Die Punkte-(R)evolution

Neuer Name, neues Glück. Oder so ähnlich. Für Autofahrer bringt der 1. Mai eine wichtige Änderung. Das Verkehrszentralregister (VZR) in Flensburg schließt. Allerdings ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht. Denn die Kartei steht am gleichen Tag wieder auf. Nur unter dem Namen „Fahreignungsregister“ (FAER).

Wie es sich gehört, ist aus der beabsichtigten Vereinfachung wieder ein schönes Stück Bürokratie erwachsen. Auch was die Umrechnung bereits bestehender Punkte angeht.

Eine gut aufbearbeitete Übersicht der wichtigsten Neureglungen findet sich hier.

Ob das FAER sich als fair erweist, wird sich dann in der Praxis zeigen.

Missglücktes Tattoo beschäftigt Gerichte

Es ging um ein Blumenmotiv, und es sollte für die Ewigkeit sein. Eine Frau aus Recklinghausen wollte sich die farbige Blüte nebst Ranken aufs rechte Schulterblatt tätowieren lassen. Das ging leider schief, und der Streit endete vor Gericht. Heikle Frage: Darf der Tätowierer auf Nachbesserung bestehen?

Genau dieses Recht machte der Besitzer des Tattoo-Studios nämlich geltend. Er sah zwar ein, dass er unsauber gearbeitet hatte, wollte aber seine Fehler selbst beheben – nachdem die unschönen Stellen auf seine Kosten weggelasert wurden.

Dem erteilte das Oberlandesgericht Hamm nun eine Absage. Wie zuvor schon das Landgericht Bochum halten es die Richter für unzumutbar, dass sich die Frau noch mal bei dem Tätowierer unter die Nadel legt. Es geht nach Auffassung der Richter hier nicht um Kühlschränke, sondern um Arbeiten, die körperliche Schmerzen verursachen. Hierfür sei Vertrauen erforderlich, das die Kundin zu Recht nicht mehr habe.

Die Frau kann deshalb direkt 750 Euro Schmerzensgeld verlangen, außerdem die Kosten für eine fachmännische Beseitigung des Tattoos bei einem Fachmann ihrer Wahl (Aktenzeichen 12 U 151/13).

Tod vor der Klinikpforte

Wenn man die Geschichte hört, macht sie betroffen. In Düsseldorf ist ein 65-jähriger Spaziergänger nachts keine 50 wenige Meter vom Eingang einer Klinik zusammengebrochen. Der Pförtner des Krankenhauses informierte nur die Feuerwehr, weigerte sich gegenüber einem Zeugen aber wohl, die diensthabenden Ärzte zu holen.

Als dann doch zwei Ärzte auf den Rummel aufmerksam wurden, habe der Pförtner sie wieder reingeschickt, was diese dann auch machten. Schließlich, so der Pförtner, sie ja bereits die Feuerwehr alarmiert. Der 65-Jährige verstarb kurze Zeit später auf der Intensivstation der betreffenden Klinik – dorthin hatte ihn der Rettungswagen der Feuerwehr eingeliefert.

Zunächst wiegelte die Klinikleitung ab und wies jedes Verschulden von sich. Ärzte hätten das Klinikgelände gar nicht verlassen und dem Mann helfen dürfen, das sei gegen die Dienstvorschriften und auch versicherungsrechtlich dürfe man nichts machen. Für den „öffentlichen Raum“ sei die Feuerwehr zuständig.

Man braucht wohl nur wenig Fantasie, um zu ahnen, die Rechtfertigung ist reichlich unoriginell. Immerhin gibt es für jedermann bei uns die Pflicht, bei Unglücksfällen Hilfe zu leisten. Wer das nicht tut, obwohl es erforderlich und den Umständen nach zumutbar ist, kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr belegt werden (§ 323 c StGB). Die Pflicht trifft auch Ärzte, und diese müssen im Rahmen ihrer persönlichen Kenntnisse und Möglichkeiten handeln.

Allerdings haben Ärzte keine Sonderpflichten. So gibt es Urteile, nach denen Mediziner nicht schon deshalb strafbar handeln, wenn sie in Notfällen einen Hausbesuch verweigern. Das wird allerdings kaum auf den Düsseldorfer Fall zu übertragen sein. Dort lag das Opfer buchstäblich vor der Tür. Eher geht die Sache in die Richtung diverser anderer gerichtlicher Entscheidungen zur Frage, ob Bereitschaftsärzte einen frisch Eingelieferten, offenbar sofort Behandlungsbedürftigen ohne triftigen Grund warten lassen dürfen. Sie dürfen nicht.

Wenig nachvollziehbar finde ich auch die Argumente der Klinik, der Notarztwagen der Feuerwehr sei ja schon nach sieben Minuten vor Ort gewesen. Darauf befinde sich auch das nötige Equipment für die Erstversorgung, während Geräte aus dem Krankenhaus kaum auf die Straße gerollt werden könnten.

Allerdings dürfte es weder auf das eine noch das andere ankommen. Die Frage ist doch, ob und was Ärzte in den Minuten vor Eintreffen des Notarztes hätten ausrichten können. Außerdem, ob die Mediziner mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln hätten helfen können, notfalls also mit ihrem Notfallkoffer (so was gibt es in jeder Ambulanz). Oder halt auch nur mit ihren bloßen Händen.

Um den Versicherungsschutz braucht sich übrigens niemand zu sorgen, der Hilfe leistet. Wer handelt, steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Daran ändern auch keine hausinternen Vorschriften oder die Klauseln der Klinikversicherung was. Im Zweifel wären sie nämlich unwirksam.

Immerhin scheint auch das Krankenhaus mittlerweile einzusehen, dass nicht alles korrekt gelaufen ist. Nach derzeitigem Kenntnisstand, heißt es in einer Stellungnahme, gehe man nun davon aus, der Pförtner habe die unübersichtliche Lage nicht richtig eingeschätzt und hätte die Ärzte besser informieren soll. Dass dies versäumt worden ist, bedauert die Klinik.

Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile verlauten lassen, es seien keine Anhaltspunkte für strafbares Verhalten zu erkennen. Offenbar sieht man nicht mal Anlass, der Sache auf den Grund zu gehen. Auch eine schnelle Vorfestlegung, die man womöglich nachträglich noch bedauern wird.

Berichte: Express, Spiegel online

Stellungnahme des Krankenhauses

Landestypische Klage

Wer ins Ausland reist, muss mit „landestypischen Geräuschen“ rechnen. Dies erklärte das Amtsgericht Hannover nun einem Pauschalreisenden, der sich im Türkeiurlaub durch die Gebetsrufe eines Muezzin gestört fühlte.

Der Urlauber hatte sich für zwei Wochen im Angora Beach Resort im Städtchen Doganbey (Türkische Ägais) eingebucht. Die erhoffte Erholung habe er jedoch nicht gefunden, klagte der Urlauber vor Gericht. In der Nähe des Hotels sei eine Moschee, und von dort habe der Muezzin über Lautsprecher mehrfach täglich zum Gebet gerufen, und das schon ab sechs Uhr morgens.

So was sei in der Türkei aber üblich, befand das Gericht. Ähnlich wie das Glockenläuten in einem christlichen Land. Außerdem habe in der Reisebeschreibung gestanden, dass sich das Angora Beach Resort im Ortszentrum befindet. Dort müsse man als Urlauber schon mit typischen Geräuschen rechnen.

Auch mit anderen Forderungen kam der Reisende nicht durch. Eine fehlende Armlehne im Flugzeug hielt das Gericht nur für eine bloße Unannehmlichkeit, nicht für einen Reisemangel. Gleiches gilt für den Umstand, dass das Flugzeug auf dem Rückflug wegen schlechten Wetters erst beim dritten Landeversuch unsanft aufgesetzt haben soll (Aktenzeichen 559 C 44/14).

Firmen sollen schneller zahlen

Die Zahlungsmoral unter Firmen, Gewerbetreibenden und Freiberuflern soll verbessert werden. Säumigen Vertragspartnern soll künftig eine Mahnpauschale von 40 Euro berechnet werden dürfen – unabhängig von der Höhe der Hauptforderung. Außerdem, so sieht es ein Gesetzentwurf vor, soll der Verzugszins von 8 auf 9 Prozent steigen.

Mit dem Gesetz, dem der Bundestag noch zustimmen muss, wird im Kern eine EU-Richtlinie umgesetzt. Diese will gerade kleine und mittlere Unternehmen vom Druck großer Außenstände entlasten. Die Mahnpauschale soll auch öffentlichen Auftraggebern berechnet werden dürfen, die ja ohnehin oft am längsten mit der Zahlung warten.

Auch Zahlungsziele selbst sollen nach oben begrenzt werden. So dürfen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur noch Abnahme- und Überprüfungsfristen von längstens 15 Tagen ausbedungen werden. Zahlungsziele von mehr als 30 Tagen dürfen im Kleingedruckten ebenfalls nicht mehr stehen.

Für Verbraucher ändert sich allerdings nichts. Die Regelungen gelten nach den aktuellen Plänen nur im geschäftlichen Verkehr.

„Ach, Sie meinten siebzehndreißig“

Weil ich unterwegs war und gerade noch was anderes zu tun hatte, bat ich gestern nachmittag einen Mandanten, noch mal um halb sechs auf meinem Handy anzurufen.

Es war die früheste Besprechung meines Lebens. Das hat man davon, wenn man sich gegenüber einem Ex-Berufssoldaten „klar“ audrückt. Ich hoffe, ich habe nicht zu wuschig geklungen.

Osterpause

Das law blog macht eine kleine Osterpause.

Am Donnerstag, 24. April 2014, geht es weiter. Bis dahin wünschen wir schöne und erholsame Festtage.

Ethikunterricht muss nicht sein

Eltern in Banden-Württemberg können nicht verlangen, dass ihre Kinder in der Grundschule Ehtikunterricht erhalten. Die Schulen seien nicht verpflichtet, Ehtikunterricht so früh anzubieten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Geklagt hatte ein konfessionslose Mutter. Sie war nicht damit einverstanden, dass an den Grundschulen lediglich Religionsunterricht angeboten wird. Ihre Kinder, die sie nicht religiös erziehen wolle, würden dadurch benachteiligt.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht dagegen keine Verpflichtung für einen Ehtikunterricht. Der Gesetzgeber habe einen Gestaltungsspielraum bei den Schulfächern. Dieser werde durch den Verzicht auf Ethikunterricht in der Grundschule nicht überschritten. Der Vergleich mit Religion könne nicht gezogen werden; Religionsunterricht sei im Gegensatz zu Ethik nämlich als „ordentliches Schulfach“ durch das Grundgesetz vorgeschrieben (Art. 7 Abs. 4).

Aktenzeichen 6 C 11.13

Tempo führt nicht zu Überholverbot

Wer zu schnell überholt, trägt nicht schon deswegen Mitschuld an einem Unfall. Das Oberlandesgericht Hamm entschied jetzt, dass es vielmehr darauf ankommt, ob der Unfall gerade auch wegen des Tempoverstoßes geschehen ist.

Ein Motorradfahrer hatte in der Stadt ein Auto überholt. Dabei war er schneller als die erlaubten 50 Stundenkilometer. Das Motorrad krachte in ein Auto, das nach rechts aus der Ausfahrt eines Supermarktes auf die Straße bog. Ein Sachverständiger hatte unter anderem festgestellt, dass der Motorradfahrer nicht mit dem plötzlichn Anfahren des Autos rechnen musste. Außerdem hätte sich der Unfall auch ereignet, wenn das Motorrad langsamer gewesen wäre.

Ein Tempoverstoß als solcher begründet nach Auffassung der Richter demnach kein „faktisches Überholverbot“. Außerdem weist das Gericht darauf hin, Überholverbote schützten nur den nachfolgenden und den Gegenverkehr, nicht aber Autos, die von einem Parkplatz aus auf die Straße einbiegen.

Der Motorradfahrer bekommt jetzt vollen Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 19.500 Euro (9 U 149/13).

Wieso

Heutiger selbstverfasster Lieblingssatz:

Es stellt sich die Frage, wieso meine Mandantin mit einer gestohlenen externen Festplatte in der Hose noch 20 Minuten durch den Media Markt laufen sollte.

Die ganze, reichlich absurde Geschichte erzähle ich, sobald das Verfahren erledigt ist.

Gegen Autoplay helfen keine Paragrafen

Auf Facebook spielen (Werbe-)Videos sich jetzt automatisch ab. Handynutzer mit Datentarif sind darüber nicht unbedingt glücklich, weil die Videos am Highspeed-Volumen knabbern. Aber auch nicht jeder Desktopnutzer möchte sofort mit laufenden Bildern konfrontiert werden.

Juristisch ist Facebook mit der neuen Präsentationsform auf der sicheren Seite. Wieso, das erläutert der Medienrechtler Karsten Gulden auf seiner Seite:

Bei den bewegten Bildern handelt es sich rechtlich um nichts anderes als um eine ganz normale (Werbe)Anzeigen. Solche gewöhnlichen Anzeigen sind in rechtlicher Hinsicht völlig unbedenklich – jedenfalls solange diese als Werbung deutlich erkennbar ist. … Durch die Anmeldung und das Einloggen bei Facebook werden die Nutzungsbedingungen der Plattform akzeptiert. Der Nutzer weiß also – oder sollte es zumindest wissen – dass auf der Plattform die Autoplay-Funktion genutzt wird.

Aber man muss auch nicht gleich an juristische Schritte denken. Facebook bietet nämlich die Möglichkeit, die Autoplay-Funktion abzuschalten. Wie das geht, steht hier.

Anwälte dürfen kostenlos beraten

Anwälte dürfen eine kostenlose Erstberatung bzw. Ersteinschätzung anbieten. Dies hat das Landgericht Essen im Fall von zwei Kanzleien entschieden, die Abmahnopfer in Fielesharing-Fällen vertreten.

Ein Anwaltsbüro hatte gegen das andere geklagt, weil die Juristen bundesweit mit kostenloser Erstberatung, auch telefonisch, warben. Das sei wettbewerbs- und standeswidrig, meinten die Kläger.

Das Landgericht Essen konnte beides nicht feststellen. Ein Wettbewerbsverstoß liege nicht vor, weil der Preis ein anerkanntes Mittel sei, um Kunden zu gewinnen. Auch Niedrig- bzw. Dumpingpreise seien in der vorliegenden Konstellation nicht untersagt.

Auch gegen die festen Regeln zur Anwaltsvergütung hätten die Anwälte nicht verstoßen. Das Vergütungsgesetz kenne bei der Erstberatung keine Mindestgebühr wie bei vielen anderen Anwaltsdienstleistungen.

Allerdings bedeutet das Urteil nicht, dass Anwälte kostenlose Ersteinschätzungen geben müssen (Aktenzeichen 4 O 226/13).

Direkt bezahlt

Die Verurteilung der Amtsdirektorin Gudrun L. wegen Vorteilsannahme ist rechtskräftig. Der Angeklagten, die eine Baubehörde in Brandenburg leitet, war vorgeworfen worden, sich als Amtsträgerin der Vorteilsannahme schuldig gemacht zu haben. Sie hatte eine Weihnachtsfeier ihres Amtes von einem Unternehmer finanzieren lassen, der der an der Vergabe weiterer Aufträge zur Sanierung von Mülldeponien interessiert war.

Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hatte die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100,00 € verurteilt. Auch das Landgericht hatte das Urteil bestätigt. Nun entschied der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in letzter Instanz, dass tatsächlich eine Vorteilsannahme vorgelegen hat.

Laut den Gerichten hatte der Unternehmer die Weihnachtsfeier nur finanziert, um bei der Vergabe noch ausstehender Aufträge vorrangig berücksichtigt zu werden. Gefeiert hatten die Amtsdirektorin und ihre Mitarbeiter in einer Gaststätte. Einschließlich eines „kabarettistischen Rahmenprogramms“ kostete die Feier 750,00 Euro. Das Geld zahlte der Unternehmer direkt an den Wirt (Aktenzeichen (1) 53 Ss 39/14 (21/14).

Kaugummi

Die Bundesregierung will nicht nur Nacktbilder von Kindern verbieten, sondern auch von Erwachsenen. Selbst wenn diese nicht pornografisch sind. Aber noch viel mehr: Auch Bilder, die andere Personen lediglich „bloßstellen“, sollen künftig strafbar sein.

In der Süddeutschen Zeitung findet Heribert Prantl deutliche Worte zu diesen Plänen:

Das geht zu weit; diese neuen Vorschriften verstoßen gegen das Bestimmtheitsgebot. Wann sind Bilder „bloßstellend“? Wenn man darauf sieht, wie sich einer zwischen den Beinen kratzt? Wenn die Hose offen ist? Wenn jemand sich in der Nase bohrt? Wer „bloßstellend“ als Tatbestandsmerkmal ins Strafgesetzbuch schreibt, stellt das Strafrecht bloß; er macht es zum gesellschaftspolitischen Kaugummi.

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