Filesharing: Gericht pocht auf Datenschutz

Reseller von Internetanschlüssen, wie zum Beispiel die 1 & 1 AG, dürfen in Filesharing-Fällen nur eingeschränkt Auskunft geben. Das Amtsgericht Koblenz beanstandet es in einem aktuellen Beschluss, dass ein Reseller Daten des Kunden herausgegeben hat, obwohl sich der gerichtliche Auskunftsbeschluss nur an den Netzbetreiber Deutsche Telekom richtete.

Nach Auffassung des Gerichts gibt es keine Rechtsgrundlage dafür, dass der Reseller dem Netzbetreiber mitteilt, welchen konkreten Kunden zur fraglichen Zeit die IP-Adresse zugeteilt war, über die Filesharing betrieben worden sein soll. Auskünfte dürften nach den einschlägigen Datenschutzregeln im wesentlichen nur an Behörden und Strafverfolger erteilt werden. Die Datenübermittlung von Reseller zu Netzbetreiber, der dann wiederum den Auskunftsbeschluss des Gerichts beantwortet, sei unzulässig.

Das würde in der Praxis bedeuten, dass Filesharing-Abmahner zwei Auskunftsbeschlüsse bräuchten. Diese müssten dann auch zeitversetzt beantragt werden, weil ja dem Abmahner zunächst nur die IP-Adresse der Telekom bekannt ist, aber nicht, ob die Telekom den Anschluss an einen Reseller vermietet hat und womöglich nur dieser weiß, welchem Kunden die IP-Adresse zugeteilt war.

Das Amtsgericht Koblenz nimmt sogar ein Verwertungsverbot an, falls gegen den Datenschutz verstoßen wurde (Link zum Beschluss).

Internet-Law zum gleichen Thema

Sitzenbleiber vor Gericht

Es ist an vielen Gerichten eine beliebte Übung, aber noch längst keine Pflicht: Nach Verhandlungspausen müssen sich der Angeklagte und andere Prozessbeteiligte nicht erheben, wenn die Richter wieder den Saal betreten. Darauf weist das Oberlandesgericht Karlsruhe in einer aktuellen Entscheidung hin.

Ein Angeklagter war nach einer Sitzungspause am Amtsgericht Breisach auf seinem Platz geblieben. Dafür sollte er ein Ordnungsgeld von 200 Euro zahlen. Diesen Beschluss hob das Oberlandesgericht auf.

Es gebe nur eine begrenzte Pflicht aufzustehen, wenn das Gericht den Sitzungssaal betritt: zu Beginn der Verhandlung an dem betreffenden Sitzungstag, bei der Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen und bei der Verkündung der Urteilsformel. Auch dass der Vorsitzende nach einer Sitzungspause ausdrücklich darauf besteht, dass der Angeklagte aufsteht, begründe keine „Ungebühr“. Denn auch ein Richter könne nichts verlangen, wozu der Angeklagte nicht verpflichtet sei.

Das Sitzenbleiben könne nur ungebührlich sein, sofern sich aus besonderen zusätzlichen Umständen ergibt, dass der Angeklagte seine Missachtung für das Gericht ausdrücken wollte. Hierfür gab es in dem entschiedenen Fall jedoch keine Anhaltspunkte (Link zur Entscheidung).

Gericht kassiert Apples Garantieklauseln

Das Landgericht Berlin hat 16 Klauseln einer Herstellergarantie, die Apple für seine Produkte verwendete, für unzulässig erklärt. Das Urteil geht zurück auf eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die Apple Distribution International. Der vzbv hatte beanstandet, dass der Konzern die Haftung für Produktmängel gravierend einschränke, was die Kunden unangemessen benachteilige und daher unwirksam sei.

Alle vom vzbv beanstandeten Klauseln sind nach dem Urteil unzulässig – darunter elf Klauseln der einjährigen Hardwaregarantie und weitere fünf Klauseln der kostenpflichtigen Garantieerweiterung („AppleCare Protection Plan“).

Apple hat die Bedingungen nach Klageerhebung geändert, sich jedoch geweigert, eine Unterlassungserklärung abzugeben. „Apple muss nun prüfen, ob seine überarbeiteten Klauseln den vom Gericht formulierten Anforderungen an Herstellergarantien standhalten“, sagt Helke Heidemann-Peuser, Teamleiterin Rechtsdurchsetzung beim vzbv.

Apple warb für seine Produkte mit einer einjährigen Hardwaregarantie für Material- und Herstellungsfehler. Doch die Garantie blieb laut vzbv hinter den gesetzlichen Gewährleistungsregeln zurück: Laut Gesetz haftet ein Verkäufer zwei Jahre lang für Produktmängel. Apple gewährte als Hersteller eine Garantie für ein Jahr und schloss darüber hinaus eine Garantiehaftung aus.

Für Produktmängel wollte der Konzern nur haften, sofern die Geräte „normal“ und nach „veröffentlichten Richtlinien“ genutzt wurden, ohne diese näher zu erläutern. Nicht einmal für Dellen und Kratzer an iPhone und anderen Geräten wollte Apple laut Klauseln einstehen, sofern sie „die Funktion des Produktes nicht beeinträchtigen und sich nicht wesentlich nachteilig auf die Nutzung auswirken.“ Falls die Garantieleistung nicht in dem Land erbracht werden kann, in dem sich das Produkt befindet, sollte der Kunde, soweit gesetzlich zulässig, die Versand- und Transportkosten zahlen.

Die Richter schlossen sich der Auffassung des vzbv an, dass diese und weitere Klauseln die Käufer unangemessen benachteiligen. So sollte die sogenannte Hardwaregarantie nach ihrem Wortlaut an die Stelle aller sonstigen Ansprüche des Verbrauchers treten. Dies sei unzulässig, urteilte das Gericht, denn Sinn und Zweck einer Produktgarantie sei es gerade, dass sie neben den gesetzlichen Gewährleistungsansprüchen bestehe. Ein entsprechender Hinweis an anderer Stelle reiche zur Klarstellung nicht aus. Auch der Zusatz „soweit rechtlich zulässig“ könne einer inhaltlich unwirksamen Regelung nicht zur Geltung verhelfen, denn Verbraucher seien völlig überfordert einzuschätzen, ob eine Klausel rechtlich zulässig sei oder nicht.

Zum Umfang einer Garantie führte das Gericht grundsätzlich aus, dass Garantieleistungen im Leistungswettbewerb eine beliebte Nebenleistung seien, um sich von vergleichbaren Produkten von Mitbewerbern abzuheben. Die Garantieleistungen würden ihrem Namen aber nur gerecht, wenn sie werthaltig seien. Von einer besonderen Zusatzleistung könne keine Rede sein, wenn – wie hier – die Einstandspflicht für Herstellungs- und Materialfehler nur halb so lang sei wie die gesetzliche Gewährleistungspflicht des Verkäufers.

Darüber hinaus sollte die Garantie nur gelten, sofern das Produkt „normal“ genutzt werde. Bei extensiver Nutzung sollte also ein nach dem Gesetz berechtigter Sachmangel nicht als Garantiefall geltend gemacht werden können. Dies entwerte das Garantieversprechen ins Belanglose. Auch im kostenpflichtigen Care Protection Plan schränkte Apple nach Auffassung des Gerichts sein Garantieversprechen unzulässig ein. Der Konzern wollte beispielsweise nicht für Material- und Herstellungsfehler aufkommen, wenn der Schaden durch eine „nicht vom Hersteller beschriebene zulässige oder beabsichtigte Nutzung“ verursacht wird. Was darunter zu verstehen ist, blieb unklar. Diese Klauseln wurden ebenfalls wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot untersagt.

Dem Verfahren ging ein gemeinsames Vorgehen europäischer Verbraucherverbände, darunter der vzbv, voraus. Verbraucherschutzorganisationen aus elf europäischen Ländern beanstandeten im Jahr 2012 die Werbung von Apple zum „AppleCare Protection Plan“ (Aktenzeichen 15 O 601/12).

Grenzen beachten

Deutsche Polizeibeamte dürfen nicht ohne weiteres im Ausland tätig werden. Das gilt laut Oberlandesgericht Koblenz auch bei Ordnungswidrigkeiten, zum Beispiel Tempoverstößen. Deshalb sprachen die Richter einen Autofahrer frei, der zwar in Deutschland zu schnell gefahren sein und den Mindestabstand unterschritten haben soll, jedoch erst in Luxemburg angehalten wurde.

Gestoppt wurde der Verkehrssünder auf der A 64 in Richtung Luxemburg erst auf dem Rastplatz Mesenich, der bereits auf luxemburgischen Gebiet liegt. Das verstößt nach Auffassung des Gerichts gegen das „Territorialprinzip“, nach dem die deutsche Polizei im Ausland nicht ohne vorherige Zustimmung der dortigen Behörden tätig werden darf.

So eine Verletzung des Territorialprinzips ist laut der Entscheidung so schwerwiegend, dass er zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Deshalb sei die Personenkontrolle als nicht existent zu betrachten mit der Folge, dass nicht feststeht, wer den Wagen geführt hat.

RA Detlef Burhoff zum gleichen Thema / Link zum Beschluss

Besser nichts sagen

In meiner aktuellen Kolumne für die ARAG geht es mal wieder um ein strafrechtliches Thema, das jeden betreffen kann: „Was tun, wenn Untersuchungshaft droht?“ Ich gebe einige Tipps für den Umgang mit der Polizei und erläutere insbesondere, warum man möglichst nichts ohne Anwalt sagen sollte.

Zum Beitrag.

Eine Datei

Ob Google Drive, OneDrive von Microsoft oder andere Dienste: Viele amerikanische Anbieter scannen die von Nutzern hochgeladenen Inhalte von sich aus auf mögliche Kinderpornografie. Oder das, was man in den USA als solche definiert. Die Überprüfung geschieht offensichtlich automatisch und bringt auch in Deutschland Ermittlungen in Gang. Diese gehen bis zur Hausdurchsuchung, wie ein aktueller Fall aus meiner Praxis zeigt.

Mein Mandant bezeichnet sich selbst als „Internet-Junkie“. Das heißt, er sammelt online und wahllos ziemlich viel Material, darunter auch Pornografie. Einen Teil davon hatte er nur für die eigene Nutzung auf OneDrive von Microsoft hochgeladen. Offensichtlich schlug dabei der Scan an, den Microsoft automatisch durchführt. Ein einziges, fragwürdiges Bild unter etlichen tausend unbedenklicher Aufnahmen führte zur Meldung an das US-amerikanische Center for Missing & Exploited Children. Über die amerikanische Polizei wurde das Bundeskriminalamt in Wiesbaden informiert.

Der Hinweis auf die einzelne Bilddatei genügte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, einen Durchsuchungsbeschluss zu beantragen, den das Amtsgericht Nürnberg auch erließ. Der Rest ist business as usual, das heißt die Polizei kam im Morgengrauen und packte die gesamte Hardware meines Mandanten ein. Sie will jetzt schauen, was er sonst so auf seinen Rechnern hat.

Der Fall zeigt, dass in der Cloud gespeicherte Daten vielleicht einigermaßen gegen den Zugriff Dritter gesichert sind. Aber eben nicht gegen die eigene, präventive Kontrolle durch Microsoft & Co. Die Firmen gehen ganz offensichtlich nicht nur konkreten Verdachtsmomenten nach. Vielmehr überprüfen Microsoft und Google, wie sich hier zeigt, tatsächlich automatisch alles, was in die Cloud hochgeladen wird und informieren dann von sich aus die Ermittlungsbehörden. Ins Zwielicht geraten dann möglicherweise zum Beispiel auch Eltern, die Aufnahmen ihrer Kinder in der Cloud speichern.

Dass die Praxis der amerikanischen Unternehmen juristisch fragwürdig ist, habe ich an anderer Stelle erläutert. Der vorliegende Fall bietet vielleicht mal Gelegenheit, den lockeren Umgang der Speicheranbieter mit dem deutschen Telekommunikationsgeheimnis gerichtlich überprüfen zu lassen.

Gericht ermahnt zur Wahrheit

Mit etlichen Klagen setzen derzeit Anwaltskanzleien ältere Ansprüche wegen Urheberrechtsverletzungen durch. Besser gesagt: Sie versuchen es. Denn die Fälle haben allesamt gemeinsam, dass die Art und Weise höchst fraglich ist, mit der die IP-Adressen der Nutzer ermittelt wurden.

Konkret geht es um Prozesse, in denen Abmahner Tauschbörsen mit der Software „Oberserver“ überwacht haben. Dies ließen sie von der britischen Firma Guardaley Ltd. erledigen. In ihren Anspruchsbegründungen behaupten die Kläger und ihre Anwälte, die von Guradeley angewandte Methode sei zuverlässig und sicher. Dabei verschweigen sie, dass genau das nicht der Fall sein dürfte.

So haben bereits mehrere Gerichte die Arbeitsmethode der Guardaley Ltd. als fragwürdig eingestuft. Denn es fehlt unter anderem schon an einem nachvollziehbaren Sachverständigengutachten, mit dem die Funktionsfähigkeit der Software unabhängig überprüft wurde. Stattdessen beziehen sich die Kläger reichlich nebulös auf ein viel jüngeres Gutachten zu der Software, das aber naturgemäß nichts darüber sagen kann, ob die früher verwendete Version funktionierte. Nähere Einzelheiten und Hinweise auf die Urteile finden sich hier.

Das Amtsgericht Frankfurt schließt sich in einem aktuellen Beschluss (Aktenzeichen 30 C 2266/14 – 71) den Bedenken an. Aber nicht nur das. Das Gericht weist die Kläger ausdrücklich auf ihre „prozessuale Wahrheitspflicht“ hin. Was nichts anderes bedeutet, als dass das Gericht den Eindruck hat, an der Nase herumgeführt zu werden. Die Kläger sollen jetzt noch einmal Stellung nehmen. Wir sind gespannt, was ihnen einfällt.

Anwälte: Den Terror nicht siegen lassen

Der Terror von Paris darf nicht zum Anlass genommen werden, tief in die Freiheits- und Bürgerrechte der Bevölkerung einzugreifen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt daher eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab, die jetzt wieder verstärkt gefordert wird.

„Die Anschläge von Paris wären auch mit einer Vorratsdatenspeicherung nicht zu verhindern gewesen“, sagt der Vizepräsident des DAV Ulrich Schellenberg. „Es kann keine absolute Sicherheit geben“. Dagegen könnten und wollten die weitaus meisten Menschen nicht in einer Gesellschaft totaler Überwachung leben. Selbst in Frankreich, mit seinen scharfen Gesetzen zur inneren Sicherheit und einer Vorratsdatenspeicherung, habe dieser Anschlag nicht verhindert werden können. „Der Terror hätte sein Ziel erreicht, wenn wir jetzt damit beginnen, unsere offene Gesellschaft in Frage zu stellen“, so Schellenberg weiter.

Der DAV erinnert auch daran, dass der Europäische Gerichtshof die ursprüngliche EU-Richtlinie (2006/24/EG) zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt hat. Auch der EuGH hatte bemängelt, dass die Richtlinie gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten verstößt. Nach Ansicht des DAV sind daher die jetzigen Diskussionen verfehlt. Eine Vorratsdatenspeicherung wäre ein massiver Eingriff, bei der die Gefahr besteht, dass die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt werden würde. Von der Vorratsdatenspeicherung würden Millionen von Menschen betroffen, von denen weder ein Anfangsverdacht oder gar der Verdacht einer schweren Straftat ausgeht.

Vielmehr schlägt der DAV vor, dass die Bürger- und Freiheitsrechte gerade nach den Anschlägen aktiv verteidigt werden müssen. „Die Gesellschaft muss insbesondere jungen Menschen die Werte der Freiheitsrechte vermitteln“, so Schellenberg.

Keine „Bestpreise“ für HRS

Das größte deutsche Buchungsportal HRS darf von Partnerhotels keine „Bestpreisklausel“ verlangen. HRS hatte in der Vergangenheit von Hotels verlangt, dass diese HRS immer mindestens ebenso gute Konditionen einräumen wie anderen Portalen. Diese Praxis ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf kartellrechtswidrig.

Die Hotelunternehmen seien aufgrund der Bestpreisklauseln gehindert, ihre Hotelzimmerpreise und sonstigen Konditionen gegenüber den verschiedenen Portalen sowie im Eigenvertrieb unterschiedlich festzulegen. Durch die Bestpreisklauseln seien sie nämlich verpflichtet, HRS immer mindestens die gleich günstigen Zimmerpreise und Preisbedingungen einzuräumen.

Auch dürfe HRS aufgrund der Klauseln in Bezug auf die Verfügbarkeit sowie die Buchungs- und Stornierungskonditionen nicht schlechter gestellt werden, als andere Vertriebskanäle. Die Vereinbarung einer Bestpreisklausel nehme ferner anderen Hotelportalen den wirtschaftlichen Anreiz, den HRS-Hotelunternehmen niedrigere Vermittlungsprovisionen anzubieten, um im Gegenzug die Möglichkeit zu erhalten, die Hotelzimmer über ihr Portal zu günstigeren Preisen und Konditionen als HRS anbieten zu können.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt mit seiner Entscheidung eine Verfügung des Bundeskartellamts. Das Kartellamt kann tätig werden, da HRS mit mehr als 30 % Marktanteil eine beherrschende Stellung hat. Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen. Die Beschwerde zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen (Aktenzeichen VI – Kart. 1/14 (V)).

Wer’s glaubt…

In Filesharing-Prozessen überrascht das Amtsgericht Köln in letzter Zeit durch eine bestechend klare Sicht der Dinge. Der zuständige Richter schraubt nicht nur die Anforderungen auf ein erträgliches Maß herunter, welche an die Darlegungslast von Abgemahnten zum Nachweis gestellt werden, dass sie nicht selbst eine Urheberrechtsverletzung begangen haben.

Auch zu den Anwaltskosten, die angeblich bei (Massen-)Abmahnungen entstehen, nimmt das Gericht in nicht zu überbietender Deutlichkeit Stellung:

Das Zuerkennen von Fantasiestreitwerten durch manche Gerichte ist auch deswegen abzulehnen, weil nach aller Lebenserfahrung der Urheberrechtsinhaber und Anwalt die „erbeuteten“ Beträge nach vereinbarten Quoten unter sich aufteilen, so dass eine Praxis gefördert wird, die mit Schadensersatzrecht sehr wenig zu tun hat.

Leider verschließen andere Gerichte immer noch die Augen, wenn es um die Frage geht, ob die Abmahner ihre Anwälte tatsächlich nach der Gebührenordnung bezahlen. Das würde dann auch bedeuten, dass die Mandanten für jede erfolglose Abmahnung die geltend gemachten Gebühren aus eigener Tasche an den Anwalt überweisen müssen.

Wer das glaubt, wird selig. Es wäre toll, wenn die Stimme aus Köln die Debatte neu entfacht (Link zum Urteil).

Weiterer Redtube-Anwalt im Visier

Für die Verantwortlichen ist der Ärger wegen der Redtube-Abmahnungen noch nicht vorbei. Wie jetzt bekannt wurde, hat nicht nur der Regensburger Anwalt Thomas Urmann seine Zulassung zurückgegeben, sondern es wurde auch bei einem weiteren Beteiligten durchsucht. Es handelt sich um den Berliner Anwalt Daniel Sebastian, den die Ermittlungsbehörden mittlerweile als Beschuldigten führen.

Sebastian hatte beim Landgericht Köln die Auskunftsbeschlüsse erwirkt, aufgrund derer unter anderem die Telekom die IP-Adressen der vermeintlichen Redtube-Nutzer herausgeben musste. In diesem Antrag soll das Gericht in die Irre geführt worden sein, unter anderem durch ein windiges Gutachten.

Heise online berichtet Einzelheiten.

Keine Quittung

Die Vorladung kam für meinen Mandanten unvorbereitet. Er sollte bei der Polizei erscheinen, um sich wegen Tankbetrugs zu rechtfertigen. Am 26. Oktober 2014 hatte er nach seiner Erinnerung tatsächlich in aller Herrgottsfrühe an der Tankstelle einen Stopp gemacht. Allerdings war er sich sicher, dass er sein Benzin gezahlt hat und nicht (gedankenverloren) davon gefahren ist.

Vorsätzlich dürfte er jedenfalls kaum gehandelt haben. Dafür würde ich ausnahmsweise ganz vorsichtig die Hand ins Feuer legen. Der Mandant kennt sich nämlich mit so was gut aus, allerdings eher von der anderen Seite. Er arbeitet seit 25 Jahren als Strafrichter am Amtsgericht. Sonderlich angenehm war es für ihn also nicht, dass er nun ein eigenes Aktenzeichen bei der Staatsanwaltschaft hatte und am Ende möglicherweise ein Kollege darüber befinden musste, ob er ein Betrüger bzw. Dieb ist.

Das größte Problem: Mein Mandant hatte bar bezahlt und sich keine Quittung geben lassen. Wir saßen also mit ziemlich leeren Händen da, als wir uns das Video der Überwachungskamera anschauten. Dieses war von üblicher Tankstellenqualität. Man sah kaum was, aber halt schon das Kennzeichen und eine Person, die meinem Mandanten ähnlich sieht. Er geht nach dem Tanken auch einzige Zeit aus dem Bild. Ob er an der Kasse gezahlt hat, dafür gab es aber keinen Beleg. Auch weil die Tankstelle nur die Aufnahmen der Zapfsäulenkamera gesichert hatte.

Allerdings fiel uns beim Abgleich der Zeitstempel des Kassenterminals und der Videokamera auf, dass der 26. Oktober 2014 kein gewöhnlicher Sonntag war. Vielmehr wurde an dem Tag die Uhr um eine Stunde auf die Normalzeit zurückgestellt. Das war doch schon mal ein Strohhalm und eine Nachfrage wert. Ich fuhr bei der Tankstelle vorbei und sprach mit dem Pächter. Der war auch zugänglich und wir schauten einfach mal, wie sein Kassenterminal und die Videokameras programmiert sind.

Bei der Kasse wusste der Tankstelleninhaber ziemlich sicher, dass die Umstellung automatisch über den Terminalbetreiber erfolgt. Bei der Kamera war das aber nicht der Fall. Wie sich herausstellte, macht das immer der technikaffine Sohn des Pächters. Der hatte am 26. Oktober aber erst ab sieben Uhr die Schicht. Was im Ergebnis bedeutete, dass mein Mandant jedenfalls nicht zum fraglichen Zeitpunkt an der betreffenden Zapfsäule war. Das Benzin hatte vielmehr ein Unbekannter mitgehen lassen, der genau eine Stunde früher getankt haben dürfte.

Der Tankstellenpächter bestätigte mir schriftlich, dass es jedenfalls ganz anders gewesen sein kann und er die Anzeige sowie seinen Strafantrag zurücknimmt. Das Verfahren gegen meinen Mandanten wurde dann auch schnell eingestellt. Neben meinem Honorar habe ich mich auch über die Zusage des Richters gefreut, in seinem Verhandlungssaal künftig doppelt und dreifach hinzuschauen, bevor er eine merkwürdige Geschichte als „Schutzbehauptung“ abtut.

Ich werde ihn demnächst auf die Probe stellen.

Keine Bekenntnispflicht

Für reichlich Wirbel unter Juristen sorgte eine Entscheidung des Anwaltsgerichts Düsseldorf, wonach Rechtsanwälte nicht verpflichtet sind, Zustellungen von Anwaltskollegen entgegenzunehmen. Dies betrifft vor allem einstweilige Verfügungen, die innerhalb von knappen Fristen „an den Mann“ gebracht werden müssen. Deshalb schicken sich Verfahrensbevollmächtigte diese Unterlagen gerne untereinander zu, weil das wesentlich einfacher und schneller ist als eine Zustellung über den Gerichtsvollzieher.

Dies Düsseldorfer Entscheidung hat die nächste Instanz jetzt bestätigt. Auch der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen verneint eine entsprechende Berufspflicht, Zustellungen von gegnerischen Anwälten für den eigenen Mandanten zu akzeptieren und dem Absender ein sogenanntes Empfangsbekenntnis zukommen zu lassen. Denn die fragliche Norm gelte nur für Zustellungen von Gerichten und Behörden an Rechtsanwälte, nicht jedoch für Zustellungen unter Rechtsanwälten.

Das Gericht hat die Revision zugelassen, so dass wahrscheinlich der Bundesgerichtshof das letzte Wort sprechen wird. Bis dahin müssen zivilrechtlich tätige Anwälte weiter besonders aufpassen, dass sie nicht in Fristenfallen tappen.

Link zur Entscheidung