Kritik unerwünscht: Spiegel online berichtet über einen merkwürdigen Maulkorb für die Presse.
Archiv des Autors: Udo Vetter
ERB-ABO
Klingeltonanbieter arbeiten nicht mit Samthandschuhen, gerade im Umgang mit ihren minderjährigen Kunden. Das ist bekannt. Aber dass bereits gekündigte Abos ohne Einverständnis reaktiviert, nicht geschuldete Beträge abgebucht und sogar neu vergebene Rufnummern für Verträge der vorherigen Inhaber belastet werden, geht deutlich über die bisher bekannten Methoden hinaus.
Mir liegen Unterlagen vor, die von einem mittelgroßen Klingeltonanbieter stammen sollen. Dieses Unternehmen soll es geschafft haben, in einem knappen Jahr seinen Monatsumsatz zu verdoppeln. Das ist insofern bemerkenswert, als der Gesamtmarkt geschrumpft ist. Selbst der Marktführer hat seinen Umsatz nicht mehr nennenswert steigern können.
Der betreffende Anbieter hat auf die schwierige Marktlage möglicherweise kreativ reagiert. So ergibt sich aus den Dokumenten, dass eine bisher nicht bekannte Zahl von Abos „reaktiviert“ wurde. In einem der internen Schreiben wird zum Beispiel bei der Geschäftsführung nachgefragt, wieso zwischen dem 12. und 14. Oktober 2005 eine Vielzahl von Abos für bestimmte Rufnummern „reaktiviert“ und mit Kosten belastet worden sind. Alle Abos waren schon seit sechs bis acht Monaten (!) gekündigt. Seitdem wurden den Kunden auch keine Gebühren mehr belastet.
Die Kunden haben sich jedenfalls nicht neu angemeldet. In der Mitteilung ist ausdrücklich vermerkt: „Grund für die Reaktivierung: nicht bekannt“. Der Sachbearbeiter kommt zu dem Ergebnis: „eindeutig fehlerhafte Billings“.
„Reaktivierungen“ betrafen wohl auch etliche Prepaid-Nummern, die inzwischen neu vergeben worden sind. Den neuen Inhabern der Rufnummern wurden Kosten für Abos abgebucht, die die früheren Inhaber der Rufnummern abgeschlossen haben. Hierfür gibt es natürlich keine Rechtsgrundlage; auch die Billing-Verträge mit den Mobilfunkanbietern schließen an sich so etwas aus.
Für diese problematischen Vorgänge gibt es firmenintern sogar einen Fachbegriff: Erb-Abos. Die Erb-Abos sollen zu einem Sturm der Entrüstung geführt haben. So habe sich ein Mobilfunkanbieter beschwert, dass aktuell 80 von 100 Beschwerden in seinem Callcenter auf die betreffende Firma entfallen.
Das Callcenter nehme zwar die Kündigungen an, diese würden aber von dem Klingeltonanbieter nicht beachtet. Wörtlich heißt es:
20 % der Kunden kündigt via Callcenter das Abo, erhält seitens des CC eine Bestätigung dafür und das Abo besteht trotzdem weiterhin. … Etliche Kunden haben Erb-Abos. Das CC kann hier zwar kündigen, die Nichtbeachtung der Blacklist und die Tatsache, dass auch nach etlichen Monaten noch Billingversuche erfolgen, führt jedoch auch in diesen Fällen zu vermehrten Beschwerden.
Außerdem gibt es interne Überblicke über „die Art der seltsamen Usages“. Es folgen lange Listen mit Rufnummern und folgenden Amerkungen:
– ungerechtfertigtes Extrabilling (hatte keine Schulden bei uns);
– Extrabillings nach Verlängerung des Abos;
– Kunde hatte nie ein Abo (immer ABO_FAIL), dennoch Abo reaktiviert, Nachbillingversuche;
– ungerechtfertigtes Extrabilling, außerdem Vorverlegung des Verlängerungszeitpunktes.
Ich habe testweise mal eine der angegebenen Nummern angerufen. Die Dame am anderen Ende bestätigte mir, dass sie Ärger mit einem Abo bei der Firma hatte, das nie zustandegekommen ist.
Das sieht ja nach feinen Geschäftsmethoden aus. Für Klingeltonkunden jedenfalls ein (weiterer) Anlass, Abbuchungen kritisch zu hinterfragen.
WOCHENENDARBEIT IN SICHT
Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)
ARD VERLIERT
Der ARD ist es nicht gelungen, sich unter Berufung auf Markenrechte die Domain „wahltipp.de“ zu sichern. Im Gegenteil: Der Inhaber der Domain drehte den Spieß um und verklagte die ARD. Die Kosten des Verfahrens tragen die Gebührenzahler.
Einzelheiten bei domainundrecht.de / Beschluss des Landgerichts Düsseldorf
MEHR PORNOS BÜCHER
Was mich wundert: Die Musik- und Filmindustrie erhält gar keinen Auskunftsanspruch gegen Kaufhausbetreiber. Dabei könnte man potenzielle Privatkopierer doch hervorragend mit den Bildern der Überwachungskameras an den Kassen und den Daten der Kartenzahlungen ausfindig machen.
Um mich nicht in Gefahr zu begeben, werde ich – wie andere auch – keine kopiergeschützten Datenträger mehr kaufen. Nicht mal am Grabbeltisch. Und auch nicht als Geschenk.
Ich habe nicht mal den Anflug von Panik. Gucke ich halt mehr Pornos. Und Bücher gibt’s ja auch noch.
HAKENKREUZ-PROZESS
Spiegel online berichtet Hintergründe zu dem Prozess um ein durchgestrichenes Hakenkreuz. Außerdem: Grünen Chefin Claudia hat auch so einen Button getragen und sich selbst angezeigt.
(Danke an Andrea Altefrone und Mathias Schindler für den Link)
FRISTABLAUF
Fristablauf heute. Berufungserwiderung zum Landesarbeitsgericht fertig um 14.19 Uhr. Das ist fast schon auf den letzten Drücker. Zumindest für mich.
Aber ich habe mir heute Morgen eine kleine Freude gegönnt und in dieser Sache die Gegenvorstellung geschrieben.
Nicht, dass ich auch nur die kleinste Hoffnung hätte, die betreffenden Richter überzeugen zu können. Aber bei einer Verfassungsbeschwerde kann es nicht schaden, wenn der Rechtsweg mehr als ausgeschöpft ist.
ZIELRICHTUNG
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
mir erschließt sich die Zielrichtung Ihres Schriftsatzes vom 9. März 2006 nicht. …
Hochachtungsvoll
Richter am Landgericht
Ausnahmsweise keine Richterschelte. Das Schreiben richtet sich an den gegnerischen Anwalt.
DRITTER STOCK
„Einschreiben.“
„Moment, ich komme kurz runter.“
Nächstes Mal sage ich in die Sprechanlage: „Dritter Stock.“
Mal sehen, was passiert.
MINDERHEITEN
Die unangemessene Äußerung eines Staatsanwalts vom Anfang Februar hat jetzt den gesamten Apparat der nordrhein-westfälischen Justiz auf Trab gebracht: Unter der Überschrift „Minderheiten-Bezeichnung“ hat das Ministerium auf sieben Seiten über alle Gerichtspräsidenten, Generalstaatsanwälte und Behördenleiter bis hinunter in die kleinste Amtsstube an einen im Januar 2004 aufgehobenen Erlass erinnert.
Darin war die Weisung gestrichen worden, Sinti und Roma nicht so zu nennen; denn es sei ja selbstverständlich, Minderheiten nicht zu bezeichnen. Aktuell wird nun nochmals gemahnt: „dass Hinweise auf die Herkunft, auf die Zugehörigkeit von Personen, Tätern oder Tatverdächtigen zu einer ethnischen oder religiösen Minderheit oder auf deren Hautfarbe nur erfolgen sollen, wenn dies für das Verständnis der Fall ist“.
Daran hatte sich der vom Zentralrat der Sinti und Roma gerügte Staatsanwalt offenbar nicht gehalten. (pbd)
RWABIKA „BUSHI EXPRESS“
Im Ausland können deutsche Touristen bestimmt bald coole T-Shirts kaufen. „I survived Phuket Air“ wäre das richtige für mich.
PIPELINE-CHEF WEHRT SICH
Schröder erwirkt einstweilige Verfügung gegen Westerwelle.
Ich bin Optimist. Deshalb setze ich einen Fünfer gegen Schröder.
BAGATELLKLAUSEL GESTRICHEN ?
Nach einem Bericht des Handelsblatts ist die „Bagatellklausel“ nicht mehr im Gesetzentwurf für das neue Urheberrecht enthalten. Justizministerin Zypries hätte damit einen Rückzieher gemacht. Ursprünglich sollten Kopien für den Eigengebrauch und eng verbundene Personen straflos bleiben.
Super, noch ein Grund mehr für Razzien an Schulen.
Pressemitteilung der Justizministerin
BÜRGSCHAFT
Die merkwürdig formulierte Bürgschaft hat mich zu folgendem Schreiben inspiriert:
Sehr geehrte Damen und Herren,
unser Mandant nimmt überrascht zur Kenntnis, dass Sie ihn aus der nicht datierten Erklärung auf Zahlung der regelmäßigen Miete in Anspruch nehmen. Herr N. hatte die Erklärung so verstanden, dass er lediglich für eventuelle Renovierungskosten bzw. nicht gezahlte Nebenkosten haftet.
Insoweit ist das von Ihnen verwendete Formular nicht klar und verständlich. Die Verwendung des Begriffs „Nutzungsgebühren“ für die monatliche Mietzahlung ist irreführend. Hieraus wird nicht hinreichend deutlich, was eigentlich gemeint ist. Man könnte auch von einer Verschleierung sprechen, da „Gebühren“ etwas völlig anderes sind als die vetraglich geschuldete Miete. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch spricht von „Miete“ und nicht von Nutzungsgebühren. Somit ist die Klausel nicht klar und verständlich.
Die Rechtsfolge ist die Unwirksamkeit der Klausel, § 307 Abs. 1 BGB, vgl. dort insbesondere Satz 2.
Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass unbeschränkte Bürgschaften für Mietverhältnisse ohnehin nur bis zur Drei-Monats-Kautionsgrenze wirksam sein können. Hierbei darf nur die monatliche Kaltmiete zugrunde gelegt werden. Soweit ersichtlich, fordern Sie jedoch die Warmmiete für drei Monate.
Bitte nehmen Sie den Mahnbescheidsantrag zurück.
Mit freundlichen Grüßen
MURMELTIER-TAG
Auf der Nordstraße in Düsseldorf wirbt ein Telefonladen mit folgendem, riesig gedruckten Slogan: „Keine Anschlussgebühr – nur heute!“
Schon seit Wochen.