Kommt Zeit, kommt Rat

Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren gegen einen Beschuldigten mangels Tatverdachts ein. Doch die Polizei besteht darauf, dass der Betroffene sich erkennungsdienstlich behandeln lässt (Fotos, Fingerabdrücke etc.) und die Daten in den Fahndungscomputern gespeichert werden. Das klingt erst mal paradox. Aber im Verwaltungsrecht ist vieles möglich – unter anderem genau das.

So stellt das Oberverwaltungsgericht Koblenz jetzt erneut fest, dass ein hinreichender Tatverdacht, der für eine Anklageerhebung erforderlich ist, nicht mit dem sogenannten „Restverdacht“ verwechselt werden darf. Ein hinreichender Tatverdacht liegt nur vor, wenn die Verurteilungswahrscheinlichkeit bei Berücksichtigung aller Umstände 51 % beträgt. Eine sicher schwammige, aber jedenfalls nicht besonders niedrige Grenze.

Der Restverdacht, bei dem eine erkennungsdienstliche Behandlung erfolgen darf, fällt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts deutlich niedriger aus. Es genügt nach dem aktuellen Urteil, wenn der festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden Straftat einbezogen werden könnte. Außerdem muss zu erwarten sein, dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen bei der Aufklärung helfen können.

Anders sei es nur, wenn die Ermittlungen zweifelsfrei jedes Verdachtsmoment ausgeräumt haben. Oder wenn sich herausstellt, dass das angebliche Fehlverhalten gar nicht strafbar ist. Immerhin gibt es also durchaus die Möglichkeit, dass die Polizei trotz Verfahrenseinstellung zu Unrecht auf eine ED-Behandlung besteht.

Jeder Betroffene kann ohnehin gegen so eine Anordnung klagen. Übrigens hat so eine Klage zumindest aufschiebende Wirkung. Das heißt, bis zur Entscheidung des Gerichts muss die ED-Behandlung dann warten. Da die meisten Verwaltungsgerichte selbst für kleinste Verfahren ein bis zwei Jahre benötigen, ist das also selbst dann eine Option, wenn die Erfolgsaussichten gar nicht so gut sind (Aktenzeichen 7 A 10084/18 OVG und 7 A 10256/18 OVG).