Ein Betrug, der keiner war

Die Strafverfolger sahen einen Betrug, der keiner war. Mit ziemlichem Getöse warf die Staatsanwaltschaft dem Fleischproduzenten Clemens Tönnies vor, seine Abnehmer in großem Stil betrogen zu haben. Der Lebensmittelfabrikant soll gemischtes Hackfleisch verkauft haben, das zu wenig Rindfleisch enthielt.

Schon das Landgericht Essen konnte darin keinen Betrug sehen und ließ die Anklage gegen Tönnies und zwölf seiner leitenden Angestellten in diesem Punkt nicht zu. Das Oberlandesgericht Hamm begab sich in die Tiefen des Lebensmittelrechts und stellte nun ebenfalls fest, dass Tönnies sich nicht wegen Betrugs verantworten muss.

Die Hammer Richter konnten schon gar nicht nicht feststellen, dass überhaupt minderwertige Ware geliefert worden ist. Dementsprechend könne auch nicht gesagt werden, dass die Abnehmer die Ware zu teuer bezahlt hätten. Insoweit dürfte wohl schlampig ermittelt worden sein. Das Oberlandesgericht weist nämlich ausdrücklich darauf hin, es fehlten Angaben zum maßgeblichen Marktwert des Hackfleisches.

Nach lebensmittelrechtlichen Vorschriften habe die Ware keinem Verkehrsverbot unterlegen. Eine prozentuale Mengenangabe der Zutaten bei der Verkehrsbezeichnung „gemischtes Hackfleisch“ sei nach den Vorschriften gerade nicht erforderlich. Die damals gültige Hackfleischverordnung fordere dies nämlich nicht. Die vorgeschriebenen Angaben der Lebensmittelzutaten seien somit eingehalten, wenn auch inhaltlich fehlerhaft.

Nach Auffassung des Gerichts richtet sich die Kaufentscheidung des Konsumenten nach Geschmack und Preis. Wenn das Hackfleisch so verkaufbar gewesen sei, seien Leistung und Gegenleistung wohl ausgeglichen gewesen. Tatsächlich soll das gemischte Hack von Tönnies in etwa so viel gekostet haben wie reines Schweinehack von anderen Anbietern. Die Käufer seien somit durch den angeblich zu geringen Rindfleischanteil jedenfalls wirtschaftlich nicht geschädigt, argumentierten Tönnies‘ Verteidiger.

Ob die belieferten Supermärkte gegen Tönnies zivilrechtlich vorgehen können, hält das Oberlandesgericht für unerheblich. Eine Qualitätsabweichung führe vielleicht zu Minderungsansprüchen. Hieraus lasse sich aber kein strafrechtlicher Schaden herleiten. Für diesen müsse man den Verkehrswert und die Preiskalkulation kennen. Diese Informationen seien dem Gericht aber nicht geliefert worden.

Die Angeklagten müssen sich jetzt „nur“ noch wegen falscher Auszeichnung von Ware verantworten. Der Prozess soll in Kürze beginnen.