Die Gründe, bitte

Gestern hat Bundesjustizminister Heiko Maas die Rahmenbedingungen einer neuen Vorratsdatenspeicherung vorgelegt. Diesen Begriff möchte man allerdings nicht mehr verwenden. Nun ist elegant von einer „Höchstspeicherfrist“ die Rede.

Das klingt ein wenig so, als wolle die Bundesregierung unbescholtene Bürger nicht in erheblichem Maße mehr überwachen, sondern uns vor irgendwas schützen. Eine massive Beschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte sprachlich so zu verpacken, ist vielleicht nur ein Detail. Aber ein vielsagendes.

Ansonsten wird nach Kräften der Eindruck erweckt, die Pläne seien doch nur eine Umsetzung rechtlicher Vorgaben. Dabei haben das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof lediglich festgestellt, dass die früheren Umsetzungen den Rahmen des rechtsstaatlich Erträglichen sprengen. Die Entscheidungen bedeuten aber keineswegs, dass wir uns eine Vorratsdatenspeicherung wünschen müssten. Oder sie gar tatsächlich brauchen.

Es wäre deshalb ein Fehler, die Debatte jetzt nur noch über das Wie der Vorratsdatenspeicherung zu führen. Auch ein kleineres Übel bleibt ein Übel. Deshalb geht es auch weiterhin vorrangig um die Frage, welche Gründe für eine Vorratsdatenspeicherung sprechen und ob diese erforderlich ist.

Hier gelten die wesentlichen Argumente uneingeschränkt weiter, die bereits die Debatte über die erste Vorratsdatenspeicherung beherrscht haben. Hier sind nach wie vor die Befürworter der Speicherung in der Pflicht nachzuweisen, dass eine Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte überhaupt einen Nutzen bringt, der den weiteren Ausverkauf des Grundgesetzes und europäischer Wertestandards verschmerzbar erscheinen lässt.

Wenn ich schon Verzicht üben und künftig in einem anderen Staat leben soll, der mich als potenziell Verdächtigen behanelt, dann möge man mir bitte plausibel erklären, warum. Ich hoffe, dass noch mehr diese Frage stellen.

TÜV-Plakette ist kein Freibrief

Bei besonders schwerwiegenden Mängeln eines Gebrauchtwagens kann der Kunde sofort vom Kaufvertrag zurücktreten. Er muss sich nicht auf „Nachbesserung“ verweisen lassen, wie sie das Gesetz normalerweise vorsieht. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Es ging um einen 13 Jahre alten Opel Zafira mit einer Laufleistung von 144.000 Kilometern. Hierfür hatte eine Käuferin 5.000 Euro bezahlt. Schon am Tag nach dem Kauf ging das Auto kaputt. Unter anderem stellte sich heraus, dass der Wagen wegen korrodierter Bremsleitungen verkehrsuntauglich war. Bei derart gravierenden Mängeln ist es laut dem Gericht dem Käufer nicht zumutbar, den Verkäufer vorher zur Nachbesserung aufzufordern.

Interessanterweise hatte der Wagen noch am Kauftag eine TÜV-Plakette erhalten. Aber auch das half dem Verkäufer nicht. Der Verkäufer müsse den Wagen selbst sorgfältig prüfen. Die Mängel hätten ihm deshalb auffallen müssen (Aktenzeichen VIII ZR 80/14).

Ein Blog macht nicht befangen

Ein Sachverständiger kann vor Gericht nicht bloß deswegen abgelehnt werden, weil er was ins Internet schreibt. Eine Versicherung hatte das gerichtliche Gutachten eines Kfz-Sachverständigen nicht akzeptieren wollen, weil dieser früher regelmäßig über seine Tätigkeit in einem Blog Beiträge veröffentlichte und auch heute dort noch kommentiert.

Die Versicherung störte sich insbesondere an der versicherungskritischen Haltung des betreffenden Blogs. Für das Oberlandesgericht Hamm bedeutet dies jedoch keine Befangenheit. Aus dem Beschluss:

… ist es sinnvoll, wenn sich an einer solchen Plattform auch Experten aus dem Bereich der Unfallregulierung beteiligen. Dazu gehören neben Fachanwälten auch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, die über eine langjährige Erfahrung bei der Erstellung von gerichtlichen Gutachten verfügen. Beiträge von entsprechenden Fachleuten tragen zu einem Austausch auf einem qualifizierten Niveau bei.

Eine Befangenheit liege höchstens vor, wenn dem Sachverständigen grob unsachliche und abwertende Äußerungen nachgewiesen werden könnten. Das war vorliegend jedoch nicht der Fall, zumal der Sachverständige seine Autorentätigkeit für das Blog schon 2006 eingestellt hatte (Aktenzeichen 1 W 86/14).

E-Books bleiben einmalig

Der Weiterverkauf von E-Books kann weiter per Allgemeiner Geschäftsbedingung verboten werden. Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg bestätigte jetzt ein gleichlautendes Urteil des Landgerichts Hamburg (Aktenzeichen 10 U 5/11).

Der Verbraucherzentrale Bundesverband klagt seit geraumer Zeit gegen Regelungen im Kleingedruckten, mit denen fast alle Buchverlage den Weiterverkauf von E-Books untersagen. Bislang allerdings erfolglos. Wie die Hamburger Gerichte hatten auch schon das Oberlandesgericht Hamm und das Oberlandesgericht Stuttgart zu Gunsten der Verlage entschieden.

Die Verbraucherschützer wollen allerdings noch nicht aufgeben. Nach ihrer Meinung ist es unangemessen, digitale und gedruckte Bücher ungleich zu behandeln. Vor allem auch, weil E-Books kaum billiger seien als gedruckte Werke.

Schwierig könnte es für die Verlage noch auf europäischer Ebene werden. Der Börsenverein des Buchhandels, der für die Branche spricht, berichtet selbst über eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, bei der es ebenfalls um den Weiterverkauf von E-Books geht. Hier ist allerdings noch nicht klar, wann es eine Entscheidung gibt.

„Gehört der Ihrer Frau?“

Auch Polizisten schieben mal Frust. Die Tage erzählte ein Mandant, dass er erst einen Riesenschreck bekommen hat, als drei Beamte bei ihm in aller Herrgottsfrühe klingelten. Sie präsentierten ihm einen Durchsuchungsbeschluss.

Die richterliche Anordnung gründete darauf, dass mein Mandant vor mehr als einem Jahr an einem nicht näher bekannten Tag zu einer nicht näher bekannten Uhrzeit an einem nicht näher bekannten Ort bei einem jetzt wohl sangesfreudigen „Bekannten“ 0,1 Gramm Metamphetamin erworben haben soll.

Das ist natürlich eine wahrhaft beeindruckende Menge, die es dringend gebietet, die Wohnung eines bislang unbescholtenen Angestellten und Familienvaters auf den Kopf zu stellen. So ähnlich sahen es wohl auch die Beamten, denn die Durchsuchung selbst empfand mein Mandant als nur halb so schlimm:

– Die zwei Kinderzimmer wurden gar nicht betreten.

– In der Küche wurde nur die Besteckschublade geöffnet.

– Alle Kleiderschränke, einige Instrumentenkoffer, Sport- und Arbeitstaschen und der Schreibtisch des Familienvaters blieben unberührt.

– Laut dem Beschluss sollte nach „Speichermedien“ gesucht werden. Bei den USB-Sticks genügt die Versicherung des Betroffenen, darauf seien nur Arbeitsunterlagen gespeichert. An dem Notebook („Gehört der Ihrer Frau? Na, dann ist es gut“) bestand ebenso wenig Interesse wie an Dutzenden DVDs oder der Xbox One auf dem Fernsehtisch.

Nach vier, fünf Minuten war der Spuk wohl schon vorbei. Natürlich werde ich den Mandanten davon abhalten, sich über den mangelnden Diensteifer der Polizisten zu beschweren.

Wer trägt die Kosten?

Wird ein Strafverfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt, läuft es oft auf einen Kuhhandel hinaus. Dem Angeklagten wird dabei angesonnen, seine eigenen „nowendigen Auslagen“ selbst zu tragen. Das bedeutet insbesondere seine Anwaltskosten.

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow hat jetzt gezeigt, dass man hier zumindest nicht voreilig nachgeben muss. Ramelow erreichte es durch eine gewisse Beharrlichkeit, dass der Staat nicht nur die Verfahrenskosten zahlt, sondern eben auch seinen Anwalt.

Es ist klar, dass die Staatskasse immer ein Interesse daran hat, möglichst kostengünstig aus der Sache rauszukommen. Oft handelt es sich ja um die Fälle, bei denen es nie zu einer Anklage hätte kommen können. Während die normalen Kosten des Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens ja im normalen Etat untergehen, müssen die notwendigen Auslagen sogar noch ausgezahlt werden. Das tut natürlich weh, und von daher schlagen viele Richter meist reflexartig vor, dass der Beschuldigte seine Anwaltskosten selbst übernimmt.

In solchen Situationen verweise ich gern auf das Gesetz selbst. Die Strafprozessordnung regelt für solche Einstellungen nämlich:

Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zulässt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

Der Formulierung lässt sich – zumindest für Juristen – entnehmen, dass die Staatskasse bei einer Einstellung normalerweise auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu zahlen hat. Hiervon kann abgesehen werden. Das bedeutet, es bedarf eben besonderer Gründe für die negative Kostenfolge. Wenn man aber erst mal grundsätzlich Einstellungen nur gegen einen Kostenverzicht macht, dreht das die vom Gesetz gewollte Vorgabe um.

Die weitaus meisten Richter sind für diese Argumentation übrigens aufgeschlossen. Wobei es oft genug passiert, dass dann erst mal der Wortlaut des Gesetzes ventiliert wird – möglicherweise zum ersten Mal seit langer Zeit. „Da haben Sie ja nicht ganz unrecht“, formulierte eine Richterin neulich. Und drückte der Staatskasse die Auslagen aufs Auge. Wobei ich sicher bin, dass sie das mit der Regel und der Ausnahme schnell wieder verdrängt hat. Spätestens beim nächsten pflegeleichten Angeklagten.

Möglichst dreifach

Vor einigen Tagen haben wir eine Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf eingereicht.

Die Klage richtet sich gegen die Fahrerlaubnisbehörde der Landeshauptstadt Düsseldorf, die ja tagtäglich etliche Bescheide verschickt. Die Rechtsbehelfsbelehrung erledigt das Amt wie folgt:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage erhoben werden. Die Klage ist beim Verwaltungsgericht Düsseldorf … schriftlich oder zur Niederschrift … zu erheben. Wird die Klage schriftlich eingereicht, soll sie möglichst dreifach eingereicht werden.

Der Hinweis am Ende hat schon etliche Jahre auf dem Buckel und insoweit natürlich Tradition. Ungefähr so viel, das sei nur am Rande bemerkt, wie die Gepflogenheit, die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung stets mit demselben Textbaustein zu begründen – der dann natürlich keinerlei Bezug zum konkreten Fall aufweist. Was für einen Bürger, der von heute auf morgen auf seinen Führerschein verzichten soll, natürlich immer sehr erbaulich ist.

Aber zurück zur Art und Weise, wie die Klage eingereicht werden soll. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf will die dreifachen Ausfertigungen nämlich gar nicht haben. In der Eingangsbesätigung des Gerichts heißt es deswegen, und das auch schon seit Jahren:

Sie werden gebeten, alle Schriftsätze nebst Anlagen nur einfach einzureichen, da das Gericht Schriftsätze und Anlagen … an Behörden per Telefax weiterleitet.

Selbst für den Fall, dass eine Übermittlung wegen des Umfangs per Fax für das Gericht schwierig sein könnte, sollen laut dem Verwaltungsgericht Unterlagen lediglich „in ausreichender Anzahl für alle Beteiligten und daher 2-fach (d.h. Original + 1 Doppel) eingereicht werden“.

Ein Anwaltsbüro wird sich von der Frage, ob eine Klage nun einfach oder dreifach einzureichen ist, kaum abhalten lassen. Aber es suchen ja auch Betroffene Recht, die sich keinen Anwalt leisten können oder wollen. Da kann es vom Aufwand her schon einen Unterschied machen, wenn ich nicht nur eine Klage schreiben und abschicken muss, sondern dann auch noch Kopien dabei sein sollen. Ganz abgesehen davon, dass bei mehreren Abschriften oft auch das Porto höher ist.

Wenn dann am Ende nur ein Bürger davon abgehalten wird, durch die offensichtlich falschen Hinweise in der Rechtsmittelbelehrung seine Rechte wahrzunehmen, ist es immer noch einer zu viel.

Leere Schufa-Drohungen

Immer wieder drohen Firmen angeblich säumigen Zahlern mit Schufa-Einträgen. Dabei sind solche Einträge vor einer gerichtlichen Klärung der Angelegenheit meist gar nicht zulässig. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs stärkt Betroffenen überdies den Rücken.

Die Seite Datenschutzbeauftragter.info erklärt Einzelheiten und sagt, wie sich Betroffene wehren können. Notfalls sogar mit Strafanzeigen. Zum Beitrag.

Böller mit Rückschlag

+++ Der 1. FC Köln hat von einem Fußballfan 30.000 Euro erstritten. Der Mann hatte im Stadion Böller geworfen, weswegen der Fußballverein rund 80.000 Euro aufwenden musste – unter anderem als Strafzahlung an den DFB. Das Landgericht Köln meint, hierfür sei der Fußballfan zumindest teilweise ersatzpflichtig. +++

+++ Kostenlose Anzeigenblätter dürfen sich nicht gegenseitig behindern. Ein Verleger hatte an Haushalte Aufkleber für die Briefkästen verteilen lassen, die nur den Einwurf seiner Gratiszeitung erlaubten. Wettbewerbswidrig, entschied das Brandenburgische Oberlandesgericht. +++

+++ Die Mini-Job-Zentrale wollte Billiarden Euro von einer Versicherten haben. Leider wird der 16-stellige Betrag wohl nicht fließen. Eine Mitarbeiterin hatte sich vertippt. Die Rentenkasse bleibt also weiter unsaniert. +++

+++ Bußgeldbehörden freuen sich nicht immer über Rechte, die Betroffene haben. Die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung fällt deswegen gerne schon mal schwammig aus. Ein außerordentlich kreatives Bespiel schildert Carsten R. Hoenig in seinem Blog. +++

+++ Die deutschen Auslandsvertretungen müssen nur Deutschen helfen. Ein seit langem in Deutschland lebender Spanier hatte sich hilfesuchend an das deutsche Konsulat auf Mallorca gewandt, aber keine Unterstützung erhalten. Zu Recht, finden die Richter. Es komme auf die deutsche Staatsangehörigkeit an, nicht auf den Wohnsitz in Deutschland (Aktenzeichen VG 34 K 268.14). +++

Junge Richter sollen Asylverfahren entscheiden

+++ In Asylverfahren sollen künftig auch ganz junge Richter alleine entscheiden dürfen. Das Land Sachsen hat eine entsprechende Gesetzesänderung eingebracht. Bisher dürfen Richter nur nach mindestens sechs Monaten Diensterfahrung über Asylanträge entscheiden. +++

+++ Ein Pfand für nicht zurückgegebene SIM-Karten ist und bleibt unzulässig. Das gilt auch für den Fall, dass der Kunde sein Pfand wiederbekommt, wenn er irgendwann die SIM-Karte zurücksendet. Nach Auffassung des Gerichts haben Mobilfunkbetreiber überhaupt kein Interesse daran, alte SIM-Karten zurückzubekommen. Insbesondere sei kein einziger Fall bekannt, in dem abgelaufene SIM-Karten missbraucht wurden (Aktenzeichen 2 U 6/14). +++

+++ Ein Richter am Amtsgericht Bochum will dem Deutschen Kinderschutzbund keine Geldauflagen mehr zukommen lassen. Er reagiert damit auf die Weigerung des niedersächsischen Landesverbandes, die gerichtliche Geldauflage im Fall Sebastian Edathy zu akzeptieren. +++

+++ Ein 55-jähriger Steuerberater ist wegen Mordes verurteilt worden. Er hat gestanden, einen Abteilungsleiter im Finanzamt Rendsburg erschossen zu haben. Die Waffe, eine Beretta, will er bei der Besprechung über seine privaten Finanzverhältnisse zufällig dabei gehabt haben. +++

Faktische Folter

Der Fall Thomas Middelhoff stößt eine Debatte an – über die Haftbedingungen in deutschen Gefängnissen. Konkret geht es um permanenten Schlafentzug, den Middelhoff nach eigenen Angaben in den ersten Monaten seiner Untersuchungshaft erdulden musste.

Knapp 30 Tage ist laut Berichten bei Middelhoff mindestens alle 15 Minuten das Licht angeschaltet, durch die Sichtklappe geschaut und gegebenenfalls seine Zelle betreten und er geweckt worden. Das Prozedere wird von der Haftanstalt wohl nicht in Abrede gestellt, sondern als Suizidprävention gerechtfertigt.

Bei Middelhoff könnte die „Vorsorge“ allerdings konkrete Schäden verursacht haben. Er soll nun an einer Immunschwäche erkrankt sein, wofür seine Anwälte die permanente Überwachung verantwortlich machen.

Eine Haftanstalt ist natürlich verpflichtet, dem Selbstmord eines Inhaftierten vorzubeugen. Das ist keine Frage. Selbst wenn man bei Middelhoff aber ein Suizidrisiko unterstellt (was für mich angesichts der relativ geringen Strafe von drei Jahren brutto und der damit einhergehenden Aussicht auf offenen Vollzug nach wie vor kaum nachvollziehbar ist), stellt sich aber die Frage, wie die Prävention abläuft.

Wie in vielen anderen Bereichen auch, steht die Zeit in deutschen Haftanstalten still. Infrarot- und Wärmebildkameras wären wohl eine naheliegende Möglichkeit, bei tatsächlich siuzidgefährdeten Gefangenen genau so gut und weniger entwürdigend Vorsorge zu leisten. Gibt es aber nicht. Und dann ist da natürlich der obligatorische Hinweis nicht fern: Haben wir schon immer so gemacht.

Nicht ganz zu Unrecht sieht sich die Justiz jetzt mit dem Vorwurf konfrontiert, sie wende – nicht nur bei Middelhoff – Methoden an, die sich nur durch den fehlenden Vorsatz zur Quälerei von Folter unterscheiden. Mit welchen Motiven jemand gequält wird, ist zumindest dem Betroffenen, um dessen Menschenrechte es geht, aber regelmäßig ziemlich egal.

Rot ist auch mal grün

Wer bei Rot eine Ampel überfährt um einem Sondereinsatzfahrzeug mit Blaulicht Platz zu machen, geht gewöhnlich straffrei aus, selbst wenn er dabei geblitzt wird. Es darf allerdings weder links noch rechts Platz zum Ausweichen gewesen sein sein. Darauf weist der ACE Auto Club Europa hin.

Sofern möglich, sollte man sich die Kontaktdaten eines anderen Autofahrers als Zeugen notieren. Oder zumindest das Kennzeichen des Einsatzfahrzeugs aufschreiben. Wer nicht nachweisen kann, dass er einem Einsatzfahrzeug Platz gemacht hat, dem drohen bei einer Rotphase von mehr als einer Sekunde 200,00 Euro Bußgeld, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot.

Zweiter Wohnsitz ist Privatsache

Wer berufsbedingt einen doppelten Haushalt führen muss, hat erhöhte Ausgaben. Aber oft auch die Möglichkeit, die Mehrkosten steuerlich abzusetzen. Das Finanzgericht Hamburg erklärt in einem Urteil, dass es eine Mindestentfernung für den zweiten Wohnsitz gibt.

Geklagt hatte eine Frau, die nach eigenen Angaben bei ihrem Lebensgefährten außerhalb Hamburgs wohnt. Da sie 36 Kilometer bis zu ihrem Arbeitsplatz in der City pendeln muss, behielt sie ihre Stadtwohnung und wollte die gesamten Mehrkosten von der Steuer absetzen. Das Finanzamt wollte nur übliche Fahrtkosten übernehmen, die weit niedriger liegen.

Die Fahrtzeit für die Frau schätzt das Finanzgericht auf maximal eine Stunde. Solche Zeiten seien gerade in Ballungsräumen nicht nur zumutbar, sondern fast schon üblich. Ein knappe Stunde Pendelzeit sei für einen doppelten Wohnsitz jedenfalls zu wenig. Es komme auch nicht darauf an, ob der Hauptwohnsitz in einer anderen Gemeinde liege als der Arbeitsplatz. Zumindest in Ballungsräumen („Speckgürtel“) komme es nicht auf politische Gemeindegrenzen an (Aktenzeichen 2 K 113/14).

Wer zahlt für Referendare?

In ihrer Ausbildung lernen Rechtsreferendare auch außerhalb von Behörden, etwa bei Anwälten oder in der sogenannten Wahlstation. Wer trägt für diese Zeit die Sozialabgaben?

Das Bundessozialgericht sieht in einem aktuellen Urteil die Länder in der Pflicht. Das kann für derzeitige Referendare Nachzahlungen bedeuten, für künftige aber auch eine Verschlechterung. Näheres weiß die Legal Tribune Online.

Strikte Anweisungen

In einer Strafsache wollte ich mich bei der Staatsanwaltschaft als Verteidiger melden. Mein Mandant konnte mir aber nur den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts geben. Auf diesem war lediglich das Aktenzeichen des Gerichts vermerkt und nicht, wie eigentlich üblich, auch das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft.

Ich rief also auf der Geschäftsstelle des Ermittlungsrichters an, nannte das Aktenzeichen des Gerichts und fragte, ob ich vielleicht das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft haben kann. „Am Telefon darf ich leider keine Auskunft geben“, flötete die Mitarbeiterin. Auch mein Einwand, die Frage nach einem korrelierenden Aktenzeichen einer anderen Behörde sei ja nun eher wenig sensibel, fruchtete nicht. „Wir haben da strikte Anweisungen.“

„Okay“, sagte ich. „Ist für mich kein Problem. Dann schicke ich mein Bestellungsschreiben halt an Sie. Dann müssen Sie es halt an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Mir kommt’s in dieser Sache nicht auf einen oder zwei Tage an.“

Die Aussicht auf zusätzliche Arbeit veränderte die datenschutzrechtliche Situation spontan. „Bevor wir jetzt diesen Umweg machen“, hieß es, „suche ich Ihnen das Aktenzeichen kurz raus.“

Ich bedankte mich.