Die Advocard wurde vorgelegt

Es kommt selten vor. Aber manchmal fange ich tatsächlich an zu arbeiten, ohne einen Vorschuss erhalten zu haben. Was sich dann prompt als Fehler herausstellt. So zum Beispiel im Fall eines Mannes. Dem wurde ein Sexualdelikt zur Last gelegt. Klang alles ausreichend dramatisch, damit im Hinterkopf das Wort Haftbefehl aufploppt.

Ich rief also die zuständige Staatsanwältin an. Faxte den üblichen Brief, mit dem ich mich als Verteidiger meldete. Der Mandant hatte fest versprochen, in den nächsten Tagen einen Betrag X anzuzahlen. Was aber nicht passierte.

Die Ermittlungsakte kam schnell, also habe ich sie kopieren lassen und reingeschaut. Letzteres, um dem Auftraggeber am Telefon was sagen zu können. Dazu kam es dann aber nicht mehr. Nach der dritten Mail, in der mir nun prompte Zahlung zugesagt wurde, hatte auch ich den Braten gerochen und zog die Notbremse. Keine weitere Tätigkeit ohne Zahlung.

In der Sache habe ich dann nur noch eines gemacht. Mir einen Vollstreckungsbescheid über die bereits angefallenen Gebühren besorgt. Mit dem geht der Gerichtsvollzieher mittlerweile bei dem Betreffenden hausieren. Der Vollstreckung hat der ehemalige Mandant übrigens widersprochen. Und zwar so:

Dem Rechtsanwalt wurde damals die Advocard vorgelegt. Die Abrechnung sollte über die Advocard erfolgen.

Dazu muss man wissen: Wird jemandem, wie hier, ein Vorsatzdelikt zur Last gelegt, gibt es keinen Rechtsschutz. Eine kleine Ausnahme gilt im Straßenverkehrsrecht, aber davon war der Tatvorwurf wie erwähnt doch ziemlich weit entfernt.

Sicher erwähnen Mandanten auch mal ihre Rechtsschutzversicherung. Aber ebenso sicher weise ich im Honorargespräch darauf hin, dass die Versicherung in dieser Konstellation rein gar nicht hilft.

Na ja, der Gerichtsvollzieher muss ja nicht prüfen, ob der Widerspruch plausibel ist. Er lädt seinen Schuldner jetzt zur eidesstattlichen Versicherung ein. Kurz vor dem Termin kommt garantiert die Frage, ob ich mit einer Ratenzahlung einverstanden bin.

Normalerweise ja.

„Den Beschluss kriegen wir sowieso“

Es ging um nichts Großes. Immerhin lief die Hausdurchsuchung ruhig ab. Die Polizeibeamten drängten den Mandanten auch nicht einer Ausssage. So weit, so gut.

Allerdings wollte man dann noch eine Speichelprobe. Das Standard-Merkblatt durfte der Mandant lesen. Darin steht ausdrücklich, dass es jedermanns freie Entscheidung ist, ob er sich mit einer Probe einverstanden erklärt. Tut er dies nicht, muss erst ein Richter entscheiden.

Der wichtigste Satz fiel aber mündlich:

Sie können die Speichelprobe jetzt abgeben. Oder später. Den Beschluss kriegen wir sowieso.

Das kam überzeugend rüber. Mein Mandant knickte ein. So hat er der Polizei und dem Staatsanwalt, der die DNA-Probe bei Gericht beantragen müsste, etwas Papierkram erspart. Sich aber gleichzeitig selbst um seine Rechte gebracht.

Die Speichelprobe ist nämlich längst nicht so selbstverständlich, wie es der Polizeibeamte dargestellt hat. Sofern es nicht um den Abgleich von Spuren aus dem konkreten Fall geht, darf die Probe nur angeordnet werden, wenn wenn der Beschuldigte schon etliche Male wegen kleinerer Delikte aufgefallen ist oder wenn es um eine Straftat von erheblicher Bedeutung geht.

Nur bei Sexualdelikten kommt es nicht auf die Zahl der Taten oder die Schwere des Tatvorwurfs an. Schon die erhebliche Bedeutung ist, wie auch im Fall meines Mandanten, eine Hürde, an der viele von der Polizei gewünschte Speichelproben bei einem vernfünftigen Richter scheitern.

Außerdem muss zusätzlich aber noch die begründete Annahme bestehen, dass der Beschuldigte auch künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begeht. Für diese Annahme ist normalerweise gerade bei Personen, gegen die erstmals ermittelt wird, kein Raum. Das ist in unserem Fall so. Deshalb war die richterliche Anordnung keine sichere Bank, hätte der Mandant die Sache mit der Freiwilligkeit ernst genommen.

Es steht ja, wie gesagt, schon im Merkblatt drin.

Anwaltskalender 2011 – die Gewinner

Die Gewinner der Anwaltskalender 2011 stehen fest. Wir haben insgesamt 10 Exemplare, gezeichnet vom Karikaturisten wulkan, verlost. Das sind die Leser mit Fortune:

Beitrag 1: Name / Kommentar-Nr.

Rainer 3
Maddin 317
Sonnenfeind 342
Blub 376
Edith 525

Beitrag 2:

Johannes 26
Annika 46
Hannes 308
Sami 464
Christina 480

Herzlichen Glückwunsch. Die Gewinner haben bereits eine Mail erhalten.

Wer leer ausgegangen ist, kann natürlich auch bei wulkan Anwaltskalender 2011 ordern. Der Kalender kostet 19,95 Euro zzgl. 5,80 Euro Versandkostenpauschale.

Bestellungen sind möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70.

Eine Frage der Rutschigkeit

Nun ist sie in Kraft, die sogenannte Winterreifenpflicht. Wahrscheinlich könnten Bundestag und Bundesrat schon viele Fehler vermeiden, wenn sie in ihre Beratungspapiere ab und zu reinschrieben, wie die Vorschrift am Ende eigentlich lauten soll. Stattdessen ist immer nur die Rede davon, welche Satzteile gestrichen und welche Worte eingefügt werden. Zum Schluss verstehen das nur noch Leute, die Textpuzzle mögen und zufällig zwei Stunden Zeit haben.

Aber womöglich ist die Konfusion ja gewollt. Im Fall der Winterreifenpflicht erblickte nun folgendes Satzungetüm das Licht der Welt:

Bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte darf ein Kraftfahrzeug nur mit Reifen gefahren werden, welche die in Anhang II Nummer 2.2 der Richtlinie 92/23/EWG des Rates vom 31. März 1992 über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage (ABl. L 129 vom 14.5.1992, S. 95), die zuletzt durch die Richtlinie 2005/11/EG (ABl. L 46 vom 17.2.2005, S. 42) geändert worden ist, beschriebenen Eigenschaften erfüllen (M+S-Reifen).

Über das Schlupfloch M+S-Reifen habe ich bereits vor einigen Tagen geschrieben. Aber auch der erste Satzteil wirft reichlich Fragen auf, die künftige Verkehrssünder sicher gerne stellen werden, wenn sie damit vielleicht Punkten in Flensburg sparen.

Zunächst fällt auf, wie viele Varianten der Glätte die Vorschrift kennt. Gibt es wirklich einen juristischen Unterschied zwischen Glatteis, Eisglätte und Reifglätte? Also sozusagen in der Rutschigkeit.

Meteorologisch sind das verschiedene paar Schuhe, da gibt es keine Frage. Bei Glatteis gefriert frischer Niederschlag, wenn er auf den Boden trifft. Eisglätte ist gegeben, wenn auf der Straße schon vorhandenes Wasser (Pfützen) gefriert. Reifglätte entsteht, wenn die Temperatur des Straßenbelags unter dem Taupunkt liegt und somit Luftfeuchtigkeit anfriert. Entweder hatte der Verfasser des Textes wirklich Angst, dass ein Richter sagt, eine Straße ist nur dann glatt und somit gefährlich, wenn genau geklärt ist, wieso sie glatt geworden ist. Oder er hat einfach mal die einschlägige Auflistung aus der Wikipedia abgepinnt, ohne die Erläuterungen richtig zu lesen.

Für letzteres spricht, dass neben Schneematsch nur die Schneeglätte erwähnt wird. Schneeglätte liegt aber nur vor, wenn vorhandener Schnee durch den Druck von Fahrzeugen zusammengepresst wurde und deshalb besonders glatt ist. Der findige Verkehrssünder wird daraus schließen, dass frisch gefallener, noch nicht von Autos zusammengedrückter Schnee nicht nur häufig vorkommt, sondern eben auch keine Schneeglätte ist. Womit in diesem Fall die Winterreifenpflicht nicht gilt.

Man wird, gerade mit einer Rechtsschutzversicherung im Rücken, auch darüber sinnnieren können, warum bei so viel Detailversessenheit Blitzeis (gefrierender Regen) und Eisregen nicht erwähnt werden. Unschädlich ist das nur für den Fall, dass beide Wetterphänomene vom Oberbegriff Glatteis umfasst sind. Ob das der Fall ist, kann eigentlich nur ein Sachverständiger entscheiden. Bevor sie sich das antun, stellen viele Bußgeldrichter das Verfahren lieber ein.

Eindringliches Gespräch

Der 62-jährige Lutz B. hat als „rasender Richter“ und „Richter Bleifuß“ von sich reden gemacht – gestern hat der Senatspräsident am Oberlandesgericht Düsseldorf erklärt, er werde die gegen ihn schwebenden Verfahren rechtskräftig werden lassen. „Ich habe veranlasst, dass die eingelegten Einsprüche zurückgenommen werden.“

Damit wären die Verfahren erledigt, zu denen das Amtsgericht Erkelenz kürzlich verhandeln wollte, aber von Lutz B. brüskiert worden war. B. hatte, wie berichtet, mit einem ärztlichen Attest seine Unfähigkeit zur Verhandlung belegt und den Prozesstermin platzen lassen. Trotzdem war er aber gesund genug, um am vorgesehenen Verhandlungstag ins Oberlandesgericht Düsseldorf zu kommen. Dort wurde B. von etlichen Personen gesehen.

Bei Rechtskraft der Bußgeldbescheide muss der Richter nun 283 Euro Buße sowie Verfahrenskosten an die Staatskasse zahlen. Außerdem trifft ihn ein einmonatiges Fahrverbot. Ob er seine Fahrerlaubnis dauerhaft verliert, wird sich zeigen. Bislang hat B. 14 Punkte in Flensburg; bei 18 Punkten wird die Fahrerlaubnis zwingend entzogen.

Wie aus Justizkreisen zu erfahren war, ging der Einsicht des Richters ein eindringliches Gespräch mit der OLG-Präsidenten voraus. (pbd)

Links 575

„Es scheint aus dem Blick geraten zu sein, dass die Polizei dazu da ist, Gewalt auszuüben, aber sie auch auszuhalten“

Was macht Innocence in Danger mit den Hunderttausenden?

„Mit echten Projekten und Hilfen hat der Verein allerdings bisher nicht beeindrucken können“

Weswegen will Innocence in Danger eigentlich klagen?

In einem ordentlichen deutschen Bus ist nur Platz für einen Kinderwagen (bei jedem Wetter)

Dass die International Herald Tribune auch immer alles falsch versteht

Hat eine Wahrsagerin Anspruch auf Honorar?

Flattr-Rekord

Der November war Rekordmonat für das law blog. Er brachte die höchste Flattr-Einnahme bisher. 372,79 Euro haben die Leser über Klicks auf den Button am Ende jedes Artikels spendiert. Vielen Dank dafür!

Wer Flattr noch nicht kennt, kann sich hier informieren. Neu ist übrigens eine Abofunktion. Nach dem Flattr-Klick einfach noch mal auf den Flattr-Button klicken. Es öffnet sich ein Auswahlmenü, über das ein Beitrag 3, 6 oder 12 Monate geflattrt werden kann. Das geht dann automatisch. Das Abo kann im Flattraccount jederzeit geändert oder beendet werden.

Welche Beiträge wie oft im November geflattrt wurden, kann ich momentan nicht sagen. Die Revenueliste lässt sich bei Flattr gerade nicht aufrufen.

Hier aber noch die Flattr-Einnahmen bisher:

November 2010 372,79 Euro
Oktober 2010 321,21 Euro
September 2010 275,38 Euro
August 2010 346,66 Euro
Juli 2010 265,78 Euro
Juni 2010 247,68 Euro
Mai 2010 33,03 Euro

Das Grundgesetz nicht zu Markte tragen

Terrorwarnungen und Terrorbekämpfungspläne führen nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) derzeit zu Überreaktionen. Insbesondere die erneut diskutierte Speicherung sämtlicher Telefon- und Internetverbindungen unabhängig von einem Verdacht lehnt der DAV entschieden ab. Die Vorratsdatenspeicherung greife in den geschützten Bereich der vertrauensvollen Kommunikation und somit in grundgesetzlich geschützte Bürger- und Freiheitsrechte massiv ein. Nach Ansicht des DAV sollte die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf den Prüfstand gestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht habe zu Recht am 2. März 2010 die Vorratsdatenspeicherung in der damaligen Form für verfassungswidrig erklärt.

„Der Staat hat zwar den verfassungsrechtlichen Auftrag, seine Bürgerinnen und Bürger vor Terror zu schützen, jedoch müssen die Maßnahmen verhältnismäßig sein“, betont Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident. In die Privatsphäre unbescholtener Bürger dürfe nicht grundlos eingegriffen werden. „Alle Bürger dem Generalverdacht auszusetzen, sie seien Straftäter, ist unerträglich“, so Ewer.

Selbst in ernsten Bedrohunglagen dürfe das Grundgesetz nicht zu Markte getragen werden, warnt der DAV. Die dem Staat zur Verfügung gestellten Mittel zur Terrorismusbekämpfung müssten wirksam sein und verfassungsrechtlich legitimiert sein.

Wo sich Udo Vetter irrt

Die Diskussion um den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist nun voll angelaufen. Auch zu meinem gestrigen Beitrag „Blogger können leidlich gelassen bleiben“ gibt es ein Feedback. Die Resonanz ist durchaus auch kritisch, genau wie es in einer sachlichen Debatte sein soll. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier einige Beiträge außerhalb der Mainstream-Medien, die lesens- und diskussionswürdige Argumente bringen:

Pottblog: Warum Udo Vetter und Robert Basic sich in Sachen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) und die Auswirkungen auf Blogs irren

Engeln.de: JMStV, Blogger und die lässlichen Einschätzungen

Telemedicus: JMStV: Nachrichten-Privileg für Blogger?

Internet-Law: Mein Blog bleibt online

Prof. Thomas Hoeren: Jugendmedienstaatsvertrag und Altersfreigabe im Internet

written in basic: JMSTV: Die Sache mit dem Jugendschutzbeauftragten

RA Dr. Martin Bahr: „Es ist nicht mehr als ein Gerücht, dass jede deutsche Webseite
eine Alterskennzeichnung tragen muss“

Flotter Richter „verhandlungsunfähig“

Auch für einen Senatspräsidenten gilt die Unschuldsvermutung. Selbst wenn er diverser Verkehrssünden beschuldigt wird, wie das bei dem Richter Lutz B. vom Oberlandesgericht Düsseldorf der Fall ist.

Inzwischen sorgt der 62-Jährige aber auch mit taktischen Manövern für Aufregung. Gestern sollte er um 11.30 Uhr vor dem Amtsgericht Erkelenz erscheinen, damit wegen eines Tempoverstoßes gegen ihn verhandelt werden kann.

Doch B. ließ den Termin platzen. Er legte ein ärztliches Attest vor. Danach war er verhandlungsunfähig krank.

Lutz B. und seine Temposünden waren in Gespräch gekommen, weil er einen Autofahrer vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen hatte. Im Beschluss vertrat er Ansichten, die ihm selbst bei seinen vor Gericht offenen Temposünden hätten helfen können, zumal B. als Rechtsmittelrichter die juristische Marschroute der untergeordneten Amtsgerichte bestimmt.

Fraglich ist nur, ob der Erkelenter Amtsrichter Gregor Kral mitgezogen hätte. Der wollte gestern zunächst prüfen, ob man Lutz B. wegen 17 Stundenkilometern zu viel ein Bußgeld auferlegen kann. Der Kollege war auf der Landstraße bei Wegberg erwischt worden. Dafür soll er 30 Euro zahlen, will das aber nicht. Sein Argument: Das Schild war angeblich verdreht, deshalb gebe es Zweifel an der „rechtswirksam angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung“.

Am selben Tatort wurde der Wagen des Juristen aber auch noch mit einer Geschwindigkeit von 112 km/h gemessen, macht 42 km/h zu schnell. Für diesen Verstoß soll Lutz B. 208 Euro zahlen und einen Monat auf seinen Führerschein verzichten. Auch dagegen hat er Einspruch erhoben. Diesmal bislang ohne Begründung.

Sein Konto im Sündenregister des Kraftfahrtbundesamtes ist auch ohne diese Fälle schon auf 14 Punkte angewachsen. Bei 18 wird die Fahrerlaubnis entzogen. Zu den 18 Punkten hätte es gestern im Erkelenzer Amtsgericht womöglich kommen können.

Auch ohne seinen prominentesten „Angeklagten“ an diesem Tag demonstrierte der zuständige Richter Gregor Kral eine gereifte Resistenz gegen Ausreden. So verurteilte er um 11.35 Uhr einen Autofahrer zu 35 Euro Buße, obwohl der doch an seinem Handy „nur die Freisprecheinrichtung einschalten wollte“.

Ohne Nachsicht ließ Richter Kral vorige Woche auch einen Verfahrensantrag von Lutz B. abblitzen. Lutz B. wollte erreichen, dass der gestrige Termin verlegt wird, „ohne dass jemand davon erfährt“.

Darauf habe B. hat kein Recht, ließ Richter Kral ihn wissen. Worauf sich der Senatspräsident krank meldete. Die ärztlich attestierte Verhandlungunsfähigkeit, für die es normalerweise weit mehr als eines Schnupfens bedarf, könnte allerdings nur partiell gewesen sein. So ist nämlich zu hören, Lutz B. sei zwar gestern nicht vor dem Amtsgericht Erkelenz erschienen, aber mehrfach an seinem Dienstsitz im Oberlandesgerich gesehen worden. Unbekannt ist bislang, ob und wie der Erkelenzer Amtsrichter Kral auf solche Nachrichten reagiert.

Ein neuer Termin dürfte jedenfalls unausweichlich sein, wenn es dem Senatspräsidenten wieder besser geht. Früher oder später wird es also zum Showdown am Amtsgericht kommen. (pbd)

Kalenderverlosung – Nachspielzeit

Knapp 500 Teilnehmer zählt die alljährliche Verlosung des Anwaltskalenders von wulkan bislang. Bei dieser großen Resonanz soll es nicht bei den fünf Exemplaren bleiben, die ich immer für die Leser des law blog kaufe. Der Künstler persönlich legt diesmal die gleiche Zahl drauf, so dass wir mit der Verlosung in die Verlängerung gehen können.

Es sind nun also zehn Anwaltskalender 2011 im Pott. Wer möchte, kann noch mal sein Glück versuchen und auch einen Kommentar zu diesem Beitrag hinterlassen. Die Gewinner der Kalender geben wir dann einheitlich ab dem 5. Dezember 2010 bekannt. Bis dahin ist die Teilnahme in beiden Beiträgen möglich.

Das Kleingedruckte:

Bitte eine gültige E-Mail-Adresse angeben. Die Gewinner werden ausschließlich über diese E-Mail-Adresse kontaktiert. Die E-Mail-Adressen geben wir nicht weiter und verwenden sie auch nicht für andere Zwecke. Unter allen Teilnehmern entscheidet das Los.

Der Kalender wird noch vor Weihnachten frei Haus an die vom Gewinner gewünschte Adresse verschickt. Er eignet sich deshalb auch als Weihnachtsgeschenk.

Wer sich nicht auf sein Glück verlassen will, kann natürlich auch bei wulkan einen Kalender ordern. Die Kalender kosten pro Stück 19,95 Euro zzgl. 5,80 Euro Versandkostenpauschale.

Bestellungen sind möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70.

Blogger können leidlich gelassen bleiben

Man kann und muss sich über den geplanten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) aufregen. Die geplanten Regelungen sind weltfremd im wahrsten Sinne des Wortes. Das Internet ist ein internationales Medium. Kein Inhalteanbieter aus einem anderen Land wird sich um in Deutschland angeordnete Alterskennzeichnungen und Sperrzeiten scheren. Gleiches gilt für deutsche Anbieter, die zumindest offiziell mit Server und Adresse in weniger restriktive Regionen umziehen. Das gesamte System ist also bereits jetzt zum Scheitern verurteilt und läuft eigentlich nur auf eine Knebelung der „braven“ deutschen Anbieter hinaus, die nicht tricksen oder sich im bürokratischen Dickicht verirren wollen, Angst vor Abmahnungen haben und deshalb womöglich ihre Seiten dichtmachen.

Genau das haben heute einige Blogger angekündigt. Abgesehen davon, dass man politischen Flachsinn nicht durch Resignation besiegt, habe ich den Eindruck, der eine oder andere ist einer Dramatisierung der tatsächlichen Pflichten und Risiken erlegen, die sich aus dem JMStV für Blogger ergeben werden.

Das größte Schreckgespenst ist die Alterskennzeichnung. Wie soll man die Beiträge aus drei, vier, fünf Jahren Bloggerei auf ihre Jugendgefährdung sichten? Die Frage ist schon mal falsch gestellt. Es gibt, entgegen vieler Darstellungen, keine generelle Pflicht zu einer Alterskennzeichnung. Nur wer Inhalte anbietet, die ausschließlich für Nutzer ab 16 oder 18 Jahren geeignet sind, muss entweder eine Alterskennzeichnung einführen oder seine Inhalte tagsüber sperren.

Das ist im wesentlichen übrigens auch bisher schon geltendes Recht. Gekümmert hat es kaum jemanden. Bis auf das Verbot eines Anorexie-Blogs und einige Anschreiben des zahnlosen Tigers jugendschutz.net ist mir bislang kein flächendeckender Schlag gegen Blogs bekanntgeworden, der sich nicht gegen – eindeutig verbotene – harte Pornografie, Gewaltverherrlichung oder extremistische Propaganda richtete. Ich behaupte, das wird sich auch mit dem neuen JMStV nicht ändern. So verquast die Regelungen formuliert sind, sind sie jedenfalls eher rhetorische Feigenblätter (Seht her, wir tun was!) und weniger die neuen Wunderwaffen für ein klinisch reines deutsches Internet.

Ich habe unendlich viele Blogs in meinem Reader. Bei einer Durchsicht eben ist mir kein einziger Beitrag aufgefallen, der so hart war, dass jemand auch nur ernsthaft eine Altersfreigabe erst ab 16 oder gar 18 Jahren fordern könnte. Vielleicht lese ich nur die falschen Blogs. Aber es könnte auch gut sein, dass wir für 99 % des Genres falsche Befürchtungen haben. Da es auch heute schon ähnliche Regelungen gibt, müsste sich entweder die Alterseinschätzung inhaltlich ändern. Oder die weitaus meisten Blogs sind einfach brav genug, um nicht einmal ansatzweise ins Raster des JMStV zu fallen.

Die immer wieder herumgeisternde Altersstufe 12 Jahre wird falsch verstanden. Es wird zwar eine Regelung geben, dass Alterskennzeichnungen vorgeschrieben sind, wenn die betreffende Seite Inhalte anbietet, die erst ab 12 Jahren geeignet sind. Allerdings gilt das nur dann, wenn sich andere Angebote der Seite inhaltlich ausdrücklich an jüngere Kinder richten und diese Inhalte nicht von denen „ab 12“ sauber getrennt sind. Unschwer zu erkennen, dass es sich bei dem Angebot um ein Blog mit Kindercontent handeln müsste. Über die Notwendigkeit der Trennung mag man streiten, aber jedenfalls haben diese Vorgaben schon von den Inhalten sicher nichts mit der denkbaren Zensur „normaler“ Bloginhalte zu tun.

Also: Wer keine Inhalte anbietet, die für unter 16-Jährige durchgehend schädlich sind, muss weder eine Alterskennzeichnung einführen noch Sendezeiten beachten. Entgegen mancher Behauptung wird es also keine Bußgelder bloß deswegen geben, weil auf einem Blog keine Alterskennzeichnung vorhanden ist. Wer für sich also zu der Überzeugung kommt, dass er keine Inhalte anbietet, die erst ab 16 Jahren zugänglich sein dürfen, hat keinen Handlungsbedarf. Schon das dürfte die weitaus meisten Blogger aus der Schusslinie des JMStV bringen.

Überdies werden sich die viele Blogger darauf berufen können, (auch) tagesaktuelle, gesellschaftlich relevante Themen zu diskutieren und damit auf der Ebene üblicher redaktioneller Angebote zu stehen. Diese sind aber grundsätzlich von den Vorschriften ausgenommen. Was zum Beispiel dazu führt, dass Bild auch künftig online nackte Mädchen zeigen darf und Spiegel online auch mal einen Text zu pikanten Themen veröffentlichen kann, ohne sich um Altersvorgaben scheren zu müssen. Ich bin zuversichtlich, dass Gerichte eine Vielzahl von Blogs ebenfalls als ein quasi-journalistisches Angebot ansehen würden mit der Folge, dass sich die Frage nach Altersklassifikationen für sie gar nicht stellt.

Für das law blog nehme ich dieses Privileg in Anspruch. Es wird auf dieser Seite also keine Alterskennzeichnung geben, selbst für den Fall, dass der eine oder andere Beitrag nach Einschätzung der Behörden erst ab 16 oder 18 Jahren verdaulich ist.

Da es, um das noch mal zu wiederholen, definitiv keine Pflicht für eine Alterskennzeichnung gibt, kann die bloß fehlende Kennzeichnung auch nicht abgemahnt werden. Eine Abmahnung wäre auch höchstens auf der Basis des Wettbewerbsrechts möglich. Das Wettbewerbsrecht setzt aber auch immer ein „Wettbewerbsverhältnis“ voraus. Private Blogger, auch solche mit Werbung auf der Seite, stehen aber mit kaum jemandem in einem derartigen Wettbewerb. Auch hier ist also eher nicht davon auszugehen, dass die Welt untergeht.

Wer allerdings Inhalte ab 16 oder 18 Jahren anbietet, muss sich entscheiden. Er kann eine Alterskennzeichnung auf sein Blog setzen. Tut er dies, genügt er seiner Pflicht. Es gelten für ihn dann auch keine „Sendezeiten“ mehr. Auch das wird von vielen falsch verstanden, weil sie offensichtlich nicht sehen, warum die Alterskennzeichnungen eingeführt werden.

Diese Kennzeichnungen sollen Jugendschutzfiltern auf der Anwenderseite die Arbeit erleichtern. Die Alterskennzeichnung funktioniert wie die Jugendschutzsperre im Fernsehen. Sky sendet zum Beispiel auch tagsüber Filme ab 16 oder 18 Jahren. Diese sind dann aber nur zu sehen, wenn eine Jugendschutz-PIN eingegeben wird.

Die Internetanalogie zur Jugendschutz-PIN ist die Alterskennzeichnung. Mit der Alterskennzeichnung können Filterprogramme Inhalte einfach aussortieren, ohne nach Schlagwörtern oder „verdächtigen“ Bildern suchen zu müssen. Ein Blog, das korrekt zum Beispiel ab 16 oder 18 gelabelt ist, darf demnach auch tagsüber online sein. Die Alterskennzeichnung ist gerade der „Schlüssel“ dazu, die ansonsten für Inhalte ab 16 oder 18 Jahren geltenden „Sendezeiten“ nicht einhalten zu müssen.

Wer von seinem Recht Gebrauch macht und auf eine Alterskennzeichnung verzichtet, muss allerdings damit rechnen, dass die Filterprogramme sein Angebot erst mal generell sperren. Dies bedeutet aber nicht, dass nun etwa ein Provider das nicht gelabelte Blog insgesamt für seine Kunden blockiert. Vielmehr sollen, so zumindest die Beteuerungen, die Filter erst beim jeweiligen Nutzer installiert sein, also zum Beispiel auf dem Notebook einer Familie mit Kindern. Es soll hier auch den Erziehungsberechtigten freistehen, ob sie überhaupt Filterprogramme verwenden und welche „Sicherheitsstufe“ sie wählen.

Ich habe trotz intensiver Suche keinen Beleg dafür finden können, dass ernsthaft über Filter auf Providerebene nachgedacht wird. Das würde ja auch zu einer faktischen Abschaltung des kompletten Internets für die betreffenden Kunden führen. Denn ausländische Anbieter werden so oder so keine Alterskennzeichnung nach deutschem Vorbild übernehmen. Ihre Seiten müssten dann ebenfalls ausgesperrt bleiben. Wir hätten dann tatsächlich ein „Kindernet“ und kurz darauf die Revolution.

Sollte man sich für eine Alterskennzeichnung entschließen (und so die Sendezeiten umgehen), hält sich das Risiko einer falschen Einordnung leidlich in Grenzen. Der Entwurf des JMStV sieht Bußgelder nur für den Fall vor, dass der Seitenbetreiber sein Angebot „wiederholt“ falsch labelt, und zwar wider besseres Wissen. Dafür reichen ein Irrtum oder eine Fehleinschätzung nicht aus. Ein Freischuss ist ohnehin drin. Das ist besser als nichts.

Ja, aber was ist mit den Blogkommentaren und Foren? Der JMStV bezieht sich nach seinem Wortlaut nach zunächst nur auf eigene Angebote des Betreibers. Außerdem ist festgelegt, dass dass die Regelungen des Telemediengesetzes unberührt bleiben. Diese schließen aber gerade eine Haftung des Anbieters für Inhalte Dritter aus. Bei vernünftiger Auslegung dürfte sich also an dem Grundsatz nichts ändern, dass Kommentare und Foreneinträge den Seitenbetreibern frühestens zugerechnet werden, wenn er auf Probleme hingewiesen wurde. Es dürfte auch nach dem JMStV keine Pflicht geben, usergenerierten Content eigenständig zu prüfen.

Ganz untätig bleiben können Blogger aber nicht, sollte der JMStV am 1. Januar 2011 in Kraft treten. Wer „jugendgefährdende Inhalte“ anbietet, muss auf der Seite einen Jugendschutzbeauftragten und dessen Anschrift sowie E-Mail-Adresse nennen. Wer allerdings keine jugendgefährdenden Inhalte (Altersfreigabe 16 oder 18) auf der Seite hat, muss nach überwiegender Meinung der Juristen, die den Vertrag bewerten, auch keinen Jugendschutzbeauftragten angeben. Ich hatte das zunächst anders gesehen, meine jetzt aber auch, dass ein Jugendschutzbeauftragter für Blogs unbedenklichen Inhalten nicht genannt werden muss.

Der Jugendschutzbeauftragte soll zwar die nötigen Fachkenntnisse haben. Das bedeutet aber nicht, dass er hierfür eine besondere Fortbildung nachweisen muss. Jeder Blogger, der sich die Fachkenntnisse zutraut (und wer tut das nach Lektüre dieses Beitrags nicht?) kann demnach sein eigener Jugendschutzbeauftragter sein.

Was uns mit dem JMStV nach derzeitigem Stand droht, ist ein Regelwirrwarr und jede Menge Bürokratie. Das damit geplante Label-System in Verbindung mit standardisierter und somit zentral lenkbarer Filtersoftware ist zweifellos ein solides Fundament für eine spätere Zensurinfrastruktur, ebenso wie die schon in ein Gesetz gegossene „Zugangserschwerung“ in Form von Stoppschildern.

Das gesamte Projekt blendet außerdem aus, dass das Internet ein globales Medium ist und der weitaus größte Rest der Welt sicher keinen Bedarf sieht, ausgerechnet am deutschen Wesen zu genesen. Insofern ist der JMStV ein praxisuntaugliches Monstrum. Es besteht deshalb Grund zur Hoffnung, dass er ein ähnliches Schicksal erleiden wird wie die bisherigen Regelungen. Auch nach denen hat bald kein Hahn mehr gekräht.

Bloggen selbst wird mit dem JMStV sicher nicht einfacher. Aber ich sehe auch keinen Grund für Panik. Selbst wenn die Regelung kommt, macht sie ein Blog nicht zum unbeherrschbaren Risiko. Wenn man denn im Netz verstummen will, gibt es dafür sicher bessere Gründe als den JMStV.

Nachtrag: Interview mit news.de

Karlsruhe sagt Ja zu staatlicher Datenhehlerei

Für einen Anfangsverdacht spielt es keine Rolle, ob sich Behörden bei der Informationsbeschaffung selbst rechtswidrig verhalten haben oder ob ihr Informant strafbar handelte. So sieht es das Bundesverfassungsgericht im Fall der vom Staat angekauften Steuer-CDs aus Liechtenstein. Die Richter wiesen eine Verfassungsbeschwerde gegen die Verwertung dieser Informationen ab.

Gegen die Beschwerdeführer wird wegen Einkommensteuerhinterziehung ermittelt. Das Amtsgericht ließ ihre Wohnungen durchsuchen. Den Anfangsverdacht stützte das Amtsgericht darauf, dass im Rahmen der Ermittlungen gegen einen Liechtensteiner Treuhänder bekannt geworden sei, dass die Beschwerdeführer Geld in Liechtenstein angelegt haben, dessen Erträge sie möglicherweise nicht versteuert haben.

Bei der Akteneinsicht stellten die Beschwerdeführer fest, dass Ausgangspunkt des Verfahrens Informationen des Bundesnachrichtendienstes waren. Um was es genau ging, wurde ihnen nicht mitgeteilt mit der Begründung, die Unterlagen lägen noch nicht einmal der Staatsanwaltschaft selbst vor.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung ihrer Rechte auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, ihres Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und der Rechtsschutzgarantie sowie ihres verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Dem folgt das Bundesverfassungsgericht nicht. Die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt nach seiner Auffassung nicht ohne weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Dies gelte auch für Fälle einer fehlerhaften Durchsuchung.

Ein Beweisverwertungsverbot sei nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer acht gelassen worden sind, geboten. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht bislang nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist.

Vor diesem Hintergrund seien die angegriffenen Entscheidungen nicht zu beanstanden. Es bedürfe keiner abschließenden Entscheidung, ob und inwieweit Amtsträger bei der Beschaffung der Daten nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig oder gar strafbar gehandelt oder gegen völkerrechtliche Übereinkommen verstoßen haben. Denn die Gerichte hätten für ihre Bewertung, ob die Daten einem für die Durchsuchung erforderlichen Anfangsverdacht nicht zugrunde gelegt werden dürfen, solche Verstöße der Beamten unterstellt, welche die Steuer-CDs angekauft haben.

Soweit die angegriffenen Entscheidungen nach Abwägung der verschiedenen Interessen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Daten aus Liechtenstein verwendet werden dürfen, um den Anfangsverdacht für die Durchsuchung zu begründen, sei dies nachvollziehbar. Die Verwendung der Daten berühre nicht den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung. Diese betreffen lediglich geschäftliche Kontakte der Beschwerdeführer mit Kreditinstituten.

Außerdem seien Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, selbst wenn diese sich dabei strafbar gemacht hätten, grundsätzlich verwertbar, so dass allein von dem Informanten begangene Straftaten bei der Beurteilung eines möglichen Verwertungsverbotes von vornherein nicht berücksichtigt werden müssen.