Keine Bearbeitungsgebühren für Kredite

Kreditnehmer können möglicherweise Geld von ihrer Bank zurückfordern. Das Oberlandesgericht Dresden hat Bearbeitungsgebühren bei Darlehen für grundsätzlich unzulässig erklärt. Viele Banken  nehmen bis zu zwei Prozent der Kreditsumme als Bearbeitungsgebühr. Das Urteil (Aktenzeichen 8 U 562/11) hat die Verbraucherzentrale Sachsen erstritten.

Über Bearbeitungsgebühren für Kredite wird seit langem gestritten. Regelmäßig verlangen Banken und Sparkassen diese Gebühr zusätzlich zu den Zinsen. In dem sächsischen Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof ging, handelte es sich dabei um eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 2 Prozent vom ursprünglichen Kreditbetrag. Bei einem Darlehensbetrag von 10.000 € sind das immerhin 200 €.

Begründet haben die Geldhäuser ihre Forderung mit dem Beratungsaufwand und der Bonitätsprüfung des Kunden."Einmal mehr wollten damit Banken und Sparkassen sich für Tätigkeiten, die in ihrem eigenen Interesse liegen, vom Kunden bezahlen lassen", sagt Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen. "Dass dies unzulässig ist, ist bekannt – dennoch werden immer wieder derartige Preisklauseln kreiert."

Überdies akzeptieren viele Banken verbraucherfreundliche Urteile nicht. So haben im Fall der Bearbeitungsgebühr bereits andere Gerichte ähnlich entschieden wie nun das Oberlandesgericht Dresden. Zeigt sich allerdings in einem Verfahren, dass auch der Bundesgerichtshof wahrscheinlich zu Lasten des Kreditinstitutes entscheidet, wird durch den Anbieter die Revision zurückgenommen. So ist es nun auch wieder im aktuellen Fall.

Durch die Rücknahme der Revision leibt den anderen Unternehmen die Möglichkeit, weiterhin gegenüber ihren Kunden den Standpunkt zu vertreten, die Angelegenheit sei noch nicht höchstrichterlich entschieden. Zur Abwehr von Ansprüchen wird von Banken und Sparkassen des Weiteren auch immer wieder der Einwand der Verjährung vorgebracht. Auch hiervon sollten sich Kunden, so die Verbraucherzentrale Sachsen, nicht beeindrucken, sondern diese Frage zumindest individuell prüfen lassen.

Ein ungeliebtes Video

Weil er sich über das Video einer Nachbarschaftsinitiative empörte, hat sich ein Hannoveraner Bezirksbürgermeister an die Staatsanwaltschaft gewandt. Diese sollte nicht nur ermitteln, sondern den Streifen möglichst direkt auf Youtube löschen. Empörte Anwohner und der Bezirksbürgermeister mutmaßten strafbare Gewaltverherrlichung.

Dabei war der Streifen sogar mit Hilfe der öffentlichen Hand finanziert. 1.500 Euro erhielt die Nachbarschaftsinitiative im Stadtteil Linden-Nord fürs Material, um mit Unterstützung von Schauspielschülern ein dortiges Problem zu thematisieren. Das Viertel, im Schatten der als “Die drei warmen Brüder” bekannten Kraftwerksschornsteine gelegen, und insbesondere die Limmerstraße sind eine Partylocation, die nur selten zur Ruhe kommt.

Vor allem auswärtige Veranstaltungs- und Kneipenbesucher sollen es sein, die immer wieder Probleme verursachen. Alkoholexzesse und Drogengeschäfte werden beklagt, ebenso wie Gewaltausbrüche und der schnöde Missbrauch des öffentlichen Straßenraums als Urinal.

Die Nachbarschaftsinitiative Linden-Nord hat sich der Thematik beherzt angenommen und ihren Film auf Youtube gestellt:

Die durchaus drastischen Bilder, die aber letztlich für mehr Rücksicht auf die Anwohner und untereinander werben sollen, riefen Bürger und den Bezirksbürgermeister auf den Plan. Der Politiker schaute offenbar ins Strafgesetzbuch und stieß auf den Paragrafen 131, der Gewaltverherrlichung und –verharmlosung unter Strafe stellt, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Allerdings hat sich der zuständige Staatsanwalt in Hannover nicht von der allgemeinen Aufregung anstecken lassen. Er kam zu dem Ergebnis, eine strafrechtliche Relevanz des dargestellten Geschehens sei „unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erkennbar”. Was im übrigen völlig korrekt ist, denn der Gewaltverherrlichungsparagraf ist für die ganzen harten Inhalte gemacht. Davon ist das Video meilenweit entfernt.

Und für Geschmacksfragen sind Staatsanwälte nicht zuständig.

Bericht in der HAZ

Polizisten als “Werkzeuge”

Das Amtsgericht Waiblingen hat einen 48-Jährigen wegen vorsätzlicher Körperverletzung wegen des Einsatzes von Pfefferspray verurteilt. Eine alltägliche Geschichte, aber mit einem besonderen Dreh. Das Pfefferspray hatte nämlich nicht der Betroffene verwendet, sondern Polizisten, die den Mann zur Räson bringen wollten.

Der 48-Jährige hatte sich aus einer Suchtklinik abgesetzt. Dort war er wegen eines Alkoholrückfalls eingeliefert worden. Pfleger befürchteten, er könne sich selbst oder anderen was antun. Unbegründet war die Sorge nicht; der Mann lief mit einer Axt und später mit einem Stein durch Winnenden.

Die herbeigerufene Polizei soll ihn mehrfache aufgefordert haben, seine “Waffen” abzulegen. Sonst werde Pfefferspray gesprüht. Da sich der Mann weigerte, passierte genau das. Durch die Schwaden erlitten Umstehende die üblichen Augenreizungen.

Der Staatsanwalt kam auf die Idee, den 48-Jährigen neben anderer Delikte auch wegen des Pfeffersprays anzuklagen. Juristisch spricht man in diesem Fall von “mittelbarer Täterschaft”; die Beamten gelten als “Werkzeuge” des eigentlichen Täters. Das ist jedenfalls ein origineller Kniff, der allerdings nicht ganz unbekannt ist. Polizeibeamte haben auch schon geklagt, weil sie bei der Verfolgung eines Verdächtigen Treppen runtergefallen sind oder Autounfälle hatten. Ohne die Flucht, so ihre Argumentation, wäre der Unfall ja nicht passiert.

Allerdings handelte es sich in diesen Fällen eher um die Frage des (zivilrechtlichen) Schadensersatzes. Hier wird jemand dafür bestraft, obwohl die Wahl der Mittel natürlich letztlich immer im Ermessen der Polizisten verbleibt.

Sofern die Idee auch anderswo aufgegriffen wird, ist das Konzept natürlich ausbaubar. Zum Beispiel bei Demonstrationen, wo es ja immer mal wieder zur Verletzung Unbeteiligter kommt. Aber dann wird die juristische Gegenwehr wohl auch heftiger sein als in Winnenden. Der Betroffene kam nämlich insgesamt noch recht günstig davon.

Bericht in der Lokalzeitung

Das schnelle Ende eines Verhandlungstages

Was den Zeitablauf angeht, sind Gerichtsverfahren nie verlässlich. Bist du als Anwalt mal zu spät, wartet bereits das Gericht. Bist du pünktlich, beginnt die Verhandlung garantiert nicht zum geplanten Zeitpunkt. Und haut alles hin, fehlt zumindest der Angeklagte. Solche Dinge lassen sich nicht vermeiden. Deshalb gehe ich damit auch gelassen um, so lange ich keinen bösen Willen unterstellen kann. Ebenso freue ich mich, wenn mir im Fall einer Verspätung gleiches widerfährt. Das ist bei Richtern übrigens die Regel, nicht die Ausnahme.

Es kommt eben immer auch auf den Ton an, mit dem man sich begegnet. Ein negatives Beispiel durfte ich heute bei einer Gerichtsverhandlung erleben. Die Strafkammer hatte morgens Programm durchgezogen und punkt 12 Uhr die Mittagspause ausgerufen. Die Pause sollte stattliche zwei Stunden betragen. Ab 14 Uhr war Programm vorgesehen.

Natürlich kann man über Sinn und Unsinn einer zweistündigen Mittagspause diskutieren. Gerade wenn viele Prozessbeteiligte Tag für Tag weit anreisen. Allerdings entscheidet über den Zeitplan das Gericht. Zwei Stunden reichen auch noch nicht für den Eindruck, man solle als auswärtiger Anwalt nur geärgert werden.

Mit zwei netten Kolleginnen, eine davon bloggt sogar,  und einem Kollegen saß ich die Zeit recht angenehm beim Italiener ab. Wir waren punkt 14 Uhr wieder im Gerichtssaal. Dort hatte das Gericht seinen üblichen, wie ich finde recht martialischen Auftritt. Die Justizbeamten, die eigentlich inhaftierte Angeklagte bewachen sollen, rufen nämlich jedes Mal bei Einzug der fünf Richter “Aufstehen”. Dabei ist juristisch längst geklärt, dass auch für ehrenwerte Strafrichter nur einmal aufgestanden werden muss – und zwar ausschließlich zu Beginn jedes Verhandlungstags.

Aber was tut man nicht alles, um unnötige Debatten zu vermeiden. Wir erhoben uns also samt und sonders, auch ohne dazu verpflichtet zu sein. Um dann vom Vorsitzenden des Gerichts wenige Sätze zu hören: Angekündigte Anträge könnten auch morgen gestellt werden, das Gericht habe eine Sach- und Rechtslage neu geprüft, deshalb sei der Verhandlungstag jetzt vorbei. Sprach’s, drehte das Mikro ab und verschwand eiligst im Beratungszimmer, seine Kollegen und die Schöffen im Schlepptau. Das Ganze ging so schnell, dass selbst Fragen nicht mehr möglich waren. Die Tür war zu, das Gericht verschwunden, noch bevor einer aus dem Saal das Wort ergreifen konnte.

Für mich sah das aus wie eine Flucht. Leider kann ich nur spekulieren, was der Grund für diesen höchst merkwürdigen Abgang war, der natürlich auch nicht gerade würdig wirkte. Es ist schon bedauerlich, dass nur Spekulation verbleibt. Auch wenn es natürlich dem Gericht freisteht, einen Verhandlungstag nach Belieben zu beenden, so wie es nervig lange Mittagspausen anordnet, finde ich doch, dass eine ganze Heerschar Prozessbeteiligter ein paar mehr Informationen verdient hat. Etwa zu dem Umstand, dass man uns zwei Stunden ausharren lässt für die schnöde Nachricht, dass wir zurück ins Büro fahren können.

Wenn mir ein Richter sonst erklärt, warum er mit einer dreiviertel Stunde im Verzug ist, reichen dafür einige Worte. Oft auch nur ein lakonisches Achselzucken. Oder eine kleine Geste des Bedauerns.  Ich will ja auch gar nicht wissen, worum es im Detail geht. Und selbst wenn, was ich vermute, das flüchtende Gericht heute einen eigenen Verfahrensfehler bemerkt hat und deshalb erst mal überlegen wollte, wie es das Problem löst, hätte man das mit etwas Offenheit ja auch so kommunizieren können, dass der überraschende Abbruch wenigstens nachvollziehbar wird und nicht das große Rätselraten bleibt. Und vor allem die Frage, was das mit der üppigen Mittagspause sollte.

Aschewolke ist höhere Gewalt

Flugausfälle wegen einer Vulkanaschewolke sind “höhere Gewalt”. Hierfür muss ein Reiseveranstalter keinen Schadensersatz leisten, entschied das Amtsgericht München.

Der spätere Kläger buchte bei einem Münchner Reiseunternehmen eine einwöchige Pauschalreise nach Mombasa in Kenia. Der für Mitte April 2010 geplante Rückflug wurde storniert, weil der Vulkan Eyjafjallajökull Asche spuckte. Der Reisende konnte erst sieben Tage später nach Hause fliegen.

Der Betroffene machte zusätzliche Hotelkosten von 180 Euro, Verdienstausfall in Höhe von 583 Euro sowie Telefonkosten in Höhe von 161 Euro geltend. Das Reiseunternehmen weigerte sich zu zahlen. Schließlich könne es für die Naturgewalten nichts.

Am Amtsgericht München hatte die Firma gute Karten. Zwar werde das Verschulden eines Reiseunternehmens grundsätzlich vermutet, so dass es seine Sache ist, sich zu entlasten. Allerdings sei auch dem Gericht bekannt, dass der Flugverkehr im fraglichen Zeitraum wegen der Aschewolke ruhte.

Ein derartiges von außen kommendes Ereignis sei nicht vorhersehbar. Es weise auch keinen betrieblichen Zusammenhang auf. Überdies sei eine Aschewolke nicht abwendbar. Es handele sich vielmehr um höhere Gewalt, für die ein Reiseveranstalter nicht verantwortlich gemacht werden könne.

Das das Reiseunternehmen keine Fluglinie ist, konnte sich der Kläger nicht auf die Europäische Fluggastrechteverordnung berufen. Das Urteil, das erst jetzt veröffentlicht wurde, ist rechtskräftig.

Urteil des Amtsgerichts München vom 18. August 2011, Aktenzeichen 222 C 10835/11

Die Legende vom “geistigen Eigentum”

Ich bin beeindruckt. Ein Schweizer Assistenzprofessor zerpflückt in wenigen Worten die Mär vom “geistigen Eigentum” und entlarvt sie als das, was sie in Wirklichkeit ist – “propagandistische Rhetorik”.

Florent Thouvenin, der an der Law School der Universität St. Gallen lehrt, hat einige unbequeme Wahrheiten im Gepäck. Zum Beispiel jene, dass die Idee des “geistigen Eigentums” relativ neu ist. Thouvenin verortet sie erst auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Erst mit dem massenweisen Nachdrucken von Büchern sei überhaupt die Idee entstanden, der Autor könne nicht nur Rechte an seinem Manuskript haben. Sondern auch an den darin festgehaltenen Ideen.

Die Anknüpfung ans Eigentum war damals in der Sache naheliegend. Bei Büchern handelt es sich nun mal um körperliche Gegenstände. Spätestens mit der Digitalisierung gibt es aber keine Rechtfertigung mehr, den für körperliche Dinge geltenden Eigentumsbegriff auch auf Inhalte zu erstrecken, die beliebig vermehrbar sind. Ein Fahrrad kann eben nur von einer Person genutzt werden. Was für digitale Güter aber offensichtlich nicht gilt, bei ihnen ist eine “nicht rivalisierende Nutzung” möglich.

Fast schon verblüffend ist auch Thouvenins Hinweis, dass digitale Güter in einer Gesellschaft an sich am besten genutzt werden, wenn sie für jedermann frei zugänglich sind. Das eigentliche Problem fasst der Jurist so zusammen:

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht besteht bei öffentlichen Gütern damit ein Dilemma: Aufgrund der Nicht-Rivalität werden öffentliche Güter optimal genutzt, wenn die Nutzung durch jedermann frei erfolgen kann. Umgekehrt ist aber wegen der Nicht-Ausschliessbarkeit zu erwarten, dass öffentliche Güter auf dem Markt nicht in ausreichendem Umfang produziert werden, weil die Nutzung durch Dritte nicht verhindert oder von einem Entgelt abhängig gemacht werden kann.

Die Rechtfertigung für einen besonderen Schutz dieser Güter kann nach Thouvenins Auffassung nur darin liegen, eine gesellschaftlich ungewünschte Verknappung zu verhindern, weil möglicherweise zu wenige Kreative Lust haben, für Gotteslohn geistige Werke zu schaffen. Wie aber ist der Ausgleich zu gestalten? Völlig zu recht weist Thouvenin darauf hin, dass soziologische, ökonomische und juristische Aspekte auf einen Nenner gebracht werden müssen. Es muss also ein Ausgleich erzielt werden. Jedenfalls gibt es keineswegs einen faktischen Zwang, wegen der angeblichen Existenz “geistigen Eigentum” dieses um seiner selbst zu schützen.

Der Autor:

Der Begriff des geistigen Eigentums verstellt hier nur den Blick auf die wahre Komplexität, indem er mit propagandistischer Rhetorik versucht, die Gewährung von Ausschliesslichkeitsrechten an öffentlichen Gütern als vermeintlich zwingend hinzustellen.

Bei dieser, wie ich meine zutreffenden, Sicht der Dinge dreht sich manches um. Das wird vielen “Urhebern” nicht gefallen. Aber die Zeit scheint abgelaufen, in der sie kritiklos auf ihr schiefes Bild vom “geistigen Eigentum” pochen und Rechte reklamieren konnten, die ihnen bei objektiver Betrachtung gewährt werden können. Aber nicht müssen. 

Florent Thouvenins Kommentar in der NZZ

Unaufschiebbare Anträge

Kündigt ein Anwalt einen unaufschiebbaren Antrag an, weiß der Richter Bescheid. Er wird gleich wegen Befangenheit abgelehnt werden. Wobei “gleich” relativ zu sein scheint. Bisher dachte ich, unaufschiebbar bedeutet unaufschiebbar. Ich habe auch noch nicht erlebt, dass ein Gericht ernsthaft den Versuch macht, unaufschiebbare Anträge aufzuschieben. Bis heute.

Die Ankündigung eines unaufschiebbaren Antrags quittierte der Richter mit dem Hinweis, der Antrag könne zu gegebener Zeit gestellt werden, und zwar “ohne Rechtsverlust”. Das Gericht werde darauf zurückkommen, damit der Antrag gestellt werden könne. Offenbar zu einem Zeitpunkt, der dem Gericht genehm ist. Dann wollte er im normalen Programm weiter machen.

Ein ziemlich eigenwilliges Prozedere, wie sich auch am lautstarken Protest der Anwälte zeigte. Immerhin schreibt das Gesetz ja vor, dass Befangenheitsanträte ohne schuldhaftes Zögern gestellt werden müssen. Ob die Zusage des Gerichts reicht, das gehe auch noch später “ohne Rechtsverlust”, ist jedenfalls ein Risiko, das ich lieber nicht eingehen würde. Das dürfte in etwa so verlässlich sein wie die Zusage eines Handyverkäufers, dass man den Vertrag selbstverständlich auch noch nach Ablauf des Widerrufsrechts widerrufen kann, weil, “wir sind da sehr kulant”.

Nun ja, das Gericht zog sich wenigstens zur Beratung zurück. Offenbar hatten die weiteren Richter einen heilsamen Einfluss auf den Vorsitzenden und haben ihm verklickert, dass ein weiter unaufschiebbarer Antrag wahrscheinlich lauten würde, dass er wegen der Nichtentgegennahme unaufschiebbarer Anträge befangen ist.

Die unaufschiebbaren Anträge durften also gestellt werden. Und ich bin um eine merkwürdige Erfahrung reicher.

Auch Kölner Richter müssen sich was sagen lassen

(Kleine) Anwältin gegen Gerichtspräsident. Es sah auf den ersten Blick nicht unbedingt gut aus für die bloggende Juristin Heidrun Jakobs. Jakobs hatte einen deutlichen, kritischen Blogeintrag geschrieben, in dem sie sich über die Verfahrenspraxis einer Zivilkammer am Landgericht Köln äußerte. Der betreffende Richter beschwerte sich bei seinem Gerichtspräsidenten. Dieser wiederum war sich nicht zu schade, Jakobs bei der Anwaltskammer anzuschwärzen. Dabei warf er auch die Frage auf, ob Anwälte überhaupt bloggen dürfen.

Dieser Beitrag war der Stein des Anstoßes. Meine Meinung zum Brief des Gerichtspräsidenten habe ich hier gesagt. Nun hat die Sache ein Ende gefunden, noch dazu ein gutes. Die Anwaltskammer Koblenz hat die Beschwerde des Landgerichtspräsidenten zurückgewiesen. Aus den Gründen:

… dürfen Rechtsanwälte mit scharfen und überzogenen Formulierungen auch Kritik an Richtern üben, sofern die herabsetzende Äußerung nicht den Charakter einer Formalbeleidigung oder Schmähkritik annimmt.

Es muss die Auseinandersetzung in der Sache und nicht die Diffamierung der Person im Vordergrund stehen. In den Äußerungen der Kollegin, die 26. Kammer sei “als bankenfreundlich bekannt” ist ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot nicht zu sehen. Eine Diffamierung ebenfalls nicht.

Weiterhin ist in der Vermutung “dass die Kammer es verabsäumt habe, “diesen Vortrag zur Kenntnis zu nehmen” ebenfalls keine Verletzung des Sachlichkeitsgebots begründet. Wenn die Kollegin aufgrund der Auswertung des Urteils zu dem Ergebnis gelangt, dass Vortrag nicht berücksichtigt wurde, ist die Kritik an der nach ihrer Ansicht fehlenden Berücksichtigung ebenfalls nicht unsachlich.

Die Äußerungen der Rechtsanwältin waren also per se zulässig. Ob “Internet-Blogs” für Anwälte erlaubt sind, was der Gerichtspräsident ja auch wissen wollte, musste die Anwaltskammer gar nicht sagen. Aber auch das ist ja eine Antwort, zumindest ein bisschen.

Kein Mädchenpensionat

Ein Viertel aller Gefängnisinsassen haben körperliche Gewalt erlebt. Nicht im letzten Jahr, sondern innerhalb eines Monats. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Rund 25 % der befragten Inhaftierten – Männer wie Frauen gleichermaßen, bestätigten, innerhalb der letzten vier Wochen Opfer physischer Gewalt geworden zu sein.

Über die Einzelheiten der Studie berichtet der Berliner Tagesspiegel. Danach liegt die Gefahr für einen Häftling, binnen eines Monats im Jugendstrafvollzug vergewaltigt zu werden, bei sieben Prozent. Der Leiter der Studie, der Kriminologe Christian Pfeiffer, nennt das eine “Horrorquote”. Ebenso schauerlich sind andere Ergebnisse. So sehen sich Häftlinge weniger vom Personal geschützt, dafür eher von Mitgefangenen.

Eigentlich sollte man bei solchen Enthüllungen etwas Betroffenheit bei den Verantwortlichen erwarten. Der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann kann sich dazu aber ganz und gar nicht durchringen. “Ein Knast ist eben keine Mädchenpension“, lautete sein Kommentar gegenüber der Nachrichtenagentur dapd.

Offenbar ist dem Minister entgangen, dass sich die staatliche Sanktion sich bei uns auf Freiheitsstrafen beschränkt. Deshalb ist es verhängnisvoll, körperliche Gewalt herunterzuspielen, auch wenn sie von Mitgefangenen verübt wird. Oder gar wie Busemann den Eindruck zu erwecken, man billige augenzwinkernd den harten Umgang im Knast. Nach dem Motto: Die haben es ja nicht anders verdient.

Natürlich lässt sich Gewalt im Gefängnis nicht komplett verhindern. Aber es ist die Aufgabe des Staates, sie nach Kräften zu verhindern und sie auch zu verfolgen. Auch ein Knast ist nämlich kein rechtsfreier Raum. Im günstigsten Fall begünstigt der Minister durch seine Äußerung das Prinzip des Wegschauens, das die Studie ja auch beklagt. Im schlimmsten Fall gibt er zu erkennen, wie lax man es sogar an höchster Stelle schon mit den Minimalanforderungen an Rechtsstaatlichkeit nimmt.

Gewalt jedenfalls fühlt sich nicht besser an, bloß weil sie nicht in einem russischen, sondern einem deutschen Knast geschieht.

Planen Anwälte einen Pranger für Filesharer?

Die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen ist eine Größe im Abmahngeschäft. Unter anderem fällt sie auch dadurch auf, dass eine stattliche Zahl der von ihr vertretenen Rechteinhaber aus der Erotikbranche stammt. Nun kündigen die Anwälte einen gewagten Schritt an: Sie wollen ab dem 1. September sogenannte “Gegnerlisten” veröffentlichen. Was durchaus bedeuten könnte, dass sich von U + C Abgemahnte demnächst namentlich auf der Homepage der Anwälte finden könnten. Ein Internetpranger – traut sich U + C das wirklich?

Der Ankündigungstext lässt jedenfalls erahnen, wie das Kalkül der Regensburger Juristen ist:

In einem großen Teil der uns anvertrauten Mandate erzielen wir vergleichsweise Einigungen. Im Interesse unserer Mandanten ist dies häufig sinnvoller als der Gang durch die Gerichtsinstanzen.

Wer sich nicht einigt, könnte aber namentlich auf einer Online-Liste landen. Denn diese wird schon im übernächsten Satz in Aussicht gestellt. U + C beruft sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte solche Listen grundsätzlich für zulässig gehalten. Das Grundrecht auf freie Berufsausübung müsse dem Anwalt auch ermöglichen, über seine Rechtsstreite zu berichten.

Allerdings bezieht sich die Entscheidung nur auf Mandate im gewerblichen Bereich, im entschiedenen Fall ging es um Klagen gegen Kapitalanlagefirmen. Ob das ein Freibrief ist, auch Privatleute bloßzustellen, ist höchst fraglich. Zwar könnte man argumentieren, dass die Gerichte die betreffenden – angeblichen – Urheberrechtsverletzungen als “gewerblich” ansehen. Denn sonst wären die Provider nicht verpflichtet worden, Namen und Adressen der Anschlussinhaber zu den festgestellten IP-Adressen herauszugeben. (Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt das alles zwar etwas auf den Kopf, aber diese Rechtsansicht war seinerzeit ja noch nicht bekannt.)

Ich gehe davon aus, dass die Veröffentlichung persönlicher Daten mutmaßlicher Filesharer rechtswidrig ist. Wenn ein Anwalt eine Firma oder einen Prominenten als “Gegner” nennen kann, hat das einen Informationswert. Der Name und ggf. die Adresse eines Bürgers, der nicht im Licht der Öffentlichkeit steht, lässt dagegen überhaupt keinen Rückschluss auf die Tätigkeit oder gar die Qualität des Anwalts zu. Bei den Abmahnungen handelt es sich ja auch um standardisierte Schreiben.

Es würde also auch völlig ausreichen, zum Beispiel die Zahl der Gegner aus diesem Bereich zu nennen. Ob eine Kanzlei 10.000 oder 200.000 Bürger abgemahnt hat, mag für ihre potenzielle Kundschaft durchaus eine interessante Information sein.

Ohne dass U + C daraus einen Gewinn ziehen könnten, würden die Persönlichkeitsrechte eines Abgemahnten verletzt. Gerade eine Abmahnung wegen pornografischer Inhalte ist sicher etwas, was viele Betroffene in ihrem Umfeld bloßstellen und lächerlich machen würde. Hinzu kommt, dass sich die Abmahnungen ja immer gegen den Anschlussinhaber richten. Selbst wenn jemand über seine Internetleitung einen Porno gezogen hat, heißt dies noch lange nicht, dass es auch der genannte Gegner war.

Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt eindeutig zu Gunsten der U + C – Gegner aus. Deshalb wage ich die Prognose, dass die Regensburger Anwälte die Namen von Filesharing-Gegnern nicht veröffentlichen werden. Sollte dies doch geschehen oder noch konkreter angekündigt werden, würde ich Mandanten raten, sofort eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Außerdem müsste man überlegen, ob das Ganze nicht auch als (versuchte) Nötigung strafbar wäre.

Internet-Law zum gleichen Thema

Videokameras gegen Nothämmerchen-Diebe

Die Düsseldorfer Rheinbahn hat bereits 350 Videokameras im Betrieb. Allerdings handelt es sich um veraltete Modelle mit geringer Speicherkapazität. Deshalb können nur Zufallsaufnahmen gemacht werden – oder wenn ein Fahrgast den Alarmknopf drückt. Das soll sich nun ändern: Alle U-Bahnhöfe und die meisten Stadtbahnhaltestellen sollen auf Dauerüberwachung umgerüstet werden.

Bemerkenswert ist der Grund, warum die Düsseldorfer Verkehrsbetriebe über 500.000 Euro in die neuen, rund um die Uhr laufenden Videokameras investieren wollen. Hauptsächlich geht es nämlich darum, Graffiti-Sprüher und Sesselschlitzer abzuschrecken oder wenigstens zu ermitteln.

Zwar hat man auch die Sicherheit der Fahrgäste im Blick. Überraschenderweise scheint es aber wenig konkreten Bedarf an “Schutz” durch Kameras zu geben. “Zum Glück gibt es so was bei uns so gut wie nie”, zitiert die Rheinische Post (Printausgabe) Rheinbahn-Sprecher Georg Schumacher. Mit “so gut wie nie” meint Schumacher Gewalttaten auf Bahnsteigen.

Also eine Videokomplettüberwachung zur Verhinderung von Sachbeschädigung. Aus Sicht der Rheinbahn mag das nachvollziehbar sein, mir als Fahrgast (ich habe eine Monatskarte) wird da allerdings unbehaglich. Ich muss mich künftig also auf Haltestellen und in Bahnen ständig filmen lassen, nur damit die Verkehrsbetriebe möglicherweise ein paar Graffiti-Sprüher stellen können. Oder die dreisten Diebe von Nothämmerchen, welche die Rheinbahn gegenüber der Lokalpresse nicht zu erwähnen vergisst.

Auch wenn die jährlichen Schäden durch Vandalismus angeblich ca. zwei Millionen Euro betragen (eingerechnet sind allerdings auch die Kosten für die Reinigung versehentlich verschmutzter Sitze), scheint mir die Rechnung etwas einseitig zu Lasten der Fahrgäste gemacht zu werden. Ich möchte schlicht und einfach nicht permanent aufgenommen werden, sobald ich mit Bus und Bahn unterwegs bin.

Zumal ich den Rheinbahn-Sprecher in dem Punkt beipflichten kann, dass im Düsseldorfer Nahverkehr weniger Räuber und Schläger nerven, dafür aber dauernörgelnde Rentner und ungehobelte Stutzer jeder Couleur (in dieser Reihenfolge). Aber gegen die helfen Kameras leider nicht.

Noch dazu wird die Rheinbahn jede Aufnahme 72 Stunden speichern. Das ist ein stattlicher Zeitraum; Beschädigungen dürften ja wesentlich schneller entdeckt werden. Verkauft wird das mit einem angeblich hohen Standard beim Datenschutz. Die Aufnahmen dürften nur besonders geschulte Mitarbeiter sehen. Und intern gibt es angeblich die Vorgabe, dass Bilder nur im Zusammenhang mit Straftaten verwendet werden dürfen.

Daneben kann allerdings auch die Polizei auf die Aufnahmen zugreifen. Was zwangsläufig dazu führen wird, dass auch bei kleineren Delikten außerhalb des Rheinbahn-Bereichs künftig geschaut werden wird, wer denn an einer Haltestelle ein- oder ausgestiegen oder zumindest durchs Bild gelaufen ist.

Da die Haltestellen ja nun meist in den öffentlichen Straßenraum integriert sind, kann das sogar wunderbare Bewegungsprofile ergeben. Allerdings nicht nur von Tätern, sondern von vielen tausend Fahrgästen und ganz normalen Passanten.

Wenn das alles kommt, werde ich in Düsseldorf wahrscheinlich wieder mehr Auto fahren.