Websperren waren unnötig

Im Jahr 2009 wollte die Bundesregierung, angeführt von der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen, unbedingt Websperren einführen. Angeblich war dieses Instrument nötig, um die Verbreitung von Kinderpornografie im Netz zu verhindern. Kritiker fürchteten dagegen den Aufbau einer Zensur-Infrastruktur, die bald auch mit anderen Zielen eingesetzt werden könnte – zum Beispiel gegen Filesharer oder unerwünschte politische Inhalte.

Wie sich jetzt (mal wieder) zeigt, braucht es keiner Internetsperren. Vielmehr funktioniert die konsequente Löschung strafbarer Inhalte erstaunlich gut. Die weitaus meisten Inhalte verschwinden innerhalb kürzester Zeit aus dem Netz – und zwar auch international. Das belegen Zahlen, welche die Bundesregierung jetzt in einem offiziellen Bericht an den Bundestag präsentiert.

Netzpolitik.org stellt das Papier vor.

„Bloßstellende“ Fotos

In meiner aktuellen Kolumne für die Webseite der ARAG beschäftige ich mich mit einem Gesetzentwurf, der unter anderem Cybermobbing besser verfolgbar machen soll. Doch die Regelung über „bloßstellende“ Fotos führt nur zu Rechtsunsicherheit. Den Betroffenen hilft sie kaum.

Zum Beitrag.

Grünes Licht für Bewertungsportale

Der Bundesgerichtshof erteilt Online-Bewertungsportalen seinen grundsätzlichen Segen. Laut einer aktuellen Entscheidung muss es ein Arzt hinnehmen, dass seine beruflichen Daten aufgeführt werden und Patienten seine Arbeit online bewerten dürfen. Einen Anspruch darauf, gar nicht in einem Bewertungsportal vorzukommen, haben Freiberufler demnach nicht.

Der Arzt hatte verlangt, dass seine Basisdaten und auch einige Bewertungen komplett gelöscht werden, die Nutzer über ihn abgegeben haben. Zwar werde durch die – ungefragte – Veröffentlichung das Persönlichkeitsrecht des Mediziners berührt, befindet der Bundesgerichtshof. Das Bundesdatenschutzgesetz lasse so eine zweckbezogene Verarbeitung der Daten aber zu. Es gebe auch ein unabweisbares Interesse der Öffentlichkeit, sich über Ärzte zu informieren. Onlineportale tragen nach Auffassung der Richter dazu bei.

Rechtlos werde der Arzt dadurch nicht. So könne er sich gegen unwahre oder beleidigende Einträge wehren, indem er vom Portalbetreiber Löschung verlangt. Dass Kommentare auch anonym abgegeben werden können, ändere daran nichts. Die Möglichkeit der anonymen Internetnutzung sei sogar gesetzlich vorgeschrieben (Aktenzeichen VI ZR 358/13).

Vorkasse ist bei Flügen o.k.

Airlines dürfen bei Buchung von Flugtickets Vorkasse nehmen – und zwar den gesamten Reisepreis. Das Oberlandesgericht Frankfurt revidierte jetzt ein anderslautendes Urteil der Vorinstanz. Das Landgericht Frankfurt hatte die unbeschränkte Vorleistungspflicht des Kunden für unzulässig gehalten.

Die Vorauszahlungsklausel ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt auch dann zulässig, wenn der Flug lange im voraus gebucht wird. Die Verbraucherzentrale NRW hatte in ihrer Klage geltend gemacht, dem Kunden würden durch die Vorauszahlung wichtige Rechte abgeschnitten, etwa wenn die Flugzeiten ungünstig geändert werden (Aktenzeichen 16 U 15/14).

Älterer Beitrag zum Thema

Panama bei Nacht

Die Highlights einer Reise dürfen nicht im Dunkeln bleiben – im wahrsten Sinne des Wortes. Wird bei einer Kreuzfahrt zum Beispiel die Durchfahrt des Panamakanals bei Tageslicht versprochen, rechtfertigt die Passage bei Nacht eine Reisepreisminderung von 20 %. Dies hat das Amtsgericht München entschieden.

Eine 17-tägige Kreuzfahrt sollte Urlauber an die schönsten Ecken Mittelamerikas führen. Die Durchfahrt bei Tag durch den Panamakanal wurde im Reiseprospekt ausdrücklich als „Highlight“ bezeichnet. Tatsächlich fuhr das Schiff weitgehend bei Nacht.

Auch wenn die Schleusen des Panamakanals nachts beleuchtet sind, sah das Amtsgericht München einen gravierenden Mangel. Den Passagieren komme es ja nicht nur auf den imposanten Kanal an, sondern auf das landschaftliche Gesamterlebnis. 20 % des Reisepreises seien hier angemessen. Von seinen gezahlten knapp 8.000 Euro erhält der Kläger 1.600 Euro Euro zurück.

Einen besonderen Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit gewährte das Amtsgericht jedoch nicht. Das Reiseerlebnis habe sich ja nicht nur auf den Panamakanal erstreckt. Die sonstigen Küsten und landschaftlichen Höhepunkte, unter anderem die Panamas und Costa Ricas, seien immerhin wie versprochen zu sehen gewesen (Aktenzeichen 182 C 15953/13).

Keine ED-Behandlung für Temposünder

Wer sich vor Gericht gegen ein Radarfoto wehrt, muss sich grundsätzlich nicht von der Polizei erkennungsdienstlich behandeln lassen. Genau dies hatte die Richterin in einem Bußgeldverfahren angeordnet. Anhand der von der Polizei angefertigten Fotos des Betroffenen sollte der Sachverständige in der Hauptverhandlung beurteilen, ob der Betroffene am Steuer saß.

Das Oberlandesgericht Stuttgart missbilligt dieses Vorgehen. In Bußgeldsachen sei es üblich, dass der Sachverständige im Gerichtssaal ein Digitalbild von dem Betroffenen macht. Dieses Bild vergleiche er dann mit dem Messfoto. Das dauere normalerweise etwa 10 bis 20 Minuten und führe deshalb nicht zu einer „Verzögerung“ des Verfahrens. Im Vergleich zum Foto im Gerichtssaal sei die erkennungsdienstliche Behandlung bei der Polizei ein schwerwiegender, jedenfalls aber unverhältnismäßiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen.

Allerdings verneint das Oberlandesgericht Stuttgart ein Verwertungsverbot. Die Richterin habe die Rechtslage zwar verkannt, dabei aber nicht willkürlich gehandelt. Vielmehr habe sie auf die Vorgaben des Sachverständigen vertraut (Aktenzeichen 4 Ss 225/14).

Eigenmächtige Entscheidung

Die deutsche Marine griff bei einem Einsatz vor Afrika im Jahr 2009 einen mutmaßlichen somalischen Piraten auf. Im Anschluss daran übergaben die Verantwortlichen den Mann an die kenianischen Behörden. Das war rechtswidrig, entschied jetzt das Oberverwaltungsgericht in Münster.

Das Urteil der Richter fällt vernichtend aus. Der verantwortliche Planungsstab habe schlicht und einfach nicht beachtet, dass es für die Überstellung des Mannes an Kenia gar keine Rechtsgrundlage gab. Ohne entsprechende gesetzliche Befugnis hätten die Verantwortlichen aber überhaupt nicht so über das Schicksal des Mannes disponieren dürfen.

Überdies kritisiert das Gericht, die Haftbedingungen in Kenia seien zum damaligen Zeitpunkt menschenunwürdig gewesen. Auch aus diesem Grund sei die Überstellung nach Kenia rechtswidrig. Dem Betroffenen wird sein juristischer Erfolg aber wohl wenig helfen. Er sitzt nach wie vor in einem kenianischen Gefängnis (Aktenzeichen 4 A 2948/11).

Auto im Handgepäck

Auch wenn ich es als Strafverteidiger vermutlich besser wissen sollte, habe ich doch ein gewisses Grundvertrauen in die Menschen. So rechne ich in alltäglichen Situationen eigentlich nicht damit, übers Ohr gehauen zu werden.

Das klappt aber nicht immer. Zum Beispiel stellte ich vorhin beim Abheften von Belegen eher zufällig fest, dass eine Hotelrechnung von letzter Woche, nun ja, fragwürdig ist. 12,00 € für die Tiefgarage? Ich habe eigentlich eine gute Erinnerung daran, dass ich zu dem Termin in Berlin mit dem ICE gereist bin. Ohne Auto im Handgepäck.

Ebenso erinnere ich mich daran, dass die Rezeptionistin nicht gefragt hat, ob ich in der Garage geparkt habe. Und dass ich sie sogar noch gebeten habe, mir ein Taxi zum Bahnhof zu rufen.

Na ja, vielleicht hat die Gute im Rechnungsformular einfach das falsche Häkchen angeklickt. Dafür spricht zumindest, dass das Hotel auf meine Mail hin die 12,00 € anstandslos zurücküberwiesen hat – ohne die Taxiquittungen und die Fahrkarte sehen zu wollen.

Student handelt mit Klausurlösungen

Ein Student wurde vom Amtsgericht Halle zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt, weil er Musterlösungen für Klausuren einer Fernuni verkauft hat. Ärger kriegte der junge Mann aber nicht wegen Betrugs oder Beihilfe zum Betrug. Vielmehr soll er die Klausurlösungen selbst nur abgeschrieben haben.

Autorin der Lösungen war nach den Feststellungen des Gerichts eine Frau aus Marburg. Diese hatte die Lösungen online für 50 Euro angeboten. Der Student bot die von ihm kopierten Lösungen dagegen für 30 bis 40 Euro feil.

Das Amtsgericht sah darin nun eine gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzung. Laut Mitteldeutscher Zeitung hat sich der Prozess praktisch nur um die Frage gedreht, ob die Klausurlösungen urheberrechtlich geschützt sind. Dies habe das Gericht schließlich bejaht.

Halbstrafe in Bayern?

Uli Hoeneß durfte heute zum ersten Mal ohne Bewachung die Haftanstalt in Landsberg verlassen. Wie die FAZ berichtet, ist dies nach drei Monaten die erste „Lockerung“ für den früheren Präsidenten des FC Bayern München, der eine dreieinhalbjährige Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung absitzt.

Dass Hoeneß bereits nach drei Monaten Ausgang erhielt, deutet in der Tat darauf hin, dass Hoeneß schon auf eine Haftentlassung hoffen kann, wenn er die Hälfte seiner Strafe abgesessen hat.

Das Gesetz sieht diese Halbstrafe durchaus vor, allerdings nur unter strengen Voraussetzungen. Für die meisten Inhaftierten ist deswegen meist nur die bedingte Freilassung nach zwei Dritteln der Haftstrafe erreichbar.

Gerade in Bayern.

Die weitaus meisten Strafverteidiger können bestätigen, dass die Justiz in dem Freistaat eine extrem restriktive Linie bei der Halbstrafenregelung fährt. Es ist noch gar nicht lange her, dass mir der Vorsitzende einer bayerischen Strafvollstreckungskammer am Telefon sagte:

Das ist ja alles schön und gut, aber bei uns ist die Halbstrafe faktisch abgeschafft.

Na ja, ich werde ihn Anfang der Woche mal anrufen.

0,01 Gramm – oder weniger

Das Amtsgericht Hersbruck hat eine 42-jährige Lehrerin wegen Drogenbesitzes zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Frau war bei einer Verkehrskontrolle aufgefallen. Bei ihr wurde Marihuana gefunden – und zwar höchstens ein hundertstel Gramm.

Es handelte sich wohl um ein Papierchen aus der Handtasche der Frau, an dem Marihuana-Reste klebten. Wie viel, steht nicht fest. Aber es war auf jeden Fall extrem wenig, wie ein Polizeibeamter vor Gericht erläuterte:

Die Menge war verschwindend gering. Wir haben uns aufgrund der Messungenauigkeit darauf geeinigt, solche Mengen mit 0,01 Gramm anzugeben. Es hätten aber auch 0,001 Gramm sein können.

Vor Gericht folgte dann ein Gezerre, über das nordbayern.de berichtet. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Gericht sahen sich außer Stande, das Verfahren einzustellen. Immerhin, so das Argument, handele es sich ja um eine Lehrerin, die auf dem Weg zur Arbeit war.

Wohlgemerkt: Bei dem Urteil ging es laut dem Bericht nur um den angeblichen Drogenbesitz, nicht um eine mögliche Fahruntüchtigkeit der Lehrerin. Diese wurde zwar offenbar ziemlich sachwidrig ins Feld geführt. Besonders interessant ist außerdem, dass sich die Richterin offenbar auch noch stolz darauf war, den vom Bundesverfassungsgericht seit nun zig Jahren angemahnten Anwendungsbereich für straffreien Eigenkonsum kurzerhand auf Null zu definieren.

Man kann nur hoffen, dass die Betroffene diese Vorstrafe nicht einfach schluckt.

Nur einer darf Gelb

Gelb bedeutet Langenscheidt – zumindest bei Wörterbüchern. Der Bundesgerichtshof untersagt es deshalb der amerikanischen Firma Rosetta Stone, ihre Sprachlernsoftware in einer gelben Verpackung auf den deutschen Markt zu werfen.

Langenscheidt besitzt eine Farbmarke auf „sein“ Gelb für Wörterbücher. In Deutschland haben sich laut dem Gericht Farben auf dem Wörterbuchmarkt durchgesetzt. Langenscheidts größter Konkurrent Pons verwendet ein kräftiges Grün. Deshalb, so das Gericht, sei bei Wörterbüchern die Farbe aus Verbrauchersicht mittlerweile ein eigenständiges Kennzeichen. Ebenso haben bereits die Vorinstanzen entschieden.

Allerdings hat Rosetta Stone die Löschung der Langenscheidt-Marke beantragt. Hierüber läuft noch ein gesonderter Prozess (Aktenzeichen I ZR 228/12).

Herbst D€eal

Die bei Filesharing-Fällen eingeschalteten Inkassobüros sind ja Experten. Im Auspressen ausgelutschter Zitronen. Ganz vorne mit dabei ist die Firma Debcon aus Bottrop. Diese verschickt jetzt mal wieder massenhaft „persönliche Einladungen“ in der Hoffnung, dass man ihr im Gegenzug Geld schickt. Das Ganze läuft unter dem schmucken Slogan „Herbst D€eal“.

DebconDeal

Na ja, für einen trockenen Lacher ist es gut.

Gleiches Recht für alle?

Nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Kündigungsfristen sind zulässig. Vor dem Bundesarbeitsgericht scheiterte jetzt eine Angestellte, welche die Höchstkündigungsfrist von sieben Monaten für sich einforderte. An sich stand der Frau nach dreieinhalb Jahren in ihrer Firma nur eine Kündigungsfrist von einem Monat zu.

Die Frau argumentierte vor Gericht, jüngere Arbeitnehmer würden durch gestaffelte Kündigungsfristen naturgemäß diskriminiert. So ist für die maximale Frist von sieben Monaten eine Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren erforderlich. Vor Vollendung des 25. Lebensjahres steht Arbeitnehmern laut Gesetz ohnehin nur die Grundkündigungsfrist von vier Wochen zu.

Insbesondere machte die Klägerin geltend, Arbeitnehmer jeden Alters bräuchten bei einer Kündigung Zeit, eine neue Stelle zu finden. Ihre durchaus kreative Sicht der Dinge fand beim Bundesarbeitsgericht allerdings wenig Gegenliebe. Das Gericht hält die Kündigungsfristen in der aktuellen Form für zulässig.

Bericht bei Spiegel Online

Spielregeln für den Deal

In einem Strafprozess muss das Gericht zu Beginn mitteilen, ob es mit den Beteiligten Gespräche über eine Verständigung (sogenannter „Deal“) geführt hat. Das beinhaltet aber auch die Pflicht zur ausdrücklichen Mitteilung, dass eventuell keine solchen Gespräche stattfanden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht nun in zwei Fällen entschieden.

Zwei Verurteilte hatten mit ihren Revisionen gerügt, dass im Hauptverhandlungsprotokoll nichts darüber stand, ob es Verständigungsgespräche gab. So ist es gesetzlich eigentlich vorgeschrieben. Der Bundesgerichtshof hatte die Revisionen der Betroffenen dennoch verworfen, weil er eine sogenannte Negativmitteilung über nicht stattgefundene Gespräche für entbehrlich hält.

Leider geschah dies mit einer Begründung, die das Bundesverfassungsgericht nun ganz offen als indiskutabel kritisiert. Die Verfassungsrichter werfen ihren Kollegen am Bundesgerichtshof sogar vor, gegen das Willkürverbot verstoßen zu haben, als sie den eigentlich aus sich heraus verständlichen Wortlaut des Gesetzes gegenteilig deuteten (Beschluss 1, Beschluss 2).

Damit nicht genug, hebt das Bundesverfassungsgericht noch eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Theme Verständigung im Strafverfahren auf. Dabei ging es um die Frage, ob der Angeklagte über seine besonderen Rechte belehrt werden muss, bevor er der Verständigung zustimmt. Oder erst, bevor er nach abgeschlossener Verständigung mit seinem Geständnis beginnt.

Diese Belehrung muss laut den Verfassungsrichtern erfolgen, bevor es zur Verständigung kommt. Wird dagegen verstoßen, müssten besondere Umstände vorliegen, um das Urteil nicht unwirksam zu machen (Aktenzeichen 2 BvR 2048/13).