Mit dem Dritten sieht man alles

Vor einem Jahr habe ich über eine neuartige Video-Überwachung durch die hessische Polizei berichtet. Polizisten tragen dabei nicht Papageien, sondern Kameras auf der Schulter. Die Kameras sollen eventuelle Attacken auf Polizisten verhindern, die in Hessen ein großes Problem sein sollen.

Ein Pilotversuch in Frankfurt soll nun so erfolgreich gewesen sein, dass die Bodycams bald auch in Wiesbaden und Offenbach zum Einsatz kommen. Das hessische Innenministerium beruft sich darauf, dass sich im Testzeitraum die Übergriffe auf Polizisten spürbar verringert hätten. Von 27 auf 20. Binnen eines halben Jahres. Ich bin kein großer Statistiker, aber die Basis dieser Feststellung scheint mir doch recht dünn, und zwar zahlenmäßig und zeitlich. Wäre interessant, mal die Streubreite über einen längeren Zeitraum zu kennen und sich die neuen Fälle darauf anzuschauen, ob Übergriff früher auch gleich Übergriff heute ist.

Wiesbaden und Offenbach wurden nun als weitere „Bodycam“-Städte ausgewählt, weil es dort besonders häufig zu Übergriffen kommen soll. Insgesamt soll es im letzten Jahr 375 Fälle gegeben haben. Die meisten ereignen sich nach Angaben der hessischen Polizei zwischen 21 und 4 Uhr. Bei 46 Prozent stünden die Verdächtigen unter Alkoholeinfluss. Ob sich allerdings gerade Betrunkene überhaupt von solchen Kameras abschrecken lassen, das scheint bislang keineswegs belegt. Oder anders gesagt: Psychologisches Geschick und mehr Manpower würden der Polizeiarbeit vielleicht besser tun, als ein Dokumentationstrupp (jeder Polizist mit Bodycam muss eine Weste mit dem Aufdruck „Videoüberwachung“ tragen).

Immerhin, das sollte man auch festhalten, dürfen die Kameras nur eingeschaltet werden, wenn Angriffe gegenüber Polizeibeamten zu befürchten sind. Die Dauerüberwachung des öffentlichen Raumes, heißt es, sei nicht zulässig. Überdies müssen Aufnahmen sofort gelöscht werden, wenn sie nicht gebraucht werden.

Diese Zurückhaltung ist natürlich auf der einen Seite lobenswert, wenn man schon solche Kameras haben will. Andererseits ist es aber auch interessant, dass die Bodycams tatsächlich durchweg von offizieller Seite nur als „Maßnahme zum Schutz von Polizeibeamtinnen und -beamten“ angepriesen werden. Dabei gäbe es doch auch die Möglichkeit, fehlerhafte Abläufe auf Seiten der Polizei zu dokumentieren. Jedenfalls theoretisch. Sie wird aber noch nicht mal erwähnt.

Die hessischen Grünen finden die Bodycams übrigens gut.

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