Schamloses Einkommen

Was ist ein „schamloses Einkommen“? Für Oskar Lafontaine alles, was über 600.000 Euro im Jahr liegt. Das ist (angeblich) das 20-fache des Durchschnittseinkommens und deshalb wert, mit 80 Prozent besteuert zu werden.

Abgesehen von Lafontaines willkürlichen Zahlenspielen ist der grundsätzliche Gedankengang interessant. Man muss sich also schämen, wenn man wirtschaftlich erfolgreich ist und dafür, so was soll es geben, deutlich länger gelernt hat und überdies mehr ackert als der 38,5-Stunden-Tarifangestellte?

Ist man erst ab dem 20-fachen Durchschnittseinkommen ein Paria, der seine Schuld in der Form wirtschaftlichen Erfolgs durch Strafzahlungen an den Staat abzutragen hat? Oder muss man sich auch mit 590.000 Euro im Jahr schämen und Buße tun? Velleicht sogar mit dem doppelten, dreifachen oder vierfachen Durchschnittseinkommen? Dann aber, so gnädig ist Lafontaine bestimmt, nur anteilmäßig.

Den weitaus meisten, die überdurchschnittlich verdienen, fällt dieses Einkommen jedenfalls nicht einfach so in den Schoß. Belege dafür, dass es sich bei dieser Personengruppe überwiegend um Wirtschaftskriminelle und Ausbeuter handelt, gibt es wohl auch nicht. Auch wenn Lafontaine das anzunehmen scheint.

Warum also „schämen“? Ich weiß es wirklich nicht. Aber vermutlich bin ich ein altersbedingter Problemfall, weil ich mich daran erinnern kann, wie es in gewissen Staaten war und warum die Menschen vor Freude weinten, als sich diese Gemeinwesen in Luft auflösten.

Verfahren ohne Boden

Das Landgericht Kleve hat ein schönes Setting. Die Reise dahin machte ich auch mit größten Hoffnungen. Es schien nämlich möglich, um eine Verhandlung in der Sache herzumzukommen und den Prozess wegen eines Verfahrensmangels platzen zu lassen.

Die Anklage datierte aus dem Jahr 2004. Um die Zeit, so lässt sich aus den heutigen Unterlagen rekonstruieren, ging die Ermittlungsakte ans Sozialamt Düsseldorf. Dort hat sie jemand verbummelt. Die Akte wurde dann über die folgenden Jahre wieder einigermaßen rekonstruiert, das Verfahren nahm seinen eher schleppenden Gang.

Ich stieg erst in der Berufung ein. Bei den Unterlagen, die ich einsehen konnte, war kein Eröffnungsbeschluss. Bei näherem Hingucken war es sogar möglich, dass das Verfahren nie wirksam eröffnet wurde. In einem Hauptverhandlungsprotokoll fand sich nur ein Textbaustein, wonach festgestellt wurde, dass das Verfahren eröffnet wurde. Aber weder Datum noch Seite waren ausgefüllt. Verdächtig.

Außerdem entdeckte ich den Vermerk eines Amtsrichters, er beraume jetzt mal einen Termin an, wobei er davon ausgehe, das Verfahren sei schon 2004 eröffnet worden. Er hat also auch keinen Eröffnungsbeschluss in der Akte gefunden; sonst machte der Vermerk ja wenig Sinn.

Warum der Aufwand? Ohne Eröffnungsbeschluss hätte das Amtsgericht in erster Instanz ohne Boden verhandelt. Dieser Beschluss ist die Grundlage für die gesamte weitere Verhandlung. Aus Verteidigersicht besonders schön: Der Beschluss kann in der zweiten Instanz nicht nachgeholt werden. Es besteht vielmehr ein Verfahrenshindernis. Die Sache muss eingestellt werden.

Guter Dinge bat ich also zu Anfang der Verhandlung darum festzustellen, dass das Verfahren ordnungsgemäß eröffnet ist. In der Gerichtsakte fand sich, wie zu erwarten, kein Beschluss. Aber dafür in der Handakte der Staatsanwaltschaft, die ich natürlich nicht einsehen kann.

Allerdings hatte die Staatsanwältin keinen Originalbeschluss. Sondern nur eine beglaubigte Ausfertigung, die ihr das Gericht zugesandt hatte. Man hätte jetzt fragen können, ob die Abschrift das Original ersetzen kann. Ich habe das dann aber nicht mehr getan. Denn es war klar, dass „Haarspalterei“ die bis dahin sachliche Atmosphäre hätte verderben können. Eine Einstellung wegen geringer Schuld auf Kosten der Staatskasse wäre in weite Ferne gerückt.

Zu der Einstellung kam es dann auch. Vielleicht hat das doch nicht ganz alltägliche Vorgeplänkel in allen Beteiligten den Wunsch gefördert, die Sache endlich abzuschließen.

Den Daumen raushalten

Bis ich noch kein eigenes Auto hatte, also bis zum Jahr 1982, gehörte Trampen für mich zu den bevorzugten Fortbewegungsmöglichkeiten. Ich weiß noch gut, dass es zu der Zeit keineswegs ungewöhnlich war, den Daumen rauszuhalten.

Ich habe mich dann später auch bestmöglich für die unzähligen Mitfahrten revanchiert. Und lange Zeit jeden Anhalter mitgenommen. Ich lebe noch.

Irgendwann muss das Trampen aus der Mode gekommen sein. Heute habe ich erstmals seit urlanger Zeit überhaupt mal wieder Anhalter gesehen. Leider standen die beiden an der Auffahrt vom Rasthof Geismühle (A 57). Ich hatte keine Möglichkeit anzuhalten.

Aber in Erinnerungen schwelge ich noch immer…

NRW-Ministerium: Zerbröseln die Vorwürfe?

Die schweren Beschuldigungen zerbröseln. Umweltminister Echkard Uhlenberg (CDU) hatte, wie berichtet, den von ihm geschassten Abteilungsleiter Harald F. (Grüne) schlimmer Amts- und Eigentumsdelikte bezichtigt und im Juli 2006 „unter allen denkbaren strafrechtlichen Aspekten“ eine Strafanzeige erstattet.

Das Landeskriminalamt ermittelte mit der Einsatzkommission „Stuhl“ selbst den Verdacht des banden- und gewerbsmäßigen Betruges. Doch ausgerechnet diesen schärften Punkt ihrer Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal jetzt fallen lassen. Das bestätigte Behördensprecher Ralf Meyer gestern auf Anfrage. Mehr noch: Der Haftbefehl gegen F. ist vorgestern aufgehoben und sichergestellte Gelder in Höhe 2,3 Milllionen Euro sind freigegeben worden.

Ein weiteres Indiz für eine Entwicklung zugunsten von F.: Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hat sich in den Fall eingeschaltet. Sie hatte die Akten gesehen, als um das sichergestellte Geld gestritten wurde. Seit einem Monat sind die Ermittlungen ausgesetzt worden, wie der stellvertretende Generalstaatsanwalt Peter Lichtenberg gestern bestätigte: „Wir sind mitten in einer Bestandsaufnahme“, sagte er. Wann und wie die zu Ende geht, ist bei einem Aktenumfang von über 6.000 Seiten noch ungewiss.

Fest steht, dass die Ermittler sich schwer tun: F. und andere Beschuldigte schweigen. Und der Fall ist kompliziert: Wann und welche Hochschulen etwa durfte F., als Abteilungsleiter zuständig auch für zweckgebundenen Wasserabgaben, finanziell unterstützen? Im Haftbefehl von Anfang Mai des Jahres wird ihm vorgeworfen, er habe das Land geschädigt und einem Geflecht bevorzugter Professoren unrechtmäßig Gelder zugeschustert.

Der Verdacht war aber erst nach der Anzeige des Umweltministers aufgekommen. Und der war es, der F. im Juni 2006 urplötzlich suspendiert hatte. Mit bösen Unterstellungen und unterstellten Verfehlungen. Im anschließenden Arbeitsprozess allerdings wurde F. rehabilitiert…(pbd)

Freundliche Tonlage

Aus dem Schreiben einer Staatsanwaltschaft in Baden-Württemberg:

Auch im Interesse einer beschleunigten Erledigung des Verfahrens, würden Sie mir helfen, wenn Sie mir … mitteilen könnten. Im Hinblick auf die gewährte Akteneinsicht nehme ich auch gerne eine Stellungnahme zum Tatvorwurf entgegen. Hinsichtlich beider Anliegen wäre ich für Erledigung bis 15.12.2008 dankbar.

Das ist nicht unbedingt der gängige Ton.

Entschleunigung

Ich wollte gerade einem Solinger Rechtsanwalt ein Fax schicken. Geht aber nicht, er hat keine Faxnummer auf dem Briefbogen, ebenso wenig eine E-Mail-Adresse.

Entschleunigung sollte eben nicht nur eine Parole sein.

Bank zahlt und zahlt

Wir haben in die Bankverbindung eines Schuldners gepfändet. Seitdem zahlt die Bank. Und zahlt. Und zahlt. Schon mit der vorletzten Überweisung war die Forderung ausgeglichen. Normalerweise hätte ich kein Problem damit, die Bank darauf hinzuweisen, dass das Forderungskonto auf Null steht.

In diesem Fall schon. Gegen den Schuldner hat unser Mandant noch ein weiteres Mahnverfahren laufen. Er kriegt noch aus anderer Sache Geld. Der Schuldner hat diese weitere Forderung nie bestritten. Somit müssten wir mit den Überzahlungen der Bank aufrechnen können.

Aber dazu entschließe ich mich erst, wenn ich die Rechtslage überprüft habe. Ist ja gut möglich, dass mich bei Pfändungen eine Aufklärungspflicht trifft. Den damit verbunden Ärger würde ich mir dann lieber sparen.

Was zu verschenken

Bevor der USB-Stick „Meine Gesetze“ hier nur alt wird, verschenke ich ihn an eine Leserin oder einen Leser. Wer Interesse hat, schreibt bitte bis heute 18 Uhr einen Kommentar und gibt eine gültige E-Mail-Adresse an. Den Gewinner informiere ich dann.

(Der Stick ist auf dem neuesten Stand. Er enthält über 1.000 Bundesgesetze, Verordnungen und praxisrelevante Vorschriften wie z.B. die Düsseldorfer Tabelle. Die Aktualisierungen müssen nicht bestellt werden.)

Update: Meine Kollegin wirft den ihr zugesandten USB-Stick auch in den Pool. Es gibt also insgesamt zwei Exemplare zu gewinnen.

Kleinarbeit

Ich habe mich gerade einmal durch den Papierkorb gewühlt. Wer das vermeiden möchte: TAN-Listen sorgfältig aufreißen, sonst fehlen an den Rändern gerne mal Ziffern. Die Fitzelchen sind nicht unbedingt leicht zu finden…

Freigiebig mit PIN und TAN

PIN und TAN gehören zu den Informationen, die man beim Onlinebanking besser nur so verwendet, wie es die eigene Bank gestattet. Und das heißt: PIN und TAN werden allenfalls auf der Website der Bank abgefragt. Jede Weitergabe an Dritte trägt den Anschein grober Fahrlässigkeit. Das kann entsprechend teuer werden.

Die Firma Conrad ficht das nicht sonderlich an. Sie bietet ein System der „Sofortüberweisung“ an, bei dem der Kunde Bankverbindung, PIN und TAN bei einem externen Dienstleister hinterlegen muss. Dieser führt dann offenbar die Transaktion aus. Conrad preist das System sogar noch als innovativ und schmückt sich mit einem TÜV-Siegel.

Näheres hier und da.

Mit mir nicht

Der Staatsanwalt verschränkte theatralisch die Arme. „Eine Einstellung kommt mit mir nicht in Frage.“ Von Vernunft getragen konnte seine Ansage nicht sein. Gerade hatte sich herausgestellt, dass der Tatvorwurf nicht nur wackelig war. Er ließ sich (wohl eher) nicht belegen. Deshalb hatte die Jugendrichterin eine Einstellung angeregt. Wir hätten auch zugestimmt.

Ich nehme an, es lag an den 30 Schülern, die der Verhandlung im Zuschauerraum folgten. Dumm nur, dass die starke Pose nicht auch mit Taten unterfüttert wurde. Einem Beweisantrag zum Beispiel. Stattdessen ein fast wütender Anwurf, dass mein Mandant sich nicht zu einem Geständnis durchgerungen habe. Und dann ein grausamer, weil schlicht falscher Satz: „Der Angeklagte steht nicht zu seiner Tat, das ist strafschärfend zu berücksichtigen.“

Die Richterin zeigte sich, wie zu erwarten, wenig beeindruckt. Sie sprach meinen Mandanten frei. Ich bin mir sicher, eine Einstellung, vielleicht verbunden mit ein paar mahnenden Worten, hätte bei den Schülern einen pädagogisch wertvolleren Eindruck hinterlassen.