Härtere Strafen allein helfen nicht

Mobbing gehört bei uns zum Alltag. Bereits jeder Dritte hat schon entsprechende Erfahrungen gemacht, wie eine großangelegte Studie zeigt. Aber wie soll man auf Mobbing reagieren? Neue Gesetze und härtere Strafen allein werden nicht viel bewirken, sage ich in meiner aktuellen Kolumne für die Webseite der ARAG.

Hier geht es zum Beitrag.

Frau Kern

Anrufnotiz:

Frau Kern vom *amt bittet dringend noch heute um Rückruf wegen der fehlenden Daten. Per Mail wollte sie nicht kommunizieren, das sei ihr zu aufwendig.

Jetzt habe ich zwei Mal versucht, Frau Kern zu erreichen. Sie geht nicht ans Telefon. Alles weitere ist mir zu aufwendig.

Offenkundig schmerzbefreit

Wie weit man bei Massengentests mittlerweile gehen kann, demonstriert in diesen Tagen die Krefelder Polizei. Ein, wie ich finde, offenkundig schmerzbefreiter Ermittlungsrichter gestattete den Ermittlern, in nächster Zeit von allen Einwohnerinnen der Stadt im gebärfähigen Alter DNA-Proben einzufordern. Dazu sollen die Frauen nach und nach zu Hause aufgesucht und um Speichelproben gebeten werden.

Krefeld hat 292.000 Einwohner. Betroffen sind demnach mit Sicherheit weit über 100.000 Frauen, darunter viele Minderjährige. Das ist das weiteste Raster, von dem ich bisher gehört habe. Der Massengentest soll die Beamten auf die Spur der Mutter eines Säuglings bringen, die ihr Kind im Krefelder Südpark abgelegt und es vorher womöglich erstickt hat.

Mit der Anwendung des absoluten Gießkannenprinzips ignorieren die Behörden nicht nur die Unschuldsvermutung, die für jeden Bürger spricht. Sie üben auch einen bisher nicht gekannten Psychodruck aus. So verzichtet man auf die ansonsten üblichen zentralen Tests, zu denen Betroffene eingeladen werden. Stattdessen sollen die Frauen zu Hause besucht und zur Abgabe einer Speichelprobe aufgefordert werden. Wer nicht kommt, soll gemahnt werden und erneut Besuch erhalten.

Das alles wird martialisch angekündigt. „Jede Frau muss damit rechnen, dass wir kommen“, ließ der Polizeisprecher verlauten. Immerhin ringt sich die Polizei jedenfalls gegenüber den Medien noch zu dem Hinweis durch, dass die Teilnahme am Test freiwillig ist. Ob das in dieser Deutlichkeit auch noch vor Ort geschieht, wenn die Beamten an die Haustür klopfen, bezweifle ich.

Schon jetzt wird die Freiwilligkeit ohnehin mit einem unzweideutigen Hinweis relativiert: Wer sich dem Test verweigere, müsse mit „weiteren Ermittlungen“ rechnen. Also der Durchleuchtung des Privatlebens. Wir begegnen hier einem altbekannten Argumentationsmuster, das wir zuletzt im Fall Edathy kennengelernt haben: Wer sich legal verhält, kann sich heute schon dadurch verdächtig machen.

Thomas Fischer hat die rechtsstaatliche Perversion dieses Gedankengangs vor wenigen Tagen in der Zeit mustergültig seziert. Fischer ist nicht irgendwer, sondern Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof und Autor des meistgenutzten Kommentars zum Strafgesetzbuch.

Statt mal Fischer zu lesen oder einfach nur darüber nachzudenken, wohin das alles führen soll, heiligt in Krefeld der Zweck mal wieder die Mittel. Eine Kindstötung aufzuklären, ist ein wichtiges Anliegen. Allerdings müssen auch diesem Wunsch Grenzen gesetzt werden. Nämlich dort, wo nun die Grundrechte hunderttausender Menschen dafür faktisch außer Kraft gesetzt werden. Wenn das so weitergeht, sind wir ohnehin nur noch wenig mehr als einen Schritt von der vorsorglichen DNA-Totalerfassung entfernt. Die Unschuldsvermutung wäre dann komplett pulverisiert, und die Freiheit gleich mit ihr.

Grüne verlangen klares Recht auf Privatkopie

Die Grünen wollen Konsequenzen aus dem Fall Redtube ziehen. Massenabmahnungen sollen verboten werden, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast. Ihre Fraktion werde einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

„Mit den Möglichkeiten einer Massenabmahnung, die das Gesetz bisher bietet, haben einige schwarze Schafe gespielt“, erklärte die Politikerin gegenüber dem Focus. Deshalb sei es nun wichtig, die Rechte der Verbraucher zu stärken.

Einzelheiten sind noch nicht bekannt, bis auf ein Detail. Der grundsätzlich schon bestehende Anspruch auf eine „Privatkopie“ soll eindeutiger und nutzerfreundlicher gestaltet werden. Laut Focus ist Justiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maaß ebenfalls bereit, die derzeit gültigen Abmahnregeln zu überprüfen.

Ob die Grünen mit ihren Ideen durchdringen, ist offen. Sie sind im Bundestag in der Opposition.

Reserved to Licensor

In einem Filesharing-Prozess haben die Anwälte die Klagebegründung vorgelegt. 17 Seiten Textbausteine. Das wirklich Interessante steht in einer der Anlagen. Nämlich in dem Vertrag, mit dem der deutsche Filmvertrieb, der jetzt wegen angeblicher Tauschbörsennutzung vorgeht, die Rechte an dem US-amerikanischen Streifen erworben haben will.

Die entscheidende Klausel ist überschaubar:

The following rights are herein licensed:

Cinematic Rights: No.
Video and DVD Rights: Yes (include VHS, DVD, HD, HD-DVD Rights but no TV). Internet rights are excluded and stay solely with Licensor. … All other rights not specifically licensed are reserved to Licensor.

Scheint so, als habe die Klägerin gar nicht die Online-Rechte erworben, die sie nun für sich reklamiert. Und anscheinend hat von ihren Anwälten keiner den Vertrag richtig gelesen.

Unsere Klageerwiderung wird wohl erfreulich kurz ausfallen.

Anzeigen, und zwar sofort

Die Verständigung Mandant – Anwalt ist ja schon so nicht unkompliziert. Aber manchmal hakt es doch gewaltig. Etwa in einem Fall, in dem mich der Mandant mit einer Strafanzeige beauftragen möchte.

Es geht um mögliches Fehlverhalten in der Justiz. Ich habe einige Unterlagen vom Auftraggeber erhalten, das sind aber nur Bruchstücke aus den kompletten Akten. Aus den Papieren ergeben sich schon zarte Hinweise auf das, was der Betroffene zu beanstanden hat. Wie gesagt, Hinweise. Mehr nicht.

Ich finde es da aus meiner Sicht ziemlich logisch, dass ich auf dieser lückenhaften Grundlage keine detaillierte Strafanzeige losschicken kann. Schon mit Rücksicht auf den Mandanten. Dieser hätte ja in erster Linie den Ärger zu befürchten, wenn das Ganze als Falschbeschuldigung angesehen wird. Dann geht nämlich schnell ein neuer Aktendeckel auf, und wieder ist der Mandant Beschuldigter.

Aus meiner Sicht ist deshalb klar: Ich muss die komplette Akte anfordern. Sie lesen. Und erst dann kann ich sagen, ob eine Strafanzeige überhaupt Aussicht auf Erfolg besitzt. Der Auftraggeber ist dagegen der Meinung, ich wüsste mit den paar Blättern genug. Ich soll die Anzeige bitte absenden. Mit guter Begründung, aber auf jeden Fall pronto.

Was den Auftraggeber in Wirklichkeit fuchst, ist etwas anderes. Dass ich für die Aufarbeitung des Sachverhalts Zeit brauche. Die er bezahlen muss. Und am Ende kommt dann sogar noch heraus, dass sich die Vorwürfe nicht halten lassen und eine Anzeige mit mir nicht zu machen ist.

Ich denke, wir müssen die Situation noch mal in Ruhe besprechen. Wenn der Auftraggeber dann seine Geldbörse weiter verschlossen halten möchte, muss ich wohl damit leben, dass er zum nächsten Anwalt weiterzieht.

Die Landsberger Gefängnisshow

Die Justizvollzugsanstalt Landsberg bekommt in Kürze einen prominenten Insassen. Uli Hoeneß wird sich dort voraussichtlich zum Strafantritt stellen, um seine dreieinhalbjährige Haftstrafe zu verbüßen. Schon vorab macht man in Bayern offenbar wenig Anstalten, den Gefangenen Hoeneß so zu behandeln wie jeden anderen auch. Das Gefängnis nimmt den bevorstehenden Haftantritt des früheren Bayern-Bosses tatsächlich zum Anlass für eine Art „Tag der offenen Tür“.

Medienvertreter sind offizell eingeladen, sich am 31. März in der Anstalt „ausgewählte Bereiche“ anzuschauen. Außerdem werden Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt in einer Pressekonferenz und möglicherweise auch in Einzelgesprächen über den Strafvollzug in Landsberg berichten. Sogar Kamerateams sollen erlaubt sein.

Das ist in der Tat ein erstaunlicher Rummel – wegen einer Person. Selbst wenn Uli Hoeneß mit der Aktion einverstanden sein sollte, ist so ein PR-Stunt mehr als befremdlich. Er erweckt nämlich den Eindruck, als wolle der Landsberger Knast das unbestreitbare öffentliche Interesse an Hoeneß nutzen, um sich selbst in ein möglichst gutes Licht zu rücken. Am Ende wird es so aussehen, als sei die Justizvollzugsanstalt dankbar dafür, dass vom Glanz so eines berühmten Mannes auch etwas auf seine vorübergehende Wohnadresse strahlt.

So entsteht schon jetzt der Eindruck, Hoeneß ist jemand Besonderes. Eigentlich ein trauriges Signal in zwei Richtungen. „Normale“ Gefangene wird es nicht unbedingt begeistern, dass schon im Vorfeld für Hoeneß so eine riesige Extrawurst gebraten wird. Zumal in der Einladung wohl kein Hinweis erhalten ist, dass Medienvertreter auch mit Inhaftierten reden dürfen. Nach außen wird schließlich das Bild kaum zu revidieren sein, dass jedenfalls im bayerischen Vollzug Gleichheit geschmeidig definiert wird.

Das alles ist schlimm genug. Noch schlimmer wäre es allerdings, wenn Hoeneß gar nichts von dieser Aktion weiß und sich fragt, wo seine Persönlichkeitsrechte bleiben. Durch ihr Verhalten befeuert die JVA jedenfalls den absehbar gigantischen Medienrummel um Hoeneß‘ Haftantritt. Sie nimmt ihm damit viele seiner ohnehin bescheidenen Möglichkeiten, die Sache in Würde durchzustehen.

Je länger ich über diese Aktion nachdenke, desto eher mehr ich das Gefühl, dass die Landsberger Gefängnisshow am 31. März 2014 noch abgesagt werden wird. Irgendwo weiter oben muss doch jemand merken, dass es so nicht geht.

Roberto Blanco hat leere Taschen

Bei Schlagersänger Roberto Blanco hat die Justiz zu einer seltenen Maßnahme gegriffen. Im Auftrag eines Gläubigers führte ein Gerichtsvollzieher bei Blanco eine Taschenpfändung durch, berichtet die tz München.

Bei einer Taschenpfändung muss der Gerichtsvollzieher wissen, wo sich der Schuldner aufhält. Sinnvollerweise erfolgt der „Zugriff“ in einem Umfeld, von dem zu erwarten ist, dass der Betreffende Geld dabei hat oder mit Schmuck behängt ist.

Wir haben mal bei einer selbständigen Toilettenfrau gepfändet, und zwar eine Stunde vor Schluss der Silvesterparty in einer großen Düsseldorfer Location. Das war ein ziemlicher Erfolg, denn der Gerichtsvollzieher fand weit mehr Geld, als unserem Mandanten zustand.

Bei Blanco hat es wohl eher nicht so geklappt. Nur 59,90 Euro hatte der Sänger laut dem Bericht in der Tasche. Allenfalls ein Achtungserfolg; Blancos frühere Frau soll wegen rund 150.000 Euro bei ihm vollstrecken. Ein großer Wagen vor dem Hotel war für den Gerichtsvollzieher wohl tabu. Er soll auf Blancos jetzige Gattin zugelassen sein.

Diebe klauen Geldautomaten

Unbekannte haben am Wochenende in Berlin einen kompletten Geldautomaten gestohlen. Und zwar nicht beim Hersteller, sondern in einer ganz normalen Bankfiliale in Friedrichshain.

Zeugen alarmierten gegen 4.15 Uhr die Polizei, als fünf bis sechs Maskierte die Bankfiliale am Strausberger Platz betraten, an die zuvor ein roter Kleintransporter herangefahren worden war. Die Unbekannten rissen den Automaten aus der Bodenverankerung und schleppten ihn in das Fahrzeug. Vier der Täter stiegen in den Transporter und fuhren davon. Zwei Weitere flüchteten zu Fuß und flüchteten vermutlich mit einem in der Nähe abgestellten Auto.

Wie die Berliner Zeitung berichtet, wurde schon Anfang März auf ähnliche Art und Weise ein Geldautomat gestohlen. Dieser befand sich in der Rathauspassage in der Frankfurter Allee. Zuvor sind nur Versuche bekannt, Geldautomaten aufzusprengen.

Wie viel Geld den Tätern in die Hände fiel, ist noch nicht bekannt.

„Die Abteilung ist unbesetzt“

In einem Rechtsstreit machte der Anwalt des Klägers einen Riesenaufstand. Ich hatte beantragt, einen Verhandlungstermin zu verlegen, weil ich an dem Tag schon woanders am Gericht sein muss. Obwohl ich meinen Verlegungsantrag sofort nach Eingang der Ladung schickte, war der Anwalt offenbar noch viel schneller gewesen.

Er schimpfte jedenfalls mächtig drauflos. Immerhin müsse er aus Ostdeutschland nach Düsseldorf reisen. Zu diesem Zwecke habe er – Monate vorher – sofort einen besonders günstigen Flug gebucht. Der sich nur leider nicht mehr stornieren lasse. Deshalb sei es ihm nicht zuzumuten. Unter keinen Umständen. Rein gar nicht.

Es wäre mir natürlich lieber gewesen, wenn der Anwalt vor der Buchung mal angerufen hätte, um zu hören, ob mir der gerichtlich verfügte Termin passt. Aber ich bin ja gar nicht so. Ich setzte vielmehr einiges in Bewegung, um für den Verhandlungstag einen Vertreter aufzutreiben. Da gebe ich lieber einem Anwaltskollegen etwas Honorar ab, bevor ich mich auf eine endlose Debatte einlasse.

Tja, es hätte so schön sein können. Heute, exakt zwei Wochen vor dem Verhandlungstermin, sagt nun das Gericht den Termin ab. Lakonische Begründung:

Die Abteilung ist derzeit unbesetzt.

Das dürfte es dann gewesen sein mit den Ticketkosten. Immerhin bleibt dem Anwalt nun genug Zeit, es erneut mit einem unflexiblen Ticket zu risikieren. Neuer Termin ist im August. Da dürfte noch ein Flugschnäppchen zu machen sein.

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Erdogan verdammt Twitter

Recep Erdogan, der türkische Premierminister, hat in seinem Heimatland Twitter sperren lassen. Er wolle Twitter und andere soziale Netzwerke „vernichten“, hatte der Politiker kurz vorher auf einer Wahlveranstaltung gesagt. Dass der Ankündigung auch Taten folgen, scheint aber nicht unbedingt den gewünschten Effekt zu haben. Sogar der Staatspräsident, der liberaler eingestellt ist als Erdogan, soll munter weiter twittern.

Abgesehen von den möglicherweise heftigen innenpolitischen Folgen in der Türkei, verbessert das Land seine Chancen auf einen EU-Beitritt natürlich nicht. Dass die komplette Sperrung eines wichtigen Massenkommunikationsmittels rechtswidrig ist, weiß die türkische Regierung sehr gut. Erst im Jahr 2012 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei verurteilt. Damals waren Google-Dienste blockiert worden.

Rechtsanwalt Thomas Stadler beleuchtet in seinem Blog weitere Details.

TÜV haftet nicht für Implantate-Pfusch

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Klage der AOK Bayern gegen den TÜV Rheinland abgewiesen. Es ging um mögliche Fehler einer TÜV-Tochterfirma bei der Überwachung von Brustimplantaten, die sich als gesundheitsgefährlich herausgestellt haben. Eine Vielzahl von Frauen musste sich die Implantate operativ entfernen lassen. Die AOK musste dafür Kosten übernehmen.

Der TÜV Rheinland betonte vor Gericht, er sei genauso getäuscht worden wie die Kundinnen. Der Hersteller habe dem TÜV lückenlos nachgewiesen, dass er ein geeignetes Silikon für die Implantate verwendet. Tatsächlich habe die Firma aber zumindest teilweise anderes Material genutzt. Wegen dieses Betrugs, der sich über Jahre hingezogen haben soll, sind Manager der Herstellerfirma in Frankreich zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Wie schon andere Gericht zuvor konnte das Landgericht Nürnberg-Fürth nun keine Fehler beim TÜV erkennen. Die Prüfer seien ihren Kontrollpflichten umfangreich nachgekommen. Mehr können von ihnen nicht verlangt werden. Durch die Materialprüfung übernehme der TÜV allenfalls Gewähr dafür, dass die eingesetzten Materialien in Ordnung sind. Für eine bewusste Täuschung durch den Implantate-Hersteller hafte der TÜV dagegen nicht (Aktenzeichen 11 O 7069).