Wurde bei Edathy zu früh durchsucht?

Die Hausdurchsuchung beim früheren Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy war möglicherweise illegal. Edathys Anwalt hat laut Spiegel online einen zeitlichen Ablauf der Ereignisse vorgelegt, aus dem sich nach seinen Angaben ergibt: Edathys Immunität wurde missachtet.

Das wäre eine weitere Peinlichkeit für die Hannoveraner Staatsanwaltschaft in einem Verfahren, das an Peinlichkeiten schon reich genug ist.

Dazu gehören insbesondere die fragwürdige Pressekonferenz, in welcher der Fall ohne jede Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten ausgebreitet wurde. Erst vor Tagen sind dann vertrauliche Daten aus einem Ermittlungsbericht an die Öffentlichkeit gelangt, der Edathy belasten soll.

Nun stellt sich Edathy auf den Standpunkt, er sei am Tag der Hausdurchsuchung, dem 10. Februar 2014, noch Abgeordneter gewesen. Seinen Mandatsverzicht hatte er zwar am 7. Februar erklärt. Allerdings wird dieser Verzicht wohl erst nach einer Bestätigung durch den Bundestagspräsidenten wirksam.

Diese Bestätigung erfolgte just am 10. Februar, als bei Edathy durchsucht wurde. Bis zum Ablauf dieses Tages, so Edathys Anwalt, sei sein Mandant Abgeordneter mit allen Rechten und Pflichten gewesen – und gegen einen Abgeordneten dürfen strafprozessuale Maßnahmen nur nach Aufhebung seiner Immunität erfolgen. Edathys Immunität wurde aber nie aufgehoben.

Es wäre schon ein dickes Ding, sollte die Staatsanwaltschaft Hannover nicht mal in der Lage sein, die Voraussetzungen eines Eingreifens vorab korrekt zu prüfen. Das könnte insgesamt sogar die Frage aufwerfen, ob das Ergebnis der Hausdurchsuchung sowie eventuell andere Erkenntnisse vor dem 11. Februar überhaupt verwertbar sind.

Auch wenn Gerichte eher zögerlich bei Verwertungsverboten sind, ginge es doch um die wesentlichen Rechte eines Volksvertreters. Kaltlächelnd darüber hinwegzusehen, dürfte jedenfalls nicht ganz einfach sein.

Update: Die Staatsanwaltschaft Hannover verweist in einer Stellungnahme darauf, Edathy habe seinen Mandatsverzicht schon Tage vorher auf Facebook gepostet. Auch habe Edathys Anwalt mitgeteilt, dieser habe alle seine Ämter niedergelegt.

Wörtlich: „Aus dem Grunde sind wir davon ausgegangen und durften davon ausgehen, dass das tatsächlich so war.“

Daraus wird zumindest ersichtlich, dass die Staatsanwaltschaft offenbar das juristische Problem nicht gesehen hat. Oder sie ging davon aus, dass alles schon o.k. ist, wenn es auf Facebook steht.

Dementsprechend heißt es in der Erklärung auch, man werde aber selbstverständlich jetzt schauen, ob an den Vorwürfen was dran ist.

Eigenbedarf kann vieles sein

Dass die Hürden für die Eigenbedarfskündigung einer Wohnung nicht zu hoch gehängt werden dürfen, ist bekannt. Das Bundesverfassungsgericht präzisiert nun in einem wichtigen Punkt die Anforderungen.

Laut dem Verfassungsgericht kann Eigenbedarf selbst dann gegeben sein, wenn der Vermieter gar keinen „Wohnungsmangel“ im engeren Sinn leidet oder eine ansonsten „wohnbedarfstypische Lage“ vorliegt. Es genügen vielmehr nach wie vor „vernünftige und nachvollziehbare Gründe“ für die Inanspruchnahme des Wohnraums. Um was für Gründe es sich handelt, spielt keine ausschlaggebende Rolle.

Die Entscheidung erging in einem Fall, in dem ein Arzt aus Hannover seine langjährige Mieterin in Berlin auf Räumung verklagt hatte, weil er die Wohnung nach eigenen Angaben für gelegentliche Besuche bei seiner nichtehelichen Tochter und für Kurzurlaube benötigt. Das Kind wohnt bei seiner Mutter in Berlin, der Vermieter selbst mit seiner Familie in Hannover (Aktenzeichen 1 BvR 2851/13).

Stilvolle Anfrage

Aus einer Mandatsanfrage:

… füge ich 150 Euro in bar als Honorar bei, damit Sie sich das Urteil in Ruhe anschauen können. Bitte schreiben Sie mir doch dann in den nächsten Tagen, ob die Sache was für Sie ist und zu welchen Konditionen wir zusammenarbeiten können. Wenn nicht, ist das auch o.k. Vielleicht können Sie mir dann freundlicherweise einen geeigneten Kollegen empfehlen.

I like.

Wir helfen Jura-Kandidaten

Grobe Fährlässigkeit definiert der Jurist als „Außerachtlassung der im Verkehr üblichen Sorgfalt“. Grob fahrlässig wäre es zum Beispiel für alle angehenden Juristen, die demnächst eine Strafrechts-Klausur schreiben oder in eine mündliche Prüfung müssen, noch nie von einem aktuellen Artikel auf Spiegel online gehört zu haben.

Der Beitrag schildert folgendes: Bei einem Hersteller für Banknoten-Prüfsensoren verschwanden 700 Zehn-Euro-Banknoten. Dabei handelt es sich um Scheine im ganz neuem Design, welche die Europäische Zentralbank ab 23. September 2014 in Umlauf bringt.

Die Scheine stammen aus einer Originalserie, die Prüffirma erhielt sie vorab gegen (Geld-)Sicherheit nur für den Zweck, damit sie ihre Automaten rechtzeitig auf die Umstellung vorbereiten kann.

Bei der Firma wurde im April eingebrochen. Einige der mitgenommenen Banknoten tauchten jetzt auf, weil jemand mit ihnen einen Taxifahrer bezahlt hat. Außerdem wurde mit weiteren Geldscheinen an einer Esso-Tankstelle bezahlt.

Es ist unschwer zu erkennen: Was für eine geile Prüfungsaufgabe….

Ich persönlich finde die Antwort am Ende des Artikels etwas dürftig. Jedenfalls stecken auf dem Weg zur Lösung einige juristische Probleme, und zwar auch aus dem öffentlichen Recht, die man vorher wirklich erst mal durchdenken muss.

Ich habe kurz überlegt, ob ich schon mal meine Meinung schreiben soll. Dann kam mir der Gedanke, dass doch ohnehin der eine oder andere Lust hat, seine Wertung zu posten. Deshalb machen wir es anders:

Wer will, schreibt, seine Gedanken zu den Rechtsfragen im Fall in die Kommentare. Damit es nicht zu langweilig wird, gibt es für die fachlich besten und / oder originellsten Lösungsansätze je einen Preis:

Ein Exemplar meines neuen Buches „Alles, was Unrecht ist – Das Beste von lawblog.de“. Die Gewinner ermittele ich ab dem 12. Mai 2014, und zwar unter Berücksichtigung der Leserkommentare.

PS. Natürlich nehmen nicht nur komplette Lösungsvorschläge teil. Es reichen auch kluge oder lustige Worte zu einzelnen Aspekten.

Trinkgeld-Bewacherinnen

Toilettenfrauen sind keine einfachen „Trinkgeld-Bewacherinnen“. Selbst wenn sie selbst keine Reinigungsarbeiten durchführen, müssen sie nach dem Tariflohn im Reinigungsgewerbe bezahlt werden, urteilte das Landessozialgericht Berlin.

Die Sozialversicherung hatte beanstandet, dass eine Berliner Firma ihren Toilettenfrauen nur zwischen 3,60 bis 4,50 Euro Stundenlohn zahlte. Der Tarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk verlangt aber einen Mindestlohn, der bei sechs bis acht Euro pro Stunde liegt.

Die betroffene Firma, die Kundentoiletten in Einkaufszentren betreut, soll nach dem Urteil nun 118.000 Euro Sozialabgaben nachzahlen.

Doch damit nicht genug: Die Richter sehen deutliche Anhaltspunkte für Betrug. Und zwar gegenüber den Trinkgeldgebern. Diese gingen regelmäßig davon aus, dass die diensthabende Reinigungskraft das Geld bekommt. Tatsächlich müssen die Toilettenfrauen das Geld vollständig an den Toilettenpächter abführen (Aktenzeichen L 9 KR 384/12).

Früherer Beitrag zum Thema

Bitte lächeln – auf eigene Kosten

Gesetzlich Krankenversicherte müssen seit dem Jahresanfang eine elektronische Gesundheitskarte haben. Sofern sie Wert darauf legen, ohne Scherereien von einem Arzt behandelt zu werden. Die Karte gibt es für Personen ab 15 Jahren nur noch mit Foto. Die Frage ist, wer trägt die Kosten für das Bild?

Das wollte ein Kassenpatient gerichtlich klären lassen. Er hatte 24,40 Euro für das Foto bezahlt. Da er sich ansonsten nicht hätte fotografieren lassen, wollte er das Geld von seiner Krankenkasse zurück.

Allerdings sehen die Richter am Landessozialgericht Rheinland-Pfalz keine Erstattungspflicht der Kasse. Wie schon die Vorinstanz meint das Gericht, das Gesetz verpflichte den Versicherten, seine Kasse mit einem Foto zu versorgen. Kostenerstattung sehe das Gesetz nicht vor. Deshalb bleibt der Patient auf den Kosten sitzen, wie so viele andere auch (Aktenzeichen L 5 KR 32/14 NZB).

Kein Grund zum Fummeln

Ich weiß nicht, wie viel Geld ein Düsseldorfer Bankkunde am Automaten abheben wollte. Der Betrag, den er für seine missglückte Aktion später als Schadensersatz und Schmerzensgeld forderte, ging aber mit einiger Sicherheit über sein Tageslimit hinaus.

5.000 Euro wollte der Mann von der Bank, weil er sich bei der Geldentnahme aus dem Bankautomaten die Finger einklemmte. Ein Finger war sogar gebrochen, als sich der Bankkunde dem bissigen Zugriff irgendeiner Klappe oder eines Hebels wieder entziehen konnte.

Das Landgericht Düsseldorf befand nun: Die Bank ist für das Malheur nicht haftbar zu machen. Mit dem Finger in einen funktionierenden Geldautomaten zu geraten, sei eine „fernliegende und nicht absehbare Gefahr“. Immerhin, so das Gericht, würden die Geldscheine bei der Ausgabe etwa daumendick über der Klappe aus dem Ausgabeschacht herausgeschoben. Einen Grund, dann im kurzzeitig offenstehenden Ausgabeschacht zu fummeln, konnte das Gericht deswegen nicht erkennen.

Der Kläger hat nach Auffassung der Richter auch nicht belegen können, dass so etwas schon mal vorgekommen ist. Nur dann hätte die Bank eventuell Vorsorge treffen müssen. Was möglicherweise nun bedeutet, dass die Sache bei einem erneuten Unfall nun vielleicht anders ausgehen könnte. Wobei ich jetzt niemanden auf falsche Gedanken bringen möchte (Aktenzeichen 6 O 330/13).

Gefahren im Modehaus

Bekleidungsgeschäfte müssen Kleiderständer so gestalten, dass kleine Kinder sie nicht einfach umwerfen können. Das Oberlandesgericht Hamm sprach nun einem vierjährigen Mädchen Schadensersatz und Schmerzensgeld zu. Die Kleine hatte in einem Modehaus an einem Ständer mit Gürteln gezogen und diesen umgeworfen.

Das Kind wurde unter dem Kleiderständer begraben, der auf leicht beweglichen Rollen stand. Der Zinke eines Gürtelhalters verletzte den Sehnerv eines Auges. Folgeschäden nicht ausgeschlossen.

Das Oberlandesgericht Hamm sieht das Modehaus in der Pflicht, sich auf Kinder einzustellen. Kleiderständer dürften nicht mit so geringer Kraft umgeworfen werden können, wie sie ein vierjähriges Mädchen aufbringt.

Ein Mitverschulden der Eltern sieht das Gericht nicht. Sie hätten ihre Tochter, die in der nur etwa fünf Meter entfernten Spielecke spielen sollte, ausreichend im Auge gehabt. Außerdem sei fraglich, ob die Eltern das „kindliche Verhalten“ ihrer Tochter noch rechtzeitig hätten vermeiden können (Aktenzeichen 6 U 186/13).

Spam durch die Hintertür

Unverlangte Werbung ist auch dann verboten, wenn sie quasi durch die Hintertür kommt. Zum Beispiel in Form von Auto-Replys auf Kundenmails, an die Unternehmen Reklame anhängen. Dies hat das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt entschieden.

Ein Versicherungskunde hatte seinen Vertrag gekündigt. Statt die Kündigung zu bestätigen, schickte die Versicherung zunächst eine Eingangsbestätigung. Diese lautete:

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir bestätigen Ihnen hiermit den Eingang Ihres Mails. Sie erhalten baldmöglichst eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre XXX

Übrigens: XXX per SMS kostenlos auf Ihr Handy. Ein exklusiver Service nur für XXX Kunden. Infos und Anmeldung unter www.xxx.de
Neu für iPhone Nutzer: Die App XXX, inkl. Push Benachrichtigungen für XXX und vielen weiteren nützlichen Features rund um XX und XXX: http://itunes.apple.com/de/app/xxx
***Diese E-Mail wird automatisch vom System generiert. Bitte antworten Sie nicht darauf.***

Der Kunde hatte vorher nicht zugestimmt, von der Versicherung Werbung zu erhalten. Er wandte sich deswegen an den Datenschutzbeauftragten der Versicherung. Dieser antwortete ebenfalls per Auto-Reply, der vorstehende Werbetext war natürlich wieder inklusive.

Letztlich musste das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt die Sache entscheiden. Das Gericht verweist erst mal auf den mittlerweile eindeutigen Grundsatz, nach dem jeder Anspruch darauf hat, von unerbetener Reklame per E-Mail verschont zu bleiben.

Das gelte auch für Auto-Replys, an die Werbebotschaften angehängt sind. Auch wenn ein geschäftlicher Kontakt bestehe und die Initiative für die Mail-Korrespondenz vom Kunden ausgegangen sei, müsse dieser den Text lesen und überprüfen, ob die Nachricht von Bedeutung ist – gerade wenn man so ein wichtiges Schreiben wie eine Kündigungsbestätigung erwartet. Das sei eine unzumutbare Belästigung.

Die verklagte Versicherung will gegen das Urteil Berufung einlegen.

Nähere Informationen / Link zum Urteil

Kaution ist nicht antastbar

So lange das Mietverhältnis läuft, ist die Kaution unantastbar. Der Vermieter darf nicht einmal dann auf die Kaution zurückgreifen, wenn er sich das im Vertrag vorbehalten hat, urteilt der Bundesgerichtshof in einer heute bekanntgegebenen Entscheidung.

Eine Mieterin hatte wegen Mängeln die Miete gemindert. Den Minderungsbetrag ließ sich der Vermieter aus der Kaution auszahlen. Er berief sich auf einen Klausel im Mietvertrag, wonach er auch vor dem Ende des Mietverhältnisses an das Geld darf.

Dies ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedoch unzulässig. Die Kaution sei eine Sicherheit für die Abwicklung des Mietverhältnisses nach dessen Ende. Einen vorheriger Zugriff sehe das Gesetz nicht vor. Entsprechende Vertragsklauseln seien deshalb unzulässig (Aktenzeichen VIII ZR 234/13).

… und dann mit dir im Wald allein

Die deutschen Jäger geraten in Verdacht, Datenkraken zu sein. Jäger sollen nämlich großflächig stationäre „Wildkameras“ im deutschen Wald aufgestellt haben, mit denen sie aber auch Spaziergänger und andere Waldbesucher filmen. Datenschützer wollen das nicht hinnehmen.

Der rheinland-pfälzische Landesdatenschutzbeauftragte Edgar Wagner spricht von bis zu 100.000 Kameras, die bereits im Wald Videoaufnahmen machen. Massenhaft tauchen die Geräte erst seit kurzem auf, seitdem die Technik verfügbar und vor allem extrem preiswert geworden ist.

Natürlich dienen die Kameras den Jägern in erster Linie dazu, Wildbewegungen in ihrem Revier zu überwachen. Aber ebenso wie ein Eber löst natürlich auch jeder Spaziergänger den Bewegungssensor aus. Und selbst wenn gerade keine Kamera scharf gestellt ist, bleibt auf jeden Fall der „Chilling Effect“, der von jeder Überwachung ausgeht.

Der rheinland-pfälzische Datenschützer sieht keine Rechtsgrundlage für die Cams. Diese seien nur in an besonderen Stellen zulässig, Wildbrücken etwa. Deshalb droht Wagner unbeugsamen Jägern nun Bußgelder bis zu 5.000 Euro an; er will das gegebenenfalls auch vor Gericht bringen. Der rheinland-pfälzische Landesjagdverband hält die Wildkameras dagegen für ein wichtiges Arbeitsmittel der Jäger, da diese ihr Revier besser betreuen könnten. Die Jäger wollen deshalb Musterprozesse führen.

Auch in Schleswig-Holstein sind die Wildkameras mittlerweile ein Thema. Der Abgeordnete Patrick Breyer (Piraten) fordert Taten von der Regierung, nachdem auch das Unabhängige Landesdatenschutzzentrum rechtliche Zweifel geäußert hat.

Bericht in der PC-Welt

Mordfall Peggy: Freispruch naht

Der im Mordfall Peggy angeklagte Ulvi K. kann auf einen Freispruch hoffen. Gestern rückte der Psychiater Hans-Ludwig Kröber von seinem Gutachten in der ersten Prozessauflage ab. Seinerzeit hatte der Sachverständige K.s Angaben für durchaus glaubhaft gehalten.

Nunmehr relativerte Körber seine Einschätzung, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Möglicherweise habe K. verschiedene Erlebnisebenen vermischt, auch in zeitlicher Hinsicht.

Deshalb sei es möglich, dass K. aufgrund des Drucks der zahlreichen Vernehmungen „ein plastisches Bild von einer erfundenen Situation“ gezeichnet habe. Demnach könne ein „falsches, wenn auch plausibles Geständnis“ vorliegen.

Das Gericht teilte heute mit, es werde die Beweisaufnahme vorzeitig beenden. Der Vorsitzende äußerte, bis zum heutigen Tag sei kein einziger Sachbeweis gefunden worden, der Ulvi K.s Geständnis belegen kann.

Was ist ein Strafverteidiger?

Was ist ein Strafverteidiger? Über diese Frage muss sich wahrscheinlich das Amtsgerichts Fürstenfeldbruck demnächst den Kopf zerbrechen. Dort ist ein gelernter Mechatroniker wegen Titelmissbrauchs angeklagt.

Der Mann hatte von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, für einen mutmaßlichen Schwarzfahrer im Strafverfahren als „Verteidiger“ aufzutreten. Das ist in kleineren Fällen auch für Nichtjuristen durchaus möglich. Auch wenn – zum Glück für uns Anwälte – kaum jemand mal was von dieser Vorschrift gehört hat. Einzige Hürde ist die Zulassung als Verteidiger, über die das Gericht auf Antrag entscheiden muss.

Dem Mechatroniker war es gelungen, den Richter davon zu überzeugen, dass er die – nicht besonders hohen – Anforderungen erfüllt, um als Verteidiger für den angeblichen Schwarzfahrer aufzutreten. Zur Anklage gegen ihn kam es, weil er fälschlicherweise den (eindeutig geschützten) Titel „Rechtsanwalt“ geführt haben soll. Und zwar bei der örtlichen Polizei, wo er seinen „Mandanten“ nach dessen Festnahme abholte.

Im Polizei-Protokoll soll jedenfalls vermerkt sein, der Beistand habe sich als „Rechtsanwalt“ ausgegeben. Das jedoch bestreitet der Mechatroniker. Er sagt, er habe sich lediglich als Strafverteidiger vorgestellt. Nur habe der Polizist das wohl mit Rechtsanwalt „übersetzt“ und so ins Protokoll geschrieben. Dafür sei er aber nicht verantwortlich, da er sich nicht selbst als Rechtsanwalt bezeichnet habe.

Eine durchaus geschickte und, wie ich finde, vielversprechende Verteidigungsstrategie. Einen geschützten Titel „führt“ man nämlich nur dann, wenn man sich aktiv als Rechtsanwalt, Arzt etc. ausgibt. Dass andere dich so bezeichnen, ist deren Problem.

Sollte der Polizist also eigenmächtig aus dem „Strafverteidiger“ einen „Rechtsanwalt“ gemacht haben, wäre der Betroffene wahrscheinlich vom Haken. Denn der Titel „Strafverteidiger“ wird vom Gesetz nicht geschützt.

Helfen könnte dem Mann auch ein ebenfalls wenig bekannter Umstand: Als vollwertige Strafverteidiger, die keine besondere Zulassung vom Gericht benötigen, können nicht nur zugelassene Rechtsanwälte, sondern durchaus auch andere Personen auftreten. Zum Beispiel Juraprofessoren. Nicht mal im Kern ist der Begriff Strafverteidiger also identisch mit Titel Rechtsanwalt.

Ein Urteil wurde in der Sache allerdings noch nicht gefällt. Der Mechatroniker war seinerseits mit einem Nichtanwalt als Beistand erschienen, den das Gericht allerdings aus Zweifeln an seiner Qualifikation nicht zuließ. Dagegen wurde dann prompt Beschwerde eingelegt, über die jetzt erst vor der Hauptsache entschieden werden muss.

Bericht auf merkur-online.de

Mit extrascharfer Sauce

Derzeit kriegen wir einen schönen Einblick, was Polizeiarbeit im Alltag bedeutet. Da geht es meist weniger um großangelegten Betrug oder gar Kapitalverbrechen. Sondern um die kniffelige Frage, ob ein Döner als Waffe missbraucht worden ist.

Genau das wird dem Dortmunder Fußballprofi Kevin Großkreutz zur Last gelegt. Fest steht nur: Großkreutz ließ sich am Sonntag im Kölner Nachtleben treiben und wollte einen Döner essen. Und zwar einen mit extrascharfer Sauce. Doch schon ab diesem Punkt gibt es höchst unterschiedliche Versionen.

Ein Kölner sagt, Großkreutz habe ihm den Döner ins Gesicht geworfen, was wegen der extrascharfen Sauce, die der betreffende Laden als Spezialität vertreibt, tierisch in den Augen gebrannt habe. Vorausgegangen waren möglicherweise „Großkreutz“-Rufe aus dem Publikum auf dem Boluevard. Oder aber, wie Großkreutz sagt, gezielte Provokationen in Form spontaner Gesänge, von denen er sich beleidigt fühlte.

Großkreutz sagt, er habe sich geärgert und den Döner auf die Erde geworfen. Aber auf keinen Fall ins Gesicht des Betreffenden, der ein Köln-Trikot getragen haben will. Der Imbissbuden-Besitzer soll sich erinnern, dass Großkreutz den Döner geworfen hat. Unklar ist nach seiner Aussage aber wohl bislang, wohin der Döner flog.

Die Polizei muss nun klären, was passiert ist. Eine wirklich spannende und dramatische Aufgabe. Aber allenfalls deswegen, weil der Verdächtige ein Promi ist. Ansonsten aber reden wir über die typische Dutzendware, die nicht nur den Arbeitsalltag von Streifenbeamten, sondern auch den von Kriminalkommissaren diktiert – und blockiert.

Aber vielleicht schaffen es die Beteiligten ja noch, die Sache aus der Welt zu schaffen. Das mutmaßliche Opfer könnte dann seinen Strafantrag zurücknehmen. Ich glaube kaum, dass ein Staatsanwalt Wert unbedingt Wert auf die Klärung der Frage legt, ob ein extrascharfer Döner ein „gefährliches Werkzeug“ ist.

Recht und Respekt

Der Strafprozess um die Verantwortlichen des Bankhauses Sal. Oppenheim bot gestern eine Überraschung. Zumindest aus Sicht des zuständigen Staatsanwalts. Dieser fühlte sich von der Entscheidung eines wichtigen Zeugen, die Auskunft zu verweigern, so provoziert, dass er dieses Verhalten im Gerichtssaal als „Unverschämtheit“ titulierte und auch ansonsten kräftig vom Leder zog.

Vor Gericht erschienen war Thomas Middelhoff, Ex-Bertelsmann und Arcandor-Manager. Wenn man von ihm einiges sagen kann, dann dieses: Er steckt derzeit bis über den Hals in Rechtsstreitigkeiten. Er führt Schadensersatzprozesse, er ist auf Schadensersatz verklagt, und auch die Strafjustiz ist an Middelhoff interessiert.

Vor allem letzteres ist natürlich für Middelhoff ein Grund gut zu überlegen, ob er vor Gericht was sagen will. Er entschied sich, dies nicht zu tun. Vor allem, weil der Focus am Wochenende über neue Ermittlungen gegen Middelhoff berichtet hatte. Sagte zumindest Middelhoff.

Das Ganze führt halt nun mal zu einem Auskunftsverweigerungsrecht eines Zeugen. So steht es in der Strafprozessordnung. Was den Staatsanwalt aber nicht daran hinderte, Middelhoff des fehlenden Respekts vor der Justiz zu zeihen und öffentlich sogar über die Notwendigkeit einer „Missbrauchsgebühr“ für vermeintlich renitente Zeugen zu sinnieren.

Da stellt sich in der Tat die Respektfrage – und zwar in Bezug auf den Staatsanwalt. Sein einziges Argument war wohl, dass Middelhoff bis zur Hauptverhandlung eher Bereitschaft für eine Aussage signalisiert hatte. Middelhoffs Sinneswandel, der die Terminsplanung des Gerichts sicher etwas durcheinanderwirbelt, allerdings als „Missbrauch“ zu klassifizieren, offenbart ein fragwürdiges Verständnis zu den prozessualen Rechten eines Zeugen.

Der Staatsanwalt übersieht, dass ein Auskunftsverweigerungsrecht nun mal besteht. Oder eben nicht. Besteht es nicht und beruft sich der Zeuge trotzdem darauf, kann der Staatsanwalt vor Gericht was dagegen unternehmen. Zum Beispiel Zwangsgelder festsetzen oder den Zeugen sogar ins Gefängnis werfen lassen, um ihn zu einer Aussage zu zwingen.

Der Staatsanwalt hat am gestrigen Verhandlungstag aber nichts in die Richtung beantragt. Was die Schlussfolgerung zulässt, dass der Zeuge Middelhoff mit seiner Einschätzung, er müsse nichts sagen und wolle das nun auch nicht, richtig lag. Von Middelhoff zu erwarten und es gar öffentlich zu fordern, dass er aus „Gefälligkeit“ gegenüber dem Gericht dennoch aussagt, dreht Rechte und Pflichten im Strafverfahren komplett um.

Insofern war nicht Middelhoffs Auftritt ein Desaster, sondern der des Anklagevertreters.

Bericht im manager-magazin