Senior sorgt mit Pfefferspray für Abstand

Wegen Angst vor Corona soll ein 71-jähriger Mann zwei Radler ohne Vorwarnung mit Pfefferspray besprüht habe. Das Ehepaar haben einen Sturz verhindern können und die Polizei alarmiert, heißt es in Zeitungsberichten.

Gegenüber der Polizei soll der Senior gesagt haben, dass er Personen aus seiner Sicht nur mit Pfefferspray auf dem vorgeschriebenen Abstand halten könne. Die Polizei zeigte ihn wegen wegen gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr an.

Die Abwehrmaßnahme ist natürlich offensichtlich überzogen und gefährlich, insbesondere wenn die anderen Personen wirklich nur vorbeilaufen bzw. vorbeifahren und der Pfefferspray-Einsatz vorher nicht mal angedroht wird. Außerdem birgt der Einsatz die Gefahr, dass die Personen noch länger im Umfeld des Mannes verbleiben, weil es zu Streit kommt. Doch wie sieht es strafrechtlich aus? Kann der Mann vielleicht doch auf Notwehr berufen?

Dazu bedarf es zunächst eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs. Ein Angriff, also eine Bedrohung oder Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen, kann in der Unterschreitung des Mindestabstands sicherlich liegen. Denn auch wenn nicht klar ist, ob die vorbeikommenden Personen in der Lage waren, den Mann mit Corona zu infizieren, kommt eine Bedrohung der Gesundheit jedenfalls abstrakt in Betracht. Beachten muss man natürlich, dass der Mindestabstand nicht überall einzuhalten ist. Wenn etwa in Bussen oder Bahnen kein Platz ist, darf der Mindestabstand unterschritten werden.

Aber gehen wir davon aus, der Angriff war gegenwärtig und rechtswidrig. Weiterhin müsste die Verteidigung aber erforderlich gewesen sein. Es darf kein gleich geeignetes, milderes Mittel geben, das den „Angriff“ ebenso gut abgewendet hätte. Aus meiner Erfahrung in den letzten Wochen und Monaten meine ich, dass der Mindestabstand eigentlich immer wiederhergestellt wird, wenn man darum bittet. Zwar muss man sich im Rahmen der Notwehr nicht auf einen „Kampf“ mit ungewissem Ausgang einlassen, aber eine freundliche Bitte zumindest die Drohung mit dem Pfefferspray-Einsatz ebenso effektiv gewirkt. Damit hat sich das mit der Notwehr wohl erledigt.

Autor: RA Dr. André Bohn