DRECKSÄCKE

„Ich will keine Drecksäcke verteidigen, nur des eigenen materiellen Wohlergehens wegen.“

Sagt eine Staatsanwältin, über die der Tagesspiegel berichtet. So eine Äußerung ist, ich verwende das Wort ungern, ein Skandal. Nicht wegen der Geringschätzung, welche die Dame offensichtlich Strafverteidigern entgegenbringt. Sondern wegen des Umstandes, dass Angeklagte für sie Drecksäcke sind bzw. sein können.

Schon mal was von der Unschuldsvermutung gehört, Frau Staatsanwältin? Und von Ihrer gesetzlichen Pflicht, auch alle Umstände zu ermitteln, die zu Gunsten des Beschuldigten sprechen?

Und wie kommen Sie überhaupt darauf, einen Beschuldigten als Drecksack zu sehen? Auch der schlimmste Straftäter ist und bleibt ein Mensch wie Sie und ich Ihr Nachbar. Er hat trotz seiner Tat die gebührende Achtung als Mensch verdient.

Ein Staatsanwalt, der Beschuldigten mit dieser Einstellung gegenübertritt und diese auch noch hinausposaunt, scheint mir ungeeignet, ausgerechnet die „objektivste Behörde der Welt“ zu vertreten.

Update: Der Tagesspiegel hat das Zitat mittlerweile abgeändert.

(Link gefunden bei RA Carsten Hoenig)

WEB 2.0: ENDE DER LANGEWEILE

Web 2.0. Die Meinungen gehen auseinander. Aggressionen kochen hoch. Das kennt man ja, denkt nur mal an die Diskussion um Cherry Coke.

Ich will mir keine Gedanken machen, ob Web 2.0 was wird. Oder nicht. Mich interessiert momentan nur, ob wirklich genug (heiße) Luft für eine Börsenblase vorhanden ist.

Im Gegensatz zu Don Alphonso denke ich gerne an die New Economy. Was weniger daran liegt, dass mir die Phase den bisher einzigen Aufsichtsratsposten meines Lebens beschert hat. Sondern mehr daran, dass ich Vertical Net und ICG verkauft habe, kurz nachdem Bild Deutschland an den Neuen Markt gerufen hat.

Außerdem bin ich wahrscheinlich nicht der einzige, dem Fondssparen mittlerweile auf den Zeiger geht. Web 2.0 klingt sooooooo süß und verheißungsvoll. Offensichtlich handelt es sich im Technologiesegment um die erste Vision seit dotcom, die faszinieren kann, ohne dass man auch nur den Hauch einer Ahnung braucht, um was es eigentlich geht.

Bleibt nur eine Frage. Allerdings die schwierigste. Wo steigen wir jetzt ein? Sachdienliche Hinweise, am besten mit WKN oder ISIN, bitte in die Kommentare.

Ich gebe zurück an die Experten, zum Beispiel Mario Sixtus.

HANDYS SCHNÜFFELN

Fahnder und Politiker fürchten angeblich ein anstehendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es könnte E-Mails, Handydaten (z.B. SMS, Adressen) und auch die bloßen Verbindungsdaten stärker schützen, berichtet Spiegel online.

Das kann man auch anders sehen. Zum Beispiel, wenn man häufiger erlebt, wie selbst bei vermeintlichen Ladendieben ganz selbstverständlich das Handy durchschnüffelt wird. Wie Computer monatelang ohne Bezug zum Tatvorwurf mitgenommen werden, bloß weil man ja theoretisch „noch was anderes“ entdecken könnte. Um nur zwei Beispiele zu nennen.

Warum eigentlich diese Panik, polizeiliche Eingriffe in Grundrechte sauber und ordentlich durch Richter kontrollieren zu lassen? Da wird dann so getan, als wäre es unglaublich aufwändig und beschwerlich, einen Beschluss einzuholen. Das ist ein Witz, wenn man sieht, wie gerne sich die Polizei sonst selbst verwaltet; man prüfe nur mal das Verhältnis zwischen operativen Kräften und reinen Schreibtischarbeitern.

Größer als der Aufwand ist nach meiner Meinung jedenfalls die Befürchtung, dass Richter von vornherein „no“ sagen und der rechtswidrige Eingriff somit nicht stattfinden kann. Vorbei wären dann die Zeiten, wo man Bedenken erst einmal zurückstellt. Zugreift. Und gelassen davon ausgeht, dass sich der Betroffene schon nicht wehren wird. Zum Beispiel, weil er nicht das Geld für einen Anwalt hat.

UNTÄTIGE RICHTER

Von Eberhard Ph. Liliensiek (Pressebüro Düsseldorf)

Die oft beklagte Überlastung in der nordrhein-westfälischen Justiz zeigt offenbar die ersten klaffenden Lecks, aktuell beim Amtsgericht in Düsseldorf: Die Strafrichterin Hedda W. (64) hat kürzlich einen mutmaßlichen Betrüger davon kommen lassen, weil sie die Akte vernachlässigte. Am Donnerstag stellte sich heraus, dass Amtsrichter Heinrich L. (60) weit über hundert Knöllchen-Verfahren in die Verjährung getrieben hat.

Wen trifft eine Schuld an solchen Zuständen?

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KLAR, EIN KILLER

Spiegel online zitiert einen Ermittler im Fall Tim:

Wer einen Zweieinhalbjährigen schlage, rechne zumindest mit dem Tod des Kindes.

The world according to police officers. Dort ist es nachts schon mal kälter als draußen.

Wenn die Sache derart simpel wäre, müsste man wohl kaum zu so rüden Ermittlungsmethoden greifen, wie sie n-tv berichtet:

Nach einem Bericht des „Hamburger Abendblatts“ war Oliver H. in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag auf dem Flur der Polizei Tims Mutter gegenübergestellt worden. Der Mann sei in Tränen ausgebrochen und habe die Tat gestanden: „Ich bin für den Tod von Tim verantwortlich“, zitiert ihn die Zeitung. Die junge Frau sei daraufhin zusammengesunken.

Der Ablauf dieses Falles bestätigt bislang wieder mal, dass Beschuldigte am besten eines machen – eisern schweigen. Der Schaden, den echte oder vermeintliche Teilgeständnisse angerichtet haben, ist ja nicht nur an den „Killer“-Schlagzeilen der Bildzeitung abzulesen.

GESCHENKIDEE

Geschenkidee gesucht?

Die Karikaturen von wulkan sind öfter im law blog zu sehen. Es gibt sie auch zu kaufen, und zwar in Form des Anwaltskalenders 2006:

Die zwölf Motive kommen im DIN-A-3-Format. Stabile Spiralbindung. Klassisches Schwarz-Weiß-Design.

Bei Bestellung bis zum 1. Dezember 2005 kostet der Kalender noch 19,50 €, danach € 24,50. Die Versandpauschale beträgt € 5,50. Es ist auch Direktversand an den Beschenkten möglich.

Bestellungen gehen telefonisch unter 0172 200 35 70. Oder per Mail: wulkan@mail.isis.de. Von Wulkan gibt es übrigens auch Ärzte- und Pressekalender.

SCHARFEBABES

Schreiben der Inkassoanwälte:

Sehr geehrer Herr J.,

… Sie haben das Onlineangebot http://scharfebabes.com in Anspruch genommen. Trotz Fälligkeit haben Sie leider bislang die vertraglich geschuldete Vergütung in Höhe vn 49,90 € zzgl. Mahngebühr, Bankspesen in Höhe von € 22,52 und Zinsen i.H.v. 0,16 € nicht bezahlt. Wir bitten Sie daher diesen Betrag sowie die … Anwaltsgebühren von 31.32 € bis zum 24.11.05 zu überweisen.

Antwort:

Sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem wir uns mit unserem Rechtsanwalt Udo Vetter beraten haben, wissen wir, dass keine Ansprüche an unseren Sohn erkennbar sind. Unser Sohn ist 12 Jahre alt.

Über die familieninternen Konsequenzen ist Näheres nicht bekannt.

DER DEAL UND DAS VERTRAUEN

Können wir uns vor der Verhandlung kurz unterhalten?

Solche Worte aus dem Mund einer Richterin sind ein gutes Signal. Die Verständigung im Strafverfahren, der Deal, rückt näher. In der Tat lässt sich das Gespräch hervorragend an.

Neben der Staatsanwältin sind auch die Schöffen im Saal. Wir gehen alle Vorwürfe durch, streichen den einen oder anderen raus. So kann eine umfangreiche Beweisaufnahme vermieden werden. Wichtig ist doch, was am Ende rauskommt. Darin sind sich alle Beteiligten einig.

Wir feilschen. Wie sich das gehört. Am Ende steht ein vernünftiges Strafmaß. Ein Jahr und vier Monate. Auf Bewährung. Auch die Bewährungsauflagen spricht die Richterin an. „Ich denke, ein Bewährungshelfer kann nicht schaden.“ Die Schöffen nicken. Auch ich bin einverstanden. Das war’s dann, die Verständigung steht.

Aber in diesem Punkt soll ich mich irren.

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GLATTEIS

Der Gesetzgeber in Aktion:

Wer ab dem Jahreswechsel mit Sommerreifen fährt und deswegen auf winterlichen Straßen liegen bleibt und den Verkehr behindert, soll 40 Euro Bußgeld zahlen. Und einen Punkt in Flensburg kassieren. 20 Euro soll es kosten, wenn man auf rutschiger Straße durch unsichere Fahrweise auffällt, die auf Sommerreifen beruht.

Winterreifen werden aber keine Pflicht.

Ah, das gibt schöne Gerichtsverhandlungen. Polizeibeamte werden blumig schildern, wie doll das Heck des vor ihnen fahrenden Pkws gewackelt hat. Sachverständige werden überprüfen, ob in der Situation selbst Winterreifen nicht geholfen hätten. Oder ob der Ganzjahresreifen vielleicht gar kein Sommerreifen ist. Sondern (auch) ein Winterreifen. Interessant ist natürlich auch, was ein Autofahrer mit Sommerreifen machen soll, der unterwegs von Schnee und Glatteis überrascht wird.

Verkehrsrechtsschutz. Nie war er so wertvoll wie heute.

KÄMPFE – ODER KRÄMPFE ?

Mit manchen Kollegen kommt man auf keinen grünen Zweig. Okay, vielleicht war es unhöflich, dass ich darauf hingewiesen habe, es mache wenig Sinn, langatmig den Inhalt der Schriftsätze zu referieren. Die seien nämlich bekannt; außerdem hätte ich nachher noch einen anderen Termin.

Andererseits: Wie kann man auf die Frage des Richters, in welcher Höhe ein Vergleich möglich ist, langatmig über Altbekanntes schwafeln? Entweder sage ich eine Zahl. Oder ich sage keine. Wird ja keiner gezwungen, sich zu einigen.

Außerdem ist es eine fragwürdige Gewohnheit, die andere Seite partout nicht ausreden zu lassen.

Am besten fand ich, wie der Kollege sich langatmig darüber mokierte, unsere Klagebegründung sei eine Zumutung. „Für mich und das Gericht.“ Statt die Zahlen im Text aufzuführen, könne man doch zumindest noch eine anschauliche Tabelle erwarten. Im Übrigen entdeckte der Kollege langatmig „Widersprüche, Ungereimtheiten und jede Menge unlogische Argumente“.

Boah, sollte das gesessen haben?

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DOCH NUR ARBEIT

9.30 Uhr: Haftprüfungstermin am Landgericht Düsseldorf.

10.00 Uhr: Erörterungstermin am Landgericht Düsseldorf.

11.15 Uhr: Hauptverhandlungstermin am Amtsgericht Langenfeld.

Nur für den Fall, dass jemand die ungewöhnliche Schweigsamkeit in diesem Blog mit dem vorigen Eintrag in Verbindung bringt.

VORHIN

Gut, dass ich mich vorhin noch zum Sport geschleppt habe.

Sonst würde ich immer noch glauben, dass Flugbegleiterinnen nicht nett sein können.

VERWAISTE RÄUME

Wer von einer finanziell klammen Firma eingestellt und bald darauf wieder auf die Straße gesetzt wird, kann möglicherweise Schadensersatz verlangen. Das Handelsblatt berichtet über ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm. Dort war eine Chefsekretärin aus ungekündigter Stellung abgeworben worden. An ihrem ersten Arbeitstag fand sie nur verwaiste Räume vor. Am nächsten Tag die Kündigung. Der Arbeitgeber muss ihr die Differenz zwischen vereinbartem Lohn und Arbeitslosengeld zahlen. Denn er hätte der Mitarbeiterin offenbaren müssen, dass ihr Job akut gefährdet ist.

GEWÄHLT

Ich hatte gerade die Wahl, wo ich eine Kündigungsschutzklage einreiche. In Köln. Dort war der Arbeitnehmer ausschließlich eingesetzt. Oder in Dortmund. Dort hat die Firma ihren Sitz.

Ich habe mich für Dortmund entschieden. Köln hat den Ruf des langsamsten Arbeitsgerichts im Land. Mitunter dauert es dort Monate, bis der erste Gütetermin stattfindet. Dann lieber Dortmund. Die Anreise ist zwar etwas weiter. Aber soweit ich mich an meinen letzten Fall dort erinnere, flutscht es einigermaßen.

NICHTS GEAHNT ?

Der Prozess gegen Ernst Zündel ist nach dem ersten Verhandlungstag geplatzt, weil das Gericht seine Pflichtverteidigerin zwangsweise vom Mandat entbunden hat. Mich stimmt an der ARD-Meldung nachdenklich, dass Zündel nach Auffassung des Gerichts einfach so in Untersuchungshaft bleiben muss, bis sich ein neuer Pflichtverteidiger eingearbeitet hat. Nach Angabe des Staatsanwalts ist mit einem Termin in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.

Ich unterstelle mal, dass das Gericht schon seit längerem wusste bzw. ahnen konnte, welchen Kurs die Verteidigung Zündels fahren wird. Die Schriftsätze der Verteidigerin geisterten, soweit ich mich erinnere, schon einige Zeit vor dem Verhandlungstermin durch die Medien. Außerdem wird das Gericht ja nicht erst am Verhandlungstag erfahren haben, dass hinter der bisherigen Pflichtverteidigerin der ungeliebte Anwalt Horst Mahler seine Strippen ziehen soll.

Wieso hat das Gericht also nicht rechtzeitig einen weiteren Pflichtverteidiger für Zündel bestellt? Wäre das geschehen, hätte der Prozess nicht platzen müssen.

In Haftsachen gilt der Beschleunigungsgrundsatz. Und ein striktes Verhältnismäßigkeitsgebot. Auch wenn einem Herr Zündel nicht sympathisch ist, wird man zumindest einen Gedanken an eine neuere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verschwenden müssen. Die höchsten Richter haben nämlich festgestellt, dass Fehler der Justiz eine unnötig verlängerte Untersuchungshaft nicht rechtfertigen.