Befreit von der Robenpflicht

Momentan ist es ja eher heiß draußen. Und auch drinnen, zum Beispiel in jenem Gerichtsaal, in dem ich gerade öfter anwesend bin und in dem ein Tötungsdelikt verhandelt wird.

Hitzetechnisch ist auf den billigen Plätzen der Verteidigung erst mal alles halb so wild, aber ein Großteil der Verhandlung findet vorne am Richtertisch statt, weil halt unglaubliche viele Fotos und andere Dokumente angesehen und diskutiert werden müssen. Da es neben dem Staatsanwalt noch mehrere Nebenkläger, Sachverständige und eine Mitverteidigerin gibt, ballt sich dort immer eine stattliche Zahl von Personen, von der jede einen Blick auf das betreffende Stück Papier oder den Laptopmonitor erhaschen will.

Man kommt sich also – notgedrungen – sehr nahe und steht so schon mal 30 bis 45 Minuten rum. Das Ganze dann auch noch in Robe, was ich schon nach den ersten Tagen als physische Belastung empfand. Ich habe also höflich beim Vorsitzenden gefragt, ob er mich für die Zeit vorne am Richtertisch von der Robenpflicht befreit. Wie nicht anders zu erwarten, war das kein Problem.

Außer für den Staatsanwalt, der heute erstmals in der Sitzung erschienen ist, weil der eigentlich zuständige Kollege erkrankt war. Kaum waren wir vorne an den Richtertisch gebeten, ich hatte mich vorher dezent meiner Robe entledigt, giftete er, offensichtlich in Erfüllung seiner Aufgabe als „Sitzungspolizeist“, in recht scharfem Ton zu mir rüber: „Wieso ziehen Sie eigentlich Ihre Robe aus?“

Nun ja, mit einem Satz des Richters war das Thema abgehakt. Insgesamt ein etwas merkwürdiger, ich will nicht sagen peinlicher Einstand in der Runde. Oder wie ich immer sage: Man vertut sich in den allermeisten Fällen nichts, wenn man es erst mal freundlich probiert.