Nach Rücksprache

„Rechtsschutz wird nach Rücksprache mit unserer Rechtsabteilung und der zuständigen Fachleitung nicht gewährt.“

Bei normalen Rechtsschutzversicherungen würde sich ein „, weil…“ anfügen. Aber nicht bei ver.di, Fachbereich Medien, Kunst und Industrie. Hier ersetzt der Hinweis auf die Rechtsabteilung und die zuständige Fachabteilung jede Begründung.

Es passt ins Bild, dass man für so eine komplexe Antwort fast sieben Monate braucht.

Ab heute Beschuldigter

Über manche Strafanzeigen kann man nur den Kopf schütteln.

Da schreibt zum Beispiel der Anwalt einer, nun ja, dubiosen Firma an die Staatsanwaltschaft. Er erzählt zusammengefasst folgendes: Ein gewisser Peter Müller (geändert) habe im Internet geschrieben, die Firma rufe arglose Bürger an und überbringe die freudige Nachricht, der Angerufene habe eine Pauschalreise gewonnen. Um die Reise antreten zu können, müsse er aber zunächst 60 € Bearbeitungsgebühr überweisen. Dann werde die Bankverbindung abgefragt und der Betrag abgebucht.

Dem Schreiben legt der Anwalt einen Ausdruck von etwas bei, das aussieht wie der Kommentar in einem Internetforum. Als Seite, auf welcher der Kommentar veröffentlicht worden sein soll, nennt der Anwalt eine Preisausschreiben-Seite aus dem Firmenkonglomerat seiner Mandantin. Dort gibt es überhaupt kein Forum. Auf dem Ausdruck ist eine URL nicht ersichtlich. Es gibt auch sonst nichts, woraus sich schließen lässt, wo der Text im Internet zu finden sein könnte.

Dem Staatsanwalt fallen solche Dinge nicht auf. Ebenso wenig macht er sich Gedanken zu der Frage, wieso der in der Anzeige genannte Peter Müller jener Peter Müller sein soll, der den angeblichen Beitrag verfasst haben soll. Zum betreffenden Allerweltsnamen findet alleine die Telekom-Auskunft 649 Einträge. In der Anzeige selbst steht kein Wort darüber, wie die Firma und der Anwalt auf den betreffenden Peter Müller kommen, dessen Adresse sie angeben.

Der Staatsanwalt überlegt sich überdies nicht, dass man in Internetforen (und danach sieht der Ausdruck aus) sehr häufig anonym oder unter beliebig gewählten Namen kommentieren kann. Es könnte also auch ein Tobias Stein sich als Peter Müller eintragen. Sogar der Geschäftsführer der Anzeigenerstatterin käme als Autor in Betracht. Wie eigentlich jeder Bürger dieser Erde, der Zugang zum Internet hat.

Letztlich könnte der Staatsanwalt auch ein ein wenig googeln. Wenn er den Namen der Firma eingäbe, stieße er er auf unzählige Erfahrungsberichte, die genau das als richtig bestätigen, was Peter Müller geschrieben haben soll. Er würde sogar auf Einträge stoßen, die zu Verbraucherzentralen führen. Die haben nämlich auch schon davor gewarnt, sich von den „Gewinnen“ der Firma blenden zu lassen.

Aber der Staatsanwalt schreibt dem Anwalt nicht zurück, dass die Anzeige nicht nachvollziehbar ist und insbesondere jeder Anknüpfungspunkt dafür fehlt, wieso ausgerechnet der genannte Peter Müller Autor des angeblichen Beitrags sein soll. Er fordert den Anwalt nicht auf, nachzubessern.

Ebenso wenig kommt er auf die Idee, das Verfahren gleich einzustellen oder die Anzeigenerstatterin auf den Privatklageweg zu verweisen.

Der Staatsanwalt ordnet lieber an, dass Peter Müller bei der Kriminalpolizei erscheinen soll. Dort soll er aussagen.

Peter Müller ist jetzt offiziell Beschuldigter in einem Strafverfahren und hat künftig einen Eintrag im Behördencomputer. Über die blöde Firma schüttelt er nur den Kopf. Vom betriebsblinden Staatsanwalt ist er allerdings entsetzt.

Nötigung durch Staatsanwältin?

Sie brachte Klaus Zumwinkel fast ins Gefängnis. Spätestens seitdem gilt Oberstaatsanwältin Margrit Lichtinghagen als harte Strafverfolgerin. Möglicherweise zu hart, denn ein Düsseldorfer Anwalt hat jetzt das Land Nordrhein-Westfalen verklagt, weil Lichtinghagen ihn genötigt haben soll. Der Jurist saß wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft. Diesen Druck habe die Anklägerin bewusst ausgenutzt, um zwei Bürgschaften über 7,5 Millionen Euro für das Land zu erhalten. Dazu die Rheinische Post:

Der Anwalt behauptet: Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen habe ihn bedroht, um die Bürgschaft zu bekommen. Nur wenn der Anwalt diese Zusatz-Bürgschaft für eine künftige Steuerschuld vorlege, könne er „binnen weniger Stunden frei“ kommen – sonst werde sie „alles daran setzen, dass er in Haft bleibt“.

Vor dem Landgericht Düsseldorf klagt der Anwalt jetzt auf Herausgabe der zweiten Bürgschaft. Und er hat sogar Aussichten, Recht zu bekommen, wie die Rheinische Post weiter schreibt:

Die Staatsanwältin habe durch eine rechtswidrige Drohung mit verlängerter U-Haft den Anwalt tatsächlich illegal zur Zweit-Bürgschaft gedrängt – falls die Vorwürfe des Anwalts beweisbar sind. Zwar sei dem Fiskus ein „berechtigtes Interesse“ an einer solchen „Sicherungsbürgschaft“ nicht vorzuwerfen, so das Gericht. Aber: Das könne „nicht mit dem Mittel der Fortdauer der U-Haft erzwungen werden“. So sei Freiheitsentzug das „stärkste Mittel des Staates“ und dürfe nicht „zur Absicherung staatlicher Geldforderungen“ zweckentfremdet werden, so die Richter der 6. Zivilkammer.

Jetzt soll Margrit Lichtinghagen vernommen werden. Mit Sicherheit einer ihrer Auftritte, die sie weniger genießen wird.

Ausgeklinkt

Nachdem für den Beitrag, der hier stand, offensichtlich an höherer Stelle der Stecker gezogen wurde, macht er keinen Sinn mehr. Ich klinke mich deshalb aus dem Wettbewerb aus. Danke an alle, die kommentiert haben.

Kein Kevin

Schon merkwürdig, wenn man ein dickes Schmerzensgeld gegen einen Schläger einklagt, der mit Vornamen Tertius heißt.

Mama und Papa haben sich seine Zukunft sicher auch anders ausgemalt.

Die nächste Akte aufklappen

Bei vielen manchen Fällen ahnst du, dass sie dich unzufrieden zurücklassen. Weil der Zwiespalt zu groß ist. Auf der einen Seite ist es das oberste Ziel, die Interessen des Mandanten zu erfüllen – im Rahmen des Möglichen. Auf der anderen Seite natürlich der Wunsch, den Sachverhalt juristisch vernünftig zu klären und ein möglichst günstiges Ergebnis zu erzielen.

Ja, das sind mitunter Gegensätze. In einem Fall ging es um einen versuchten Autoeinbruch. Das Amtsgericht hat Fluchtgefahr angenommen und meinen Mandanten in Untersuchungshaft geschickt. Erst nach vier Monaten kam es dann zur Hauptverhandlung. Noch einen knappen Monat warteten wir auf das Urteil.

Gerichte, die trödeln, sind aber mitunter milde. Mit acht Monaten Freiheitsstrafe fiel das Urteil nicht gerade hart aus. Was dann auch die Staatsanwaltschaft bewegte, ihrerseits in Berufung zu gehen. Ihr Ziel dürfte ein Jahr Gefängnis zusätzlich gewesen sein.

Wenigstens das Landgericht war schnell und sorgte für einen fast sofortigen Hauptverhandlungstermin. Tja, und da sitzt du dann. Dein Mandant hat schon sechseinhalb der acht Monate abgesessen, im Rahmen des vorweggenommenen Vollzugs. Gar nicht auszudenken, wenn er freigesprochen oder zu einer wesentlich niedrigeren Strafe verurteilt würde. Wer gibt ihm eigentlich die verlorene Lebenszeit wieder?

Gründe für kritische Fragen in der Berufungsverhandlung gibt es genug. Zum Beispiel hat die 1. Instanz kein Wort über einen Rücktritt vom Versuch verloren. Die Angeklagten sollen zwar mit einer Taschenlampe auf eine Autoscheibe eingeschlagen haben, dann aber weiter gegangen sein. Da einer von beiden einen Leatherman in der Tasche hatte, wäre es ihnen sicher möglich gewesen, die Scheibe doch noch einzuschlagen. Da sie das aber anscheinend nicht wollten, müsste man darüber nachdenken, ob sie nicht vom Versuch zurückgetreten sind. Sie würden dadurch straflos.

Auch der Vorsitzende der Berufungskammer räumt ein, dass es hier Fragezeichen gibt. Eine sorgfältige Begründung seines Urteils, so formuliert er nach allen Seiten absichernd, sei wegen der noch möglichen Revision „unverzichtbar“.

Du könntest jetzt alle Zeugen in die Mangel nehmen und mitreißend plädieren. Leider bedeutet dies aber nicht, dass das Gericht dir am Ende folgt. Womöglich wird es den Anklagevorwurf bejahen. Daran schließt sich die unangenehme Frage an, ob das Urteil 1. Instanz zu milde war. Dein Mandant, der jetzt nur noch sechs Wochen vor der Brust hat, würde sich bedanken.

Also gehst du zum Staatsanwalt und bringst das Gespräch auf die Möglichkeit eines Deals. Beide Seiten nehmen ihre Berufung zurück und es bleibt bei den acht Monaten. Der Staatsanwalt sagt zwar, dass er an sich fast verpflichtet ist, auf eine höhere Strafe zu drängen. Aber andererseits gibt es ja auch den Grundsatz der Prozessökonomie, die Gerichte sind überlastet genug.

Du nimmst also die Berufung zurück. Der Staatsanwalt nimmt die Berufung zurück.

Den Rest sitze ich jetzt locker ab, sagt der Mandant. Er ist froh, dass es nicht schlimmer geworden ist. Man guckt halt lieber nach vorne als nach hinten.

In dir nagt weiter das Gefühl, am Ende hätte doch ein Freispruch stehen können. Du wirst es nicht erfahren.

Mitunter ist es das Beste, einfach die nächste Akte aufzuklappen.

Großer BGB-Schein für 190 Euro

Frag einen Anwalt:

– „Der unverheiratete G ist Eigentümer einer größeren Obstplantage im Havelland, die er seit vielen Jahren als Obstbauer bewirtschaft. Als G nach langer Krankheit stirbt und ein Testament nicht aufgefunden wird, beantragt sein einziger Sohn S beim Nachlassgericht als Alleinerbe einen Erbschein, der ihm kurze Zeit später erteilt wird. S möchte in die Obstplantage, die G wegen seiner Krankheit zunehmend vernachlässigt hatte, investieren…“

– „Sehr geehrter Fragesteller,

man kann sich nicht des Eindrucks verwehren, daß hier eine juristische Hausarbeit gelöst werden soll… Hierfür ist dieses Forum aber eigentlich nicht gedacht. MfG.“

– „Damit das nicht falsch verstanden wird, ich möchte hier keine ausformulierte Lösung, sondern einen Überblick, auf was ich achten sollte und in welcher Reihenfolge ich was prüfe. Danke!“

(Danke an RA Axel Pabst für den Link)

Radar und Laser waren gestern

Mein Mandant fuhr abends über die Autobahn. In einiger Entfernung sah er Reste eines Lkw-Reifens auf seiner Fahrspur. Nach rechts ausweichen konnte er nicht, die Spur war dicht. Hinter ihm fuhren auch Autos, anhalten war also riskant.

Mein Mandant entschied sich, mit mäßigem Tempo über die Reifenteile zu fahren. Dabei wurde die Stoßstange vorne beschädigt. Ein Anruf bei der Autobahnpolizei ergab, eine Streife hat tatsächlich den Lkw aufgeschrieben, der den Reifen verloren hatte. Die Adresse des Schädigers kriegte mein Mandant auf der Wache.

Außerdem eine Verwarnung über 35 Euro. Wegen „Geschwindigkeit“, wie es so nett auf dem Zahlschein heißt. Der Beamte hatte nur folgende Erklärung für meinen Mandanten übrig:

Wenn Sie nicht zu schnell gewesen wären, hätten Sie rechtzeitig vor dem Hindernis halten können.

So etwas lässt sich wohl nur damit erklären, dass auch der gemeine Polizist mittlerweile unter Umsatzdruck steht und seine Knöllchenziele erreichen muss. Falls es doch mit Logik zu tun hat, vertrauen mein Mandant und ich unerschütterlich auf die Fähigkeiten des zuständigen Amtsrichters. Wenn nicht sogar schon vorher dem Ordnungsamt auffällt, dass es nachts mal wieder kälter ist als draußen.

Dazu passend die Einleitung eines Gesprächs, das die taz mit Friedrich Küppersbusch geführt hat:

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: Wurde hinter der Kölner Zoobrücke polizeilich rausgewunken, weil „der Kollege per Funk gemeldet hat, Sie hätten während der Fahrt auf Ihr Handy geguckt“.

taz: Was wird besser in dieser?

Friedrich Küppersbusch: Kölner Polizei geht dazu über, sich Knöllchen-Anlässe gleich zu Hause auszudenken oder gegen Aufpreis Verkehrskontrollen telefonisch durchzuführen. Natürlich nicht während der Fahrt.

(Quelle des Links)

Biometrische Fotos für die Gesundheitskarte?

Leserbrief:

Meine (staatliche) Krankenversicherung hat jetzt die Onlineübermittlung eines biometrischen Paßfotos von mir verlangt.

Ich bin ehrlich gesagt vor Schreck fast vom Stuhl gefallen, und zweifle auch an der Rechtmäßigkeit der ganzen Sache. Hier ein Link dazu.

Können Sie das Thema bitte mal aufgreifen? Dafür wäre ich Ihnen ausgesprochen dankbar. Alleine und als Nicht-Jurist ist man in solchen Fällen verdammt hilflos und allein. Bei Verweigerung des Fotos werden die einem einfach keine Versicherungskarte aushändigen.

Die Rechtslage durchschaue ich nicht, deshalb nur ein paar Worte zum Verfahren. Es gibt schon Wege, sich zu wehren. Einer davon: Kein biometrisches Foto einreichen, sondern nur ein normales. Eine einstweilige Verfügung beim Sozialgericht beantragen, sobald die Gefahr droht, als „Privatpatient“ zur Kasse gebeten zu werden.

Je nachdem, wie die Krankenkasse sich im Vorfeld äußert, ist vielleicht auch schon früher eine Klage gegen den „ablehnenden“ Bescheid möglich.

Näheres beim Fachanwalt für Sozialrecht mit Faible für Datenschutz.

Fingerabdruck beim Notar

Für ein Grundstücksgeschäft in Honduras soll meine Mandantin zum deutschen Notar. Sie soll eine Vollmacht erteilen. Wichtig ist angeblich, dass nicht nur ihre Unterschrift vom Notar „bestätigt“ wird. Sondern auch ein Fingerabdruck, und zwar der des rechten Daumens. Ohne Daumenabdruck wird die Vollmacht in Honduras angeblich nicht akzeptiert.

Bin mal gespannt, ob sich ein Notar findet, der einem Fingerabdruck seinen amtlichen Segen gibt.

Päckchen von Katharine

Verstehe ich das richtig? Ich muss nur einmal 185 US-$ überweisen, dann schickt mir Katharine schnell ein FedEx-Paket mit 1,5 Millionen US-$ in bar, und zwar als Entschädigung für meine Bemühungen in der Vergangenheit?

Wie leicht solche Großmandate doch in Vergessenheit geraten…

Freibrief

Samstags schlafe ich gern etwas länger. Das hätte Kevin Kreuzkamp von der Neuen Rhein Zeitung ahnen können. Überdies hatte ich ihm schon mal vor Monaten deutlich gesagt, er soll mich nicht belästigen. Na ja, war ein kurzes Gespräch um 9.12 Uhr. Schlafen konnte ich trotzdem nicht mehr.

An sich wäre damit das statistische Mittel für Cold Calls schon erreicht gewesen. Doch kurz nach zwölf klingelte mein Handy. Ein Herr von CortalConsors wollte mich sprechen. Ich bin schon unendlich lange Kunde bei der Bank, so dass ich eine Spur zugänglicher war. Trotzdem wimmelte ich den Anrufer ab mit dem Hinweis, dass ich schlecht geschlafen habe und jetzt auch arbeiten muss.

Erst später fragte ich mich, woher CortalConsors überhaupt meine Mobilfunknummer hat. Bei Bestellungen gebe ich, wenn für mich ein Grund überhaupt ersichtlich ist, allenfalls meine Büronummer an. Bei CortalConsors habe ich vor einiger Zeit mal eine Ausnahme gemacht. Ich habe mich für mobile TANs freischalten lassen. Aber dabei habe ich mit Sicherheit nicht zugestimmt, dass meine Handynummer für andere Zwecke verwendet wird. Insbesondere nicht für Werbeanrufe, weil ich so etwas nie akzeptiere.

Man gibt also seine Handynummer fürs Onlinebanking („mehr Sicherheit“) raus und die Bank nimmt das als Freibrief, einen am Wochenende anlabern zu lassen. Starke Leistung, fragt sich nur, mit welchen Vorzeichen.

Hier geht es zu einer Stellungnahme von CortalConsors