Gericht unterbietet den Verteidiger

Es kommt halt immer darauf an, an welchen Richter man gerät. Wirklich Glück hatte jetzt zum Beispiel ein Mandant, der wegen Marihuana-Eigenanbaus angeklagt war. Irgendwie hatte er einen grünen Daumen, jedenfalls wurde bei ihm gut das Doppelte der nicht geringen Menge des Wirkstoffs THC gefunden. So was läuft dann gleich unter Verbrechen, Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

Nun ja, wir haben am Schöffengericht die Hintergründe geschildert. Insbesondere, dass der Mandant schwerbehindert ist. Er leidet Tag für Tag an starken Schmerzen. Diese haben sowohl physische wie psychische Ursachen. Dutzende von Medikamentencocktails hat er über die Jahre schon verschrieben bekommen; nichts half auf Dauer. Mit der Ausnahme von Gras…

Gut war natürlich, dass mittlerweile auch der Antrag läuft, mit dem der Mandant den fraglichen Stoff später als Medikament aus der Apotheke beziehen darf. Zwei Ärzte haben das schon befürwortet. Aber natürlich ändert das – nach heutiger Rechtslage – nichts daran, dass der Mandant sich strafbar gemacht hat. Denn legal ist Cannabis auf Rezept halt erst nach ordnungsgemäßer Verschreibung.

Die Frage war also nur, wie fällt hoch fällt die Strafe aus. Die Staatsanwaltschaft sah immerhin einen minder schweren Fall, plädierte aber dennoch auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, wenn auch auf Bewährung. Die Richter berieten etwas länger, kamen aber zu einem ausgesprochen erfreulichen Ergebnis: eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen.

Das ist, wenn ich mich nicht vertue, juristisch die absolute Untergrenze dessen, was selbst bei einem „minder schweren Fall“ in dieser Konstellation denkbar ist. Nicht mal die Eintragungsgrenze für das Führungszeugnis wird gerissen. Der Mandant behält also eine weiße Weste; er darf sich weiter als nicht vorbestraft bezeichnen.

Es kommt halt immer darauf an, an welchen Richter man gerät. Ich betone das auch deswegen, weil in meinem Plädoyer zwar auf die Möglichkeit einer Geldstrafe hingewiesen habe. Gegebenenfalls auch durch Umwandlung einer niedrigen Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe nach § 47 StGB. Aber den Vorschlag, wirklich an der untersten Grenze des Möglichen zu bleiben, traute selbst ich mich nicht. Zum Glück habe ich konkret nur eine „milde Strafe“ gefordert, so dass es nicht allzu greifbar wurde, dass mich das Gericht tatsächlich unterboten hat.

Das passiert dir als Anwalt auch nicht allzu oft.