Neulich im Polizeigewahrsam

Mit deutlichen Worten rügt das Bayerische Oberste Landesgericht Fehlverhalten bei der bayerischen Polizei. Die Beamten hatten eine Frau in Gewahrsam genommen und sie zwangsweise entkleidet – bis auf den Slip. Hierfür, so das Gericht, gab es überhaupt keinen Grund.

Eine Entkleidung im Polizeigewahrsam sei nur zulässig, wenn Gefahr für Leib oder Leben im Einzelfalls vorliegt, und zwar entweder für die Betroffene oder die Beamten. Hier wurde die Betroffene angeblich deswegen fast nackt ausgezogen, weil die Frau „wahrscheinlich“ einen BH mit einem Metallbügel trug. Das Metall sei ein gefährliches Werkzeug, so die Polizei.

Die Frage nach Metallbügeln im BH hätte laut dem Gericht auch durch Abtasten geklärt werden könne. Wieso die Frau wegen des BH auch noch ihre Hose ausziehen musste, kann das Gericht nicht nachvollziehen. Weiterhin kritisieren die Richter, dass sich am Ausziehen der Frau entgegen den Vorschriften auch männliche Beamte beteiligten. Einer soll sogar den BH geöffnet haben.

Wegen der krassen Rechtsverstöße im Polizeigewahrsam hob das Bayerische Oberste Landesgericht die Verurteilung der Frau wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte auf. Über die Vorwürfe muss nun neu verhandelt werden (Aktenzeichen 206 StRR 296/22).

Zu langer Dateiname beim beA

Seit Ende letzten Jahres müssen Anwälte viele Dokumenten an Gerichte über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) senden. Das funktioniert, aber die Tücken liegen oft im Detail. So können zu lange Dateinamen dazu führen, dass die Anwaltspost beim Gericht automatisch als unlesbar eingestuft wird. Mit so einem Fall musste sich jetzt das Bundesverfassungsgericht beschäftigen.

Der von einem Anwalt gesendete Antrag hatte einen Dateinamen, der über die vorgesehenen 90 bzw. 84 Zeichen hinausging. Das Gericht behandelte das Dokument deshalb als „unleserlich“, so dass auch die Frist nicht gewahrt wurde.

So geht es nicht, entscheiden die Verfassungsrichter. Sie weisen darauf hin, dass rechtliches Gehör nur im gesetzlich zulässigen Rahmen eingeschränkt werden kann. Die von der Justiz selbst festgelegten Regeln über Dateilängen bei der Justiz seien keine ausreichende Grundlage. Wenn die Datei grundsätzlich lesbar sei, genüge das. Das Gericht hätte somit den Absender zumindest auf die technischen Probleme hinweisen und Gelegenheit zur Nachbesserung geben müssen.

Mittlerweile kann man bei der beA-Nutzung nicht mehr in die Falle zu langer oder sonst unzulässiger Dateinamen tappen. Die Betreiber haben dem Programm eine Prüfinstanz spendiert, die nur ausreichende Dateinamen akzeptiert (Aktenzeichen 1 BvR 1881/21).

Verfassungsgericht hat Probleme mit einem Vogel

Das Bundesverfassungsgericht hat sich Anfang März ein neues „Corporate Design“ für 84.622,00 € zugelegt. Darunter auch eine stromlinenförmiger designte Version des Bundesadlers. Allerdings ziert dieser Vogel offenbar auch die aktuellen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Möglicherweise ohne ausreichende rechtliche Grundlage.

Das legt jedenfalls ein Hintergrundbericht in der Legal Tribune Online (LTO) nahe. Nach aktueller Rechtslage sind oberste Gerichte nach einer auch heute noch gültigen Anordnung des seinerzeitigen Bundespräsidenten Theodor Heuss aus dem Jahr 1950 verpflichtet, das „große Bundessiegel zur Ausfertigung von Urteilen und Beschlüssen“ zu verwenden.

Laut LTO hat allerdings niemand vom Bundesverfassungsgericht die Zustimmung des amtierenden Bundespräsidenten für das neue Wappentier eingeholt. Während das Gericht in früheren Pressemitteilungen noch von einem „neuen Hoheitsabzeichen“ sprach, beruft sich Karlsruhe nach Rückfragen nun lediglich noch auf sein Recht, als Verfassungsorgan „selbständig über sein Erscheinungsbild“ entscheiden zu dürfen. Ob das am Ende reicht, wird sich zeigen.

Beweismittel gegen sich selbst

Heute habe ich mal ein eindrückliches Beispiel dafür, wie wichtig das Schweigerecht im Strafverfahren ist. Es geht um den Vorwurf der Trunkenheit im Straßenverkehr.

Zeugen fiel ein Pkw auf, welcher auf die Mutter meines Mandanten zugelassen ist. Das war um 16.42 Uhr. Die Zeugen konnten allerdings nicht sehen, wer im Auto saß. Eine Beschreibung des Fahrers bzw. der Fahrerin gibt es nicht. Um 18.46 Uhr kam eine Polizeistreife am Haus der Mutter (Fahrzeughalterin) meines Mandanten an. Der Mandant wohnt auch in dem Haus.

Die Polizeibeamten fanden meinen Mandanten schlafend im verschlossenen Pkw. Im Fußraum des Pkw lagen einige Flaschen mit hartem Alkohol. Mein Mandant wurde natürlich gefragt, ob er den Wagen um 16.42 Uhr gefahren ist. Dazu lehnte er aber jede Stellungnahme ab. Er sagte lediglich, dass er später reichlich Alkohol getrunken hat, und zwar zu Hause und im (ordnungsgemäß auf Privatgelände stehenden) Auto.

Natürlich wurde ein Blutprobe entnommen, der Alkoholwert lag weiter über jedem zulässigen Grenzwert. Die Staatsanwaltschaft beantragte, meinem Mandanten die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen. Klingt ja alles erst mal recht endeutig. Wenn man nicht an einen Ermittlungsrichter gerät, der das geltende Recht nicht dem anscheinend Offenkudigem unterordnet. Der Richter lehnte die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis mit folgender Begründung ab:

Es liegen keine dringenden Gründe vor, dass der Beschuldigte um 16.42 Uhr in fahruntüchtigem Zustand ein Kraftfahrzeug geführt hat. Die Fahreigenschaft des Beschuldigten steht nicht eindeutig fest. Der Beschuldigte konnte erst um 18.46 Uhr an dessen Wohnanschrift festgestellt werden. Er sass auf dem Fahrersitz des Fahrzeugs in der Einfahrt und schlief. Auf dem Beifahrersitz und im Fußraum befanden sich diverse Flaschen mit Alkoholika. Nach Belehrung machte der Beschuldigte Nachtrunk geltend; … weitere Angaben zur Sache machte er nicht.

Bei dieser Sachlage liegen derzeit keine dringenden Gründe für die Annahme einer Trunkenheitsfahrt vor.

Man sieht also: Wer sich erst gar nicht auf ein Frage-Antwort-Spiel einlässt, riskiert nicht, dass er mit vorschnellen Angaben zum Beweismittel gegen sich selbst wird. Das ist aus Sicht der Verteidigung immer dann geradezu tragisch, wenn sich am Ende herausstellt, dass es gar keine anderen tragfähigen Beweise gibt. Wie in diesem Fall.

Das Verfahren wurde nach der klaren Ansage des Ermittlungsrichters übrigens gleich endgültig eingestellt.

Gesetzesplan des Grauens

Der Kölner Kollege Christian Solmecke ist auf einen Gesetzesplan gestoßen, der es wirklich in sich hat. Wenn ihr soziale Medien nutzt, schaut euch sein Video auf jeden Fall an:

Am Ende oder im Verlauf des Videos erfahrt ihr auf jeden Fall etwas darüber, wie hoch euer aktueller „Ist mir doch egal“-Level gegenüber Maßnahmen der Regierung, des Bundestages und der EU-Kommission ist.

Kanzleramt muss über vertrauliche Gespräche Auskunft geben

Der Chef des Bundeskanzleramtes hatte eine originelle Ausrede, als er von einem Journalisten zu seinen Pressekontakten in der „Cum-Ex-Affäre“ gefragt wurde. Die Pressekontakte seien „außerhalb seiner dienstlichen Tätigkeit“ erfolgt, also irgendwie privat. Das Verwaltungsgericht Berlin kann das nicht so recht nachvollziehen. Es verdonnert das Kanzleramt, die Auskünfte zu geben.

Dabei geht es um Hintergrundgespräche „im kleinen Kreis“, aber auch um die Frage, ob der Kanzleramtschef nach seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre Journalisten Informationen gegeben hat. Weiterhin geht es um eine Nachricht aus dem Kanzleramt an diverse Chefredakteure, in der auf Recherchen eines anderen Journalisten Bezug genommen wurde.

Diese Tätigkeit sei nicht privat, befindet das Gericht. Sie gehöre vielmehr – offensichtlich – zur Presse- und Informationsarbeit der Regierung. Der vertrauliche Charakter allein schließe presserechtliche Auskunftsansprüche nicht aus. Vielmehr komme es allein darauf an, ob schutzwürdige private oder öffentliche Interessen eine Geheimniskrämerei rechtfertigen. Genau das konnte das Gericht aber nicht feststellen.

Das Kanzleramt muss die Antwort sofort geben. Es handele sich um eine Thematik hoher Aktualität. Die Auskünfte verlören ihren Nachrichtenwert, wenn erst ein langes Klageverfahren durchlaufen werden müsste (Aktenzeichen 27 L 379/22).

Karlsruhe lässt verurteilten Doppelmörder frei – nach 50 Jahren Haft

Nach über 50 Jahren kommt ein verurteilter Doppelmörder aus der Haft frei. Der Mann war 1970 für seine Taten verurteilt worden. Er ist mittlerweile 80 Jahre alt. Nicht nur die Dauer der Haft ist bemerkenswert. Auch die Umstände seiner Freilassung. Diese ordnete nämlich das Bundesverfassungsgericht in einem aktuellen Beschluss an.

Der Mann war 1970 mit sexuellen Motiven in eine Wohnung eingestiegen. Dort tötete er eine junge Frau und ihre Mutter. Bereits seit 1991 war der Verurteilte im offenen Vollzug. Er wurde aber einige Male wieder in den geschlossenen Vollzug gebracht, weil bei ihm Pornos, Damenunterwäsche, Klebeband, Kabelbinder und aus Zeitschriften ausgeschnittene Frauenköpfe gefunden wurden. Im Jahre 1997 stellte das Landgericht Koblenz fest, dass die besondere Schwere der Schuld nicht mehr vorliegt. Allerdings lehnte es eine Entlassung ab, weil es den Mann nach wie vor für gefährlich hielt.

2019 und 2021 beantragte der Mann erneut seine Freilassung, blieb aber durch alle Instanzen erfolglos. Seine Verfassungsbeschwerde brachte nun die Wende. Die Verfassungsrichter stellen fest, dass der Mann sich zuletzt im offenen Vollzug bewährt habe. Die Gerichte hätten vor allem das Alter des Verurteilten berücksichtigen müssen, auch weil der Sexualtrieb im Alter normalerweise abnehme. Außerdem sei nicht berücksichtigt worden, dass der Mann laut Sachverständigen kein impulsiv handelnder Gewalttäter sei. Hier gebiete die Verhältnismäßigkeit zum Beispiel (strenge) Auflagen. Mit diesen Auflagen könne sein Leben in eine kontrollierte Struktur gebracht werden. Eine immer verbleibende Restgefahr könne angesichts der außerordentlich langen Haftdauer der Bewährung nicht mehr entgegenstehen.

Zum Hintergrund sollte man wissen, dass in Deutschland lebenslang nicht lebenslang bedeutet. Laut Bundesverfassungsgericht muss jedem Verurteilten eine Perspektive auf Freiheit verbleiben. Aktuell kommt bei Mord eine Haftentlassung auf Bewährung erstmal ab 15 Jahren in Betracht, bei besonderer Schwere der Schuld einige Jahre später. Insoweit sind die 50 Jahre, die der Mann bislang inhaftiert war, eine sehr lange Zeit (2 BvR 117/20).

Bahnsurfen: Schüler hat Versicherungsschutz

Was für ein schrecklicher Unfall: Ein Schüler (16) aus Brandenburg öffnete die letzte Tür des Regionalexpress mit einem Vierkantschlüssel. Dann stieg er auf die dahinterfahrende Lok, die den Zug schob. Auf dem Dach kam er mit der Oberleitung in Kontakt und stürzte brennend vom Dach. Er erlitt schwerste Verletzungen, unter anderem waren 35 Prozent seiner Körperoberfläche verbrannt.

Das Unglück beschäftigte nun das Bundessozialgericht. Denn der junge Mann hatte die Unfallkasse Brandenburg auf Übernahme seiner Behandlungskosten verklagt. Bei einem „Wegeunfall“ sind Schüler gesetzlich unfallversichert. Der Versicherungsträger lehnte eine Haftung jedoch ab. Es bestehe kein „innerer sachlicher Zusammenhang“ zum Schulweg.

Das Bundesssozialgericht zeigte dagegen Herz für den Schüler. Dem jungen Mann sei es darum gegangen, im Freundeskreis als „cool“ zu gelten. Es handele sich (noch) um „spielerische Betätigung im Rahmen gruppendynamischer Prozesse“. Dass Kinder und Jugendliche auf dem Schulweg spielen, schließe den Versicherungsschutz nicht aus. Das gelte auch bei der vom Schüler selbst geschaffenen enormen Gefahr. Das Gericht verweist auch darauf, dass es unter Schülern in der Gegend wohl schon etliche Surfaktionen gab, bei denen nichts passierte. Folge sei eine „erworbene Sorglosigkeit“. Diese habe zu einer „massiven alterstypischen Selbstüberschätzung geführt“.

Deshalb muss die Unfallversicherung zahlen (Aktenzeichen B 2 U 3/21 B).

Kein Infobus in Asylunterkunft

Nach geltender Rechtslage muss es unabhängige Beratungsstellen für Asylsuchende geben. Diese werden auch staatlich gefördert. Fraglich ist allerdings, ob diese Berater stets und ständig Zugang zu den Asylunterkünften haben dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht musste jetzt einen Fall entscheiden, in dem eine NGO einen „Infobus für Flüchtlinge“ in der Aufnahmeeinrichtung parken wollte.

Das Land Bayern wollte den Beratern aber nur Zugang gewähren, wenn Asylsuchende auch einen konkreten Beratungswusch geäußert haben. Ähnlich wie bei Rechtsanwälten werde dann der Kontakt ermöglicht, so die Landesregierung. Eine Betreuung ohne belegten Beratungswunsch der Betroffenen auf dem Gelände ließ das Land dagegen nicht zu.

Zu Recht, wie nun das Bundesverwaltungsgericht entschied. Nach den Vorschriften (u.a. 12a AsylG) setze die Beratung eine vorhergehende Mandatierung voraus. Einen weitergehenden Anspruch von Beratungsvereinen gebe es nicht. Die Landesregierung hatte ihre Ablehnung damit begründet, dass ein Infobus möglicherweise die Ruhe und die Sicherheit in der Aufnahmeeinrichtung stört. Diese Argumente, so das Bundesverwaltungsgericht, seien nachvollziehbar (Aktenzeichen 1 C 40.21).

„Die sehen ja alle gleich aus“

Lichtbildvorlagen bei der Polizei sind ein beliebtes Mittel, um den Tatverdacht gegen Beschuldigte zu erhärten. Dabei werden Zeugen mindestens fünf Bilder von Personen gezeigt, die sich ähnlich sehen. Der Zeuge soll sagen, ob er auf den Fotos jemanden als Täter erkennt. Dann soll der Zeuge, was gerne vergessen wird, auch sagen warum.

So war es auch in einem Fall hier in Nordrhein-Westfalen. Da erkannte eine Zeugin bei der Lichbildvorlage einen der Beschuldigten „zu 100 Prozent“ wieder. Den anderen immerhin noch zu 60 Prozent. Das ist ja schon mal eine konkrete Aussage.

Allerdings war es so, dass die Zeugin schon etliche Monate vor der Lichtbildvorlage bei der Polizei eine Aussage machte. Da sagte sie folgendes, nachdem sie die möglichen Täter lediglich als „Südländer, zwischen 30 und 35 Jahren, Vollbart, jedoch nicht sehr lang, schwarzes nach hinten gegeltes und glattes Haar“ beschrieben hatte:

Da ich wirklich nicht sagen kann, ob es sich um die identische Person von 2018 handelte, kann … ich mich maximal auf die oben abgegebene Beschreibung beziehen.

Die sehen ja alle gleich aus.

Der letzte Satz ist für die Verteidigung natürlich Gold wert. Denn er entwertet das spätere Erkennen der Verdächtigen dramatisch. Oder auch vollkommen. Normalerweise wird die Erinnerung von Zeugen mit der Zeit nämlich nicht besser. Das Gericht sah das übrigens auch so, und selbst der Staatsanwalt konnte mit ins Boot genommen werden. Am Ende stand die Einstellung des Verfahrens. Die Zeugin musste gar nicht in die Mangel genommen werden.

Keine Vorabinfos mehr am Verfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht informiert ausgewählte Journalisten seit vielen Jahren vorab über anstehende Entscheidungen. Die aktuell rund 40 Mitglieder der „Justizpressekonferenz“ erhalten Urteile und Gerichtsbeschlüsse schon am Vorabend der Bekanntgabe. Für sie gilt zwar eine Sperrfrist bis zur Veröffentlichung. Gegenüber anderen Medien haben sie damit aber einen klaren Vorteil in der Berichterstattung.

Gegen diese Bevorzugung hatte die AfD im Jahr 2021 geklagt – und war gescheitert. Da kann man es als durchaus überraschend bezeichnen, dass das Bundesverfassungsgericht nun selbst reagiert. Und zwar drastisch. Ab dem 1. April kriegen die Mitglieder der Justizpressekonferenz keine Vorabinformationen mehr. Bei den Mitglieder der Justizpressekonferenz handelt es sich mehrheitlich um Redakteure des Öffentlich Rechtlichen Rundfunks, großer Redaktionen und Nachrichtenagenturen, die laut Satzung alle in Karlsruhe sitzen müssen.

Das Gericht überdenke seine gesamten Kommunikationsstrukturen und -abläufe, heißt es in einer Pressemitteilung. Als Auslöser des Denkprozesses werden reichlich nebulös „in den vergangenen Jahren eingetretene Veränderungen des Umfelds“ genannt. Konkreter wurde zum Jahresende ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Die Autoren äußern erhebliche juristische Zweifel an der Praxis, wie der Tagesspiegel mit vielen weiteren Hintergrundinformationen berichtet. Der Tagesspiegel hat beispielsweise keinen Justizjournalisten in Karlsruhe und kämpft seit Jahren gegen die Praxis.

Pressemitteilung des Gerichts

Brandenburg muss sich zu Stasi-Richtern äußern

Ein Journalist der Bild-Zeitung recherchiert seit langem zur Stasi-Vergangenheit von Richtern und Staatsanwälten in Brandenburg. Gegen die ihm verweigerten Auskünfte zu belasteten Personen im Justizdienst zog er bis vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dort erzielte er jetzt einen Teilerfolg.

Die Richter halten es zwar für zulässig, dass dem Journalisten nicht die Namen der in Frage kommenden 13 Justizmitarbeiter genannt werden. Deren Persönlichkeitsrechte gingen vor, so der EGMR. Allerdings gebe es keinen Grund, dass die brandenburgische Justiz allgemeine Informationen über die Gruppe der Richter und Staatsanwälte zurückhält, die während der DDR-Zeit mit der Stasi verbandelt waren.

Der Journalist will die ihm bislang zu Unrecht verweigerten Informationen jetzt einfordern.

Bericht in der Legal Tribune Online

Zu nüchtern ist auch nicht gut

Sachen gibt’s. Zum Beispiel Gerichte, die einen angeschickert in der Verhandlung erschienen Angeklagten gleich in Haft nehmen. Um so einen Fall geht es in einem Verfahren aus Bayern. Ich will gar nicht so sehr ins Detail gehen, aber eine Passage aus dem Beschluss, mit dem die Haft sehr zügig wieder aufgehoben wurde, möchte ich gerne zitieren:

Das Landgericht hat die in der Hauptverhandlung vom 15.02.2023 anwesende Sachverständige nicht befragt, ob durch eine frühzeitige Ingewahrsamnahme und Vorführung des Angeklagten zur nächsten Hauptverhandlung – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Facharztes – eine Verhandlungsfähigkeit hergestellt werden könne, zumal der Angeklagte sich bereit gezeigt hatte, zur Verhandlung zu erscheinen und die Sachverständige ausgeführt hat, der Angeklagte sei in Anbetracht seiner Erkrankung bei einem Alkoholgehalt von einem Promille weniger verhandlungsfähig als bei zwei Promille.

Am Ende hätte der schwer alkoholkranke Angeklagte bei dem Gericht womöglich auch Stress bekommen, wenn er zu nüchtern gewesen wäre…

Der ganze Beschluss ist beim Kollegen Detlef Burhoff nachzulesen.