Kachelmann: Presseskandal im Justizskandal

Die Rolle der Zeit-Journalistin Sabine Rückert im Fall Kachelmann wird kritisch hinterfragt. Die Autorin soll dem Verteidiger Kachelmanns die Hinzuziehung eines Anwalts geraten haben, den sie für fähiger hält als ihn. Als Kachelmann, der ja so was letztlich entscheiden muss, dem offenbar nicht nachkam, hat Sabine Rückert Kachelmanns Verteidiger Reinhard Birkenstock in der Zeit zerpflückt.

Wie sich nun herausstellt, hat der von Rückert ins Auge gefasste Anwalt schon für eines ihrer Bücher geworben und die Zeit vertreten. Wie massiv die Journalistin Birkenstock angegangen ist und ihn von einer Zusammenarbeit überzeugen wollte, wird aus einer E-Mail Rückerts deutlich, die der Kölner Stadtanzeiger zitiert:

Wir können nur zusammenkommen, wenn Ihre Verteidigung in dem angedeuteten Sinne professionalisiert wird, dazu sollten Sie sich überlegen, einen Kollegen einzubinden, der Verfahren dieser Art auch gewachsen ist. Wenn Sie mein Buch gelesen haben, wissen Sie, wen ich in einem solchen Falle wählen würde.

Außerdem soll Rückert Birkenstock konkret dargelegt haben, welche Vorteile er zu erwarten hat, wenn er seine Verteidigungsstrategie nach Rückerts Wünschen ausrichtet. So soll die Journalistin über ihre früheren „Kooperationen“ geschrieben haben:

Engagieren würde ich mich auch dann nur, wenn ich den Eindruck habe, dass die Verteidigung richtig liegt. … Dies vorausgeschickt interessiert Sie vielleicht, wie die Zusammenarbeit zwischen Verteidigung und ZEIT in der ersten der beiden Wiederaufnahmen ausgesehen hat: Am Tage des Erscheinen der ZEIT lag den Richtern des Landgerichts Osnabrück der 300 Seiten starke Wiederaufnahme-Antrag Ihres Kollegen . . . vor. Das hat dafür gesorgt, dass sich die Richter des Landgerichts Osnabrück und die Nebenklage gehütet haben, presserechtliche Schritte zu ergreifen.

Eine derart unverblümte Einmischung bringt nun die Kölner Strafverteidiger auf die Barrikaden. Sie sprechen von einem Presseskandal im Justizskandal. Dr. Frank Seebode, Sprecher des Strafrechtsausschusses des Kölner Anwaltvereins e.V., nennt Rückerts Verhalten anmaßend. Er sieht eine bedenkliche Mischung journalistischer und eigener Interessen:

Dieser „Ratschlag“ gründete sich neben der von Rückert behaupteten Kompetenz des vorgeschlagenen Rechtsanwalts wohl aber zumindest auch (wenn nicht vornehmlich) auf ihre gute Zusammenarbeit mit ihm in der Vergangenheit. Schließlich hat der wohl empfohlene Rechtsanwalt bereits die „Zeit“ anwaltlich vertreten und mit Frau Rückert ihr Buch beworben. Schon deswegen konnte sie erwarten, dass in diesem besonders spektakulären Verfahren die Dankbarkeit für die Empfehlung auf dem Fuß folgen würde.

Für Seebode kann es aus dem Vorgang nur eine Lehre geben:

Die Presse muss sich davor hüten, unlauter auf die Verteidigerwahl und die Führung der Verteidigung Einfluss nehmen zu wollen. Die Strafverteidigung tut gut daran, sich gegen solche Angriffe zu wehren und ihnen nicht nachzugeben!

Polizeibeamter stellte eigene Quittungen aus

Ein Polizeibeamter, der falsche Gebührenquittungen selbst herstellt und diese bei Verkehrskontrollen verwendet, um das vereinnahmte Geld zu behalten, ist aus dem Dienst zu entfernen. Dies hat das Verwaltungsgericht Trier entschieden.

Der Polizeibeamte hatte am PC Quittungen hergestellt. Diese sahen weitgehend so aus wie die Originalquittungen der Polizei. Dann beschuldigte er bei zwei Verkehrskontrollen Autofahrer mit Verstößen, die sie tatsächlich nicht begangen hatten. Er erhielt dafür insgesamt 150 Euro und quittierte die Verwarnungsgelder mit seinen eigenen Belegen.

Dies brachte dem Polizisten zunächst neun Monate Bewährungsstrafe ein. Außerdem wurde ihm eine Geldbuße auferlegt. Das Land Rheinland-Pfalz klagte anschließend auf Entfernung aus dem Dienst, da das Vertrauensverhältnis zu dem Beamten unwiderruflich zerstört sei.

Dies sahen die Richter des Verwaltungsgerichts ebenso. Durch die Urkundenfälschung und das betrügerische Verhalten unter Ausnutzung der beamtenrechtlichen Stellung habe der Polizeibeamte eine beamtenunwürdige Haltung an den Tag gelegt, die zu einer irreparablen Beschädigung des in ihn zu setzenden Vertrauens und des Ansehens des Berufsbeamtentums geführt habe.

Da die Tatausführung durch plangemäßes und bewusstes Vorgehen geprägt gewesen sei, könne dem Beamten auch nicht zu Gute gehalten werden, dass er bisher weder strafrechtlich noch disziplinarisch in Erscheinung getreten sei. Dies könne die Schwere der Tat nicht aufwiegen.

Auch das Bestehen einer existentiellen Notlage oder eine psychische Ausnahmesituation vermochten die Richter nicht festzustellen.

(Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 K 101/10.TR)

Neununddreißig Wiederholungen

Mir flattert eine Uraltakte auf den Tisch. Gegen meinen Mandanten machte ein Warenhaus eine Forderung geltend. Das Inkassobüro, jener große Laden aus Baden-Baden, trumpfte mächtig auf. Etliche Mahnungen gingen an den Mandanten. Nachdem dieser uns beauftragt hatte, wurden wir mit nervigen Schreiben zugeschüttet.

Zu sagen gab es von unserer Seite schon damals nicht viel. Der Mandant hatte nichts bestellt. Er hatte nichts erhalten. Eine Zahlung kam deshalb nicht in Betracht. Das hatten wir der Gegenseite so erklärt. Aber offenbar kommt dort eine Botschaft vor der neununddreißigsten Wiederholung nicht an.

Schließlich dann ein gerichtlicher Mahnbescheid. Hiergegen legten wir Widerspruch ein. Das war am 16. März 2005. Seitdem haben weder das Warenhaus noch das Inkassobüro von sich hören lassen. Der Anspruch wurde beim Mahngericht nie begründet. Das Verfahren schlief ein.

Nun ja, dann ergreifen wir mal die Initiative. Wir beantragen die Durchführung des streitigen Verfahrens. Dann ist die Gegenseite gezwungen, dem Gericht zu sagen, woraus sich die Forderung ergeben soll. Viel Sinn macht das allerdings nicht – sofern die Gegenseite überhaupt was beweisen kann. Der mögliche Anspruch ist nun nämlich verjährt. Was wir natürlich auch gleich geltend gemacht haben.

Sinnfrei ist die Aktion nicht. Am Ende wird das Gericht nämlich dem Warenhaus die Kosten auferlegen. Der Mandant wird sich freuen. Er kriegt seinen Vorschuss zurück, und auch für uns dürften noch ein paar Euro bleiben.

Bitte eingeben

Die Bußgeldstelle beim Polizeipräsidenten Berlin ist mit den Stellungnahmefristen besonders großzügig:

Ich fühle mich angesprochen und werde den 1. Oktober 2011 „ein“- bzw. angeben. Dann ist die Sache mit Sicherheit verjährt. Hoffentlich überträgt wieder der Praktikant alles in den Computer. Dann könnte der Trick vielleicht klappen. (Das Post-it mit dem Hinweis meiner Sekretärin kommt vorher natürlich ab.)

Nachdenklich stimmt mich überdies, wieso die Behörde von mir das Zustelldatum des Bußgeldbescheides wissen will. Normalerweise steht das Datum doch auf dem Zustellungsprotokoll des beauftragten Postdienstes.

Da jede Antwort meinem Mandanten höchstens schaden kann, gehe ich über die Frage einfach mal hinweg. Damit ist der nächste Textbaustein wahrscheinlich programmiert. Ich freue mich auf die weitere Korrespondenz.

Die Exfrau im Hundezwinger

Szenen einer, wenn auch verflossenen, Ehe. Mitunter schaffen sie es sogar in die Pressemitteilung einer Justizbehörde. Das Landgericht Itzehoe erzählt folgende Geschichte:

Mit der Anklage war dem 50-jährigen Franz W. vorgeworfen worden, in den Nachmittagsstunden des 26.10.2009 seine von ihm getrennt lebenden Ehefrau nach einem verbalen Streit in einen Hundezwinger gedrängt und dann die Tür derart verschlossen zu haben, dass sie nicht herausgelangen konnte. Ihrer mehrfachen Aufforderung, die Tür zu öffnen, sei er nicht nachgekommen. Erst auf den beruhigenden Zuspruch eines 5 Minuten später erschienenen Zeugen habe er die Tür geöffnet und seine Frau in Freiheit entlassen.

Der Angeklagte hatte sich vor dem Amtsgericht dahingehend eingelassen, seine Frau habe ein Brecheisen bzw. einen Gegenstand in der Hand gehabt, weshalb er befürchtet habe, sie könne sein Eigentum – etwa seinen Pkw – beschädigen.

Damit kam Franz W. aber nicht weit:

Das Amtsgericht war nach der durchgeführten Beweiserhebung überzeugt, dass das Verhalten des Angeklagten gegenüber seiner Ehefrau nicht durch Notwehr gerechtfertigt war, insbesondere habe seine Ehefrau keinerlei Gegenstände – geschweige denn ein Brecheisen – in der Hand gehabt. Deshalb wurde der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 750,00 € verurteilt.

Seine Berufung hat das Landgericht Itzehoe ebenfalls verworfen. Die Richter konnten keinen Fehler feststellen. Wahrscheinlich haben sie das Urteil sogar noch für sehr milde gehalten. Jedenfalls waren sie sicher froh, Franz W. nicht persönlich kennenlernen zu müssen. Bis zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen kann die Berufung nämlich ohne Hauptverhandlung abgeschmettert werden. So ist dann auch geschehen.

(via)

Urlaubsbedingte Abwesenheit

Es geht zwar nur um Schadensersatz. Aber immerhin um einige tausend Euro. Der Rechtsanwalt des Gegners schreibt mir:

Wegen meiner urlaubsbedingten Abwesenheit bis zum 25. August 2010 darf ich Sie bitten, die Verhandlungen mit meiner Partei direkt zu führen. Es wäre meinem Vertreter hier aus dem Büro nicht zuzumuten, sich in den Vorgang einzuarbeiten.

Na, dann werde ich gleich mal schauen, dass ich den Gegner über den Tisch ziehe vom Nutzen eines schnellen Vergleichs überzeuge.

(Danke an meinen Mandanten, der die Idee für diesen Eintrag hatte.)

Vernunftunbegabt

Ich habe die alten Akten rausgekramt, weil ich es zuerst selbst nicht glauben wollte. Aber es stimmt: Mein Mandant mindert seit zwölf Jahren seine Wohnungsmiete um 20 Prozent. Mit gutem Grund. Aber das wollte der Vermieter nicht einsehen. Zumindest anfangs. Da hagelte es Mahnungen und „Kontoauszüge“, in die ein dickes Minus eingetragen war.

Im Jahr 2003 kam sogar ein Mahnbescheid über die Mietrückstände. Das waren damals schon 14.000 Euro. Im Verfahren stellte sich schnell heraus, das Gericht hält die Mängel für nachvollziehbar. Aber nicht nur das. Der Vermieter habe seine Ansprüche auch verwirkt, weil er mit dem Prozess jahrelang gewartet habe.

Sieben Jahre war nun Ruhe. Bis es eine Mieterhöhung gab. Gegen die Erhöhung war als solches nichts zu sagen. Allerdings hebt die Erhöhung – natürlich – nicht die Minderung auf. Das würden allenfalls Handwerker schaffen, welche die Wohnung mal in Ordnung bringen. Mein Mandant zog also konsequent weiter 20 Prozent ab, nun aber von der erhöhten Miete.

Jetzt kommen sie wieder, die Mahnungen und Kontoauszüge. Wie will der Vermieter einem Gericht denn nach nun zwölf Jahren erklären, dass die Minderung nicht gerechtfertigt ist? Wenn er schon nach fünf Jahren aus formalen Gründen Schiffbruch erlitt?

Wahrscheinlich ein Fehler, diesen Vermieter für vernunftbegabt zu halten. Es handelt sich übrigens um den Staat.

Apple-Rechner, ungesichert im Sinne des Gesetzes

Das „Ausspähen von Daten“ ist strafbar. Aber nur unter gewissen Voraussetzungen.

1. Der Täter muss unbefugt handeln.

2. Die Daten müssen gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sein.

3. Die Zugangssicherung muss überwunden werden.

Rechner von Apple können wohl mit einem Passwort versehen werden. Allerdings kann man trotzdem an die gespeicherten Daten gelangen, ohne das Passwort zu kennen. Es genügt, die CD des Betriebssystems einzulegen und den Computer darüber zu starten. Also ein ganz normaler, zulässiger Vorgang.

Unschwer zu erkennen, dass bei diesem Vorgehen die Voraussetzungen 2. und 3. nicht erfüllt sind.

Das wollte ich heute mittag einem Staatsanwalt erklären. Der nutzt privat allerdings selbst einen Apple und war im Bilde.

Verfahren eingestellt, und zwar mangels Tatverdachts.

Pflichtfeld

O2 veranstaltet ein Preisausschreiben, bei dem man ein Samsung Galaxy S I9000 gewinnen kann. Einfach richtig antworten, E-Mail-Adresse angeben und noch die lästigen Datenschutz- und Bestellhäkchen abarbeiten – wenn man denn will.

Wenn man denn will?

O2 interpretiert die Möglichkeit des Opt-in ganz neu. Das Häkchen bei der Bestellung des Newsletters ist gleichzeitig ein „Pflichtfeld“.

Kein Versehen, ich habe es ausprobiert. Ohne Anmeldung zum Newsletter keine Teilnahme am Preisausschreiben.

So was könnte uns bald öfter begegnen. Der Europäische Gerichtshof hat nämlich das bislang in Deutschland geltende Koppelungsverbot zwischen Preisausschreiben, Bestellung und Newsletter-Abo mit einem Urteil aufgeweicht. Nach bisheriger Rechtslage durfte die Teilnahme an einem Gewinnspiel eben nicht von Gegenleistungen des Teilnehmers abhängig gemacht werden. Dazu zählte auch das Einverständnis mit der Zusendung eines Newsletters.

Aber gut möglich, dass diese Variante nun nicht mehr wettbewerbswidrig ist.

Als Verbraucher fühle ich mich trotzdem veräppelt.

(via)

Eingelegt

Offizielles Protokoll einer Hauptverhandlung. Vernommen wurde ein Polizeibeamter:

Der Zeuge überreicht eine Videokassette. Diese wird in ein Fernsehgerät eingelegt. Das Video wird mit allen Beteiligten in Augenschein genommen und zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht.

NRW: Eigenbedarf auch bei harten Drogen

NRW setzt im Kampf gegen illegale Drogen künftig verstärkt auf Prävention und erlaubt künftig in höheren Mengen den straffreien Besitz von Haschisch oder Marihuana.

Noch in diesem Jahr will die neue Landesregierung nach Informationen der WAZ-Mediengruppe (Mittwochausgabe) die sogenannte Eigenbedarfsgrenze für „weiche“ Drogen von sechs auf zehn Gramm erhöhen. Bei Heroin, Kokain und Amphetaminen sollen wieder 0,5 Gramm zum Eigenverbrauch erlaubt sein. Derzeit gilt bei „hartem“ Stoff noch die Null-Grenze.

Mit den Korrekturen lockert der neue Landesjustizminister Thomas Kutschaty (SPD) die unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung verschärfte Gangart. „Das war ein Fehler“, sagte er der WAZ. In der Praxis hätte die 2007 herabgesetzten Eigenverbrauchs-Grenzen bewirkt, „dass auch Gelegenheitskonsumenten völlig unnötigerweise kriminalisiert werden – also Menschen, die weder drogenabhängig noch in kriminelle Strukturen verstrickt sind“.

Besonders bei jungen Leuten, die aus Neugier eine Droge ausprobieren, sei Strafverfolgung nicht das richtige Mittel. Schwerabhängige ließen sich durch Eigenbedarfsgrenzen nicht von ihrer Sucht abhalten, sagte Kutschaty. Sie brauchten „in erster Linie wirksame Hilfe und Therapie“. Die Staatsanwaltschaften würden durch die geplante Neuregelung entlastet.

Von unserer Seite nicht

Aus einem Anwaltsschriftsatz ans Gericht:

… bitten wir höflichst, den Verhandlungstermin vom 24. September 2010 zu verschieben.

An diesem Tag findet der jährliche Betriebsausflug unserer Kanzlei statt, so dass der Termin von unserer Seite aus nicht wahrgenommen werden kann.

Die freundliche Richterin hat dem Antrag entsprochen. Damit wären wir wohl um einen „erheblichen Grund“ im Sinne der Zivilprozessordnung reicher. Betriebsausflug ist jedenfalls noch in keinem der juristischen Kommentare erwähnt, in denen ich gerade nachgeschlagen habe.

Alles im Blick

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir freuen uns, Sie mit Ihrem Unternehmen als Nachbarn begrüßen zu können.

Leider müssen wir uns direkt mit einem Anliegen an Sie wenden.

Es geht um die Kameraüberwachung, die Sie an Ihrem Gebäude installiert haben. Eine der an der Hausfront angebrachten Kameras überwacht den öffentlichen Raum. Sie ist direkt auf den Fußweg und die dahinter liegende Kreuzung Kennedydamm gerichtet. Im direkten Bereich der Kamera verlaufen sämtliche Fußwege (Fußgängerampeln), die von der U-Bahn-Haltestelle Kennedydamm zu unserem Büro führen. Dies gilt für beide Fahrtrichtungen.

Jeder unserer Mandanten, der mit der U-Bahn oder aus Richtung Rheinufer zu uns kommt, muss sich von Ihrer Kamera aufnehmen lassen. Das ist für uns als Anwälte, die wir in besonderem Maße zu Vertraulichkeit, Verschwiegenheit und Fürsorge verpflichtet sind, so nicht akzeptabel. Aber auch für uns persönlich und auch unsere Mitarbeiter ist es nicht angenehm, bei jedem Weg zur U-Bahn von Ihrer Kamera erfasst zu werden.

Wieso Sie die gesamten Fußwege, möglicherweise sogar die ganze Kreuzung überwachen müssen, ist auch sachlich nicht nachvollziehbar.

Im übrigen fehlt jeder Hinweis auf die Videoüberwachung.

Die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen ist eindeutig. Private Überwachung öffentlicher Räume setzt ein außergewöhnlich dringliches Interess voraus, welches in Ihrem Fall nicht gegeben ist. Es würde, wenn Sie es denn für erforderlich halten, genügen, Ihren Eingang unter Aussschluss des Fußweges mit einer Kamera zu erfassen.

Die rechtliche Situation hat die Landesdatenschutzbeauftragte übrigens hier umfassend dargestellt:

Wir bitten Sie, Ihre Videoüberwachung bis spätestens 23. August 2010 rechtmäßig auszugestalten. Sofern sie im zulässigen Rahmen fortgesetzt wird, gehört hierzu auch ein deutlich erkennbarer Hinweis.

Mit freundlichen Grüßen

Udo Vetter, RA und Fachanwalt für Strafrecht

Nachtrag: Die Firma sagt mir, es würde Techniker kommen, welche die Anlage so einstellen, dass die Kreuzung und der Fußweg nicht (mehr) erfasst werden.

Allparteilich

Wenn man vom Oberlandesgericht Düsseldorf Nachricht über eine vom Gegner eingelegte Berufung erhält, ist jetzt immer ein Prospekt beigelegt. Da er nicht aus justiztypischem Umweltpapier ist, dachte ich zuerst an einen Gutschein für Kontaktlinsenreiniger oder ein 10-tägiges Abo bei Lovefilm. Aber es wird quasi Werbung in eigener Sache gemacht – für die Richterliche Mediaton („Ein Angebot zur alternativen Streitschlichtung“).

Das ist bestimmt gut und wichtig, und ich habe sogar was gelernt. Laut Flyer – man beachte die schwebende Typographie und fluffige Wortwahl, die mir ein wenig bei Scientology oder einer Eltern-Kind-Gruppe vom Prenzlauer Berg abgeguckt zu sein scheinen – haben wir es mit folgendem zu tun:

Nachdem dieser eine Satz auf mich gewirkt hatte, musste ich mir eine Träne aus jedem Augenwinkel wischen. Wobei natürlich auch Zukunftsangst eine Rolle spielte. Macht so was uns Anwälte nicht, nun ja, noch überflüssiger als wir ohnehin schon sind?

Ich erkannte außerdem sogleich, dass ein gewisser Teil der Senatsvorsitzenden – nur die hört man in Verhandlungen ja normalerweise reden – für den Job als Mediator eher ungeeignet erschienen sein dürften. Diese haben zwar eine besondere Gesprächsführung, aber die passt doch eher ins Asylum (Minderheit) oder auf den Kasernenhof (Mehrheit).

So steht zu vermuten, dass sich die laut Flyer „erfahrenen Richterinnen und Richter, die speziell in Konfliktbearbeitung und Vermittlungstechniken geschult sind“, eher aus der zweiten Reihe rekrutieren. Dort sind Sanftmut und Einfühlungsvermögen, auf die es bei der Mediation ja sicher maßgeblich ankommt, wohl auch eher (noch) zu finden.

Andererseits stellt der Job schon mächtige Anforderungen. Immerhin ist der Mediator laut Eigenwerbung nicht nur neutral, sondern sogar allparteilich. Was für ein Wort, wo doch selbst dem Bundespräsidenten nur schnöde Überparteilichkeit gelingt. Aber es lohnt sich halt nachzuschlagen. Um festzustellen, dass der eigene Horizont doch sehr beschränkt ist, wie ein Blick in die Wikipedia zeigt:

Der Mediator leitet die Mediation allparteilich bzw. allparteiisch, das heißt, er steht auf der Seite jedes Beteiligten. Diese Haltung geht deutlich über eine einfache Neutralität hinaus; die inhaltliche Neutralität des Mediators erstreckt sich nicht auf seine Stellung gegenüber den Konfliktparteien. So gleicht er beispielsweise ein Machtgefälle zwischen den Parteien aus, indem er vorübergehend als Sprachrohr der kommunikationsschwächeren Partei agiert.

Wie gesagt, wieder was gelernt.

Streitwert

Gerichtsbeschluss von heute:

Der Streitwert wird auf 15,00 EUR festgesetzt.

Das war damit der kleinste Rechtsstreit, den ich jemals geführt habe. Aber immerhin hält sich das Risiko bei einem Anwaltsfehler in Grenzen.