat.

OLG Köln, Urteil vom 2. März 2011, Aktenzeichen 6 U 165/10

Abschreiben ist auch ein Fall für den Staatsanwalt

Wenn zwei das gleiche tun, ist es noch immer nicht dasselbe, weiß der Volksmund. Wenn der Volksmund recht hat, geziemt dem Knecht offenbar noch lange nicht, was dem Herrn gefällt. Und in diesem Vergleich wäre (der erst gestern einsichtige) Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg der Herr gewesen – Andreas K., ehemaliger Spitzenpolitiker der CDU in Lippe der Knecht.

K. war, ebenso wie der Bundesminister, ein Student der Rechtswissenschaften. Er reichte vor sieben Jahren der Universität Göttingen eine Doktorarbeit ein, begann nahezu gleichzeitig seine politische Karriere im benachbarten Nordrhein-Westfalen und wurde im Sommer vor drei Jahren zum Vorsteher des Landesverbandes Lippe gewählt.

Dann stolperte Aufsteiger K. über seine Dissertation. Ein Rechtsanwalt hatte ihn bei der Staatsanwaltschaft Göttingen angezeigt. Die Strafverfolger reagierten rigoros. Gleich 11 Passagen „aus verschiedenen Werken“ habe K. „bewusst und gewollt als eigene geistige Leistung“ in seiner vermeitnlich wissenschaftlichen Arbeit ausgegeben.

„Bei diesem Umfang“, sagte gestern der Göttinger Staatsanwalt Andreas Buick, habe man „sofort öffentliches Interesse“ bei den Ermittlungen unterstellt und auf ansonsten notwendige Strafanträge der düpierten Urheber verzichtet.

Das Ergebnis waren ein Strafbefehl sowie eine weitere Geldbuße, die K. akzeptierte. Dem „voll Geständigen“ hatten die Strafverfolger in Ostwestfalen nämlich noch geistigen Diebstahl aus anderen „literarischen Werken“ nachweisen können, wie es der Leitende Oberstaatsanwalt Günter Braun gestern formulierte.

Der Doktortitel wurde K. – wie ja auch Karl-Theodor zu Guttenberg – aberkannt. Allerdings hatte das für K. auch direkte berufliche Folgen. Dabei ging die Initiative vom Arbeitgeber aus. Vor knapp einem Jahr wurde er als Vorsteher der lippischen Landesverbandsversammlung einstimmig abgewählt.

Kurz danach berichtete eine knappe Pressemitteilung: „K. hat gegenüber dem Ministerium und dem Landesverband Lippe schriftlich erklärt, dass er darauf verzichtet, Rechtsmittel gegen die Abberufungsverfügung einzulegen. Damit ist der Weg für das Ausschreibungsverfahren für eine/n neue/n Landesverbandsvorsteher/in frei“. (pbd)

Gericht erlaubt Frauenkleidung im Männerknast

Eine Justizvollzugsanstalt darf einem männlichen Gefangenen das Tragen von Damenbekleidung nicht ohne weiteres verbieten. Allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen oder die bloße Sorge vor Übergriffen anderer Gefangener rechtfertigen solche Maßnahmen nicht. Dies hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle entschieden.

Ein Gefangener in einer niedersächsischen Justizvollzugsanstalt hatte bei der Anstaltsleitung die Erlaubnis dafür beantragt, Damenober- und -unterbekleidung erwerben und diese nach Einschluss tragen zu dürfen. Er begründete dies damit, seit längerer Zeit transsexuell zu sein und eine so genannte Alltagserprobung als Frau durchführen zu wollen.

Die Anstaltsleitung lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die erstrebte Alltagserprobung könne innerhalb einer Haftanstalt nicht sozialverträglich vorgenommen werden. Außerdem sei der Schutz des Gefangenen vor möglichen Übergriffen anderer Gefangener wichtiger einzuschätzen als seine sexuelle Orientierungslosigkeit. Selbst das Tragen der Damenbekleidung erst nach Einschluss berge die Gefahr, dass die Sachen von anderen Mitgefangenen entdeckt würden.

Nachdem die Vorinstanz noch anders entschieden hatte, gab das Oberlandesgericht Celle dem Gefangenen recht. Die Alltagserprobung in der Haftanstalt könne schon deshalb nicht sozialunverträglich sein, weil der Gefangen die Damenbekleidung nach Einschluss in seiner Zelle und damit ohne Kontakt zu anderen tragen wolle.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das spezielle geschlechtliche Diskriminierungsverbot berechtigen nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich auch einen Mann zum Tragen von Damenbekleidung. Ein Verbot könne daher nicht aus allgemeinen Zweckmäßigkeitserwägungen ergehen, sondern müsse vielmehr zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalt erforderlich sein.

Die Möglichkeit, dass der Gefangene im Falle des Entdeckens entsprechender Kleidungsstücke sexuellen und gewalttätigen Angriffen anderer Gefangener ausgesetzt sein könnte, könne zwar grundsätzlich zu einem Verbot führen. Jedoch müsse die Anstaltsleitung vorrangig gegen jene vorgehen, die den Gefangen bedrohen. Es sei der falsche Weg, gegen einen Bedrohten vorzugehen, der nur die ihm zustehenden Rechte ausübt. Erst, wenn die Möglichkeiten der Einwirkung auf die Mitgefangenen ausgeschöpft seien, dürfe das Tragen der Damenbekleidung im Einzelfall abgelehnt werden.

OLG Celle, Beschluss vom 9. Februar 2011, Aktenzeichen 1 Ws 29/11 (StrVollz)

Die Natur der Badeente

Nach dem Schoko-Osterhasen hat es nun auch die Badeente geschafft: Sie ist zum gerichtlichen Streitobjekt geworden. Vor dem Oberlandesgericht Koblenz fochten zwei Versandhändler um die Frage, ob Badeenten “Hygieneartikel” sind und der Käufer deswegen nur ein eingeschränktes Rückgaberecht hat.

Gegenstand des Rechtsstreit war nicht die gemeine Badeente in gelb. Vielmehr ging es um Badeenten in den Vereinsfarben von Bundesligavereinen. Und um solche mit Vibratorfunktion.

Das Oberlandesgericht Koblenz befand, Verbraucher verbänden mit dem Begriff “Hygiene” vorrangig Körperreinlichkeit, Gesundheitspflege und Gesundheitsfürsorge.

Die umstrittenen Badeenten vermochten die Richter eher nicht unter diese Begriffe einzuordnen. Sie stellten fest: Badeenten in den Vereinsfarben der Bundesligavereine sind nicht als Hygieneartikel, sondern als Fanartikel anzusehen. Eine Badeente mit Vibratorfunktion ist ebenfalls kein Hygienartikel, sondern ein Erotikspielzeug.

Auf dieser Grundlage konnte das Gericht den Rechtsstreit dann auch entscheiden. Die im Schokohasen-Prozess als Beweismittel eingereichten Schokohasen sind während des Verfahrens übrigens verschwunden. Hoffentlich passiert das nicht auch in Koblenz mit den Fanartikeln und dem Erotikspielzeug.

OLK Koblenz, Beschluss vom 9. Februar 2011, Akrenzeichen 9 W 680/10

Zoll jubelt Ahnungslosem Spionagesoftware unter

Vor einiger Zeit hatte ich über fragwürdige Ermittlungsmethoden des Landeskriminalamtes Bayern berichtet (Link zum Beitrag). Die Beamten hatten einen Trojaner auf den Computer eines Geschäftmannes geschmuggelt. Die Spionagesoftware überwachte dessen Online-Aktivitäten durchgehend – unter anderem mit einem Screenshot alle 30 Sekunden.

Die vom Landgericht Landshut teilweise für rechtswidrig erklärte Aktion warf Fragen auf. Unter anderem danach, wie der Trojaner auf den Computer des Beschuldigten kam. Haben sich Beamte heimlich Zutritt zur Wohnung verschafft? Wurde die Software über infizierte Mails aufgespielt? Oder gab es gar eine “Online-Durchsuchung”?

Alles falsch, hat Spiegel online recherchiert. Tatsächlich soll die Polizei den Betroffenen am Münchner Flughafen abgepasst haben. Bei seiner Rückkehr aus Indien sei eine Routinekontrolle mit Hilfe des Zolls fingiert worden. Dabei sei ein Zollbeamter auch kurz mit dem Notebook des Mannes in einen Nebenraum gegangen. Das wirkte wohl wie die übliche Sprengstoffkontrolle, wie sie jeden Tag hunderten von Flugreisenden in ganz Deutschland widerfährt – wenn auch eher beim Abflug.

Sein Notebook habe der Beschuldigte schon nach einigen Minuten wieder bekommen. Allerdings sei in der Zwischenzeit die Spionagesoftware aufgespielt worden, die dann über Monate zum Einsatz kam. Allein 60.000 Fotos fänden sich in der Ermittlungsakte.

Der Verdächtige soll nicht zu dem Personenkreis gehören, für den die Online-Durchsuchung eigentlich gedacht ist. Also mutmaßliche Terroristen oder Schwerverbrecher. Vielmehr gehe es um die Ausfuhr von Medikamenten, welche nach Auffassung der Staatsanwaltschaft illegal sei. Bis heute liege noch nicht mal eine Anklage vor.

Zu großer Sarg oder zu kleines Grab?

Der Osnabrücker Sargstreit hat ein Ende gefunden. Die Stadt zahlt an den Sohn eines Verstorbenen vergleichsweise 500 Euro.

Der Mann hatte geklagt, weil die Grube bei bei der Beerdigung seines Vaters zu klein war. Der Sarg wurde zunächst schräg eingelassen, wobei der Leichnam deutlich hörbar verrutschte. Zu Ende gebracht werden konnte die Beerdigung erst, als die Grube vergrößert worden war.

Der Sohn des Verstorbenen hatte die Hälfte des Sargpreises als Schadensersatz verlangt. Nach seiner Darstellung war der Sarg bei dem missglückten Manöver beschädigt worden. Ein zusätzliches Schmerzensgeld sollte die Stadt zahlen, weil der Leichnam sich für alle Anwesenden deutlich hörbar bewegt hatte. Dies habe zu Schockzuständen geführt.

Wegen des Schmerzensgeldes sah das Gericht keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger nahm diesen Antrag deshalb zurück. Wegen der Sargschäden war die Stadt schließlich bereit, 500 Euro zu zahlen. Sie hatte sich vorher damit verteidigt, die Grube sei nicht zu schmal ausgehoben gewesen. Vielmehr sei der Sarg unüblich hoch gewesen. Hierauf seien die Friedhofsmitarbeiter nicht hingewiesen worden.

Beichtvater

In einem Rechtsstreit hatte die Gegenseite den Hausmeister als Universalzeugen benannt. Er sollte bestätigen, dass sich gewisse Dinge so und nicht anders zugetragen haben. Wir haben den Hausmeister als Zeugen abgelehnt, weil er nur vom “Hörensagen” berichten kann. Zeugen taugen normalerweise nur etwas, wenn sie etwas selbst gesehen oder gehört haben.

Darauf schreibt die andere Seite:

Ein Hausmeister ist nun einmal, was als gerichtsbekannt unterstellt wird, mehr oder weniger der “Beichtvater”, an welchen zu beanstandende Vorgänge in dem von ihm betreuten Anwesen in allererster Linie herangetragen werden.

Natürlich kann ein Hausmeister nicht ständig vor Ort sein und damit alle einzelnen Vorgänge direkt mitbekommen. Ihm werden sie aber zugetragen, so dass er zwangsläufig in allererster Linie vom “Hören-Sagen” berichten kann.

Es ist zwar erkennbar das Gegenteil gemeint, aber eigentlich gibt man uns recht. Ist ja auch mal schön.

Annähernd

Ermittlungsbericht wegen eines Sexualdelikts. Es steht Aussage gegen Aussage. Die Tat soll fast zehn Jahre zurückliegen. Es gibt keine objektiven Spuren. Der zuständige Beamte schreibt:

Die Geschädigte leidet unter einer schizophrenen Störung, welche stationär behandelt wird. Derzeit schizoaffektive Störung, zur Zeit manische Episode. Sie steht unter Betreuung.

Anzumerken ist, dass die Geschädigte auch ihren Stiefvater des sexuellen Missbrauchs beschuldigte.

(Einschub: Zu dieser weiteren Beschuldigung gegen den Stiefvater, der nicht der jetzige Beschuldigte ist, gibt es ein Gutachten in der Akte. Danach waren die Vorwürfe gegen den Stiefvater Teil der wahnhaften Symptomatik im Rahmen einer akuten psychotischen Episode. Es liege “keine Glaubwürdigkeit vor”. Einschub Ende.)

Die vernehmende Kriminalbeamtin schätzt die Geschädigte als glaubwürdig ein. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen dürfte sich die Tat annähernd so ereignet haben, wie sie von der Geschädigten dargestellt wird.

Finde den Fehler.

Überfallartig

Gleich nach der Frage: Bin ich überhaupt zuständig? katalogisiert ein pflichtbewusster Polizeibeamter den neu hereingekommenen Fall für die Kriminalstatistik. Auf der ersten Seite einer Ermittlungsakte lese ich soeben zum Beispiel:

Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung – im bes. schw. Fall überfallartig durch Einzeltäter.

Das ist auch der Text, den ein Staatsanwalt oder Richter als erstes zur Kenntnis nimmt, wenn ihm die Unterlagen auf den Tisch kommen. Natürlich lässt man sich als Profi von so was überhaupt nicht beeindrucken, sondern beginnt unbeeinflusst und neutral zu lesen, um sich am Ende anhand der zusammengetragenen Fakten ein objektives Bild zu machen.

Natürlich.

Pflichtenheft für Filesharing-Richter

Das Landgericht Köln ist bei Abmahnanwälten sehr beliebt. Die dort tätigen Richter hatten in der Vergangenheit kein Problem, so gut wie jeden Antrag in Sachen Filesharing durchzuwinken. Vieltausendfach verdonnerte das Landgericht Köln Provider (meist den Platzhirsch Telekom) dazu, die Namen von Anschlussinhabern rauszugeben, die über ihren Internetanschluss geschützte Filme oder Musik getauscht haben sollen. Das alles geschah erkennbar per Textbaustein. Juristische Bedenken wurden stets mit den gleichen Floskeln abgebügelt. Doch so langsam tut sich was in den Massen-Auskunftsverfahren, die Grundlage für alle Filesharing-Abmahnungen sind. Die nächste Instanz, das Oberlandesgericht Köln, bremst bereits zum wiederholten Mal den “Arbeits”eifer des Landgerichts Köln.

Erst vor kurzem hatte das Oberlandesgericht Köln ein Ablaufdatum für Musik und Filme festgelegt. Bei Stücken, die älter als sechs Monate sind, betrachten die Richter die “Abverkaufsphase” regelmäßig als beendet. Bei Material jenseits des Ablaufdatums könne nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass ein Filesharer “gewerbsmäßig” handelt. Ohne gewerbsmäßiges Handeln dürfen die Anschlussdaten aber gar nicht herausgegeben werden; es soll nämlich, so die ursprünglich hehre und von den Gerichten beharrlich ignorierte Wunschvorstellung des Gesetzgebers, nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen werden.

Nun meldet sich das Oberlandesgericht Köln erneut zu Wort. Diesmal geht es um schlampig aufbereitete, in sich widersprüchliche Anträge, die das Landgericht dennoch abgesegnet hat. Konkret geht es darum, dass die Abmahnanwälte dieselbe IP-Adresse mehrfach für unterschiedliche Tage aufführten. Das verwunderte den Abgemahnten, denn nach seiner Kenntnis praktiziert sein Provider das System der “Zwangstrennung”. Dabei wird der Anschluss mindestens alle 24 Stunden vom Netz getrennt und bei neuer Einwahl eine andere IP-Adresse vergeben.

Das Oberlandesgericht Köln teilt die Bedenken:

Einem Anschlussinhaber wird also jedenfalls nach spätestens 24 Stunden … eine neue IP-Adresse zugewiesen. Dass es sich dabei um dieselbe IP-Adresse handelt, die dem Anschlussinhaber bereits zuvor zugewiesen war, ist angesichts der zufälligen Vergabe von IP-Adressen und der Anzahl zur Verfügung stehender IP-Adressen höchst unwahrscheinlich. … Es ist daher von erheblich höherer Wahrscheinlichkeit, aber jedenfalls zumindest nicht auszuschließen, dass die mehrfache Nennung gleicher IP-Adressen auf einem Fehler bei der Ermittlung, Erfassung oder Übertragung der IP-Adressen beruht.

Die Abmahner haben es sich im entschiedenen Fall allerding auch zu leicht gemacht. Sie reagierten nämlich nicht auf einen Hinweis des Gerichts, dass ihre Angaben lückenhaft sind. Künftig wird man das sicher ernster nehmen und gegebenenfalls nachbessern. Das Signal des Oberlandesgerichts ist aber auch über den konkreten Fall eindeutig: Schlampige, in sich nicht nachvollziehbare Anträge dürfen nicht einfach abgenickt werden.

Deutliche Skepsis äußert das Oberlandesgericht Köln auch in der Frage, ob die Technik der Überwachungsfirmen wirklich so perfekt ist wie immer behauptet. Die eidesstattliche Versicherung eines Verantwortlichen nehmen die Richter gar nicht ernst:

Die ursprünglich vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers … ist hierzu unergiebig. Sie enthält lediglich die pauschale Behauptung, die Software arbeite “sehr zuverlässig”.

Auch ein nachgeschobenes Gutachten überzeugt das Gericht nicht:

Aus dem Sachverständigengutachten ergibt sich zwar, dass die Software grundsätzlich geeignet ist, Rechtsverletzungen zu ermitteln. Ob dabei Falschermittlungen ausgeschlossen sind, ergibt sich aus dem Gutachten jedoch nicht. Das Gutachten beruht auf rein empirischen Ermittlungen, in welchem Umfang die Software überprüft worden ist, ergibt sich aus dem Gutachten aber nicht. Untersuchungen zur Funktionalität der Software sind in dem Gutachten nicht dokumentiert.

Im Ergebnis ist der Beschluss der höheren Instanz ein Pflichtenheft für das Landgericht Köln. Dort wird man künftig genauer hinschauen müssen, ob die eingereichten Anträge wirklich die Auskunft über den Anschlussinhaber rechtfertigen. Die Abmahnanwälte werden einen viel höheren Begründungsaufwand treiben müssen. Zumindest dann, wenn sie nicht riskieren wollen, dass ihnen die nächsthöhere Instanz immer wieder rechtswidriges Vorgehen attestiert.

Zuverlässigkeit, Integrität, Treuebereitschaft

Der geprüfte Rechtskandidat bzw. Diplom-Jurist Karl Theodor zu Guttenberg ist nicht nur Dienstherr vieler tausend Soldaten. Ihm untersteht auch ein stattlicher akademischer Betrieb, in Form der Hochschulen der Bundeswehr. Auch dort wird mitunter der bequeme Weg beschritten, den zu Guttenberg für seine Doktorarbeit wählte. Allerdings herrschen an den Hochschulen der Bundeswehr viel strengere Maßstäbe, als sie zum Beispiel die Bundeskanzlerin für ihre Minister anlegt. Während Plagiatentum im Berliner Kabinett als lässlicher Betriebsunfall hinfort gelächelt wird, drohen Faulpelzen an den Universitäten der Bundeswehr empfindliche Strafen – und diese werden auch von den Gerichten gebilligt.

Ein Soldat fand sich sogar vor dem Bundesverwaltungsgericht wieder. Er hatte eine Hausarbeit im Fach „Pädagogik“ geschrieben und, wie zu Guttenberg auch, schriftlich versichert, seine Arbeit selbständig verfasst, Quellen und Hilfsmittel angegeben zu haben. Tatsächlich schrieb er weitgehend von einem Studienkollegen ab.

Das Bundesverwaltungsgericht fand für dieses Verhalten unmissverständliche Worte:

Neben der Pflicht zum treuen Dienen kommt im militärischen Bereich der Wahrheitspflicht besondere Bedeutung zu, da eine Armee nicht geführt werden kann, wenn sich die Führung nicht auf die Richtigkeit der abgegebenen dienstlichen Meldungen, Erklärungen und Aussagen verlassen kann. Denn da solche Äußerungen nicht immer überprüft werden können, müssen auf ihrer Grundlage im Frieden und erst recht im Verteidigungsfall unter Umständen Entschlüsse von größter Tragweite gefasst … werden.

Die Konsequenzen der Täuschung sind nach Auffassung der Richter erheblich:

Erfüllt ein Soldat diese Erwartungen nicht, sondern täuscht er aus eigennützigen Beweggründen vorsätzlich seinen Dienstherrn, um ungerechtfertigt einen Vorteil zu erlangen, so stört er das dienstliche
Vertrauensverhältnis nachhaltig und begründet ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit, Integrität und Treuebereitschaft.

Wenn ein Soldat gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen der
Bundeswehr unwahre Erklärungen abgibt, büßt er hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein.

Mit dem Dienstvergehen war nicht nur das Studium des Offiziers zu Ende. Er wurde auch zum Leutnant degradiert. An den Hochschulen der Bundeswehr hat diese Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2001 gewirkt. Soldaten werden intensiv über die Konsequenzen der Schummelei belehrt. Dennoch werden immer wieder Plagiatoren ertappt und entsprechend bestraft.

Nach den Maßstäben seines eigenen Ladens wäre ein täuschender und tricksender Verteidigungsminister also nicht zu halten. Wie er angesichts dessen als „Dienstherr“ künftig ernsthaft Zuverlässigkeit, Integrität und Treuebereitschaft bei seinen Soldaten einfordern will, ohne dass diese die Augen verdrehen, bleibt sein Geheimnis. Und das jener, die sich auf seine Seite stellen.

(via jurabilis)