Geschmeidige Strafverfolger

Es war ein echter Großeinsatz: Nach einer DDoS-Attacke auf die Webseite der GEMA soll das Bundeskriminalamt mehr als 100 Wohnungen durchsucht haben. Die Betroffenen wurden der Computersabotage verdächtigt. So hoch die Ermittlungen anfangs aufgehängt waren, so zerschlägt sich jetzt anscheinend vieles in bedingtem Wohlgefallen. Jedenfalls scheint das Interesse der Strafverfolger nicht sonderlich groß, die vermeintlichen Übeltäter tatsächlich vor Gericht zu bringen.

In einem von mir betreuten Verfahren macht die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nun ein Angebot, das man eigentlich nicht ausschlagen kann. Mein Mandant soll stolze  150 Euro an die Aktion Deutschland Hilft zahlen, dann wird das Verfahren eingestellt. Im Verhältnis zu den möglichen Anwalts- und Gerichtskosten und dem Risiko einer Vorstrafe ist das natürlich ein Klacks.

Sogar seinen Computer soll mein Mandant wieder erhalten. So eine geschmeidige Haltung der Staatsanwälte ist natürlich zu begrüßen. Sie wirft aber kein sonderlich gutes Licht auf die Umstände, wie es zu den etlichen Hausdurchsuchungen gekommen ist. Offenkundig besteht nämlich ein Missverhältnis zwischen dem Anlass und den gewählten Mitteln.

Die Aktionen der Polizei richteten sich nämlich nicht gegen echte Anonymous-Aktivisten. Anonymous soll die DDoS-Attacke auf den Weg gebracht haben. Im Visier waren vielmehr Menschen, die auf einer extra eingerichteten Seite einen Link geklickt haben, der ihren Computer in die DDoS-Attacke einband.

Es lag also auch für die Ermittler nahe, vorher mal zu überlegen, wie groß der Kollateralschaden bei den Hausdurchsuchungen sein würde. Längst nicht alle Teilnehmer dürften sich darüber klar gewesen sein, welche Tragweite dieser Klick haben kann.

Dazu kommt natürlich die bislang ungeklärte Frage, ob das bloße Klicken eines Links überhaupt eine strafbare Computersabotage sein kann. Auch stellt sich die Frage, ob die Seite der GEMA wirklich, wie es das Gesetz fordert, erheblich beeinträchtigt gewesen ist. Die DDoS-Attacke soll nämlich zur meisten Zeit nur den Effekt gehabt haben, dass die Webseite der GEMA langsamer lud als normal.

Letztlich hätte auch vorher klar sein müssen, dass die Durchsuchungen zig Unbeteiligte behelligen wird. Auch bei meinem Mandanten wurde erst mal das Elternhaus durchsucht, obwohl er schon längst nicht mehr dort wohnt. Zwar verhielt sich die Polizei hier umsichtig und packte nicht die Computer der Eltern ein. Von anderen Betroffenen habe ich aber gehört, dass ganze Familien ihrer kompletten Hardware beraubt wurden.

Ich will gar nicht sagen, dass die Strafverfolger nun nachträglich kalte Füße bekommen haben. Immerhin ist die jetzt dokumentierte Milde ja etwas, was mich und meinen Mandanten freut. Es bleibt aber doch ein wenig der Verdacht, dass mit der martialischen Aktion weniger Strafverfolgung, dafür umso mehr Abschreckung betrieben wurde.

Sieben Jahre zu Unrecht eingesperrt

Ein Franzose, der zu Unrecht mehr als sieben Jahre im Gefängnis saß, erhält knapp 800.000 Euro Schadensersatz vom Staat. Das Berufungsgericht in Rennes sprach ihm diese Summe zu. Eine 14-Jährige hatte fälschlicherweise behauptet, der Mann habe sie mehrfach vergewaltigt.

Im Jahr 2003 war der Betroffene zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Erst im Jahr 2008 erklärte die Frau, dass die Vorwürfe falsch waren. Der Mann will während seiner Haft Übergriffen ausgesetzt gewesen sein. Deshalb habe er sogar versucht, sich das Leben zu nehmen.

In Frankreich gilt die zugesprochene Summe nach Presseberichten als Rekordschmerzensgeld. In Deutschland würde ein derartiger Justizirrtum weit geringer “vergütet”. Denn bei uns gibt es zunächst mal nur pauschal 25 Euro für jeden Tag ungerechtfertigter Haft.

Bei den sieben Jahren und drei Monaten, die der Franzose eingesperrt war, käme man in Deutschland auf eine Entschädigung von 66.125 Euro. Daneben können aber noch konkrete Vermögensschäden geltend gemacht werden, zum Beispiel Verdienstausfall durch Verlust des Arbeitsplatzes.

Allerdings kann ich aus Erfahrung sagen, dass die deutsche Justiz in solchen Fällen meist verbissen um jeden Cent feilscht. Entschädigungsprozesse werden regelmäßig zu einer Kraft- und Geduldsprobe, selbst wenn keine überzogenen Ansprüche gestellt werden. Betroffene empfinden das oft als zweite Bestrafung.

“Mitbringen” ist kein Drogenhandel

Kaum ein strafrechtlicher Begriff ist schillernder als der des “Handeltreibens” mit Drogen. Mit Drogen handelt nach Auffassung vieler Gerichte schon, wer ein solches Geschäft ernsthaft plant. Das kann Gefängnis geben, obwohl noch gar nichts passiert ist. Also ein klassisches Gedankenverbrechen. So weit der Begriff des Handeltreibens auch verstanden wird, gibt es doch auch deutliche Grenzen. In einem aktuellen Urteil zeigt der Bundesgerichtshof eine davon auf.

Ein Kokainkonsument hatte vor, mehrfach eine größere Menge Stoff zu erwerben. Einen Teil wollte er selbst konsumieren, den Rest gewinnbringend verkaufen. Bei dieser Gelegenheit erklärte er sich bereit, einem Bekannten 5 beziehungsweise 15 Gramm mit zu besorgen. Diese Menge wollte er dem Bekannten aber zum Einkaufspreis geben.

Das Landgericht Düsseldorf hat den Angeklagten wegen Handeltreibens zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, und zwar auch wegen des Stoffes, den er seinem Bekannten überlassen wollte. Begründung: Der Angeklagte habe insgesamt eine größere Menge kaufen können. Dafür habe er sich einen besseren Mengenrabatt versprochen. Das sei ein wirtschaftlicher Vorteil (“Eigennutz”), der für ein Handeltreiben ausreiche.

Der Bundesgerichtshof sieht das anders. Aus dem Beschluss:

Ob der Täter im Sinne eines Handeltreibens nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG eigennützig handelt, ist bezogen auf das konkret in Frage stehende Umsatzgeschäft zu beurteilen. Es muss sich gerade aus diesem Umsatzgeschäft ein eigener Nutzen für den Täter ergeben; dass ihm aus den Umständen des Erwerbs der umzusetzenden Betäubungsmittel Vorteile erwachsen, genügt für sich alleine nicht .

Daher liegt kein Handeltreiben vor, wenn der Täter zur Erzielung eines günstigeren Einkaufspreises auch für andere Abnehmer einkauft und diesen die Betäubungsmittel dann zum Einkaufspreis überlässt.

Es genügen also keine indirekten Vorteile, die sich aus dem Zusatzgeschäft ergeben. Diese Sicht der Dinge hat enorme praktische Bedeutung. Es kommt ja ziemlich häufig vor, dass Konsumenten anderen was “mitbringen” und lediglich den Einkaufspreis weiter berechnen. Für ein Handeltreiben reicht das dann jedenfalls nicht aus.

Im entschiedenen Fall reduzierte sich die Bewährungsstrafe enorm – von anderthalb Jahren Gefängnis auf sechs Monate und eine Woche. 

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. März 2012, Aktenzeichen 3 StR 64/12

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Vor Gericht sind starke Worte erlaubt

Wer vor Gericht steht, darf auch mal etwas aufdrehen. Zumindest verbal. Äußerungen, die im wirklichen Leben als beleidigend gelten, können in Prozessen noch durchgehen. Das gilt zum Beispiel für die Äußerung, jemand sei schlicht zu faul zu arbeiten. So sieht es jedenfalls das Amtsgericht Königs Wusterhausen.

Der Richter wies die Klage gegen einen Anwalt ab, der das vernichtende Urteil über die Arbeitslust in einem Schriftsatz getroffen hatte. Im Verfahren machte eine Frau Unterhalt gegen ihren Vater geltend. Der Anwalt vertrat den Vater und lehnte jede Zahlungspflicht ab. Unter anderem mit dem Hinweis, der Lebenspartner der Tochter sei schlicht zu faul zu arbeiten. Hintergrund war, dass der Kläger mit seiner Lebensgefährtin schon zwei Kinder hatte, aber mit 27 Jahren noch das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachholte.

Die Behauptung, er sei zu faul zu arbeiten, wollte sich der Lebenspartner nicht bieten lassen. Das AG Königs Wusterhausen hielt seine Klage gegen den Anwalt bereits für unzulässig. Nach Auffassung des Richters haben auch Unbeteiligte am Prozess jedenfalls dann kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Behauptungen  nicht völlig sachfremd sind und auch nicht wider besseres Wissen aufgestellt werden.

Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Das Gericht:

Angesichts des Alters und bisherigem Werdegang des Klägers muss die – hier polemisch überspitzte – Frage erlaubt sein, ob der Kläger nicht vorrangig gehalten ist, den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen, anstatt sein Recht auf Bildung wahrzunehmen, wie er in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat.

Im Prozess, so das Gericht, sei der Ehrenschutz eingeschränkt. Die Äußerung des Anwalts sei zwar eindeutig ehrverletzend. Doch vor Gericht müsse im Zweifel die freie Rede Vorrang haben, damit Prozessbeteiligte ohne übertriebene Scheu ihre Position verteidigen können.

AG Königs Wusterhausen, Urteil vom 11. April 2012, Aktenzeichen 20 C 569/11

CleanIT stellt ACTA in den Schatten

ACTA ist zwar in der Versenkung verschwunden, doch innerhalb der Europäischen Union wird weiter fleißig an einer Überwachung des Internets und einer Einschränkung der Bürgerrechte gearbeitet. CleanIT heißt ein jetzt ins Blickfeld gerücktes EU-Projekt. Dessen Name ist durchaus Programm.

Die im Ressort der EU-Kommissarin Cecilia Malmström, einer Befürworterin von Netzsperren, angesiedelte Projektgruppe schlägt einen Maßnahmenkatalog vor, dessen Kontrolldichte der des Iran oder anderer autoritärer Staaten kaum nachsteht. Das entsprechende Dokument hat die Bürgerrechtsiniative “European Digital Rights” jetzt veröffentlicht.

Während sich CleanIT auf der offiziellen Homepage als potentielle Taskforce im Kampf gegen den Terrorismus präsentiert, enthüllt die Lektüre des aktuellen Berichts die wahren Dimensionen des Projekts. Zwar ist auch darin immer wieder von “Terrorismus” die Rede. Es wird aber noch nicht mal der Versuch unternommen, diesen Begriff zu definieren.

Stattdessen ergibt sich aus jedem Absatz des Dokuments, dass in Wirklichkeit eine umfassende Infrastruktur zur Kontrolle des Netzes geplant ist, und zwar in Bezug auf unerwünschte Inhalte jeder Art. Ansonsten ist der umfassende Maßnahmenkatalog kaum zu erklären.

In einem ersten Schritt ist geplant, Internetprovider künftig für “terroristische Aktivitäten” haftbar zu machen. Dies soll praktisch dazu führen, dass Provider von sich aus quasi als Privatpolizei jedweden Content löschen oder zumindest sperren, den sie als riskant betrachten. Im Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden sollen möglichst bald außerdem “automatische Detektionssysteme” implementiert werden, die fragwürdigen Content ermitteln.

Außerdem in der Planung sind Meldebuttons für “terroristische Inhalte” und eine strikte Klarnamenpflicht in Foren und sozialen Netzwerken. Anbieter aus dem Bereich Web 2.0 sollen nicht nur verpflichtet werden, ihre Nutzer rechtssicher zu identifizieren. Soziale Netzwerke sollen sogar dafür Verantwortung tragen, dass Nutzer nur echte Profilfotos von sich hochladen.

Das sind nur Ausschnitte aus dem Horrorkatalog. “European Digital Rights” fasst weitere Empfehlungen des Papiers zusammen:

  • Aufhebung aller gesetzlichen Bestimmungen, die der Filterung/Überwachung der Internetanschlüsse von Angestellten in Betrieben entgegenstehen
  • Strafverfolgungsbehörden sollen die Möglichkeit erhalten, Inhalte zu entfernen, "ohne [dass sie sich an] die arbeitsintensiven und bürokratischen Prozeduren wie Notice&Takedown halten" müssen
  • "Wissentlich" auf "terroristische Inhalte" zu verlinken soll "ganz genauso" strafbar sein wie "Terrorismus" selbst (wobei sich der Vorschlag nicht auf Inhalte bezieht, die von einem Gericht als illegal eingestuft wurden, sondern ganz allgemein auf unbestimmte "terroristische Inhalte")
  • Anbieter von Filtersystemen für Endnutzer und deren Kunden sollen zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie "illegalen" Aktivitäten nicht melden, die sie über die eingesetzten Filter identifiziert haben
  • Regierungen sollten die Hilfsbereitschaft von ISPs als Kriterium für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen heranziehen
  • Soziale Netzwerke und Plattformen sollen Sperr- und "Warn"systeme einführen –
  • Unternehmen sollen Uploadfilter installieren, um hochgeladene Inhalte zu kontrollieren und sicherzustellen, dass gelöschte Inhalte – oder ähnliche Inhalte – nicht wieder hochgeladen werden

Insgesamt gehen die Ideen von CleanIT weit über das hinaus, was man von ACTA kennt. Sie ergänzen sich im übrigen offensichtlich mit dem Grundkonzept eines anderen EU-Projekts namens INDECT. Dieses soll Verbrechen durch vorsorgliche Beobachtung aller Bürger verhindern. Auch INDECT setzt auf umfassende Kontrollen offline wie online.

An keiner Stelle wird in dem Papier dargelegt, wie groß die angebliche terroristische Bedrohung durch Internetaktivitäten angeblich ist. Ebenso wenig findet sich eine Abwägung, ob und inwieweit die Maßnahmen mit europäischen und nationalen Grund- sowie Bürgerrechten vereinbar sind. Auch eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit fehlt.

Die nächste CleanIT-Konferenz soll am 5. November in Wien abgehalten werden. Zu den wichtigsten Gästen werden wohl wieder die Hersteller von Überwachungs- und Filtersoftware gehören.

“Sie bitten um Abmeldung”

Was ist schon das Einrichten eines Büros gegen dessen Auflösung? Zu der gehören, neben der Plackerei zugunsten sauber hinterlassener Räume, auch die kleinen juristischen Schritte. Beispielsweise die Kündigung des Vertrages mit den Stadtwerken, der Telefongesellschaft, der Betriebsversicherung. Und dazu gehört – fast vergessen – die Abmeldung bei der Gebühreneinzugszentrale.

Diese GEZ hatte zwischendurch zwar fleißig kassiert, aber dennoch immer wieder gequengelt und Auskunft verlangt: dieses Büro, dieser Betrieb sei ihr gar nicht bekannt. Die Mahnungen hat der Inhaber, ebenso fleißig, ignoriert.

Jetzt allerdings weiß er kaum noch weiter. Er hat kürzlich den Betrieb und die Geräte bei der GEZ abgemeldet. Und der geschrieben: „Wir melden zum 1. September 2012 alle hier vorhandenen Geräte ab und kündigen zum o.a. Zeitpunkt jegliche Verpflichtung“. Um ja kein Missverständnis entstehen zu lassen, hat er sogar noch betont: „Zum o.a. Zeitpunkt und danach gibt es hier keine anmeldepflichtigen Geräte mehr“.

Und er hat – sicher ist sicher – wissen lassen: „Ihre schriftliche Bestätigung dieses Schreibens erreicht uns (nur noch) über ein Postfach“. Doch hat er mit der, sagen wir: Beharrlichkeit der GEZ gerechnet? Hätte er besser. Die schreibt jetzt zurück.

Zunächst macht sie aus dem jahrelangen Gebührenzahler, also aus dem Kunden, einen auf Knien angekrochenen, um Gnade flehenden Petenten. Sie schreibt dem Mann: „Sie bitten um Abmeldung“. Um dann in diesem Sinne weiterzumachen: „Wir haben sie zunächst nicht durchgeführt, da aus dem Schreiben nicht zweifelsfrei hervorgeht, dass die Geräte tatsächlich nicht mehr vorhanden sind“.

Denn, so behauptet es die GEZ: „Die bloße Erklärung, dass es die Geräte nicht mehr gibt, reicht für eine Abmeldung nicht aus“. Die Rechtsgrundlage für derlei Unterstellung holt sich die GEZ aus dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Dort heißt es: „Die zuständige Landesrundfunkanstalt kann vom Rundfunkteilnehmer oder von Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithalten und dies nicht oder nicht umfassend nach § 3 Abs. 1 und 2 angezeigt haben, Auskünfte über Grund, Höhe und Zeitraum ihrer Gebührenpflicht verlangen“.

Tatsächliche Anhaltspunkte?

Die GEZ nennt keine – woher will sei auch nehmen? Also dreht sie die Beweislast um. Und verlangt: „Teilen Sie uns bitte Tatsachen mit, die belegen, dass die Geräte nicht mehr vorhanden sind“. Das will der Kunde jetzt gerne tun.

Er wird zum Recyclinghof eilen, dort die Herausgabe der längst zu Elektronikschrott verlangten Rundfunkgeräte verlangen. Und diesen Müll der GEZ schicken. Bevor die ihren nächsten produziert. (pbd)

Steuer-CDs sind nicht kostendeckend

Die vom Land Nordrhein-Westfalen angekauften Steuer-CDs sind anscheinend  nicht so ergiebig, wie das öffentlich gern behauptet wird. Die Landesregierung räumte jetzt auf eine Anfrage der Piratenfraktion ein, dass rund 90 Prozent der eingeleiteten Strafverfahren ohne negative Folgen für die Betroffenen eingestellt werden.

Insgesamt haben die nordrhein-westfälischen Ermittlungsbehörden 3.413 Verfahren eingeleitet, die auf angekauften Steuerdaten beruhen. 903 Verfahren sind mittlerweile abgeschlossen – mit einem eher durchwachsenen Ergebnis.

So gab es gerade elf Strafbefehle. 80 Verfahren wurden gegen Zahlung von Auflagen eingestellt. 812 von 903 Verfahren endeten jedoch mit einer schlichten Einstellung wegen geringer Schuld oder mangelnden Tatverdachts. In solchen Fällen müssen die Betroffenen keinen Cent Strafe zahlen. 

Die Höhe der verhängten Geldstrafen beläuft sich nach Angaben der Landesregierung auf 2,8 Millionen Euro. Demgegenüber stehen nach Medienberichten etwa 9 Millionen Euro, die das Land den Verkäufern der Steuer-CDs gezahlt hat.

Das Projekt Steuer-CDs ist also noch nicht einmal kostendeckend. Man kann allenfalls die Mehreinnahmen durch Selbstanzeigen hinzuzählen. Hier spricht die Landesregierung von 400 Millionen Euro. Allerdings kommen diese Zahlungen von Bürgern, die gar nicht auf den Steuer-CDs verzeichnet waren. Es bleibt also offen, wie viele der Selbstanzeigen in einem Zusammenhang mit dem Ankauf der Datenträger stehen.

Daniel Schwerd hat die Anfrage für die Piratenfraktion gestellt. Sein Fazit:

Nicht die Verfolgung von Straftätern steht im Vordergrund, sondern es geht wohl darum, Steuerhinterzieher zu erschrecken und zu Selbstanzeigen zu bewegen. Die auf den CDs befindlichen Personen sind, soweit es die bereits beendeten Verfahren betrifft, in der absoluten Mehrzahl unschuldig.

Diese Personen werden, so Schwerd, dazu benutzt, um Steuersünder zu bluffen.

Keine Wahrheitsfindung um jeden Preis

Das Internet soll kein rechtsfreier Raum sein. Aber auf der anderen Seite darf Strafverfolgung im Internet nicht frei von den prozessualen Schranken und den Bürgerrechten stattfinden, wie wir sie im wirklichen Leben kennen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt deshalb Vorschläge ab, die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger im Interesse einer größeren Effizienz der Strafverfolgung im Internet aufzuweichen.

„Das betrifft den Schutz der Bürgerinnen und Bürger, aber auch des Anwaltsgeheimnisses vor staatlichem Zugriff mit informationstechnischen Spähprogrammen“, sagte Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert, DAV-Vizepräsident, auf dem Deutschen Juristentag in München. Auch im Internet dürfe es keine Wahrheitsfindung um jeden Preis geben. Deshalb sei die pauschale Forderung nach Eingriffsbefugnissen unter Verwendung von Ermittlungstechniken, die denen der Internetkriminalität ebenbürtig sind („auf Augenhöhe“), abzulehnen.

Soweit der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke fordert, einen neuen Straftatbestand der „Datenhehlerei“ einzuführen, weist der DAV auf die Notwendigkeit hin, dies nicht nur mit Blick auf Internetaktivitäten mit „geklauten Identitäten“ zu prüfen. Vielmehr müssten folgerichtig auch andere Formen des Ankaufs illegaler Daten erfasst werden. „Damit meinen wir auch den Ankauf illegal beschaffter Steuerdaten aus dem Ausland“, sagte der DAV-Vizepräsident.

Thüringer LKA jagt Klopapierdieb

Auch wenn es um mögliche Straftäter in den eigenen Reihen geht, ist die Polizei unerbittlich – jedenfalls in Thüringen. Dort fahndeten Beamte des Landeskriminalamtes über ein Jahr lang nach einem Klopapierdieb in der Behörde. Sogar Überwachungskameras kamen zum Einsatz.

Schauplatz war die LKA-Außenstelle Waltersleben im Ilmkreis, berichtet der MDR. Putzfrauen hatten dort gemeldet, aus “Liefersäcken” kämen immer mal wieder Toilettenpapierrollen abhanden. Als interne Ermittlungen nichts fruchteten, installierten Experten der “Abteilung 3” eine Überwachungskamera im betreffenden Flur nahe der Toilette. Für die Techniker muss das ein lauer Job gewesen sein. Sie überwachen laut MDR sonst Extremisten und die organisierte Kriminalität.

Für den Fall soll außerdem ein Beamter des Staatsschutzes abgestellt worden sein. Er wertete die Videobänder aus. Leider erfolglos, denn ein Dieb wurde darauf nicht festgehalten. Das Landeskriminalamt ließ aber nicht locker. Die Behörde beantragte bei der Staatsanwaltschaft sogar die Genehmigung für eine zweite Videokamera. Das lehnte die Staatsanwaltschaft aber ab.

Auch intern soll es Kritik gegeben haben. Die Rechtsabteilung des LKA Thüringen monierte nach dem Bericht, es habe keine ausreichende datenschutzrechtliche Prüfung gegeben. Das Verfahren selbst ist mittlerweile ergebnislos eingestellt, die Aufnahmen aus dem Zeitraum November 2010 bis Februar 2012 sollen vernichtet worden sein.

Kredit: 48 Prozent Zinsen sind zu viel

Eine Grundschuld mit einem Zinssatz von 48 Prozent ist sittenwidrig und darf nicht ins Grundbuch eingetragen werden. Das hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht entschieden.

Ein Pfandleihunternehmen aus Hannover schloss im September 2011 mit dem Eigentümer eines Grundstücks in Hohwacht einen Vertrag über einen Kredit von 10.000 Euro. Vereinbart waren Zinsen von 1 % pro Monat (12 % pro Jahr) und "Gebühren" von 3 % pro Monat (36 % pro Jahr).

Als Sicherheit sollte der Eigentümer eine Grundschuld an seinem Grundstück über 15.000 Euro zuzüglich 48 % Zinsen pro Jahr bestellen und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen. Vor Abschluss des Darlehensvertrags hatte der Grundstückseigentümer bereits bei einem Notar eine entsprechende Urkunde errichten lassen. Die Grundschuld musste zu ihrer Wirksamkeit noch im Grundbuch eingetragen werden.

Das Grundbuchamt Plön wies die Beteiligten darauf hin, dass es den vereinbarten Zinssatz als sittenwidrig ansehe. Gegen diesen Hinweis legte der Pfandleiher Beschwerde ein. Für seinen Geschäftszweig, so argumentierte er, seien die Zinsen und Gebühren angemessen.

Dieser Auffassung ist das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein nicht gefolgt. Vielmehr erkennen auch die Richter ein ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. In der derzeitigen Niedrigzinsphase seien für einen durch Grundpfandrecht (Grundschuld oder Hypothek) gesicherten Kredit Zinsen in der Größenordnung von allenfalls 5 % pro Jahr üblich, jedenfalls aber von weit unter 10 % pro Jahr.

Grundschuldzinsen würden erfahrungsgemäß gewöhnlich im unteren zweistelligen Bereich, nämlich mit etwa 15 % eingetragen. Die Grundschuldzinsen, deren Eintragung hier in Höhe der im Darlehensvertrag vereinbarten Zinsen von 48 % pro Jahr verlangt werde, liege weit oberhalb des üblichen Zinssatzes.

Der Pfandleiher könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Zinssatz von 48 % pro Jahr der Regelung in § 10 Pfandleihverordnung entspreche, wonach der Pfandleiher neben monatlichen Zinsen von 1 % pro Monat auch ein weiteres Entgelt für die Kosten seines Geschäftsbetriebes fordern darf. Der Kredit sei nämlich gar keine Pfandleihe.

Bei der Pfandleihe werde ein Darlehen gewährt gegen Verpfändung beweglicher Sachen als Faustpfand. In der Regel handele es sich um Gebrauchsgegenstände. Bei der Pfandleihe hafte der Darlehensnehmer nicht mit seinem gesamten Vermögen, sondern seine Haftung sei auf den verpfändeten Gegenstand beschränkt. Hier dagegen habe der Pfandleiher einen Darlehensvertrag ohne Begrenzung abgeschlossen und sich dafür eine Sicherung an einer unbeweglichen Sache geben lassen.

Damit hat das Unternehmen nach Auffassung der Richter den Anwendungsbereich der Pfandleihverordnung verlassen. Im Ergebnis bewertet das Gericht – wenig überraschend – den Vertrag als sittenwidrig und damit nichtig.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 5. September 2012, Aktenzeichen 2 W 19/12

Meldegesetz: Schlupflöcher für Datenhändler

Der Streit ums Meldegesetz geht weiter. Dabei könnte alles so einfach sein: Politiker müssten sich nur darauf besinnen, was im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen war. Danach durften Meldeämter die Daten der Bürger künftig nur verkaufen, wenn diese vorher ausdrücklich zugestimmt haben. Eine einfache, saubere Lösung. Die aber offensichtlich der Lobby der Datenhändler gegen den Strich geht. Nun wird erneut herumgedoktert – als nächstes am Freitag im Bundesrat.

Den Verantwortlichen scheint zwar klargeworden zu sein, dass sie am Ende mit dem vom Bundestag bereits beschlossenen Gesetz nicht durchkommen werden. So hat die verabschiedete Fassung die ursprünglich vorgesehene Einwilligungslösung in ihr Gegenteil verkehrt. Plötzlich sollen die Bürger dem Verkauf ihrer Daten ausdrücklich widersprechen müssen. Ganze 57 Sekunden brauchte der wegen eines EM-Fußballspiels der deutschen Nationalmannschaft spärlich besetzte Bundestag, um diese wohl in letzter Minute von entsprechend interessierten Politikern umgedrehte Fassung abzunicken.

Offenbar wusste manche Fraktion gar nicht, was sie da tat. Denn angesichts des Proteststurms erklärten sogar die Regierungsparteien, so sei das alles nicht gemeint gewesen. Nun ist es Aufgabe des Bundesrates, eine Gesetzesänderung vorzuschlagen, die dann über den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag beraten werden kann.

Hierzu gibt es auch eine Beschlussempfehlung. Auf den ersten Blick kehrt sie sogar zur Einwilligungslösung zurück. Aber nur auf den ersten Blick. Denn das Schlupfloch ist bereits eingebaut. Bürger sollen ihre Einwilligung nämlich nicht bei den Meldeämtern geben, sondern gegenüber Adresshändlern, Direktmarketingfirmen und anderen Unternehmen, die sich bei den Behörden Meldedaten besorgen wollen.

Mit anderen Worten: Den betreffenden Firmen wird die Möglichkeit eingeräumt, sich das Einverständnis zum Adresshandel über das Kleingedruckte zu besorgen. Solche Erklärungen sind in der Regel zwar unwirksam. Aber nachdem die Auskunft schon gelaufen ist, dürfte sich nur eine winzige Gruppe Betroffener dazu aufraffen, juristisch gegen den Adressverkauf vorzugehen. Zumal man ja noch nicht einmal notwendigerweise davon erfährt, wenn sich eine Firma unter Berufung auf ein angebliches Einverständnis Meldedaten besorgt.

Überdies ist noch nicht mal beabsichtigt, dass die Meldeämter überhaupt prüfen, ob ein Einverständnis vorliegt. Es soll ausreichen, wenn der Anfrager behauptet, der Bürger habe eingewilligt. Außerdem sollen die Firmen die Einverständniserklärungen nur vorlegen müssen, wenn das Meldeamt dies verlangt. Man kann sich vorstellen, wie oft dies tatsächlich geschehen würde.

Der Bundesrats-Vorschlag ist also nach Kräften so gestaltet, um das Zustimmungserfordernis ins Leere laufen zu lassen. Man braucht wohl nicht lange zu spekulieren, wem wir es zu verdanken haben, dass es noch immer nicht zur einfachen, sauberen Lösung langt, die da lautet: kein Handel mit hoheitlich erhobenen Daten ohne schriftliches Einverständnis des Bürgers.

Übrigens: Morgen ist Opt-out-day.

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Bericht auf Zeit Online

Blitzer-Apps sollen erlaubt werden

Vekehrsexperten von CDU und FDP wollen Radarwarner legalisieren. Dabei haben sie offenbar vor allem Blitzer-Apps im Auge, wie sie heute für jedes Smartphone und Navigationsgerät erhältlich sind. Wie der Focus unter Bezug auf die Saarbrücker Zeitung berichtet, halten die Politiker das bislang geltende Verbot von Blitzerwarngeräten für nicht mehr “zeitgemäß”.

Der Gedanke ist nachvollziehbar – und im Ergebnis auch richtig. In der Tat ist die bislang geltende Regelung überholt. Sie lautet:

Dem Führer eines Kraftfahrzeuges ist es untersagt, ein technisches Gerät zu betreiben oder betriebsbereit mitzuführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Das gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte).

Die Formulierung stammt aus einer Zeit, als die Geräte selbst die Messimpulse von Radarfallen aufspürten. Das ist heute aber nicht mehr Stand der Technik. Blitzer-Apps funktionieren über die Meldungen von Vekehrsteilnehmern, also per Schwarmintelligenz. Stationäre Anlagen werden einfach in Karten eingetragen. Der klassische Radarwarner hat also ausgedient, zumal er moderne Geräte, die zum Beispiel mit Induktionsschleifen arbeiten, gar nicht mehr erfassen kann.

Bislang ist unklar, ob Blitzer-Apps in Smartphones und Navigationsgeräten überhaupt noch unter das Verbot fallen. Weder Handys noch Navis sind nämlich in erster Linie dafür “bestimmt”, vor Radarfallen zu warnen, wie es das Gesetz fordert. Vielmehr dienen sie (auch) etlichen anderen Zwecken.

Gerichtliche Entscheidungen gibt es so gut wie nicht. Das liegt natürlich auch daran, dass die Polizei den Einsatz solcher Geräte nur schwer nachweisen kann. Beamte müssten sich bei Verkehrskontrollen Handys und Navis ansehen. Oder die Geräte beschlagnahmen, wenn der Autofahrer den Zugangscode nicht rausrückt.

Es ist schon höchst zweifelhaft, ob solche Zugriffe überhaupt rechtmäßig wären. Immerhin finden sich auf Smartphones viele persönliche Daten des Autofahrers, außerdem die meist offenen Zugänge zu E-Mail-Accounts, sozialen Netzwerken und Cloud-Speichern, um nur einige Beispiele zu nennen. Es würde also ganz erheblich in sensible Rechtsbereiche des Bürgers eingegriffen. Dass die Polizei bei allgemeinen Verkehrskontrollen “einfach mal so” in den Handys der Angehaltenen nach Blitzer-Apps schnüffelt, erscheint vor diesem Hintergrund fast undenkbar.

Die heutige Regelung hat auch andere Graubereiche. So steht es ja ohnehin jedem Beifahrer frei, eine Blitzer-App auf seinem Handy laufen zu lassen. Der Paragraf richtet nämlich ausdrücklich nur an den Fahrzeugführer. Außerdem ist es seit langem üblich, dass Radiosender ganz aktuell vor Radarfallen warnen. Selbst Polizei und Kommunen geben an vielen Orten die Messorte auf den eigenen Internetseiten bekannt. Wieso dann nicht auch Mobiltelefone oder Navigationsgeräte vor Blitzern warnen dürfen, erscheint mir kaum nachvollziehbar.

Also Daumen hoch für diese Idee.