Erdogan verdammt Twitter

Recep Erdogan, der türkische Premierminister, hat in seinem Heimatland Twitter sperren lassen. Er wolle Twitter und andere soziale Netzwerke „vernichten“, hatte der Politiker kurz vorher auf einer Wahlveranstaltung gesagt. Dass der Ankündigung auch Taten folgen, scheint aber nicht unbedingt den gewünschten Effekt zu haben. Sogar der Staatspräsident, der liberaler eingestellt ist als Erdogan, soll munter weiter twittern.

Abgesehen von den möglicherweise heftigen innenpolitischen Folgen in der Türkei, verbessert das Land seine Chancen auf einen EU-Beitritt natürlich nicht. Dass die komplette Sperrung eines wichtigen Massenkommunikationsmittels rechtswidrig ist, weiß die türkische Regierung sehr gut. Erst im Jahr 2012 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei verurteilt. Damals waren Google-Dienste blockiert worden.

Rechtsanwalt Thomas Stadler beleuchtet in seinem Blog weitere Details.

TÜV haftet nicht für Implantate-Pfusch

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Klage der AOK Bayern gegen den TÜV Rheinland abgewiesen. Es ging um mögliche Fehler einer TÜV-Tochterfirma bei der Überwachung von Brustimplantaten, die sich als gesundheitsgefährlich herausgestellt haben. Eine Vielzahl von Frauen musste sich die Implantate operativ entfernen lassen. Die AOK musste dafür Kosten übernehmen.

Der TÜV Rheinland betonte vor Gericht, er sei genauso getäuscht worden wie die Kundinnen. Der Hersteller habe dem TÜV lückenlos nachgewiesen, dass er ein geeignetes Silikon für die Implantate verwendet. Tatsächlich habe die Firma aber zumindest teilweise anderes Material genutzt. Wegen dieses Betrugs, der sich über Jahre hingezogen haben soll, sind Manager der Herstellerfirma in Frankreich zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Wie schon andere Gericht zuvor konnte das Landgericht Nürnberg-Fürth nun keine Fehler beim TÜV erkennen. Die Prüfer seien ihren Kontrollpflichten umfangreich nachgekommen. Mehr können von ihnen nicht verlangt werden. Durch die Materialprüfung übernehme der TÜV allenfalls Gewähr dafür, dass die eingesetzten Materialien in Ordnung sind. Für eine bewusste Täuschung durch den Implantate-Hersteller hafte der TÜV dagegen nicht (Aktenzeichen 11 O 7069).

Drucksache

Weil er angeblich dringend aufs Klo musste, fuhr ein Autofahrer 58 km/h zu schnell. Zunächst war der Blitzer auf einer Landstraße unerbittlich. Später auch das Amtsgericht Lüdinghausen. Auch wer wegen Durchfalls einen übermächtigen Stuhldrang verspürt, muss sich an die Verkehrsregeln halten, so das Gericht.

Jeder Autofahrer müsse vor Fahrtantritt selbst überprüfen, ob er sein Fahrzeug sicher führen kann. Oder halt rechtzeitig irgendwo anhalten, um das Problem zu lösen. Notfalls seien dafür auch Umwege in Kauf zu nehmen. Oder etliche Zwischenstopps.

Der Autofahrer hat laut dem Urteil sogar angehalten und sich in einem Feld am Fahrbahnrand erleichtert. Allerdings erst kurz nach der Radarfalle.

Das Gericht verhängte eine Geldbuße von 315 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot (Aktenzeichen 19 OWi-89 Js 155/14-21/14).

Was ist B-Ware?

Für sogenannte B-Ware dürfen Händler die Gewährleistungsfrist nicht auf ein Jahr reduzieren. Es verbleibt vielmehr bei der üblichen zweijährigen Gewährleistung, entschied vor kurzem das Oberlandesgericht Hamm. Die Richter erklären in ihrem Urteil auch gleich den Unterschied zwischen B-Ware und Gebrauchtangeboten.

Eine Händler hatte in seinen Geschäftsbedinngungen eine fragwürdige Klausel verwendet. Darin hieß es, die Gewährleistung betrage nur ein Jahr, weil die verkauften Waren in beschädigter Verpackung geliefert würden oder die Originialpackung gar fehle.

Das reicht nach Auffassung des OLG Hamm jedoch nicht, um die Gewährleistungsfrist auf ein Jahr zu reduzieren, wie es das Gesetz für „gebrauchte“ Waren zulässt. Gebraucht sind nach Auffassung der Richter Sachen nur dann, wenn sie bereits ihrem „bestimmungsgemäßen Gebrauch“ zugeführt wurde. Also etwa dann, wenn ein Küchengerät als Küchengerät genutzt oder ein Handy für einige Zeit in Betrieb war.

Das bloße Vorführen im Laden hält das Gericht ausdrücklich nicht für einen Grund, die Kaufsache als „gebraucht“ zu deklarieren (Aktenzeichen 4 U 102/13).

Nacktfahrt: Polizei meldet Erfolg

Mit kriminalistischen Spürsinn ist es der Münsteraner Polizei gelungen, einem Nackt-Motorradfahrer auf die Spur zu kommen. Der Mann war am 11. Dezember nur mit Helm und Motorradstiefeln bekleidet auf einer PS-starken Maschine durch die Münsteraner Innenstadt gefahren.

Mittlerweile wissen die Beamten, wer Halter der Maschine ist. Der Halter sagt jedoch, er habe das Motorrad nicht gelenkt. Von dem Stunt, dem vermutlich eine Wette voranging, gibt es Videos. Deswegen erwägt die Polizei jetzt, ihrerseits den Halter zu einem Striptease zu zwingen. Möglicherweise kann er ja aufgrund seines Körperbaus oder anderer Merkmale überführt werden.

Grundsätzlich ist so eine Untersuchung zulässig, auch wenn es sich nur um eine Ordnungswidrigkeit – Fahren durch die Fußgängerzone – handelt. Allerdings müsste der Richter, der die Entblößung möglicherweise anordnet, ganz besonders auf die Verhältnismäßigkeit achten.

Nachtrag: Ein Leser weist zu Recht darauf hin, dass ein verdecktes oder abgeschraubtes Nummernschild ein Kennzeichenmissbrauch sein kann. Dann könnte auch eine Straftat vorliegen.

Bericht in den Westfälischen Nachrichten / RA Detlef Burhoff zum selben Thema

„Total peinlich“

In meiner aktuellen Kolumne auf der Webseite der ARAG beschäftige ich mich mit dem Streit zwischen Youtube und GEMA, der zu einer Sperrung vieler aktueller Musikvideos in Deutschland führt.

Natürlich sage ich auch, wie man die Videos trotzdem sehen kann und vor dem „total peinlichen“ Streit seine Ruhe hat. Außerdem erkläre ich, warum es zulässig ist, aus einem Youtube-Video eine MP3 zu machen.

Zum Beitrag.

Typische Handbewegung

Handy am Steuer? Meist haben Autofahrer wenig Chancen, wenn sie sich vor Gericht gegen den Vorwurf verteidigen, sie hätten im Wagen telefoniert. Oft zählt das Wort der beteiligten Polizisten – aber nicht immer.

Allerdings musste ein Autofahrer auch erst vor das Thüringer Oberlandesgericht ziehen, bevor er nun Recht bekam. Im Gegensatz zum Richter der ersten Instanz akzeptierte das Oberlandesgericht nämlich die Aussage der Polizeibeamten nicht. Diese hatten angegeben, der beobachtete Autofahrer habe während der Fahrt seine Hand in Richtung Ohr bewegt und wieder zurück.

So typisch sei so eine Handbewegung nun auch wieder nicht, meinen die Richter. Es gebe noch zig andere Gründe, warum ein Autofahrer seine Hand ans Ohr nehmen könne. Möglicherweise, möchte man hinzufügen, hat er auch gar keinen Grund, macht es aber trotzdem.

Dass die Polizeibeamten nicht sicher sagen konnten, dass sie in der Hand auch ein Mobiltelefon gesehen haben, bewahrte den Betroffenen nun vor einem Bußgeld und einem Punkt in Flensburg (Aktenzeichen 1 Ss Rs 26/13 (63)).

Kündigung, schwergemacht

Es ist ein Rätsel des Internetzeitalters: Fast überall kann man Verträge online abschließen, für die Kündigung muss man aber einen Brief oder ein Fax schicken. Das Landgericht München I erteilt dieser Unsitte nun eine Absage. Die Richter erklären die entsprechende Klausel eines Online-Datingportals für unwirksam.

Das Gericht arbeitet in seinem Urteil sehr deutlich heraus, worum es den Verwendern solcher Klauseln geht. Sie wollen von einer Kündigung abhalten, indem sie den Aufwand für den Kunden möglichst hoch schrauben. Das ist unzulässig, so das Landgericht.

Bei einem Vertrag, der online abgeschlossen und ebenso abgewickelt wird, gebe es keine Gründe, ausgerechnet die Kündigung an die Schriftform zu knüpfen. Angebliche Sicherheitsbedenken beeindrucken das Gericht nicht. So kümmere sich das Portal ja auch nicht sonderlich darum, ob die Daten der Anmeldung (Name, Adresse, Kreditkarte) authentisch seien. Wieso aber für die Vertragsauflösung die Vorschriften strenger sein müssten als für den Abschluss, sei nicht nachvollziehbar.

Insgesamt, so das Gericht, benachteilige die Klausel die Verbraucher unangemessen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, kann aber Bedeutung für viele Online-Verträge bekommen. Etliche Unternehmen, auch große Anbieter, verlangen für die Kündigung eines online geschlossenen Vertrags nämlich nach wie vor einen Brief oder ein Fax.

Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (Aktenzeichen 12 O 18571/13).

Link zum Urteil

Dropbox will nicht vor Gericht

Dropbox will sich mit seinen Kunden nicht streiten – jedenfalls nicht vor Gericht. Auch die deutschen Nutzer des Dienstes sollen deshalb einer Klausel zustimmen, die für Meinungsverschiedenheiten ein Schiedsverfahren vorsieht.

Die Wirksamkeit solcher Regelungen ist zweifelhaft, wie iRights info in einem aktuellen Beitrag schreibt. Fraglich ist schon, ob deutsche Verbrauchern überhaupt Schiedsvereinbarungen abschließen können, noch dazu über das Kleingedruckte. Selbst wenn, ist die Vereinbarung an Formvorschriften gebunden, die nicht durch das übliche Häkchen auf einem Onlineformular erfüllt werden.

iRights info empfiehlt allen Dropbox-Kunden, der Klausel ausdrücklich zu widersprechen. Dafür stellt Dropbox immerhin ein Formular zur Verfügung.

Abmahnanwalt vor dem Strafrichter

Heute beginnt in Augsburg eine Strafprozess gegen den bekannten Abmahnanwalt Thomas Urmann. Er steht allerdings nicht wegen seiner Pornoabmahnungen vor Gericht, sondern wegen der Pleite einer von ihm übernommenen Wurstfabrik. Der Vorwurf: Insolvenzverschleppung.

Die Staatsanwaltschaft wirft Urmann vor, er habe trotz Zahlungsunfähigkeit weiter Ware bei Lieferanten bestellt. Die Ankläger beziffern den Schaden mit 350.000 Euro. Weitere 300.000 Euro Schaden sollen den Sozialkassen entstanden sein, weil die Firma Sozialabgaben nicht rechtzeitig abführte.

Bericht in der Augsburger Allgemeinen

Update: Thomas Urmann liegt nach Angaben seiner Anwältin im Krankenhaus. Deshalb ist der Prozesstermin geplatzt.

Hoeneß-Urteil wird rechtskräftig

Die Staatsanwaltschaft München hat heute morgen mitgeteilt, auch sie werde kein Rechtsmittel im Fall Uli Hoeneß einlegen. Zuvor hatte schon Hoeneß selbst erklärt, er werde das Urteil nicht anfechten. Damit wird Hoeneß in wenigen Wochen seine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren antreten müssen.

Es wäre natürlich interessant, wieso die Staatsanwaltschaft sich so schnell mit dem Urteil abfindet. Die Strafe ist eher mild, in der Hauptverhandlung hatten die Staatsanwälte immerhin zwei Jahre mehr für Hoeneß gefordert. Allerdings geben die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren den Strafverfolgern einen weiten Spielraum. Dort heißt es:

Zur Nachprüfung des Strafmaßes ist ein Rechtsmittel nur einzulegen, wenn die Strafe in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Tat steht.

Davon kann nun auch wieder nicht die Rede sein. Die Entscheidung ist also sachlich vertretbar.

Spekulation ist derzeit, dass es einen Deal hinter den Kulissen gab, an dem sich möglicherweise sogar das Gericht beteiligte. Sofern hierfür keine greifbaren Belege auftauchen, sollte man aber nichts unterstellen. Es gibt nun schon seit geraumer Zeit klare Vorschriften in der Strafprozessordnung, nach denen nichts im Hinterzimmer ausgedealt werden darf, ohne dass das Ergebnis später in der Hauptverhandlung öffentlich mitgeteilt wird. Es wäre ein Desaster für die Justiz, wenn sie sich gerade in diesem Fall nicht an die Spielregeln hält. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Gericht und Staatsanwaltschaft dieses Risiko eingehen würden.

Interessanter könnte die Frage sein, ob es eine politische Einflussnahme gab. Diese wäre nicht mal unbedingt illegal, denn die Staatsanwaltschaft ist weisungsgebunden. Aber auch hierfür gibt es derzeit keine Anhaltspunkte.

Ein kluger Schritt?

Uli Hoeneß möchte allen etwas beweisen, die ihn in den letzten Tagen mangelhafte Einsicht und allenfalls geheuchelte Rolle vorgeworfen haben. Er tritt nicht nur von allen Ämtern beim FC Bayern München zurück. Vielmehr will Hoeneß auch die dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe akzeptieren.

In einer persönlichen Erklärung von heute morgen schreibt Hoeneß, wie er mit dem gestrigen Urteil umgehen will:

Ich habe meine Anwälte beauftragt, nicht dagegen in Revision zu gehen.

Hoeneß ist also bereit, grundsätzlich sofort ins Gefängnis zu gehen. Auch wenn es zum eigentlichen Haftantritt immer etwas dauern kann. Auch er würde die Ladung der zuständigen Vollstreckungsstelle abwarten müssen. Etwa vier bis sechs Wochen ist die normale Zeit, bis er sich dann innerhalb einer gesetzten Frist an der Gefängnispforte melden kann.

Allerdings liegt es längst nicht allein an Hoeneß, ober die Sache schnell hinter sich bringen kann. Die Staatsanwaltschaft hat offizell noch nicht entschieden, ob sie ihrerseits das Urteil anfechten will. Grund hätte sie. Die Strafe fällt im Vergleich zu anderen Fällen doch deutlich niedriger aus. Vier bis fünf Jahre lauteten etwa die Prognosen von Fachleuten, die ich in den letzten Tagen gehört habe.

Legt die Staatsanwaltschaft Revision ein, muss Hoeneß warten. Bis der Bundesgerichtshof über das Rechtsmittel entschieden hat. Sechs bis zwölf Monate dauert das im Normalfall, es gibt aber auch Abweichungen nach oben und unten. So lange die Revision der Staatsanwaltschaft läuft, kann Hoeneß nichts ins Gefängnis. Nicht mal freiwillig, denn ohne rechtskräftige Urteil ist die Vollstreckung einer Strafe unzulässig.

Mit seinem heutigen Schritt spielt Hoeneß publizistisch den Ball jedenfalls geschickt ins Feld der Staatsanwaltschaft. Diese wird nun – vielleicht nicht ganz zu Unrecht – am Pranger stehen, wenn sie eine höhere Strafe anstrebt. Die Staatsanwaltschaft kann übrigens auch zu Gunsten von Hoeneß Revision einlegen; aber das ist eher unwahrscheinlich.

Entscheidet sich die Staatsanwaltschaft für eine Revision, heißt es nämlich, dem bußfertigen Uli Hoeneß werde die Möglichkeit genommen, schnell mit dem Gesetz ins Reine zu kommen und die Sache hinter sich zu bringen. Die Staatsanwälte geraten also in öffentliche Erklärungsnot, was ihre strafprozessualen Rechte aber natürlich nicht mindert.

Mir stellt sich die allerdings die Frage, ob Hoeneß wirklich klug agiert, wenn er von sich aus auf eine Revision verzichtet. Es ist für einen Angeklagten zumindest optisch natürlich immer besser, wenn er neben der Staatsanwaltschaft ebenfalls Rechtsmittel einlegt. Es gibt zwar keinen offenen Handel „Wenn du zurücknimmst, nehme ich auch zurück“. Aber es muss ja nicht alles zu Papier gebracht werden, mit dem die Beteiligten versuchen, eine Sache vernünftig zu lösen.

Aber genau das haben Hoeneß‘ Anwälte vielleicht sogar schon gemacht. Und mit der Staatsanwaltschaft gesprochen, ob eine Revision kommt. Sofern auch diese den Verteidigern bereits Verzicht signalisiert hat, ist das Verhalten des Ex-Bayern-Präsidenten durchaus nachvollziehbar.

Und eins ist ja wohl klar: Spätestens mit seinem heutigen Schritt ist Hoeneß dem offenen Vollzug ein ganz großes Stück nähergekommen.