Was Ernst Elitz alles nicht in den Sinn kommt
Polizei vermisst Atomkraftgegner von Kopf bis Fuß
Käfighaft beim G8-Gipfel: Gericht erklärt Maßnahmen für rechtswidrig
Vor einiger Zeit hatte ich über ein emsiges Inkassobüro berichtet, das uns mit Mahnungen traktierte. Nachdem wir uns als resistent erwiesen haben, wurde sogar ein Mahnbescheid beantragt. Auf unseren Widerspruch hin haben wir fünf Jahre lang nichts gehört – sonderlich stichhaltig dürfte die Forderung eines Warenhauses also nicht gewesen sein.
Nach Eintritt der Verjährung haben dann wir die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt. Und die Verjährung auch gleich geltend gemacht. In den Kommentaren zum oben verlinkten Beitrag wurde spekuliert, das könne riskant gewesen sein, weil man damit schlafende Hunde weckt und die Verjährung vielleicht doch nicht greift.
Die für die Anspruchsstellerin tätige große Rechtsanwaltsgesellschaft aus Baden-Baden bewertet die Rechtslage aber ähnlich wie wir. Die Klage wurde jetzt zurückgenommen. Gesetzliche Kostenfolge: Das Warenhaus zahlt alles.
In England muss ein 19-Jähriger vier Monate ins Gefängnis. Sein Vergehen: Er weigert sich, den Behörden das Passwort zu seinem Computer zu verraten. Wie die BBC berichtet, war der Mann in den Verdacht geraten, kinderpornografisches Material zu besitzen. Es gelang jedoch bis heute nicht, das etwa 50-stellige Passwort der beschlagnahmten Speichermedien zu entschlüsseln.
Der Betroffene weigerte sich auch konsequent, sein Passwort zu verraten. Er muss dafür jetzt einfahren. Währenddessen versucht die Polizei weiter, seinen Computer zugänglich zu machen.
Möglich wird die Gefängnisstrafe durch ein englisches Gesetz, den Regulation of Investigatory Powers Act 2000. Dieser erklärt es zur Straftat, wenn verschlüsselte Datenträger den Ermittlungsbehörden nicht zugänglich gemacht werden.
In Deutschland ist so was undenkbar. Verschlüsselung privater Daten ist nicht verboten. Auch wenn es unsere Ermittlungsbehörden mitunter auch anrüchig finden und so tun, als gebe es bei uns nur eine Gesetzeslücke, dürfte die Verschlüsselung in Wirklichkeit ein Bürgerrecht sein. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Beispiel mal in einer Entscheidung über die Frage, ob auf der eigenen Festplatte gespeicherte E-Mails noch dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, zusammengefasst gesagt: Nein, das Fernmeldegeheimnis gilt hier nicht mehr, da der Kommunikationsvorgang beendet ist. Aber der Betroffene kann und darf seine Daten selbst schützen, indem er sie verschlüsselt.
Es gibt in Deutschland also keine Pflicht für Beschuldigte, Passwörter herauszugeben. Für Zeugen sieht es etwas anders aus. Zeugen müssen mit den Ermittlungsbehörden kooperieren und somit auch Passwörter nennen. Aber auch Zeugen können ein Auskunftsverweigerungsrecht haben, wenn sie sich durch die Angabe eines Passwortes der Gefahr aussetzen, dass dann im Anschluss gegen sie selbst ermittelt wird.
An Ort und Stelle müssen übrigens auch Zeugen nichts sagen. Kein Zeuge muss mit der Polizei sprechen oder gar einer Vorladung folgen. Erst nach Vorladung durch die Staatsanwaltschaft müssen Zeugen Angaben machen. Man kann also auch als Zeuge Polizeibeamten, die es naturgemäß immer eilig haben und in diesem Zusammenhang auch mal die Rechtslage anders darstellen, die kalte Schulter zeigen. Es gibt dann auch keine Zwangsmittel gegen Zeugen.
Sofern es bei uns den Behörden nicht gelingt, verschlüsselte Daten sichtbar zu machen, darf auch nichts zu Lasten des Beschuldigten unterstellt werden.
In Deutschland kann so etwas wie in England also nicht passieren.
Derzeit.
In Göttingen scheint die Rechtspflege stillzustehen. Jedenfalls am Amtsgericht. Leser Peter L. versucht dort seit geraumer Zeit, eine Forderungssache zu klären. Ein erster Termin in seiner Sache war für den Januar anberaumt. Dieser Termin wurde aufgehoben. Seitdem wurden neue Termine für März, Juli, August, September und zuletzt auf den 21 Oktober festgelegt.
Auch dieser letzte Termin wurde nun aus „dienstlichen Gründen“ gestrichen. Peter L. erhielt folgende Mitteilung:
Eine Förderung des Verfahrens, insbesondere eine Neuterminierung, ist zur
Zeit nicht möglich.Bedingt durch die angespannte Personalsituation beim Amtsgericht Göttingen
(zwei Kollegen sind längerfristig schwer erkrankt, zwei Kolleginnen befinden
sich im Mutterschutz) kann das Dezernat derzeit nicht besetzt werden.
Angesichts der Vertretungsbelastung ist eine Vollvertretung nur in Eilt- und
Ausnahmefällen durchführbar; es ist daher auch nicht absehbar, wann eine
mündliche Verhandlung wird stattfinden können.Das Amtsgericht Göttingen ist um Abhilfe bemüht, die aktuelle
Personalsituation kann allerdings von hieraus nicht beeinflusst werden.Mit freundlichen Grüßen
Richter am Amtsgericht
Auf einem weiteren Blatt wird Peter L. empfohlen, sich doch eine Mediation zu überlegen. Für die softe Streitschlichtung scheint genug Personal vorhanden, während bei Entscheidungen nach dem Buchstaben des Gesetzes – der eigentlichen Kernaufgabe der Justiz – sich offenbar nichts mehr bewegt.
Peter L., der dringend auf Klarheit angewiesen wäre, findet’s nicht gerade lustig.
Es ist schon erstaunlich, wie nichtssagend und abgespeckt Durchsuchungsbeschlüsse heute daherkommen. Mit der nachfolgenden Beschwerde wende ich mich gegen so einen Beschluss, vor dessen Erlass wohl weniger nachgedacht wurde. Mühe hat man sich schon gar nicht damit gemacht:
Gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts B. lege ich für meine Mandantin Beschwerde ein mit dem Antrag:
Es wird festgestellt, dass der Durchsuchungsbeschluss insoweit rechtswidrig war, als er die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma N. auch über den Arbeitsplatz des Beschuldigten hinaus anordnete.
I. Formelle Mängel
Es liegen bereits formelle Mängel vor, die zur Rechtswidrigkeit insgesamt führen.
Die richterliche Durchsuchungsanordnung ist keine bloße Formsache (BVerfG StV 2005, 643). Sie muss insbesondere nachvollziehbar darlegen, auf welche tatsächlichen Anhaltspunkte sich der erforderliche Anfangsverdacht gründet. Spekulationen, Mutmaßungen und Vermutungen quasi ins Blaue hinein begründen keinen Anfangsverdacht (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, Rdnr. 536 mit Nachweis der umfangreichen Rechtsprechung).
Der Durchsuchungsbeschluss sagt nur, der Beschuldigte stehe im Verdacht, Geschäftsgeheimnisse an seine private E-Mail-Adresse geleitet zu haben. Außerdem habe er eine Arbeit bei einem direkten Konkurrenten, meiner Mandantin, aufgenommen. Weitere Angaben oder Begründungen enthält der Beschluss nicht.
Diese Angaben rechtfertigen noch keinen Anfangsverdacht für eine Straftat.
Erforderlich wären vielmehr Tatsachen, die darauf schließen lassen, dass es einen inneren Zusammenhang zwischen dem mutmaßlichen Mailversand und dem Arbeitsplatzwechsel gibt. Alleine die Vermutung oder Spekulation, der Beschuldigte könne sich so oder auch anders verhalten, begründet nicht den Verdacht einer Straftat.
Ansonsten könnte praktisch bei jedem Arbeitsplatzwechsel unterstellt werden, der Arbeitnehmer werde bei ihm vorhandene Daten dem neuen Arbeitgeber zur Verfügung stellen. Das ist aber nur eine bloße Spekulation.
II. Sachliche Mängel
Die Durchsuchung war überdies jedenfalls rechtswidrig, als sie nicht auf den Arbeitsplatz des Beschuldigten beschränkt wurde.
1. Das Gericht hat hier die Grenzen des § 103 StPO nicht beachtet. Jedenfalls ergeben sich aus dem Beschluss keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass es meine Mandantin billigt oder zumindest duldet, dass der Beschuldigte Daten von seinem früheren Arbeitgeber im Rahmen seiner neuen Tätigkeit verwendet.
Es stand deshalb noch nicht einmal zu vermuten, dass derartige Daten in einem Bereich aufgefunden werden könnten, der über den Arbeitsplatz des Beschuldigten hinausgeht.
Deshalb war eine weitergehende Anordnung schon nicht von § 103 StPO gedeckt.
2. Jedenfalls war die Anordnung grob unverhältnismäßig. Die Anordnung hätte bei engherziger Auslegung durch die ermittelnden Polizeibeamten durchaus dazu führen können, dass die kompletten Server meiner Mandantin sowie Vertrags- und Kundenunterlagen beschlagnahmt werden.
Dies hätte zunächst den Betrieb lahmgelegt. Meine Mandantin ist einer der größten Arbeitgeber am Ort. Der wirtschaftliche Schaden wäre schnell in die Hunderttausende, wenn nicht Millionen Euro gegangen.
Überdies hätte die Beschlagnahme dazu geführt, dass nun wiederum Geschäftsgeheimnisse meiner Mandantin in einem unübersehbaren Umfang in die Ermittlungsakte kommen. In diese Ermittlungsakte hätte wiederum die Anzeigenerstatterin Einsicht mit der Folge, dass ausgerechnet dieses Konkurrenzunternehmen Einblick in die nach § 17 UWG geschützten Geschäftsgeheimnisse meiner Mandantin erlangt hätte. …
Ich bitte darum, mir die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zukommen zu lassen.
Die beliebte Düsseldorfer Kaffeehaus-Kette Woyton hat das freie WLAN in ihren Filialen abgeschaltet. Grund waren ständige Abmahnungen, da Gäste nicht nur Latte schlürften, sondern Filesharing betrieben.
Nun meldet sich die Düsseldorfer Polizei mit guten Ratschlägen zu Wort:
Zumindest sollte der Nutzer seine E-Mail-Adresse angeben müssen. Über die Mailanbieter lässt sich bei einem Missbrauchsfall meist zurückverfolgen, wer illegale Daten heruntergeladen hat.
Die Film- und Musikfreunde unter den Gästen kommen natürlich nur ins Woyton, weil sie gar nicht ahnen, etwas Illegales zu tun. Dementsprechend würden sie auch immer nur ihre echte, mit Klarnamen und hinterlegter Ausweiskopie registrierte E-Mail-Adresse bei E-Postbrief oder DE-Mail angeben. Oder zumindest jene, die ihnen ihr Arbeitgeber zugewiesen hat.
Überdies: Weiß der Beamte nicht, dass die Staatsanwaltschaften und die ihnen untergebene Polizei angewiesen sind, Filesharing-Anzeigen im sozialüblichen Bereich gar nicht mehr nachzugehen? (Im Gegenzug wurde ein privatrechtlicher Auskunftsanspruch eingeführt. Rechteinhaber können sich die Daten des Anschlussinhabers nun selbst bei den Providern besorgen.)
Selbst wenn Woyton also die E-Mail-Adressen des Filesharings „verdächtiger“ Nutzer liefern würde, hätte die Polizei nach geltender Rechtslage überhaupt keine Befugnis einzuschreiten. Denn an sich nicht mehr strafwürdiges Filesharing wird ja nicht schon deshalb wieder zum großartigen Delikt, bloß weil es über einen fremden Internetanschluss stattfindet.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine gegen die geplante Volkszählung 2011 gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde genügt nach Auffassung der Richter nicht den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgerichtsgesetz an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde stellt.
Die Beschwerdeführer hätten lediglich beantragt, das Gesetz insgesamt für verfassungswidrig zu erklären. Sie hätten aber nicht konkret benannt, welche einzelnen Regelungen gegen das Grundgesetz verstoßen. Bei Rechtsnormen reicht es, so die Entscheidung regelmäßig nicht aus, das gesamte Gesetz zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde zu machen. Notwendig sei vielmehr die exakte Bezeichnung der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Bestimmungen. Diese Anforderungen hätten die Beschwerdeführer nicht erfüllt.
Soweit sie in ihrer Beschwerdebegründung darüber hinaus ausführten, die
im Rahmen des Zensus 2011 vorgesehene Datenerhebung und -zusammenführung nach den §§ 3 bis 9 ZensG seien ein nicht zu rechtfertigender Grundrechtseingriff, reicht die undifferenzierte Nennung dieser Vorschriften angesichts ihres umfangreichen und detaillierten
Regelungsgehalts für eine hinreichende Bezeichnung des angegriffenen
Hoheitsakts in den Augen der Verfassungsrichter nicht aus.
Des Weiteren lasse die Begründung der Verfassungsbeschwerde auch die
Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht hinreichend erkennen. Die Beschwerdeführer rügen in erster Linie eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Sie legten aber nicht dar, welche Eingriffe in dieses Grundrecht der Zensus 2011 näher mit sich bringt, d. h. welches Gewicht ihnen im Einzelnen zukommt und aufgrund welcher Auswirkungen diese Eingriffe den Anforderungen der Rechtsprechung oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht genügen sollen.
Auch diese Entscheidung zeigt, dass das Bundesverfassungsgericht die formalen Hürden für Verfassungsbeschwerden höher hängt. Schon in letzter Zeit hat das Gericht häufiger Pressemitteilungen herausgegeben, die über Missbrauchsgebühren für querulatorische Beschwerdeführer berichteten. Das ist aber an sich keine große Nachricht – bei jedem Gericht gehen Tag für Tag unsinnige und offensichtlich aussichtslose Anträge ein.
Das Verfassungsgericht zielt also erkennbar auf Abschreckung. Die heutige Pressemeldung zur Volkszählung 2011 hat einen ähnlichen Unterton. Es darf allerdings schon gefragt werden, ob es wirklich nötig ist, das Thema so lapidar abzubügeln.
Immerhin handelt es sich um ein Problem, das alle Bürger betrifft.
Arbeitsrecht kann interessant sein. Mitunter. Das Landesarbeitsgericht Köln musste jetzt dem Angestellten eines Bestattungshauses beispringen. Der Mitarbeiter hatte im Vertrag stehen, dass er einen Dienstwagen bekommt, den er auch privat nutzen darf.
Die Firma stellte ihm einen voll ausgestatteten Leichenwagen zur Verfügung. Dazu das Gericht: Auch dem Mitarbeiter eines Bestattungshauses könne nicht zugemutet werden, auch in seiner Freizeit mit einem Leichenwagen herumzufahren. Das bedürfe „keiner weiteren Vertiefung“.
Sie nennen sich Finanzermittlungen und sind oft ein Notnagel. Nämlich dann, wenn die Polizei mit dem eigentlichen Tatverdacht bei Drogen- und Vermögensdelikten nicht weiterkommt. Fehlen Beweise für die Täterschaft einer Person, wird auch gern geguckt, wie viel Geld der Verdächtige hat und was er damit macht.
Bei meinem Mandanten gab es keinen greifbaren Beleg dafür, dass er tatsächlich was mit Drogen zu tun hat. Außer dem anonymen Hinweis eines Informanten, dem sogar eilfertig Vertraulichkeit und Anonymität zugesagt wurden. Was normalerweise nichts anderes heißt, als dass es den Zeugen so gar nicht gibt. Oder dass er vor Gericht ohnehin nicht präsentabel wäre, weil man ihn dort schon als notorischen Lügner kennt.
Aber die Finanzermittlungen. Bei der Durchsuchung, die auf eine völlige Durchleuchtung aller Konten meines Mandanten stattfand, wurde Bargeld im Haus gefunden. Bargeld! Bei der Euphorie, mit welcher die zuständige Polizeibeamtin ein paar lose 500-er beschreibt, die sie aus der Lederjacke meines Mandanten zog, liegt die Vermutung nahe, dass sie so was noch nie gesehen hat außer vielleicht im Fernsehen, was natürlich schon per se höchst verdächtig ist.
Dumm nur, dass mein Mandant als Angestellter gut verdient. Auf jeden Fall besser als eine Kommissarin. Fürs Bargeld hatte er auch eine Erklärung. Er verbringe die Wochenenden gern im Wettbüro. Sportwetten seien sein Hobby. Und eigentlich auch so was wie ein Zweitjob. Im letzten Monat habe er bei Wetten rund 4.000 Euro verloren – und im selben Zeitraum bei anderen Wetten 12.000 Euro gewonnen.
Das notierten die Beamten gerne und sahen sozusagen schon den Beweis geführt. Wenige Tage später kam dann aber doch der Gedanke auf, ob man die grottenschlechte Geschichte mit den Wettgewinnen nicht vielleicht doch besser überprüft. Nur zur Sicherheit. Und für den Fall, dass der Staatsanwalt fragt. Quasi als Sargnagel. In der Gewissheit, dass es ja ohnehin nicht stimmt.
Zwei Kriminalbeamte begaben sich also in das Wettbüro, welches mein Mandant als Lieblingslokalität benannt hatte. Dort trafen sie auch einen angestellten Herrn, der es vorzog, nur „Babu“ genannt zu werden. Immerhin war das auch der Name, den mein Mandant erwähnt hatte.
Babu kriegte den Namen meines Mandanten gesagt. Er konnte nichts damit anfangen. Im Angesicht eines „Lichtbilds“ des Beschulkdigten fing er aber an zu strahlen. Der Betreffende sei ein häufiger, guter Kunde. Er verbringe sehr viel Zeit im Wettlokal.
Gerade in den letzten Wochen habe der Kunde sehr viel Geld gewonnen. So um die acht- bis zehntausend Euro. Mindestens. Das Geld sei ihm auch bar ausgezahlt worden, wie das in Wettlokalen üblich ist. Den größten Teil habe der Kunde in 500-Euro-Scheinen erhalten.
Die Begeisterung auf der Rückfahrt ins Präsidium dürfte sich in Grenzen gehalten haben.
Eindrucksvoll an ärztlichen Stellungnahmen aus dem psychiatrischen Bereich sind mitunter nur akademische Titel, Briefkopf und Stempel. In wechselnder Reihenfolge. Beim Bericht, den ich vorhin gelesen habe, stach vor allem die Funktion „Chefärztin“ hervor.
Vom Inhalt her waren die Ausführungen eher ein Beleg dafür, wie distanzlos und kritikunfähig Therapeuten mitunter gegenüber ihren eigenen Patienten sind. Über Seiten schilderte die Ärztin, welch enormen gesundheitlichen Problemen sich ihre gerade mal 16-jährige Patientin schon gegenübersieht.
Zu den schlimmsten gehören akute Wahnvorstellungen. Vor den Augen des Kindes spielen sich unvermittelt apokalyptische Szenen ab, die mal zu Panik, mal zu kaum lösbarer Erstarrung führen. Dazu kommen weitere Krankheitsbilder. Das Mädchen kann nicht zur Schule gehen.
Während der Therapie sollen sich Hinweise auf sexuellen Missbrauch ergeben haben. Die Ärztin gibt die Schilderungen des Mädchens in indirekter Rede wieder. Ich kann keine Details schreiben, aber die Darstellungen sind so monströs und bizarr, dass einem teilweise der Atem stockt. Das will ja an sich nichts heißen, aber das Mädchen will solche Erfahrungen nicht nur im Familienkreis gemacht haben.
Auch ihr unbekannte männliche, stets maskierte Passanten hätten sie des öfteren einfach angehalten und missbraucht. Das soll teilweise sogar tagsüber auf offener Straße passiert sein. Die Polizei hat, was der Ärztin nicht bekannt war, sich von dem Mädchen angebliche Tatorte zeigen lassen. Ein Ort liegt zum Beispiel offen einsehbar direkt gegenüber von Mehrfamilienhäusern. Urteil der Polizei: praktisch ausgeschlossen, dass ein Täter diesen Platz wählt.
Die Therapeutin geht mit keinem Wort auf diese Dinge ein. Sie schließt ihren Bericht mit der Aussage:
An der Glaubwürdigkeit der Patientin bestehen keine Zweifel.
Traurig an der Sache ist, dass Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter halt mitunter nicht nur wenig Ahnung von Medizin haben, sondern auch wenig Zeit. (Gilt natürlich auch für Rechtsanwälte.) Da liegt es nahe, erst mal nur das „Ergebnis “ zur Kenntnis zu nehmen. Darauf wird dann schon mal ein Haftbefehl gestützt.
So weit kam es in diesem Fall glücklicherweise nicht. Die Chefärztin hat ihre Inkompetenz letztlich doch zu schlecht kaschiert.
Sehe in einer Ermittlungsakte, was ein anderer Verteidiger an seinen (neuen) Mandanten geschrieben hat:
Als Dateianlage erhalten Sie eine auf uns ausgestellte Vollmacht.
Wir bitten Sie, diese zu unterschreiben und ein Exemplar mit einer Kopie Ihres Personalausweises so bald wie möglich an uns zurückzusenden.
Kopie des Personalausweises? Ich weiß ja nicht, was der Kollege für Erfahrungen gemacht hat. Aber bisher hielten sich bei mir die Fälle falscher Identitäten in Grenzen.
Zumindest jene, von denen ich nichts wusste.
Aus der Anzeige eines gar nicht mal kleinen Reiseveranstalters:
Es gelten die AGB, die Sie nach Buchung erhalten.
Bei der Firma kann man eine Pauschalreise ordern, ohne sich bei späterem Ärger mit lästigem Kleingedruckten rumschlagen zu müsssen. Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen nämlich spätestens bei Vertragsschluss zur Kenntnis genommen werden können. Sonst sind sie nicht wirksam.
Nur die Anzeige sollte man aufheben. Sie könnte den Beweis erleichtern.
Sollte der Besitz „Besitz“ einer Buchstaben- und Ziffernfolge strafbar sein? Aber ja – wenn es nach dem Bundeskriminalamt geht. Einer der dortigen Kinderporno-Jäger hat nun gefordert, den „Besitz“ von Links auf kinderpornografische Seiten zu kriminalisieren – und zwar als Vorbereitungshandlung (Bericht auf heise online).
Erklärtes Ziel des Beamten ist es unter anderem, die Überprüfbarkeit von Sperrlisten zu erschweren. Außerdem will er Abschreckung betreiben.
Aber um welchen Preis, das ist die Frage.
Als kleiner Einschub ist zu klären, ob der Beamte es tatsächlich so gemeint hat, wie es klingt. Dass nämlich schon der irgendwo abgelegte bzw. notierte Link auf derartige Inhalte strafbar sein soll. Ich vermute ja, denn das Veröffentlichen solcher Links ist in Deutschland bereits strafbar. Darauf weist Thomas Stadler in seinem Blog Internet-Law zutreffend hin. Gleiches gilt nach Auffasssung mancher Gerichte auch, wenn der Betreffende vorsätzlich, das heißt auf der Suche nach Kinderpornografie, selbst die Links anklickt und die Bilder aufruft. Aufs Abspeichern von Bildern oder Filmen soll es schon gar nicht mehr ankommen.
Somit kann der Beamte ja eigentlich nur wollen, was er auch sagt. Dass nämlich schon der bloße „Besitz“ jener für sich selbst unverfänglichen Buchstaben- und Ziffernfolge, die aber auf eine bestimmte Internetseite führt, schon als „Kinderpornografie“ gilt. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten, um Menschen zu kriminalisieren. Man danke nur an Links auf Seiten, die heute harmlose Inhalte zeigen, aber morgen oder in drei Jahren nicht mehr.
Und man denke insbesondere daran, wie einfach es ist, Links auf fremde Computer zu bekommen. Via (Spam-)-E-Mail, Facebook, Twitter oder XING. Und über tausend andere Kanäle. Faktisch liefe das darauf hinaus, dass ängstliche Menschen (oder solche mit Feinden) einen Filter laufen lassen müssen, der jeden Link auf ihrem System sofort shreddert. Was sie zu Schwerbehinderten in der virtuellen Welt machen würde.
Die Vorstellungen des Bundeskriminalamtes klingen mir sehr nach Allmachtsfantasie. Der Beamte würde dies sicher abstreiten. Er will doch nur das Beste. Den Preis dafür muss aber nicht er zahlen, sondern wir.