Kastriertes Equipment

Bin ich froh, dass ich an vernünftige Richter gerate, wenn es um Technik im Verhandlungssaal geht. Nur bei absehbar kurzen Terminen verzichte ich darauf, mein Netbook einzuschalten. Es war also schon hunderte Male im Einsatz, ohne dass auch nur ein einziger Einwand gekommen wäre.

Im Gegenteil: Erst gestern erkundigte sich ein Vorsitzender in der Pause, ob ich in seinem Saal problemlos online gehen kann und welchen Datentarif ich habe. Wir fachsimpelten dann über UMTS-Sticks, wackelige Bluetooth-Verbindungen und Akkulaufzeiten.

Mir wurden auch schon freundlich Verlängerungskabel angeboten, wenn die nächste Steckdose zu weit vom Anwaltstisch entfernt lag.

Der etwas paranoide Amtsrichter, der vor wenigen Tagen diesen Beschluss heraufbeschworen hat, ist also eine Ausnahme. In einer Familiensache wollte er einen Anwalt tatsächlich die Laptop-Nutzung verbieten. Begründung: Möglicherweise könnten mit dem Gerät Ton- und Filmaufnahmen gemacht werden; das sei verboten.

Der betroffene Jurist verteidigte sich mit dem Argument, sein Notebook könne weder Töne noch Bilder aufnehmen. Er versicherte dies sogar anwaltlich.

Meine Hochachtung vor dem Kollegen, wenn er mit einem Notebook arbeitet, das tatsächlich keine Webcam und kein Mikro hat. Schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen kann es sich lohnen, bereits vollständig abgeschriebene Wirtschaftsgüter durch neue zu ersetzen.

Überdies ist das Argument natürlich gefährlich für all jene Anwälte, die schon mit etwas neuerem Equipment arbeiten. Es dürfte schwer sein, tragbare Computer ohne Mikro und Cam überhaupt zu kriegen. Die Alternative wäre, dass Anwälte ihre Geräte kastrieren und hierüber eine TÜV-Bescheinigung mit sich führen müssen.

Zum Glück hat sich der Richter, der seinen bärbeißigen Kollegen für befangen erklärte, mit diesem Argument gar nicht groß aufgehalten. Er stellt vielmehr klar, dass unbestimmte Sicherheitsbedenken nicht geeignet sind, einen Anwalt bei seiner Arbeit im Gerichtssaal einzuschränken:

Eine derartige sitzungspolizeiliche Maßnahme gem. § 169 GVG hätte im vorliegenden Fall nur bei einem konkreten Anlass getroffen werden dürfen, es hätte also ein konkreter Verdacht des Richters aufgrund eines konkreten festgestellten Sachverhalts bestehen müssen, dass der Rechtsanwalt tatsächlich versucht hätte, mit Hilfe dieses Laptops Ton- oder Filmaufnahmen in der laufenden mündlichen Hauptverhandlung zu fertigen.

Es kommt also nicht darauf an, was der Anwalt kann, sondern was er tatsächlich tut. Sonst könnte man ja auch anfangen, Anwälten das Handy abzunehmen, weil es ebenfalls eine Kamera hat. Oder jeden Kugelschreiber des Juristen unter die Lupe nehmen, weil er ja das multimediataugliche Modell von Pearl sein könnte.

Mit mir wäre jedenfalls dann kein pünktlicher Verhandlungsgewinn gewährleistet. Ich lasse mich nämlich nicht freiwillig durchsuchen, es sei denn, der Vorsitzende hat mir diese Absicht vorher mitgeteilt und gute Gründe dafür genannt (die es in sehr seltenen Fällen gibt).

Wie ich eingangs schon erwähnte, ist der Umgang der Justiz mit Notebooks inzwischen aber ziemlich unbefangen. Darauf spielt auch die Entscheidung an, in der es heißt:

In diesem Zusammenhang muss ausdrücklich festgestellt werden, dass auch in medienwirksamen Verfahren vor der Großen Strafkammer der Landgerichte bis zum Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht die Benutzung von Laptops durch Organe der Rechtspflege üblich ist.

(via LexisNexis Strafrecht Online Blog)