Hubschrauber im Parkverbot

Wer vom Fernsehen als einer der “zehn verrücktesten Deutschen” gezeigt wird, kann unter Umständen Schmerzensgeld verlangen. Aber auch nur einen relativ geringen Betrag von 400 Euro – weil ein bisschen was ist an der Sache ja möglicherweise dran. So jedenfalls sieht es das Amtsgericht Köln im Fall eines Mannes, der ein ganzes Ordnungsamt ersetzt und schon tausende Bürger wegen Verkehrsverstößen in seiner Heimatstadt im Harz angezeigt hat.

Damit schaffte es der bekennende Oberlehrer immerhin auf Platz 8 der RTL-Sendung über die zehn verrücktesten Deutschen. Dabei wurde er als ausgemachter Unsymph dargestellt; Mitbürger äußerten sich extrem abfällig über den Dauer-Anzeigenschreiber. Außerdem hatte RTL noch eine ehemalige Pornodarstellerin zu einem Kommentar bewogen: “Er hat 20.000 Menschen geschadet, ich glaub das macht ihn geil.”

Innerlich tief verletzt zog der selbsternannte Ordnungshüter vors Amtsgericht Köln. Dort bekam er teilweise recht, denn der Richter erkannte in Aufmachung und Inhalt des Beitrags eine unzulässige Schmähkritik. Die verlangten 4.000 Euro Schmerzensgeld hielt das Amtsgericht aber für überzogen:

Bei der Frage der Angemessenheit des Schmerzensgeldes ist entscheidend auch das eigene Verhalten des Klägers zu berücksichtigen. Dieser präsentiert sich auch in den Medien als selbsternannter Ordnungshüter, welcher unstreitig eine enorme Anzahl von Anzeigen verfasst hat. Wie die Filmaufnahmen zeigen, tritt er belehrend gegenüber Mitbürgern auf und äußert sich in schroffer Weise zu dem von ihm für festgestellt gehaltenen Verkehrsverstößen. Ohne dazu von irgendjemandem berufen worden zu sein, nimmt der Kläger in enormen Ausmaß Aufgaben der Ordnungsbehörden war und präsentiert dieses Gebaren in den Medien.

Selbst wenn er den Vorgang um den Rettungshubschrauber nur scherzhaft gemeint haben will oder gar nicht als Anzeige verstanden wissen wollte, so entzündet sich auch an derartigem Handeln verständliche Kritik der Allgemeinheit. Das Gesamtverhalten rechtfertigt auch scharfe Kritik und führt zu verständlichen Unmutsbekundungen.

Wegen des erwähnten Rettungshubschraubers war über den Kläger bundesweit berichtet worden. Der Harzer Freizeitpolizist soll den Piloten des Hubschraubers angezeigt haben, weil dieser sein Fluggerät während eines Rettungseinsatzes im Parkverbot landete. Allerdings behauptete der Kläger später, zumindest diese Anzeige sei nicht ganz ernst gemeint gewesen.

Amtsgericht Köln, Urteil vom 16. November 2011, Aktenzeichen 123 C 260/11

Anwaltskalender 2012 – die Gewinner

Die Gewinner der Kalenderverlosung stehen fest. Es sind:

Gimbar

Anno Nüm

Biber

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Thorsten

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Paulchen32

Mariam

Africoke

jesse

Herzlichen Glückwunsch an die Gewinner. Ihr erhaltet eine gesonderte Mail, auf die ihr dann bitte mit den Versanddaten antwortet.

Wer dieses Jahr kein Glück hatte, kann den Anwaltskalender 2012 auch direkt beim Autor wulkan ordern (wulkan@arcor.de, Telefon 0172 200 35 70). Die Kalender kosten 19,90 Euro zzgl. 5,80 Euro Versandkostenpauschale. Bestellungen werden noch rechtzeitig vor Weihnachten versandt.

Nicht mehr im dienstlichen Gewahrsam

Nach 23 Jahren kann ein Bürger nicht mehr verlangen, dass ihm die Behörden eine sichergestellte Waffe wieder aushändigen. Grund: Ämter müssen ihre Akten längstens 20 Jahre aufbewahren. Lässt sich danach der Verbleib eines Gegenstandes nicht mehr aufklären, geht das zu Lasten des Bürgers.

Vor dem Verwaltungsgericht Neustadt hatte ein Mann geklagt, dem 1985 seine Waffenscheine entzogen wurden. Die Polizei stellte damals eine Pistole bei ihm sicher. 23 Jahre später beantragte der Mann beim Polizeipräsidium Rheinpfalz Herausgabe seiner Waffen, entweder an ihn oder einen Dritten, der einen Waffenschein hat.

Sowohl das Polizeipräsidium Rheinpfalz als auch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier teilten dem Kläger mit, eine Herausgabe der Waffen sei nicht mehr möglich, da diese nicht mehr im dienstlichen Gewahrsam seien. Unterlagen gebe es nach so langer Zeit nicht mehr.

Die Verwahrung der Waffen im dienstlichen Gewahrsam sei wohl zu einem nicht mehr aufklärbaren Zeitpunkt, der zwischen der Übergabe an die Verwahrstelle bei der Bezirksregierung in Neustadt im Jahr 1986 und der Auflösung der Waffenkammer zwischen 1996 und 1997 liege, beendet worden. Aller Wahrscheinlichkeit nach seien die Waffen ordnungsgemäß verwertet oder vernichtet worden.

Der Kläger wies darauf hin, er sei trotz der Sicherstellung Eigentümer geblieben. Die Behörden könnten nicht belegen, dass sie die Waffe nicht mehr haben. Deshalb könne er auch die Herausgabe verlangen.

Mit diesen Argumenten fand er kein Gehör. Die Verwaltungsrichter in Neustadt meinen, der Kläger müsse beweisen, dass die Pistole noch amtlich verwahrt werde. Das sei ihm nicht gelungen. Deshalb dürfe davon ausgegangen werden, dass die Waffe seinerzeit ordnungsgemäß verwertet oder vernichtet worden sei.

Dass das Land keine Dokumente über den Verbleib oder über die Verwertung beziehungsweise Vernichtung mehr auffinden könne, könne ihm nicht angelastet werden. Keine Behörde sei verpflichtet, Akten nach Abschluss des Vorgangs länger als 20 Jahre aufzubewahren.

Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 26. Oktober 2011, Aktenzeichen  5 K 1198/10.NW

Bundestags-Gutachten darf jeder lesen

Keine Sonderrolle für die Bundestagsverwaltung: Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gilt auch für Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Der Kläger hatte beantragt, ihm Einblick in die vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages erstellte Ausarbeitung „Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestrischen Lebensformen“ zu geben.

Der Deutsche Bundestag hatte dieses Ersuchen mit der Begründung abgelehnt, das IFG sei auf den Deutschen Bundestag nur anwendbar, soweit er öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Die Zuarbeit der Wissenschaftlichen Dienste sei der Mandatsausübung der Abgeordneten zuzurechnen und daher als Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten vom Informationszugang ausgenommen. Im Übrigen gelte für die Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes der Schutz geistigen Eigentums.

Das Verwaltungsgericht Berlin ist dieser Ansicht nicht gefolgt. Die Aufgabe des Parlamentes bestehe im Wesentlichen in der Gesetzgebung und der Kontrolle der Regierung. Dazu gehöre nicht die Arbeit des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, da dieser lediglich Fragen der Abgeordneten beantworte und Gutachten erstelle. Diese Vermittlung von Information und Wissen bilde die Grundlage für die parlamentarische Arbeit der Abgeordneten, sei aber nicht selbst parlamentarische Arbeit.

Eine Verletzung des Schutzes geistigen Eigentums sei selbst dann nicht zu befürchten, wenn man davon ausgehe, dass es sich bei der Ausarbeitung um ein „Werk“ im Sinne des Urheberrechts handele. Der Bundestag als Inhaber des Urheberrechts sei in seinem Erstveröffentlichungsrecht nicht betroffen, weil nur der Kläger Einblick erhalte, nicht jedoch die Allgemeinheit. In seinem Verbreitungsrecht sei der Bundestag nicht betroffen, weil der Kläger nicht die Absicht habe, die Ausarbeitung in den Verkehr zu bringen, sondern sie lediglich lesen wolle.

Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 1. Dezember 2011, Aktenzeichen VG 2 K 91.11

Desaster Datenzugriff

Für das ZDF-Blog Hyperland habe ich nochmal einiges zu einem Dokument der bayerischen Justiz geschrieben. Es geht um den “Leitfaden zum Datenzugriff”, der uns all die schönen Überwachungsmöglichkeiten der Justiz erklärt und auch zeigt, wo Staatsanwälte übers Ziel hinausschießen.

Der Beitrag heißt “Desaster Datenzugriff: Was ein Geheimpapier über staatliche Überwachung verrät” und ist hier nachzulesen.

Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!

Baff waren Beamte der Erdinger Kriminalpolizei, als ihnen die Süddeutsche Zeitung erklärte, woher das ominöse Fahndungsplakat des Verfassungsschutzes nach Adolf Hitler stammte. Es war in der Nähe von Geschäften in Taufkirchen geklebt worden und löste polizeiliche Ermittlungen aus. Wer jetzt aber denkt, dass spätestens in dem Augenblick, als die Quelle bekannt wurde, auch die Ermittlungen beendet waren, irrt. Die bayerische Polizei findet die Sache nach wie vor nicht lustig und ermittelt munter weiter. Die Plakate werden jetzt auf Fingerabdrücke untersucht!

Ich hatte ja schon dargelegt, dass die Beamten einen Anfangsverdacht durchaus haben durften. Das Porträtfoto Adolf Hitlers kann als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation angesehen werden; seine Verwendung ist deshalb unter bestimmten Voraussetzungen strafbar.

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Die Grundkonstellation des Falles ist zum Beispiel nicht anders, als wenn Gegendemonstranten die Teilnehmer eines Nazi-Umzuges mit “Heil Hitler”-Rufen verhöhnen. Vor einigen Jahren ging es auch um durchgestrichene Hakenkreuze. Emsige Staatsanwälte wollten Nazigegnern untersagen, diese Symbole auf Plakate und Postkarten zu drucken.

Alle Verfahren endeten, wenn auch mitunter in letzter Instanz, wie zu erwarten. Es kommt nämlich für einen Verstoß gegen § 86a Strafgesetzbuch immer auf die Gesinnung des Beschuldigten und/oder darauf an, wie die Verwendung des verbotenen Symbols zu verstehen ist. Die Verwendung des Symbols muss sozusagen mit einem “Bekenntnis” des Betroffenen zu den Zielen der verfassungsfeindlichen Organisationen verbunden sein.

Wer die nun wochenlange Diskussion um die Arbeit der Sicherheitsdienste nach Bekanntwerden der Nazimorde auch nur ansatzweise mitbekommen hat, wird dem Plakat kein Bekenntnis zum Nationalsozialismus entnehmen können. Sondern lediglich eine bissige Kritik am Verfassungsschutz, der trotz seiner V-Leute eine von rechts  motivierte Mordserie nicht richtig einordnete. Oder möglicherweise sogar auf dem betreffenden Auge blind war.

Spätestens mit dieser Erkenntnis hat sich aber der Anfangsverdacht zerschlagen. Vielleicht sollte sich bei der Staatsanwaltschaft mal jemand erbarmen und die wuseligen Kriminaler aus Erding per Anweisung von oben bremsen. Nur eine schnelle Einstellung des Verfahrens kann noch verhindern, dass man über die zuständige Kripo bald mehr lacht als über die Witze der Titanic.

Bericht in der Süddeutschen Zeitung

Bzw. Vorführung

Natürlich wissen die meisten Polizeibeamten um ihre begrenzten Möglichkeiten im Umgang mit Zeugen. Sie dürfen Zeugen nicht zum Erscheinen zwingen, sie nicht gegen ihren Willen auf die Wache mitnehmen und sie auch auf andere Weise nicht zu einer Aussage nötigen. Kurz gesagt: Ein Zeuge muss bei der Polizei überhaupt nichts.

Eine ebenso überwiegende Mehrheit der Polizisten tut aber nach meiner Erfahrung vieles, um diese Rechtslage nicht überdeutlich werden zu lassen. Das beginnt ja schon damit, dass die unverbindlichen Einladungen für Zeugen mit der gängigen Überschrift “Vorladung” den Touch des Verpflichtenden bekommen. 

Es geht weiter mit der Behauptung, dem Zeugen stehe nach Lage der Dinge kein Aussage- oder Auskunftsverweigerungsrecht zu, deshalb sei er zur Aussage verpflichtet. Dass ein Zeuge unabhängig von solchen Rechten mit der Polizei schon mal grundsätzlich nicht sprechen muss, bleibt gern unerwähnt.

Natürlich gibt es trotzdem immer wieder Leute, die ihre Rechte kennen. So eine Zeugin, die ich vertrete. Sie ist der ersten Vorladung nicht gefolgt. Jetzt erhielt sie ein Schreiben mit einem zweiten Termin bei der Polizei und dem Hinweis, bei unentschuldigtem Fehlen müsse sie “mit einer staatsanwaltschaftlichen Vorladung bzw. Vorführung rechnen”.

Die Finesse steckt hier im Detail, nämlich der beiläufigen Drohung mit einer Vorführung. Das ist schlicht Irreführung. Ich habe der Polizeibeamtin folgendes geantwortet:

Ich erlaube mir den Hinweis, dass die von Ihnen in der Ladung dargestellte Alternative „staatsanwaltschaftliche Vorladung bzw. Vorführung“ so nicht existiert. Auch die Staatsanwaltschaft kann einen Zeugen erst vorführen lassen, wenn sie (d.h. die Staatsanwaltschaft) diesen ordnungsgemäß zur Vernehmung geladen hat. Die Vorführung ist nämlich nur im Falle des unberechtigten Ausbleibens oder unberechtigter Weigerung des Zeugen zulässig.

Die Polizei hat keinerlei eigene Rechte, Zeugen zum Erscheinen zu zwingen. Ich bitte Sie höflich, Angeschriebene künftig nicht mit falschen Angaben zu verunsichern.

Mal sehen, ob die betreffende Polizistin den Textbaustein weiter verwendet. Falls ja, schreibe ich vielleicht mal ihrem Vorgesetzten.

Angeschwollene Bagatellforderungen

Die Verbraucherzentralen nehmen Inkassobüros ins Visier. Eine Studie belegt, dass Willkür und Phantasiegebühren Inkassoforderungen in schwindelerregende Höhen treiben. Besonders kreativ sind nach den Erkenntnissen der Verbraucherzentralen Inkassofirmen, die für die Betreiber von Abofallen im Internet arbeiten.

Ausgewertet wurden rund 4.000 Verbraucherbeschwerden über unseriöse Inkassopraktiken. 99 Prozent der Beschwerden haben sich nach Angaben der Verbraucherzentralen als berechtigt erwiesen. „Unseriöses Inkasso ist eine bedrohliche Plage. Abzocke und Einschüchterung müssen deshalb endlich gestoppt werden“, fordert Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv).

Die nicht repräsentative Untersuchung zeigt: In 84 Prozent der Fälle war bereits die Hauptforderung unberechtigt, in 15 Prozent der Fälle blieb auch auf Nachfrage unklar, ob es sich um eine berechtigte Forderung handelt. Lediglich ein Prozent der erfassten Inkassoforderungen waren eindeutig berechtigt.

Meist stehen unberechtigte Inkassoforderungen im Zusammenhang mit untergeschobenen Verträgen, die durch Abofallen im Internet, unerlaubte Telefonwerbung oder Gewinnspielwerbung angebahnt wurden. „Viele Betroffene zahlen aus Unkenntnis und Angst selbst unberechtigte Forderungen“, berichtet Olaf Weinel, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Niedersachen. Verbraucher fühlten sich bedroht und eingeschüchtert.

Vielfach sorgen – auch bei berechtigen Forderungen – Phantasiegebühren für eine Kostenexplosion der Gesamtrechnung. So verlangten Inkassounternehmen in rund 50 Prozent der ausgewerteten Fälle nicht nachvollziehbare Gebühren, Auslagen oder Zinsen.

Unterm Strich erhöhte sich dadurch die Summe der Hauptforderungen von rund 490.000 Euro auf Gesamtforderungen in Höhe von rund 750.000 Euro.

“Inkasso braucht Regeln, gesetzliche Informationspflichten, verlässliche Gebührenvorgaben und eine schlagkräftige Aufsicht“, lautet das Fazit von Gerd Billen. Auch der Bundesrat und die Verbraucherschutzministerkonferenz fordern konkrete Maßnahmen im Kampf gegen unseriöses Inkassogebaren. Gefordert sei das Bundesjustizministerium.

Inkassounternehmen können nach den Feststellungen bislang ihre Gebühren nach Gutsherrenart nahezu willkürlich festlegen. Das Prinzip ist einfach: Eine auf den ersten Blick kleine Hauptforderung bläht sich durch Phantasiegebühren, Aufschläge und Zinsen zu einem Vermögen auf. So wachsen Bagatellforderungen zu Beträgen von mehreren Hundert oder gar tausend Euro an. Ein krasser Fall aus der Schuldnerberatung: Die Hauptforderung belief sich auf 20,84 Euro, am Ende wurde die Zahlung von 1.200 Euro verlangt. „Angeschwollene Bagatellforderung“ nennen das die Fachleute.

Rund drei Viertel der in der Untersuchung befragten Verbraucher fühlten sich von den Inkassoschreiben bedroht und eingeschüchtert. Gedroht wird mit Hausbesuchen, einem Eintrag bei der Schufa oder Lohn- und Kontopfändung. „Ein Inkassounternehmen drohte mit der Beauftragung einer Detektei, die Vermögens- und Arbeitsverhältnisse des Schuldners auszuspionieren – wegen einer Hauptforderung von 15,87 Euro“, berichtet Olaf Weinel.

Auch sonst könne die Unternehmen weitgehend unkontrolliert agieren. „Ein Mangel an effektiven Kontrollen und Sanktionen ist geradezu eine Einladung für Betrüger“, sagt Gerd Billen. Bundesweit sind rund 80 Aufsichtsbehörden für Inkassounternehmen zuständig. Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein im Jahr 2010 ergab, dass bundesweit lediglich in zwei Fällen Inkassofirmen aufgrund von Verbraucherbeschwerden die Zulassung entzogen wurde.

Auch die Selbstregulierung der Branche funktioniere nicht. So geben die „berufsrechtlichen Richtlinien“ des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) weder eine Gebührenordnung noch konkrete Informationspflichten vor.

Auswertung der Beschwerden

Ergebnisse der Inkasso-Auswertung in Zahlen

Letzter Aufruf

Die Adventsverlosung im law blog geht in die Schlussrunde. Noch bis Sonntag, 4. Dezember, können Leser beim Gewinnspiel mitmachen. Es gibt zehn Anwaltskalender 2012 des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan zu gewinnen.

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Die Spielregeln stehen hier. Wer noch mitmachen möchte, kann auch zu diesem Beitrag einen Kommentar hinterlassen. Es erhöht aber nicht die Gewinnchancen, hier nochmals zu posten, da wir doppelte Teilnehmer aussortieren. Bitte denkt daran, dass die Gewinner nur über die hinterlassene E-Mail-Adresse kontaktiert werden; diese sollte also gültig sein.

Wer nicht auf sein Glück vertraut oder mehr als einen Kalender möchte, kann das Werk auch bei wulkan direkt ordern (wulkan@arcor.de, Telefon 0172 200 35 70). Die Kalender kosten 19,90 Euro zzgl. 5,80 Euro Versandkostenpauschale. Gewinne und Bestellungen werden rechtzeitig vor Weihnachten versandt.

Schnappschüsse vom Balkon

Normalerweise schütze ich Überlastung vor oder verweise auf meine Vorliebe fürs Strafrecht, wenn mir Nachbarschaftsstreitigkeiten angetragen werden. Der Fall, der vor einigen Tagen reinkam, hat jedoch seinen Reiz.

Mein Mandant wohnt im Erdgeschoss. Er darf den Garten hinter dem Haus alleine nutzen. Ein schöner Garten übrigens; er ist mit einer dichten Hecke, Bäumen und einem Zaun vor der Nachbarschaft abgeschirmt. Die Nachbarin Frau Böse zog vor einiger Zeit in den ersten Stock. Das Verhältnis war von Anfang an unterkühlt. Wobei das eher nicht an meinem Mandanten liegen dürfte; den kenne ich schon seit vielen Jahren als umgänglichen Menschen.

Nun begab es sich im September, dass mein Mandant an einem schönen Spätsommertag sein Hemd auszog und im Garten zur Tat schritt. Diverse Gehölze mussten getrimmt werden. Das wiederum gefiel Frau Böse ganz und gar nicht, denn sie ist nach eigenen Angaben fast so was wie eine gelernte Juristin. Oder kennt zumindest einen Juristen. So genau hat mein Mandant das nicht verstanden. Jedenfalls war sich Frau Böse aufgrund ihrer Fachkenntnis sicher, dass mein Mandant gegen die örtliche Gartensatzung oder Naturschutzgesetze verstößt, wenn er im September bei Sonnenschein das Messer an die Pflanzen setzt.

Darauf hat Frau Böse meinen Mandanten aber nicht angesprochen. Sie behielt ihre Bedenken für sich, schlich sich dafür aber auf den Balkon und erstellte ein paar aussagekräftige Fotos. Diese zeigen, wie mein Mandant mit entblößtem Oberkörper Gartenarbeit verrichtet. Die Bilder schickte Frau Böse ans Gartenamt und die Vermieterin. Natürlich mit einem Brief, in dem sie den Umweltfrevel meines Mandanten bitterlich beklagt.

Allerdings weiß Frau Böse wohl nicht, dass mein Mandant im öffentlichen Dienst ist und es mit Vorschriften ziemlich genau nimmt. Weder der Vermieter noch das Gartenamt sahen trotz der Beweismittel einen Grund zum Einschreiten. Mein Mandant hatte sich nämlich vor den Arbeiten extra beim zuständigen Mann des Gartenamtes erkundigt, was er beachten muss. Und an diese Vorgaben hielt er sich auch. Das von Frau Böse angestoßene Ordnungwidrigkeitenverfahren gegen meinen Mandanten wurde sogleich mangels Tatverdachts eingestellt.

Als mein Mandant erfuhr, dass sich nun in der Vermietungsakte und in den Unterlagen des Gartenamtes Oben-ohne-Fotos von ihm finden, war er nicht erbaut. Vor allem möchte er nicht, dass die Dame die Fotos noch weiter verbreitet. Oder gar neue schießt.

Also eine Abmahnung. Die haben ich nicht nur auf das Recht am eigenen Bild und das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützt, sondern auch auf den Paparazzi-Paragrafen. Der Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs gilt, entgegen weit verbreiteter Annahme, keineswegs nur für Prominente.  Auch der Garten kann zu diesem geschützten Lebensbereich gehören, jedenfalls wenn er wie der meines Mandanten “gegen Einblick besonders geschützt” ist (Hecken, Bäume, Zaun).

Bleibt eigentlich nur die Frage, ob die Vorschrift dann nicht gilt, wenn gar nicht durch den Sichtschutz fotografiert wird. Von ihrem Balkon im ersten Stock hat Frau Böse nämlich ungehinderten Blick in den Garten. Nach meinem Verständnis stellt das Gesetz nur darauf ab, ob sich durch den Sichtschutz für den Betroffenen das berechtigte Gefühl ergibt, ziemlich privat sein zu können. Auch ein Foto, das aus von einer Rampe oder einem Fluggerät geschossen wird, wird ja nicht dadurch erlaubt, weil der Sichtschutz wirkungslos geblieben ist.

Ein Nachbarschaftsstreit mit besonderer Note also. Mein Mandant ist sich sowieso sicher, dass die Sache vor Gericht geht. Vielleicht hören wir ja von dort ein paar klärende Worte zum Paparazzi-Paragrafen. Die könnten für jeden Gartenbesitzer interessant sein. 

Verkäufer muss nicht vier Augen haben

Zu den Pflichten eines Verkäufers in einem Laden gehört es auch, die Augen nach Dieben offen zu halten. Übertriebene Anforderungen dürfen an ihn aber nicht gestellt werden. Dies hat das Arbeitsgericht Oberhausen klargestellt. Das Gericht wies die Klage eines Telefonshopbetreibers gegen einen Angestellten ab, während dessen Schicht zwölf Handys aus dem Lager geklaut wurden.

Der mit rund 1.300 Euro brutto bei einem Vollzeitjob eher mager bezahlte Verkäufer befand sich gerade im Kundengespräch, als ein Unbekannter sich Zutritt zum Lager verschaffte. Von dort entwendete der Unbekannte Telefone mit einem Wert von rund 6.000 Euro. Der Verkäufer hatte das nicht bemerkt.

Das Arbeitsgericht Oberhausen sah keinen Grund, den Arbeitnehmer für den Verlust haften zu lassen. Es liege nur leichteste Fahrlässigkeit vor, demnach müsse der Arbeitgeber den Schaden alleine tragen.

Nach der Rechtsprechung haften Arbeitnehmer überhaupt erst ab durchschnittlicher Fahrlässigkeit, wobei der Schaden in diesem Fall meist zwischen Arbeitgeber und Angestelltem geteilt wird. Eine Rolle spielt hier auch immer, in welchem Verhältnis der Schaden zum Einkommen des Mitarbeiters steht. Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz müssen Arbeitnehmer komplett für Schäden aufkommen, die sie während der Arbeitszeit anrichten. 

Arbeitsgericht Oberhausen, Urteil vom Urteil vom 24.11.2011, Aktenzeichen 2 Ca 1013/11

Titanic-Plakat narrt bayerische Polizisten

Es klingt zunächst wie eine Posse. Die Polizei in Taufkirchen/Bayern hat Ermittlungen aufgenommen, weil an einem Dönerstand, bei Kik und an einem Drogeriemarkt seltsame Plakate hingen. Sie zeigten alle ein Porträt Adolf Hitlers, verbunden mit der Textzeile:

Der Verfassungsschutz bittet um Mithilfe: Wer kennt diesen Mann?

Laut Süddeutscher Zeitung hat die Polizei insgesamt fünf solcher Plakate sichergestellt. Die Beamten hätten sogleich ausdrücklich spekuliert, als Täter komme ein Rechtsradikaler in Betracht. Aber auch Störfeuer von anderer Seite, im Sinne einer “Provokation des Verfassungsschutzes”, wollten sie nach dem Bericht nicht gänzlich ausschließen.

Sicher kann man von den Beamten nicht verlangen, dass sie Satirezeitschriften lesen. Aber sehr weit können die Ermittlungen noch nicht fortgeschritten gewesen sein, als sie ihre Mutmaßungen bekannt gaben. Denn immerhin wäre es wenigstens mit Hilfe von Google ziemlich leicht gewesen, wenigstens der ideologischen Quelle des Flugblatts auf die Spur zu kommen. Bei Eingabe des Textes verweist die Suchmaschine in den ersten Treffern auf Berichte zum aktuellen Titelbild der “Titanic”:

 

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Quelle: Titanic

Die Plakate waren vom Titelbild der Titanic kopiert.

Der Fairness halber muss man einräumen, dass die Einleitung von Ermittlungen gar nicht mal so absurd ist. Kopfbilder Adolf Hitlers sind nämlich verbotene Nazi-Symbole. Jedenfalls dann, wenn sie Hitler ikonenhaft darstellen und früher amtlich verwendet wurden. Das hat der Bundesgerichtshof mal entschieden.

Ebenso ist aber heute geklärt, dass die Verwendung von Nazisymbolen jedenfalls dann nicht strafbar ist, wenn die inhaltliche Aussage sich gegen den Nationalsozialismus wendet oder was völlig anderes bezweckt als rechte Werbung. Angesichts der aktuellen Debatte um die deutschen Sicherheitsdienste dürfte sich der Tatverdacht gegen den bislang unbekannten Plakatkleber deshalb schnell in Luft auflösen.

Wie auch immer, ein Blick ins Internet hätte den Ermittlern doch schnell weiter geholfen. Vielleicht beim nächsten Mal…