Unwürdig

Ein mehrfach vorbestrafter Jura-Absolvent darf kein Rechtsreferendariat ableisten. Das Oberverwaltungsgericht Münster hält ihn für „unwürdig“.

Der Betroffene ist Mitglied im Bundes- und Landesvorstand der Partei „Die Rechte“ sowie der mittlerweile verbotenen „Kameradschaft Hamm“. Er ist in der Zeit von 2004 bis 2015 insgesamt zehn Mal strafrechtlich verurteilt worden, unter anderem wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung, mehrfacher Beleidigung, Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Mit seinem Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht wollte er nun erreichen, dass er zum juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen wird. Er berief sich auf sein Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und wies – nachvollziehbar – darauf hin, dass er ohne Zweites Staatsexamen nur ein „halber Jurist“ mit entsprechend schlechten Berufsaussichten ist.

Normalerweise spielen Vorstrafen beim Rechtsreferendariat erst eine Rolle, wenn der Bewerber mindestens zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Diese Grenze nennt das Ausbildungsgesetz als Regelfall. Das war bei dem Bewerber jedoch nicht der Fall, denn alle seine Strafen waren Geldstrafen oder deutlich kürzer. Dennoch, so das Oberverwaltungsgericht, sei der Mann „unwürdig“. Das wird folgendermaßen begründet:

Jeder Bewerber müsse die Erwartung rechtfertigen, er werde dem Berufsbild eines Volljuristen auch von seiner Persönlichkeit her im Verlauf der Ausbildungszeit gerecht. Der Vorbereitungsdienst diene der Ausbildung zu Berufen, deren wesentlicher Inhalt die Verwirklichung des Rechts sei. Vor diesem Hintergrund fehle es an der Würdigkeit, wenn der Bewerber schwer gegen das Recht verstoßen habe. Denn bereits während des Vorbereitungsdienstes müssten mitunter eigenverantwortlich Aufgaben für die ausbildenden Gerichte, Staatsanwaltschaften, Behörden und Rechtsanwälte wahrgenommen werden.

Die politische Ausrichtung des Bewerbers wird mit keinem Wort erwähnt. Wenn es also nur auf die Tatsache der strafrechtlichen Verurteilung ankommt, dann muss ich sagen, haben einige mir bekannte Volljuristen durchaus Glück gehabt. Ich kenne etwa einen eingefleischten Ultra, der in seiner Karriere als Fußballfan mindestens ebenso viele kleinere Vorstrafen gesammelt hat. Dennoch ist er heute Volljurist und Partner einer mittelständischischen Kanzlei.

Außerdem fällt mir ein agiler Mandant ein. Er hat sich sein Jurastudium und seinen ersten Ferrari mit pfiffigen Anlagemodellen für Leute mit zu viel Schwarzgeld verdient. Nach seinen paar Verurteilungen, um die wir am Ende nicht herumkamen, hat bei seiner Einstellung in den Vorbereitungsdienst kein Hahn gekräht.

Das kann man im Vergleich zu dem aktuellen Fall seltsam finden, ich tue es jedenfalls. Das heißt nicht, dass ich die Gesinnung des Bewerbers sympathisch finde. Ihm aber deswegen die Tür in eine berufliche Zukunft zuzuschlagen, finde ich ebenso wenig sympathisch (Aktenzeichen 6 B 733/15).

Juristischer Erfolg für Parkplatz-Geier

Das Landgericht München I hat den Geschäftsführer eines großen Abschleppunternehmens freigesprochen. Der Vorwurf lautete auf Erpressung. Die Firma schleppt im gesamten Bundesgebiet im Auftrag von Grundstücksbesitzern Falschparker ab. Bis zu 340 Euro soll die Firma von den Fahrern verlangt haben, damit diese ihr Auto wiederbekommen. Teilweise soll den Autobesitzern ohne Zahlung noch nicht mal gesagt worden sein, wo sich ihr Fahrzeug befindet.

Die 29 angeklagten Fälle seien jedenfalls keine Erpressung, lautet das Urteil. Die Vorsitzende des Gerichts betonte, in allen Fällen seien die Fahrzeuge unberechtigt geparkt gewesen. Das habe die Abschleppfirma lückenlos belegen können. Auch keiner der rund 100 vernommenen Zeugen habe behauptet, die Autos seien rechtmäßig geparkt gewesen. Die Beschilderung sei Eindeutig gewesen. Außerdem hätten die Parkplatzbesitzer teilweise sogar Flugblätter verteilt, mit denen sie das Abschleppen androhten.

Das Gericht betonte, das Urteil sei kein Freibrief für das Geschäftsmodell. In allen Fällen sei der Nachweis aber nicht gelungen, dass die Firma vorsätzlich einen so überhöhten Betrag verlangt habe, der die Schwelle zur Strafbarkeit überschreite.

Details zu den rechtlichen Erwägungen nennen weder die Pressemitteilung des Gerichts noch die Medienberichte. Juristische Grundlage für das Verhalten der Abschleppfirma ist aber das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB. Danach kann die Herausgabe einer Sache verweigert werden, wenn berechtigte Gegenansprüche bestehen. Das wären in diesem Fall die Abschleppkosten.

Allerdings ist das juristisch alles sehr komplex. Die Abschleppfirma hat ja selbst gar keinen Anspruch gegen den Falschparker. Dieser steht allenfalls dem Grundstücksbesitzer zu. Dann stellen sich noch etliche weitere Fragen: Liegt überhaupt ein „Schaden“ vor, etwa, wenn ein falsch geparktes Auto auf einem weitgehend leeren Supermarktparkplatz steht? Sind die „Aufwendungen“ ( = Abschleppkosten) stets erforderlich und wenn ja, in welcher Höhe? Bedarf die Abschleppfirma einer Inkassoerlaubnis? Was ist, wenn der Halter des Fahrzeugs das Auto gar nicht selbst falsch geparkt hat?

Die Aufzählung lässt sich noch lange fortsetzen. Und dann hätte man erst die zivilrechtlichen Vorfragen abgearbeitet, bevor man sich dann dem auch nicht unkomplizierten Tatbestand der Erpressung (§ 253 StGB) zuwenden darf. Es ist also keineswegs ausgemacht, dass die Entscheidung des Landgerichts München I Bestand hat. Die Staatsanwaltschaft hat bereits Revision angekündigt, so dass wir hoffentlich bald Näheres vom Bundesgerichtshof erfahren werden.

Dortmund bleibt „sauber“

Die Stadt Dortmund ist in ihrem heroischen Kampf gegen die Straßenprostitution einen Schritt weiter. Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte nun, dass in Dortmund kein Straßenstrich geduldet werden muss.

Dabei ist die Begründung höchst bemerkenswert: In ganz (!) Dortmund, so die Stadtverwaltung und die Bezirksregierung Arnsberg, stehe kein einziges Gebiet zur Verfügung, das einen Straßenstrich „verkraften“ kann. Begründet wird dies unter anderem damit, dass die Zahl der Sexarbeiterinnen in dem Marktsegment während der letzten Jahre enorm zugenommen hat. Von einer Verdreifachung binnen kürzester Zeit war die Rede, als die Stadt im Jahre 2011 den Strich an der Ravensburger Straße schließen ließ und Straßenprostitution komplett untersagte.

Die Richter des Oberverwaltungsgerichts halten unter diesen Umständen die Annahme für gerechtfertigt, ein solcher Straßenstrich werde egal an welcher Stelle immer auch schutzbedürftige Gebiete räumlich betreffen. Dies habe zur Folge, dass „sozialunverträglicher Konfronta­tion unbeteiligter Dritter“ – Kinder, Jugendlicher und Erwachsener – mit der Prostitu­tionsausübung beziehungsweise deren unliebsamen Begleiterscheinungen kommen könne. Deshalb sei das generelle Verbot gerechtfertigt.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte in der Vorinstanz zwar die Schließung des Strichs an der Ravensburger Straße gebilligt. Es verpflichtete die Stadt Dortmund aber, nach einem geeigneten Standort zu suchen. Dazu war die Stadt aber nciht bereit.

Der Anwalt der Klägerin hat laut Spiegel Online Rechtsmittel angekündigt. Er sieht – zu Recht – die Berufsfreiheit seiner Mandantin und ihrer Kollegen über Gebühr eingeschränkt. Das Urteil wird überdies sicher auch in anderen Städten aufmerksam gelesen werden (Aktenzeichen

Troll ist nun eine Marke

Der „Troll“ ist nicht mehr länger nur ein Internetphänomen, sondern ab sofort auch eine geschützte Marke. Das Bundespatentgericht gestattete die Eintragung der Marke „Troll“. Das Markenamt hatte dagegen noch Hindernisse gesehen.

Die Bedenken waren allerdings nicht grundsätzlicher Natur. Vielmehr hatte die Markenstelle befürchtet, der in Rheinland-Pfalz örtlich verbreitete „Trollschoppen“ könne durch die Eintragung gefährdet sein. Diese Befürchtungen teilen die Richter jedoch nicht, sie sehen keinerlei Verwechslungsgefahr.

Der Beschluss des Bundespatentgerichts enthält eine schöne Begriffserklärung des Trolls:

Dieses Wort kommt besonders in der germanischen Mythologie vor, stammt aus dem Skandinavischen und hat die Bedeutung „dämonisches Wesen, das männlich oder weiblich sein, die Gestalt eines Riesen oder eines Zwergs haben kann“.

Ferner kann es „grober, ungeschlachter Kerl“ oder „jemand, der [fortgesetzt] beleidigende und diskriminierende Kommentare ins Internet stellt“ bedeuten. „Troll“ ist aber auch Name von Fahrzeugen, Zeitschriften, Filmen und vielfach Familienname sowie die schlechteste Notenstufe in der Zaubereischule Hogwarts der Harry-Potter-Romane.

Geschützt wird der Begriff „Troll“ übrigens nur eingeschränkt. Die Markenanmeldung bezieht sich im wesentlichen auf Getränke (Aktenzeichen 26 W (pat) 548/14).

Kein Mindestlohn für Gefangene

Das Mindestlohngesetz schreibt aktuell eine Vergütung von mindestens 8,50 Euro pro Stunde vor. Auch Strafgefangene müssen arbeiten, wenn sie im Vollzug keine Nachteile erleiden wollen. Steht ihnen deshalb auch der Mindestlohn zu?

Mit dieser Frage beschäftigte sich das Oberlandesgericht Hamburg. Die Richter lehnen den Mindestlohn für Strafgefangene ab. Begründung: Das Mindestlohngesetz gilt laut § 22 MiLoG nur für „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“. Strafgefangene seien aber keine Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift. Aus dem Beschluss:

Es ist allgemein anerkannt, dass die Arbeit im Strafvollzug öffentlich-rechtlicher Natur ist, die Gefangenen nicht Arbeitnehmer sind und zwischen den Gefangenen und der Anstalt kein Arbeitsvertrag geschlossen wird. So ist gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbStVollzG der Strafgefangene verpflichtet, die ihm zugewiesene Arbeit auszuüben.

Aktenzeichen 3 Ws 59/15

Windows 10: Nutzer bezahlen mit ihren Daten

Windows 10 ist eine Art privater Abhöranlage, warnt die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Wie schon viele Smartphone-Apps spioniere das neue Betriebssystem von Microsofort die Nutzer umfassend aus. Der Nutzer bezahle im wahrsten Sinne des Wortes mit seinen Daten. Damit sei Windows 10 keineswegs „kostenlos“.

Wer die Datenschutzbestimmungen des neuen Windows akzeptiert, willigt laut den Verbraucherschützern in eine umfassende Ausforschung seines Nutzungsverhaltens ein. Microsoft wertet demnach nicht nur den Namen, die Postadresse, Alter, Geschlecht und die Telefonnummer aus, sondern zum Beispiel auch den jeweiligen Standort des Gerätes, die in den unternehmenseigenen Apps und Diensten aufgerufenen Web-Seitenadressen, eingegebene Suchbegriffe, Kontakte zu anderen Personen und die gekauften Artikel, also vor allem Musik oder Filme. Windows 10 gebe dem Rechner zudem eine eindeutige Identifikationsnummer zur Verwendung durch App-Entwickler und Werbenetzwerke.

„Nutzer digitaler Geräte werden immer mehr selbst zu einer Ware, die vermarktet wird“, erklärt Christian Gollner, Rechtsreferent der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Aus den Nutzungsdaten lassen sich beispielsweise Gewohnheiten, Bedürfnisse und die Kaufkraft ablesen. Damit können Werbung und Angebote präzise auf die Interessen der Verbraucher zugeschnitten werden. Außerdem kann eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgen, wenn dafür ebenfalls eine Einwilligung vorliegt.

„Nicht nur Werbung, sondern auch Vertragskonditionen, Preise und Rabatte können grundsätzlich an die Konsum- und Verhaltensprofile angepasst werden“, sagt Gollner. „In der Folge werden Verbraucher am Markt ungleich behandelt, was die Suche nach günstigen und geeigneten Angeboten erschweren kann.“

Die Verbraucherzentrale rät deshalb, Windows 10 nicht einfach so in Betrieb zu nehmen. Vielmehr sei es empfehlenswert, die Voreinstellungen zum Datenschutz zu entschärfen. Das ist über das Menü „Einstellungen / Datenschutz“ möglich.

Gericht bremst Sky

Der Pay-TV-Sender Sky darf Kunden nicht unbeschränkt für den Abruf kostenpflichtiger Zusatzdienste haften lassen, hat das Landgericht München I entschieden.

Die Geschäftsbedingungen von Sky sahen vor, dass der Kunde uneingeschränkt dafür zahlen muss, wenn Bezahlangebote via PIN abgerufen werden – auch bei einem möglichen Missbrauch der Geheimzahl.

So eine verschuldensunabhängige Haftung ist unzulässig, so die Richter. Dem Kunden dürfe ein Missbrauch nicht angelastet werden, wenn er selbst keine Fehler gemacht hat, etwa bei Aufbewahrung der PIN.

Gerade weil alle Dienste über Sky Go auch außerhalb der Wohnung abrufbar seien, steigere sich die Haftung der Kunden ins Unermessliche. Die Entscheidung hat natürlich auch Bedeutung für andere Bezahlangebote, die mit dem PIN-Verfahren abgesichert sind (Aktenzeichen 12 O2205/15).

Kamele sind auch nur Tiere

Der Veranstalter eines Ägypten-Urlaubs haftet nicht, wenn ein Reisender bei einem Ausflug vom Kamel fällt. Dies hat das Amtsgericht München entschieden.

Ein Urlauber verlangte 3.378 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz. Nach seinen Angaben stolperte sein Kamel, scheute und stellte sich mit den vorderen Beinen so heftig auf, dass der Reisende runterfiel. Die Schuld gab der Urlauber dem Kamelführer, für den wiederum der Reiseveranstalter haften sollte.

Allerdings gibt es nach Auffassung des Gerichts keinen Beleg, dass der Kamelführer, der das Tier am Zügel führte, was falsch gemacht hat. Wenn ein Kamel plötzlich stolpere, sei nicht ersichtlich, was der Kamelführer dagegen unternehmen könne. Somit habe sich lediglich die typische Tiergefahr verwirklicht, diese sei aber weder dem Kamelführer noch dem Veranstalter zuzurechnen (Aktenzeichen 111 C 30051/14).

Keine Akte für Beckedahl

Das Landesverrats-Verfahren hat ein Ende. Der Generalbundesanwalt – wer auch immer das im Moment sein mag – hat die Ermittlungen eingestellt, wie sich aus dieser kargen Pressemitteilung ergibt.

Interessant ist allerdings, dass Markus Beckedahl und Andre Meister bislang noch keine Akteneinsicht erhalten haben. Beckedahl schreibt heute, die Akteneinsicht werde derzeit unter Berufung auf Verschlusssachen in den Akten verweigert.

Dass zum jetzigen Zeitpunkt die gesamte Akte noch zurückgehalten wird, ist mit der Strafprozessordnung nicht vereinbar. Spätestens mit Abschluss der Ermittlungen muss die Staatsanwaltschaft den Verteidigern Akteneinsicht gewähren. Das ergibt sich aus § 147 Abs. 2 StPO. Danach sind Einschränkungen der Akteneinsicht eben nur bis zum Abschluss der Ermittlungen zulässig.

Dass die Ermittlungen tatsächlich abgeschlossen sind, ergibt sich wiederum aus der Tatsache der Verfahrenseinstellung. Bevor ein Staatsanwalt ein Verfahren einstellen kann, muss er ausdrücklich in der Akte den Abschluss der Ermittlungen vermerken.

Die komplette Versagung von Akteneinsicht zum jetzigen Zeitpunkt ist damit juristisch fragwürdig. Aber das ist ja nun wirklich nichts Neues im Fall netzpolitik.org.

Gegen das Porto kann nun jeder klagen

Die Deutsche Post hat jahrelang zu viel für Postkarten und Briefe kassiert. Dies stellt das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil fest. Nach der Entscheidung hat die Bundesnetzagentur als zuständige Regulierungsbehörde zu hohe Portosätze genehmigt.

Geld zurück bekommt aber nur ein Verein alternativer Post- und Kurierdienste, der nun letztlich erfolgreich gegen die überhöhten Tarife in den Jahren 2003, 2004 und 2005 geklagt hat. Alle anderen Kunden der Deutschen Post müssen die überhöhten Zahlungen abschreiben; für sie gibt es kein Rückforderungsrecht mehr.

Für die Zukunft könnte auf die Bundesnetzagentur allerdings eine Klagewelle zurollen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt nämlich klar: Jeder Postkunde kann gegen die behördlich genehmigten Tarife klagen, wenn er sie für überhöht hält. Die Vorinstanzen hatten ein Klagerecht der Postkunden noch verneint (Aktenzeichen 6 C 10.14).

Ohne Ende Heldentaten

In der Pause eines Gerichtstermins saß ich vorhin im Café. Am Nebentisch ließen sich zwei Herren nieder, an ihren weißen Krawatten unschwer erkennbar als zwei mir bislang unbekannte Strafverteidiger, die auch Prozesspause hatten.

Da passierte genau das, was ich bei Begegnungen mit diesen Alphatierchen oft beobachte. Nachdem der Kaffee geordert war, machte der eine eine Anmerkung. Weiß nicht mehr, worum es ging. Da habe ich noch nicht zugehört.

Die zwei Halbsätze seines Kollegen nutzte der andere für einen sehr gekünstelten inhaltlichen Anschluss, um endlich was aus seinem Leben zu erzählen. Von einem seiner größten Fälle natürlich. Ich habe auf die Uhr geguckt: 26 Minuten lange Minuten erzählte er haarklein, wie er in Essen mal – das heißt wohl vor ungefähr 25 Jahren – den Betreiber eines Spielcasinos unter größten Widrigkeiten supererfolgreich verteidigt hat.

Sein Kollege kam kein einziges Mal zu Wort, sondern blinzelte ob der juristischen Heldentaten nur genervt-resigniert-ermüdet in die Sonne. Vermutlich schätzte er die Situation genauso realistisch ein wie ich: Gegen den anwaltlichen Anekdotenmodus, offensichtlich eine Art verbaler Selbstbefriedigung, gibt’s in der konkreten Situation halt erst mal wohl keine vernünftige Gegenwehr. Zumindest wenn man nicht als unhöflich dastehen will.

Aber immerhin kann ich mich damit trösten, dass es in anderen Branchen wahrscheinlich eben solche Alleinunterhalter gibt. Erfahrungsberichte und mir bislang nicht bekannte Gegenstrategien sind in den Kommentaren willkommen.

„Höchststrafe“ für Fans

Mit einem durchaus originellen Täter-Opfer-Ausgleich haben sich zwei rabiate Fans des TSV 1860 München die Freiheit erkauft. Die Männer hatten im Münchner Hauptbahnhof einen Fan des FC Bayern überfallen und beraubt. Das Amtsgericht München verurteilte sie zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung. Doch in der Berufungsverhandlung kam es noch mal anders…

Die beiden Männer hatten vor dem Gerichtstermin im Fanshop des FC Bayern im Hauptbahnhof für ihr Opfer eingekauft, und zwar Janker, Fanshirts, eine Mütze und einen Strohhut. Eine „Höchststrafe“ für einen echten 1860-er, wie einer der Verteidiger anmerkte. Das Outfit wollten sie ihrem Opfer in der Verhandlung übergeben, das allerdings nicht erschien.

Wegen der Geste – und sicher auch aus anderen Gründen – war noch mal Bewährung drin, wie die Münchner tz berichtet.

Gerichte dürfen sich nicht taub stellen

Gerichte müssen sich mit relevanten Argumenten auseinandersetzen, die der Betroffene in einem Verfahren vorbringt. An sich sollte das selbstverständlich sein, ist es in der täglichen Praxis aber leider nicht.

Das Bundesverfassungsgericht nimmt deshalb das Verfahren gegen einen Blogger zum Anlass, die Gerichte noch einmal ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Stellungnahme eines Beschuldigten nicht einfach übergangen werden darf.

Ein Blogger wehrte sich gegen eine Hausdurchsuchung. Ihm wurde vorgeworfen, er habe eine Ermittlungsakte online gestellt, was nach § 353d Nr. 3 StGB verboten sein kann. Er wehrte sich mit dem Argument, er habe nur kleine Ausschnitte veröffentlicht. Dies sei von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Zur Begründung bezog er sich unter anderem auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention.

Obwohl sich die angeführten Urteile tatsächlich damit beschäftigen, wie weit die Meinungsfreiheit in ähnlich gelagerten Fällen reicht, ging das Gericht mit keinem Wort auf das Vorbringen des Bloggers ein. Hierzu das Verfassungsgericht:

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden.

Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen jedoch nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen.

Es sei deshalb die Pflicht des Gerichts gewesen, sich mit den Argumenten des Bloggers zu beschäftigen, auch wenn es diesen möglicherweise nicht gefolgt wäre (Aktenzeichen 2 BvR 433/15).

Anwälte warnen vor Demokratielücke

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt eine Abschaffung des Weisungsrechts der Justizminister der Länder und des Bundes gegenüber Staatsanwälten wegen verfassungsrechtlicher Hindernisse ab. Die Staatsanwaltschaften bedürften parlamentarischer Kontrolle, betont der DAV in einer Stellungnahme.

„Gemäß der Gewaltenteilung ist die Staatsanwaltschaft der Exekutive zuzurechnen und nicht der Judikative“, erläutert DAV-Präsident Ulrich Schellenberg. Als Bestandteil der Exekutive müsse die Staatsanwaltschaft den Weisungen der Landesjustizverwaltung unterliegen.

Dies ergebe sich aus dem Grundsatz des demokratischen Rechtsstaates. „Wir dürfen nicht vergessen, die Exekutive wird dabei durch das Parlament kontrolliert“, so Schellenberg weiter. Die Fachminister trügen die parlamentarische Verantwortung. Würde sich dies ändern, drohe eine nicht zu akzeptierende Demokratielücke.

Eine nicht weisungsgebundene Staatsanwaltschaft würde einen parlamentarisch nicht kontrollierten Teil der Exekutive darstellen. Dies sei dem System der parlamentarischen Demokratie fremd.

Aggressiver Rottweiler soll sterben

Muss Pascha, ein 13 Monate alter Rottweiler, eingeschläfert werden? Ja, meint die Stadt Duisburg. Nicht ganz ohne Grund. Das Tier hatte am 6. Juli ein zweijähriges Mädchen am Rheindeich angefallen und dem Kind lebensbedrohliche Bisswunden zugefügt. Er riss dem Kind große Teile der Kopfhaut ab und fügte ihr schwerste Verletzungen an Ohren, Auge, Mund, Bauch und Beinen zu. Die Halterin des Hundes wehrt sich jedoch juristisch gegen die Tötung ihres Tieres.

Vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte sie zunächst allerdings keinen Erfolg. Die Richter sehen keine andere Möglichkeit, als Pascha zu töten. Ein Gutachten des Amtstierarztes habe ergeben, dass der Rottweiler ein fehlgeleitetes und inadäquates Jagdverhalten sowie mangelnde Beißhemmung aufweise. Er habe ohne Droh- oder Warnsignale angegriffen und sich auch nicht von weiteren Attacken auf das bereits verletzte Mädchen abhalten lassen.

Die Stadt Duisburg beruft sich auf das Landeshundegesetz, das die Tötung gefährlicher Hunde erlaubt. Mildere Mittel gibt es nach Auffassung der Richter nicht. Eine Therapie des Hundes sei wegen seines Alters nicht möglich. Außerdem sei es möglich, dass das Tier an einem irreparablen Hirnschaden leide.

Pascha war laut den Behörden von einer Bekannten der Halterin ausgeführt worden, und das ohne den vorgeschriebenen Maulkorb. Strafrechtliche Ermittlungen laufen noch.

Nachdem die Halterin gegen den Düsseldorfer Eilbeschluss Beschwerde eingelegt hat, muss nun das Oberverwaltungsgericht Münster entscheiden (Aktenzeichen 18 L 2369/15).