Nerdcore.de geht zurück an Rene Walter

Nerdcore.de geht zurück an Rene Walter. Die Denic ist auf Intervention von Walters Anwalt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Pfändung der Domain durch die Firma Euroweb nicht wirksam ist. Deshalb wird jetzt zunächst der alte Zustand wieder hergestellt – schon gestern musste Euroweb im Denic-Verzeichnis weichen. Dort ist jetzt wieder Rene Walter eingetragen.

Auch der triumphierende Text der Firma Euroweb, mit dem sie die Kaperung der Domain bekanntgab und großspurig eine Versteigerung der Internetadresse für gute Zwecke ankündigte, ist schon nicht mehr zu lesen. Derzeit wird die Transitseite der Denic angezeigt.

Die für Euroweb tätigen Rechtsanwälte werden die vermeintliche Erfolgsgeschichte über das Verfahren gegen Rene Walter auf ihrer Webseite wohl zumindest um einen weiteren Absatz erweitern müssen. Dieser dürfte aber nicht mehr ganz so imagefördernd ausfallen.

Walters Rechtsberater, der Kölner IT-Fachanwalt Dominik Boecker, der auch mich übrigens bereits mehrfach erfolgreich vertreten hat, stellte bei der Prüfung des Pfändungsbeschlusses nämlich gravierende Fehler fest. Unter anderem war nach seiner Auffassung Rene Walter vom Gericht kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden.

Dieser und andere Mängel führten bei der Denic jetzt zu der Erkenntnis, dass der Pfändungsbeschluss nicht die von Euroweb gewünschten Rechtswirkungen hat. Konkrete Folge: Die Denic stellt den ursprünglichen Zustand wieder her. Nerdcore geht zurück an Rene Walter.

Aller Voraussicht nach guckt Euroweb nun dauerhaft in die Röhre. Walter hat nämlich in der Zwischenzeit alle Verfahrenskosten an Euroweb gezahlt. Euroweb hat also keine Forderungen mehr an ihn, so dass ein neuer Pfändungsbeschluss nicht erlassen werden dürfte. Zu der Pfändung war es gekommen, weil Euroweb Walter wegen kritischer Äußerungen verklagt hatte. Der Blogger hatte sich, wie er selbst einräumt, wegen privatem Stress nicht um die gerichtlichen Schreiben gekümmert, darunter auch Kostenbeschlüsse.

Zu großen Diskussionen führte in den letzten Tagen die Frage, ob die Pfändung von Nerdcore.de überhaupt verhältnismäßig war. Euroweb konnte von Walter nach dessen Angaben etwa 1.100 Euro zuzüglich Zinsen verlangen. Nerdcore.de beherbergte aber eines der besucherstärksten Blogs Deutschlands. Fachleute schätzen den Wert der Domain auf 50.000 bis 80.000 Euro. Nur vor dieser erheblichen Diskrepanz ist es wohl zu verstehen, dass Euroweb nach Inbesitznahme der Domain ankündigte, Nerdcore.de zu versteigern und den Erlös zwei gemeinnützigen Institutionen zukommen zu lassen (eine davon hat die Spende rundheraus abgelehnt, bei der anderen gibt es eine interne Iniative, die Spende zu verweigern).

Wie sich nun herausstellt, hat Euroweb gegenüber dem Gericht erklärt, die Rechte an Nerdcore.de hätten einen „Schätzwert“ von 100 Euro (in Worten: einhundert Euro). Nur in Höhe dieses Betrages wären nach Auffassung von Rechtsanwalt Dominik Boecker die Verpflichtungen Walters erloschen, hätte die Pfändung Bestand gehabt. Walter hätte also trotz Kaperung seiner Domain noch einmal rund 1.000 Euro zahlen müssen.

Euroweb wird sich nun fragen lassen müssen, wie es zu der lächerlichen Summe von 100 Euro gekommen ist. Offenbar hat das Gericht den Angaben des Unternehmens blind geglaubt. Das Gericht hat Walter auch nicht angeschrieben und ihm Gelegenheit gegeben, zu dem von Euroweb genannten Schätzwert Stellung zu nehmen. Dazu wäre es aber verpflichtet gewesen.

Die sofort nach Übernahme der Domain von Euroweb angekündigte Versteigerung für einen guten Zweck könnte jetzt zum Bumerang für Euroweb werden. Sie ist jedenfalls ein Indiz dafür, dass Euroweb bewusst gewesen sein könnte, dass der tatsächliche Wert von Nerdcore.de deutlich über den genannten 100 Euro liegt. Ob Rene Walter wegen dieses Sachverhaltes, den er als „Verschleuderung“ von Nerdcore.de bezeichnet, zum Beispiel Strafanzeige wegen Verfahrensbetrugs erstattet, ist aber noch nicht entschieden.

Gleiches gilt für den ursprünglichen Prozess, in dem Walter untätig geblieben ist. Hier kann er gegen die Gerichtsbeschlüsse noch Widerspruch einlegen und das Hauptsacheverfahren betreiben. Es würde dann abschließend geklärt, ob Euroweb überhaupt zu Recht gegen den Blogger vorgegangen ist.

Zunächst freut sich Walter, dass er Nerdcore.de wohl an der gewohnten Adresse weiter betreiben kann. „Ich bedanke mich für die ungeahnte und alles andere als selbstverständliche Unterstützung durch unzählige Blogbeiträge und noch mehr Kommentare“, sagte Walter heute morgen.

Nachtrag: Stellungnahme von Euroweb

Kranker darf vielleicht Cannabis anbauen

Ein Schwerkranker hat möglicherweise das Recht, selbst Cannabis anzubauen. Das Verwaltungsgericht Köln betrachtet in einem heute bekanntgegebenen Urteil ein generelles Verbot für unwirksam. Es hat die zuständige Behörde verpflichtet, noch einmal über den Antrag zu entscheiden.

Der Kläger ist seit 1985 an Multipler Sklerose erkrankt. Er verlangte vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Anbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken. Nach Ansicht seiner Ärzte hat der jahrelange regelmäßige Cannabiskonsum des Klägers günstige Effekte auf die mit seiner Erkrankung verbundenen Störungen der Bewegungskoordination.

Der Kläger hält eine Alternativbehandlung mit den Ersatzstoffen Dronabinol oder mit Cannabis-Extrakt nicht für wirksam. Da seine Krankenkasse diese Behandlung auch nicht übernehme, könne er sie sich auch gar nicht leisten. Deshalb sei er auf den Eigenanbau von Cannabis angewiesen.

Das BfArM verweigerte die Genehmigung. Eine Erlaubnis verstoße gegen das internationale Suchtstoffübereinkommen. Zudem habe der Kläger keine geeigneten Sicherungsmaßnahmen in seiner Wohnung, um Zugriffe Dritter zu verhindern. Der selbst angebaute Cannabis sei zur medizinischen Versorgung des Klägers auch ungeeignet, da die Qualität des Wirkstoffs nicht nachgewiesen sei.

Dem folgte das Verwaltungsgericht nicht. Zwingende Versagungsgründe liegen nach Auffassung der Richter nicht vor. Die Sicherungsmaßnahmen des Klägers seien ausreichend. Der jahrelange Eigenanbau belege, dass der Kläger sich durch eine Therapie mit dem eigenangebauten Cannabis nicht selbst schädige.

Der mit der Erlaubniserteilung verbundene Verstoß gegen das internationale Suchtstoffabkommen müsse nicht zwingend zu einer Versagung der Erlaubnis führen. Das BfArM habe auch bei Verstoß gegen das Abkommen einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen auch die Interessen des Klägers angemessen zu berücksichtigen seien. Dieses Ermessen habe die Behörde (bisher) nicht ordnungsgemäß ausgeübt, weil sie allein darauf abgestellt habe, dass eine Vertragsverletzung dem Ansehen der Bundesrepublik schade.

Die Behörde muss jetzt erneut über den Antrag entscheiden.

Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 11. Januar 2011, Aktenzeichen 7 K 3889/09

Letztlich etwas sehr Rührendes

Die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) hat den Fernsehsender RTL lizenziert. Sie ist gesetzlich deshalb verpflichtet, die Einhaltung gewisser Programmgrundsätze bei RTL zu überprüfen, etwa die Achtung der Menschenwürde.

Gerade diesen Grundsatz sah David L. am 12. September 2010 im RTL-Programm verletzt. Der Sender strahlte um 19.05 Uhr eine Folge von „Schwiegertochter gesucht“ aus. Nach seiner Meinung wurden in der Folge partnersuchende Männer, insbesondere den als „Kratzbild“-Fan bekanntgewordenen Peer, als Volltrottel dargestellt und in einer Art und Weise präsentiert, die insgesamt nicht mehr akzeptabel ist. David L. beschwerte sich deshalb offiziell. Sein Schreiben landete bei der NLM.

Die zuständige Programmreferentin ließ sich mit ihrer Antwort in Namen der NLM etwas Zeit. Das lag womöglich daran, dass sie erkennbar an originellen Formulierungen feilte. Am 14. Dezember 2010 erhielt David L. jedoch eine Antwortmail. Nach deren Lektüre kann man sich durchaus fragen, wie ernst die NLM ihren Job nimmt. Jedenfalls hat man offensichtlich großen Spaß bei der Bearbeitung (und dem Abbügeln) solcher Beschwerden.

Dabei fängt alles vielversprechend an. Die NLM gibt dem verärgerten Zuschauer in weiten Teilen sogar Recht – nur machen kann sie am Ende nichts.

Zur Einleitung erklärt die NLM erst mal ausführlich, was es mit „Schwiegertochter gesucht“ überhaupt auf sich hat. Die Sendung stehe für „Partnervermittlung à la RTL“. Moderatorin Vera Int-Veen versuche für allein stehende Männer das große Liebesglück zu finden. Deren Mütter wünschten sich nicht nur einen glücklich verliebten Sohn, sondern auch, dass dieser endlich zu Hause auszieht.

Dann geht es aber zur Sache:

Nach drei Staffeln jedoch, so scheint es, ist das Reservoir an vorzeigefähigen Junggesellen, die noch zu Hause wohnen, nahezu erschöpft. Die auch als die „Mutter Theresa“ apostrophierte Int-Veen muss also in der aktuellen Staffel arg benachteiligte männliche „Restposten“ an die Frau bringen. Es sind Kandidaten mit vielerlei Marotten, die man sich wohl angewöhnt, wenn man es mit „Mutti“ über die übliche Halbwertzeit eines solchen Arrangements hinaus ausgehalten hat.

Geschmackliche Aspekte dürften, so die NLM, bei der rechtlichen Beurteilung von Medienangeboten aber nun mal keine Rolle spielen. So kommt die Behörde zu folgendem Ergebnis:

In medienrechtlicher Hinsicht ist dabei zu beachten, dass in der Sendung zwar eine gewisse Zurschaustellung von Menschen mit körperlichem und seelischem Handicap nicht von der Hand zu weisen ist, dass aber auf Grund der Dramaturgie und Inszenierung der Sendung keine Lächerlichmachung bzw. Diffamierung der Protagonisten mit denunziatorischer Absicht erkennbar ist. Vielmehr wird – untermalt von romantischer Musik – Peer in seinem unbeholfenen Liebeswerben gezeigt, was letztlich auch etwas sehr Rührendes hat.

Messerscharf folgert die NLM:

Dass die gezeigten männlichen Kandidaten vielleicht etwas beschränkt oder schüchtern wirken heißt ja nicht, dass sie geistig behindert sind. Sie sind auch nicht etwa entmündigt, sondern es ist davon auszugehen, dass sie sehr genau wissen, was sie tun und dass sie die Show als große (und vielleicht einzige) Chance auf eine Beziehung sehen.

David L. war mit Inhalt und Ton der Antwort eher unzufrieden. Ich kann das ein ganz klein bisschen nachvollziehen.

(Bei der NLM habe ich angefragt, ob die Antwort authentisch ist. Diese Frage wurde leider nur indirekt beantwortet. Die zuständige Programmreferentin untersagt mir – ohne Begründung – eine Veröffentlichung.)

Nachtrag 1: Stefan Niggemeier belegt, wo sich die NLM für ihre Antworten inspirieren lässt.

Nachtrag 2: Dirk Fischer, Direktor der NLM, hat mir folgende Stellungnahme übersandt:

„- Die generelle Bewertung der Sendung als medienrechtlich unbedenklich ist richtig.

– Einzelne Formulierungen in dieser offiziellen Antwort sind unpassend.

– Die teilweise wörtliche Übernahme eines Pressetextes ist nicht akzeptabel.

– Die NLM wird den Vorgang überprüfen und angemessen reagieren.“

Justiz-Express

Letzten Mittwoch habe ich vor dem Schöffengericht in Witten eine Geschäftsfrau verteidigt. Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld eingestellt. Am nächsten Tag hatte ich die Abrechnung der Pflichtverteidigergebühren fertig. Sie dürfte am Freitag beim Amtsgericht Witten gewesen sein.

Heute, nur acht Tage nach der Verhandlung, gehen die Anwaltsgebühren auf meinem Konto ein. Das ist wirklich ein beeindruckendes Tempo, sowohl beim Amtsgericht Witten als auch bei der Justizkasse.

Lob von der „anderen Seite“

Die Deutsche Richterzeitung wirft in ihrer aktuellen Ausgabe einen „Blick ins Netz“. Dieser trifft dann auch auf juristische Blogs. Zitat:

Neben klassischen, oftmals relativ statischen Internetseiten bestimmen seit einigen Jahren sogenannte Blogs das Bild des WWW: Insbesondere zu aktuellen rechtspolitischen Fragen bietet diese Form der Publikation im »Web 2.0« mit besonders intensiver Vernetzung und gern genutzten Kommentarfunktionen einen echten Mehrwert gegenüber klassischen Seiten.

Die Anwaltschaft hat diese Vorteile offenbar erkannt, sodass viele Kanzleien inzwischen einen »Blog« anbieten, auf dem sie zu aktuellen Rechtsfragen Stellung beziehen oder auch bisweilen skurrile Erlebnisse aus ihrem Berufsalltag aufgreifen.

Gerade für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz kann es sehr erhellend sein, sich vor Augen zu führen, wie die eigene Arbeit auf der »anderen« Seite wahrgenommen wird. Beispielhaft für viele lesenswerte Anwalts-Blogs seien die meinungsstarken und zugleich humorvollen Seiten kanzlei-hoenig.info sowie lawblog.de genannt.

Beim Kollegen Hoenig, dem ich für den Hinweis danke, wird in den Kommentaren gleich eine alte Geschichte zum Verhältnis Anwalt – Richter neu aufgekocht.

Server-Sperrungen sind Chefsache

Aus aktuellem Anlass habe ich mit Manuel Schmitt, dem Chef von „manitu“ über die Sorgen und Nöte eines Internetproviders gesprochen.

Wie viele Beschwerden kommen bei manitu rein?

Etwa 3% aller Server-Kunden verursachen Beschwerden, die allerdings automatisiert generiert werden. In diesem Fällen setzt jemand Suchsoftware ein und schreibt Textbausteine an die Abuse-Melde-Adresse bei RIPE & Co.

Rund 1% aller Server-Kunden verursacht „handgeschriebene“ Beschwerden, die bei uns manuell bearbeitet werden müssen.

Wie viele Anfragen kommen von der Polizei?

Von den soeben genannten 1% individueller Schreiben sind etwa ein Viertel von staatlicher Seite (Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte).

Wie ist das Verhältnis von Querualantenpost, doofen Anrufen und ernstzunehmenden Aufforderungen? Gehen die meisten Leute gleich zum Anwalt?

Per Telefon kommt selten was rein. Wenn jemand sich telefonisch beschwert, bitten wir eh immer um eine schriftliche Information. Fax und Mail sind uns am liebsten, das fördert die zeitnahe Erledigung. Querulanten haben wir gefühlt keine. Ich habe extra noch mal die zuständigen Kollegen gefragt. So gut wie alle Anfragen sind sachlich, wenn auch rechtlich mitunter nicht unbedingt richtig.

Anwaltliche Vertretung haben Privatleute nur ganz selten. Firmen beauftragen meist ihre eigene Rechtsabteilung.

Stimmt es, dass die Serverpreise so unter Druck sind, dass man eigentlich gar keine vernünftige Abuse-Abteilung mehr unterhalten kann?

Nein, im Gegenteil. Ich glaube fest, dass gerade vermeintliche Knallerpreise genau die Kunden anzieht, die rechtlich problematisches Material auf ihre Server packen. Also eine klassische Spirale.

Bei einer vernünftigen Kundenstruktur hält sich der Aufwand auch in erträglichen Grenzen. Die meisten Beschwerden lassen sich auf rationaler Ebene abarbeiten, wenn man den Gegner (unseres Kunden) darauf hinweist, dass das erst mal eine Forderung oder ein Wunsch ist und dass dieser Wunsch überzeugend sein muss, wenn er bei unserem Kunden was erreichen will.

Klappt das nicht, dann muss sich der Gegner halt eines Gerichts bedienen. Sollte es tatsächlich einen Grund geben, der eine Sperrung rechtfertigt, wird dies ein Gericht so sehen. Genau hierfür gibt es ja einstweilige Verfügungen. Man kann halt nicht jedem Rechtsstreit aus dem Weg gehen.

Wie reagieren Kunden, wenn man sie über Beschwerden informiert?

Durch die Bank weg sind die meisten Fälle unbeabsichtigt, etwa durch Content Dritter (Foren) oder Hacking. Dann ist der Kunde für jeden Hinweis dankbar, denn erst mal will er ja seiner eigentlichen Arbeit nachgehen.

In jedem Fall hat sich der freundlich-sachliche Ton bewährt, und zwar in alle Richtungen. Meist ist die Sache mit einem kurzem Schriftverkehr vom Tisch.

Steht man als Provider da zwischen den Stühlen?

Wir bei manitu bemühen uns im Regelfall um eine Vermittlerrolle. Im Zweifelsfall stellen wir uns aber auf die Seite des Kunden, wenn es rechtlich irgendwie vertretbar ist. Wir halten intern regelmäßig Schulungen ab, in denen Mitarbeiter auf juristische Feinheiten, gerade bei Formulierungen in Antworten, geeicht werden.

Hausintern gilt auch der Grundsatz, dass wir es uns mit Server-Sperrungen nicht leicht machen. Wenn es mal so weit kommt, ist das auf jeden Fall Chefsache. Dafür halte ich dann den Kopf hin.

Gibt es Kunden, die sich bei Beschwerden tot stellen? Oder sagen, soll sich doch die Rechtsabteilung von manitu drum kümmern?

Eigentlich nicht. Es kommt vor, dass Kunden uns nach einer Einschätzung der Situation fragen. Meist geschieht das in Urheberrechts- und Markenfragen. Wir verweisen dann aber immer auf eine anwaltliche Beratung. Darum muss der Kunde sich dann selbst kümmern.

Der Beschwerdeführer macht Druck, der Kunde ist aber momentan nicht erreichbar…

Wir führen von unseren Kunden nach Möglichkeit mehr als nur eine Festnetznummer, eine Postanschrift und E-Mail-Adresse. Oft genügt auch ein kurzer Anruf auf dem Handy oder eine SMS mit Verweis auf ein halbwegs dringendes Anliegen, damit der Kunde sich zügig meldet.

Ich kann aber ohnehin vom Kunden nicht verlangen, binnen Stunden oder eines Tages eine juristische Situation korrekt einzuschätzen. Er muss die Möglichkeit haben, sich fachlichen Rat einzuholen. Das dauert nun mal.

Sollte es der Beschwerende wirklich eilig haben, muss es (a) einen wirklich triftigen Grund geben, und den wird dann auch ein Gericht erkennen und eine einstweilige Verfügung erlassen, oder er muss (b) halt Geduld beweisen. Sollte es wirklich ein Verstoß gewesen sein, und es ist Zeit ins Land gegangen, muss sich unser Kunde hierfür verantworten.

Ein goldenes Schlusswort, bitte.

Abuse-Handling hat für mich sehr viel zu tun mit „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“.

Hostblogger, das Blog von Manuel Schmitt

Flugverspätung: Klage in Deutschland möglich

Auch außereuropäische Fluglinien müssen in Deutschland Ausgleichszahlungen wegen Flugverspätungen leisten. Sie können darauf auch in Deutschland verklagt werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Die Reisenden verlangten von einer amerikanischen Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung von jeweils 600 € nach Artikel 5 und 7 der EU-Fluggastrechteverordnung. Sie hatten einen Flug von Frankfurt am Main in die USA gebucht. Wegen eines Defekts des Flugzeugs wurde der Flug jedoch annulliert; die Kläger konnten erst am nächsten Tag in die USA fliegen.

Das Amtsgericht hat die Klage noch abgewiesen, weil es sich für international unzuständig hielt. Das Berufungsgericht verurteilte die Fluggesellschaft jedoch, an jeden Fluggast 600,00 € nach Artikel 5 und 7 der EU-Fluggastrechteverordnung zu zahlen.

Hiergegen wandte sich die Revision der amerikanischen Fluggesellschaft. Sie hatte damit jedoch keinen Erfolg. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich nach Auffassung der Karlsruher Richter bereits aus den Regeln der deutschen Zivilprozessordnung und anhand des Rechtsgedankens der EU-Fluggastverordnung. Der deutsche Startflughafen sei jedenfalls „Erfüllungsort“. Hier werde die vertragsgemäße Leistung erbracht.

Das Urteil erleichtert zahlreichen Fluggästen die Geltendmachung ihrer Rechte. Nicht nur US-Airlines hatten in der Vergangenheit Zahlungen mit dem Hinweis verweigert, der Kunde könne ja am Firmensitz klagen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Januar 2011 – X ZR 71/10

Der Kunde geht nicht ans Telefon

Die Seite JuraBlogs.com ist wieder online. Der Provider hatte sie gestern abgeschaltet (siehe den vorigen Eintrag).

Nun ist Näheres bekannt: Die Lorraine Media GmbH, eine Modelagentur mit diskussionswürdigem Geschäftsmodell, hatte sich an Kommentaren gestört, die direkt auf JuraBlogs abgegeben worden waren. Die Beschwerde ging an die Firma Hetzner, den technischen Provider von JuraBlogs. Dort soll, so eine Darstellung der Firma Hetzner im hauseigenen Forum, ein Mitarbeiter versucht haben, die Betreiber von JuraBlogs telefonisch zu erreichen. Das sei aber nicht möglich gewesen, angeblich weil die hinterlegten Kontaktdaten nicht stimmten.

Darauf habe sich der Mitarbeiter entschieden, den gesamten Server vom Netz zu nehmen, um, jetzt kommt’s wirklich dicke, “ eine Reaktion des Betreibers zu erhalten“. Wenn diese Darstellung stimmt, schaltete Hetzner den JuraBlogs-Server nicht in erster Linie ab, um sich dem „Druck“ irgendeines Anspruchsstellers zu beugen, sondern um den eigenen Kunden dazu zu bringen, sich bei Hetzner zu melden.

Dementsprechend ist der Server dann heute morgen auch anstandslos wieder hochgefahren worden, nachdem die Betreiber von JuraBlogs Hetzner noch am Vorabend kontaktiert haben. JuraBlogs hat jetzt Gelegenheit, die Sache mit der Lorraine GmbH juristisch zu klären – wenn denn hierzu Bedarf besteht.

Für mich persönlich klingt das alles offen gesagt noch viel schlimmer, als es zunächst den Anschein hatte.

Beanstandet wurden Inhalte, die Dritte auf JuraBlogs hinterlegt haben. Ein klassischer Fall der Forenhaftung. Der Anbieter, also JuraBlogs, haftet für diese Kommentare frühestens, nachdem diese beanstandet wurden. Dabei muss JuraBlogs zügig reagieren, wobei zügig eine angemessene Prüfungsfrist einschließt.

Provider Hetzner ist als technischer Dienstleister da erst mal außen vor. Der Anbieter haftet grundsätzlich nicht für Inhalte, die Kunden einstellen. Eine Störerhaftung kommt für den Provider normalerweise nur bei offensichtlich strafbaren Inhalten (z.B. Kinderpornografie) in Betracht – nachdem er auf diese hingewiesen wurde. Bei zivilrechtlichen Ansprüchen ist erst mal der Anbieter selbst in der Pflicht, und auf diesen darf der Provider verweisen.

Von dicker Luft für Hetzner kann also zunächst mal keine Rede sein.

Aber es geht ja offenkundig gar nicht darum, dass Hetzner große Sorge wegen des „Hinweises“ hatte. Vielmehr sollte mit der Abschaltung eine Rückmeldung des Kunden erzwungen werden, nachdem dieser nicht sofort telefonisch kontaktiert werden konnte.

Dieses Vorgehen könnte man ja noch, wenn auch unter größten Mühen, nachvollziehen, wenn JuraBlogs eine Internetleiche wäre. Ein Blick auf die Seite hätte jedoch genügt, um dem Support-Mitarbeiter klar zu machen, dass es sich mit Sicherheit nicht um ein verwaistes Angebot handelt, für das jemand sich quasi nur aus Versehen monatliche Serverkosten vom Konto abbuchen lässt.

Dementsprechend ist es natürlich schon sehr zu kurz gesprungen, einfach eine Internetseite abzustellen, weil der Kunde gerade nicht ans Telefon geht.

Am Rande: Ausweislich seines Twitter-Accounts arbeitet JuraBlogs-Mastermind Matthias Klappenbach übrigens derzeit in San Francisco. Vielleicht hatte er einfach keine Lust, morgens um vier ans Handy zu gehen.

Nachtrag 1: Laut Matthias Klappenbach räumt Hetzner Versäumnisse ein. Er zitiert aus einer Stellungnahme des Unternehmens:

„Leider wurde der übliche interne Ablauf der Abuse-Bearbeitung in diesem Fall nicht fehlerfrei eingehalten. Durch unglückliche Umstände wurde die Abuse-Meldung erst am gleichen Tag des Fristablaufes des Beschwerdeführers bearbeitet. Aufgrund der
Dringlichkeit wurde deshalb versucht, den Vertragspartner ausschließlich per Telefon zu erreichen und nicht, wie üblich, die Kontaktaufnahme per E-Mail.

Trotz bewährter Abuse-Policies sind Fehler nicht völlig auszuschließen. Wir werden jedoch versuchen, die Abläufe weiter zu optimieren. Gleichzeitig möchten wir alle Kunden bitten, ihre Kontaktdaten auf Richtigkeit zu überprüfen.“

Das Schreiben der Modelagentur ging laut Klappenbach bei Hetzner am 13.01. ein – bearbeitet wurde es wohl erst kurz vor Verstreichen der Frist am 18.01.

Vor diesem Hintergrund wäre es vielleicht auch eine Idee gewesen, nicht den Ausknopf für JuraBlogs zu drücken, sondern bei den Anwälten der Modelagentur um eine Fristverlängerung zu bitten.

Nachtrag 2: Matthias Klappenbach schildert den Vorgang auf JuraBlogs

Weitere Beiträge zum Thema:

Anwaltskanzlei Ferner

RechtZwoNull.de

Ohne Warnung offline

JuraBlogs.com ist eine klasse Seite. Ich habe den Aggregator neulich bei DRadio Wissen wärmstens empfohlen. Und zwar allen, die bei juristischen Blogs auf dem laufenden bleiben wollen. JuraBlogs gehört auch seit jeher zu meinen Anlaufstationen. Das Angebot ist so übersichtlich und umfassend, dass ich juristische Blogs gar nicht in meinem Reader habe.

Wohlgemerkt: Wir reden hier also über die gebündelten Inhalte der Paragrafen-Blogger. Nichts Porno, Volksverhetzung oder so.

Heute war JuraBlogs nicht erreichbar. Nun gibt es auch eine Erklärung dafür. Betreiber Matthias Klappenbach twittert:

JuraBlogs.com wurde durch Hetzner.de auf Grund einer Beschwerde über Inhalte ohne Ankündigung gesperrt. Habe noch keine Details.

Gesperrt. Aufgrund einer Beschwerde. Über Inhalte. Ohne Ankündigung. Provider, die sich so was schon bei einem topseriösen Angebot rausnehmen, sollen in der Hölle gefrieren.

Der Gläubiger darf, er muss aber nicht

Die umstrittene Firma Euroweb hat eines der beliebtesten deutschen Blogs gekapert. Nerdcore.de ist seit heute vom Netz. Zu sehen ist lediglich noch ein Standbild der Firma Euroweb. Dort heißt es:

Nachdem die Kosten eines gegen Euroweb verlorenen Prozesses durch den Kostenschuldner nicht innerhalb angemessener Frist erstattet wurden, hat Euroweb statt der Kosten nunmehr die Domain nerdcore rechtmäßig im Rahmen der Zwangsvollstreckung übertragen bekommen.

Laut FAZ hat der Betreiber von Nerdcore eine einstweilige Verfügung von Euroweb kassiert, sich aber nicht weiter darum gekümmert. Das Gericht dürfte dann die Kosten des Verfahrens festgesetzt haben. Aus diesem Kostenbeschluss wird Euroweb nun vorgegangen sein.

Das Verhalten von Euroweb ist legal. Ein Kostenbeschluss ist ein durchsetzungsfähiger Titel. Mit diesem kann die siegreiche Prozesspartei den Gerichtsvollzieher in Marsch setzen, aber auch pfänden. Üblicherweise wird dann geschaut, ob der Schuldner zu Hause verwertbare Vermögensgegenstände hat. Oder das Konto des Betroffenen wird dichtgemacht.

Die Pfändung einer Domain ist ein, jedenfalls im Grundatz, ebenso zulässiger Weg. Aber er ist gleichzeitig auch fragwürdig. Euroweb hätte sich zumindest überlegen können, ob man mit weniger einschneidenden Maßnahmen nicht auch zum Ziel kommt. Ich weiß nicht, ob die Firma einen Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher oder die Kontopfändung versucht hat. Wahrscheinlich hätte ja auch das gereicht, um dem Blogbetreiber von Nerdcore zur Zahlung (oder zu Rechtsmitteln) zu bewegen.

Aber es steht natürlich jedem Gläubiger frei, bei der Zwangsvollstreckung zu den Mitteln seiner Wahl zu greifen. Wenn er es dabei überzieht, darf er sich über Kritik allerdings nicht wundern. In diesem Zusammenhang finde ich auch merkwürdig, dass die Firma Euroweb auf Nerdcore nun folgendes ankündigt:

In Kürze werden wir die Rechte an der Domain bei Ebay für einen gemeinnützigen Zweck versteigern.

Normalerweise soll mit der Verwertung des Pfands die Verbindlichkeit des Schuldners getilgt werden. Wenn Euroweb jetzt das Geld nicht mal für sich behalten will, ist das natürlich ehrenhaft. Es zeigt aber auch, dass die Firma mit der Abschaltung eines der beliebtesten und meistbesuchten Blogs vielleicht doch etwas übers Ziel hinausgeschossen ist.

Nachtrag: In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung klingt es so, als sei Euroweb tatsächlich der Meinung, den gesamten Erlös eines eventuellen Verkaufs von Nerdcore.de behalten (und spenden) zu dürfen. Das bezweifle ich. Alles vom Erlös, das über die Schulden hinausgeht, steht normalerweise dem früheren Domain-Inhaber zu.

Außerdem besteht für eine Verwertung der Domain ab dem Augenblick kein Grund mehr, in dem die Forderung und alle Vollstreckungskosten beglichen sind. Dann müsste die Domain zurückgegeben werden.

Brautgeld ist sittenwidrig

Ein von der Familie des Bräutigams an den Vater der Braut gezahltes „Brautgeld“ kann nicht zurückgefordert werden. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.

Die Beteiligten sind Angehörige des yezidischen Glaubens. Die Kläger, der Bruder und die Schwägerin des Bräutigams, zahlten an den Vater der Braut vor der Eheschließung 8.000 Euro. Noch vor Ablauf eines Jahres nach Eheschließung mit der damals 19-jährigen, verließ die Tochter des Beklagten ihren Ehemann, der sie in der Ehe vergewaltigt hatte.

Das sogenannte „Brautgeld“ verlangten die Kläger nunmehr mit der Behauptung zurück, es habe entsprechend des yezidischen Glaubens eine Abrede gegeben, nach der das Geld als Voraussetzung für die Ehe gezahlt und zurückgewährt werde, wenn die Eheleute weniger als ein Jahr zusammenleben.

Der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm erteilte dem eine Absage. Die Richter hielten deutsches Recht für anwendbar und befanden, die angebliche Abrede sei jedenfalls sittenwidrig und damit nichtig. Die Brautgeldabrede verletze nämlich die Freiheit der Eheschließung und die Menschenwürde.

Beiden Seiten falle ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last. Das führe aber dazu, dass sich die Verwandten des Bräutigams nicht darauf berufen könnten, der Vater der Braut sei „ungerechtfertigt bereichert“. Die Hammer Richter entnehmen dem Gesetz nämlich, dass ein Anreiz für derartige Brautpreisabreden vermieden werden soll. Das werde am besten erreicht, wenn das Brautgeld auf eigenes Risiko gezahlt werde.

OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2011, Aktenzeichen I-18 U 88/10

Kein Mini-Fahrverbot

Erkennbar gut gemeint hat es das Amtsgericht Wuppertal, obwohl es einen Rechtsanwalt mit einem Fahrverbot belegte. Das Fahrverbot fiel mit einem „halben Monat“ nämlich erfreulich kurz aus.

Damit war das Fahrverbot aber auch rechtswidrig. Denn das Gesetz kennt nur ein Fahrverbot von einem bis drei Monate. Weil die gesetzliche Mindestdauer unterschritten war, hob das Oberlandesgericht Düsseldorf die Entscheidung jetzt auf.

Dabei hatte das Amtsgericht gar nicht ungeschickt argumentiert: Wenn die Möglichkeit bestehe, von einem Fahrverbot abzusehen, müsse es auch möglich sein, die gesetzliche Mindestfrist zu unterschreiten. Dies fand vor den Richtern am Oberlandesgericht keine Gnade. Für sie ist der Wortlaut des Gesetzes eindeutig und bindend.

Nun muss ein anderer Amtsrichter neu entscheiden.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.2010 – IV-3 RBs 210/10