Angeklagter möchte nicht auf der Anklagebank sitzen

Kann jemand abwesend sein, obwohl er physisch anwesend ist? Eine fast schon philosophische Frage, mit der sich das Landgericht Ansbach auseinandersetzen musste. Allerdings ging es nicht um so was Modernes wie emotionale Abwesenheit, sondern um die schlichte Frage: Wie geht man als Richter mit einem Angeklagten um, der nicht auf der Anklagebank sitzen möchte?

Der Angeklagte erschien vor Gericht zwar pünktlich, gab sich ansonsten jedoch unkonventionell. Er führte Monologe, verteilte Schriftstücke, wanderte durch den Gerichtssaal und setzte sich schließlich auf eine Zuschauerbank. Das Landgericht wählte den Notausgang. Es ging nämlich um eine Berufung, und bei der kann das Nichterscheinen des Angeklagten direkte Folgen haben. Sein Rechtsmittel kann ohne Sachprüfung verworfen werden.

Genau das passierte dann auch. Die Strafkammer attestierte dem anwesenden Angeklagten unentschuldigtes Fehlen und verwarf die Berufung. Allerdings war der Angeklagte nicht ganz so erratisch, wie es sich das Landgericht vielleicht erhoffte. So wie er korrekt Berufung eingelegt hat, so schafft er es auch mit der Revision. Am Bayerischen Obersten Landesgericht dachte dann ein Strafsenat über die Sache nach – mit erwartbar anderem Ergebnis.

Laut den Richtern entscheidet sich Anwesenheit an der rein physischen Präsenz und der Bereitschaft des Angeklagten, sich zu identifizieren. Ab diesem Zeitpunkt sei er anwesend im Sinne des Gesetzes. Letztlich hätte die Strafkammer zu anderen Möglichkeiten greifen müssen. So habe sich ja die Frage gestellt, ob der Angeklagte psychische Probleme hat, was möglicherweise ein Sachverständigengutachten über seine Verhandlungsfähigkeit erfordert hätte. Auch hat das Gericht die Möglichkeit, gegen ungebührliches oder gar querulatorisches Verhalten mit Ermahnungen, Ordnungsgeld oder gar Saalverweis vorzugehen. Diese Maßnahmen müssen aber vorher angedroht werden. Die schlichte Verwerfung der Berufung wegen juristischer Abwesenheit trotz physischer Präsenz sei jedoch nicht zulässig gewesen.

Große Freude also: Die Beteiligten sehen sich wieder…

Aktenzeichen 203 StRR 234/25

Corona-Post kostet Polizeibeamten den Job

Ein Polizist aus Sachsen, der momentan AfD-Bundestagsabgeordneter ist, verliert seinen Beamtenstatus. Das Verwaltungsgericht Dresden hat ihn aus dem Dienst entfernt. Der Polizist hatte im April 2020 zu einem „Corona-Spaziergang“ auf dem Marktplatz in Pirna aufgerufen. Das Gericht legt ihm außerdem weitere Socia-Media-Posts zur Last, mit denen er sich als ungeeignet erwiesen habe.

Mit dem Vorschlag eines Spaziergangs habe er gar nicht zu einer Art Demo aufrufen wollen, argumentiert der Betroffene Steffen Janich. Vielmehr sei es darum gegangen, über den von ihm so empfundenen „Wahnsinn“ der Corona-Maßnahmen nachzudenken. Allerdings schränkte zu genau der Zeit eine Schutzverordnung die Versammlungsfreiheit ein. Unabhängig von der nicht thematisierten Frage, ob die Verordnung nicht vielleicht tatsächlich Wahnsinn war, erkennen die Verwaltungsrichter bei Janich eine Ablehnung, Gesetze durchzusetzen, auch wenn er mit diesen nicht einverstanden ist. Außerdem soll Janich unter anderem ein Video geteilt haben, das Demonstranten zeigt, die ein Polizeisperre durchbrechen. Hierdurch sei er, so die Entscheidung, insgesamt als Beamter nicht mehr tragbar.

Gegen die Entscheidung kann Janich Rechtsmittel einlegen. Der 54-Jährige vertritt seit 2021 den Wahlkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge (Wahlkreis 158) als direkt gewählter Abgeordneter.

Aktenzeichen 10 K 1899/24.D

Der Rückzug oder: Alle doof außer Frauke

Man könnte mit Würde abtreten. Man kann es aber auch so machen wie die gescheiterte Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht Frauke Brosius-Gersdorf mit ihrer heutigen Erklärung. 418 Worte und acht Bulletpoints lang erklärt sie uns, wie ungerecht die Welt ist. Man kann fast froh sein, dass ihre Berater sie nicht zu einem TikTok-Video gedrängt haben, es wäre mit Sicherheit was für die Meme-Hitparade geworden. Aber auch mit ihrem Text belegt die Potsdamer Professorin sehr schön, dass es gute Gründe für ihre Ablehnung gibt. Man darf sehr froh sein, dass die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag stark geblieben ist.

Wie schon der Auftritt bei Markus Lanz offenbaren auch die vorläufig letzten Worte der Kandidatin, wie Brosius-Gersdorf das höchste Richteramt der Republik betrachtet: als Karriereoption im öffentlichen Dienst, die frau sich keinesfalls entgehen lassen darf. Ihr Motto lautet: ich, ich, ich. Über dieser Perspektive sind der Kandidatin zwangsläufig zwei Dinge aus dem Blick geraten, sofern sie ihr jemals in den Sinn gekommen sind. Erstens: Schon der leiseste Anschein der Gier nach dieser herausgehobenen Richterstelle ist würdelos und disqualifiziert für das Amt. Zweitens: Es gibt noch ein paar Dutzend, wenn nicht hunderte qualifizierte Juristen in diesem Land, die den Ansprüchen der scharlachroten Richterrobe gerecht werden und überdies konsensfähig wären – fachlich wie menschlich. Jeder weniger egozentrierte Kandidat hätte sich genau mit dem Hinweis auf diese Optionen frühzeitig und mit Anstand selbst aus dem Rennen genommen und sich aufrichtig dafür bedankt, dass man überhaupt an ihn gedacht hat.

Aber nicht so Frauke Brosius-Gersdorf. Sie wirft in ihrer heutigen Erklärung der CDU/CSU im Bundestag vor, diese habe sich „von Kampagnen treiben“ lassen. Geht es noch anmaßender gegenüber der stimmenstärksten Partei im Land? Frau Brosius-Gersdorf: ja. Sie attestiert den Christemokraten ernsthaft, diese hätten sich sogar der „unsachlichen und diffamierenden“ Kampagne gebeugt. Das ist an Herablassung kaum zu überbieten. Ebenso der durchaus oberlehrerhafte Hinweis, die fachliche Kompetenz als zentrales Entscheidungskriterium dürfe nicht von öffentlichen Diskussionen über vermeintliche politische Richtungen oder angebliche persönliche Eigenschaften überlagert werden. Anscheinend hat Frau Brosius-Gersdorf nun abschließend festgelegt, was die Kriterien für die Besetzung einer Richterstelle am Bundesverfassungsgericht sind. Dass ausgerechnet die Stellenbewerberin die Spielregeln für das Auswahlverfahren definieren möchte, ist schon bemerkenswert. Die Abgeordneten entscheiden noch immer frei und nach ihrem Gewissen. Dass dem einen oder anderen Frauke Brosius-Gersdorf vielleicht auch fachlich nicht ganz top notch erschienen sein könnte, kommt der Juristin gar nicht in den Sinn. So sieht Selbstbewusstsein aus.

Weiter rechtfertigt Brosius-Gersdorf nochmals ihre Position zur Menschenwürde. Zentraler Satz: „Der CDU/CSU-Fraktion ist es dagegen nicht gelungen, sich mit meinen Themen und Thesen inhaltlich auseinanderzusetzen.“ Die werten Kritiker sind also alle desinteressiert. Das ist noch die freundlichste Auslegung dieser Worte. Man kann Frauke Brosius-Gersdorf aber auch so verstehen: Alle doof außer Mutti. So was ist nicht nur frech und anmaßend, sondern ein echter Affront gegenüber jedem einzelnen Mitglied des Deutschen Bundestages.

Auch sonst präsentiert sich Brosius-Gersdorf als quasi unfehlbar und im Besitz der Wahrheit. So knöpft sie sich vermeintliche Journalistentrottel in den „Qualitätsmedien“ vor, die sie einfach nicht verstanden haben. Aber nicht nur das, die kritische Analyse ihrer Positionen nennt sie „Desinformation und Diffamierung“. Sie spricht von ehrabschneidendem Journalismus und Kampagnen (alles noch in den „Qualitätsmedien“). Der gescheiterten Kandidatin ist offensichtlich bis heute nicht klar geworden: Jeder, also auch die Medien und sogar Nichtjuristen, dürfen ihre Aussagen zur Kenntnis nehmen und sich darüber ein Urteil bilden. Ja, so einfach ist es.

Aber kein Anwurf ist schwer genug, um ihn noch zu toppen. In den sozialen Medien hätten sich, so Brosius-Gersdorf, organisierte und zum Teil KI-generierte Desinformations- und Diffamierungskampagnen Bahn gebrochen, vor denen dann sogar die Abgeordneten eingeknickt seien. Noch ein Zuschlag an Hybris gefällig? Brosius-Gersdorf stilisiert ihren Fall sogar zur Grundsatzfrage für die „Erhaltung der Demokratie“.

Eine Nummer bescheidener wäre wesentlich bekömmlichere gewesen. Aber vielleicht klappt es damit ja im nächsten Kapitel der Saga, voraussichtliches Thema sind die Plagiatsvorwürfe.

Erklärung von Frauke Brosius-Gersdorf

Chemieingenieur arbeitet nun für Anwaltskanzlei

Der ehemalige brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), der von 2018 bis Dezember 2024 im Amt war, soll seine kürzlich aufgenommene Beratertätigkeit für die internationale Wirtschaftskanzlei CMS vorerst auf Eis legen. Grund ist eine laufende Prüfung durch die Landesregierung auf einen möglichen Interessenkonflikt, da CMS eng in die Ansiedlung der Tesla-Gigafactory in Grünheide involviert war – ein Projekt, das Steinbach als Minister maßgeblich vorangetrieben hatte.

Die Staatskanzlei teilte am 6. August 2025 mit, dass Steinbach per Schreiben vom 1. August aufgefordert wurde, die Tätigkeit ruhen zu lassen, bis eine endgültige Entscheidung über eine mögliche Untersagung vorliegt. Steinbach bezeichnete sich in der Vergangenheit selbst als „Botschafter“ des Tesla-Standorts und war intensiv in die Planung und Umsetzung involviert. Die Kanzlei CMS beriet in diesem Kontext nicht nur Tesla, sondern auch das Land Brandenburg juristisch, etwa beim Verkauf des Grundstücks an den Konzern.

Die Prüfung basiert auf dem Brandenburgischen Ministergesetz (BbgMinG), das seit 2016 eine Karenzzeitregelung für ehemalige Minister vorsieht. Gemäß § 5b BbgMinG unterliegt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes in den ersten zwei Jahren nach dem Amtsende einer Anzeigepflicht bei der Landesregierung. Steinbach ist dieser Pflicht nach Angaben der Regierung nachgekommen. Die Regelung ermöglicht es der Landesregierung, eine Tätigkeit für bis zu zwei Jahre zu untersagen, falls öffentliche Interessen beeinträchtigt werden könnten. Eine Beeinträchtigung liegt insbesondere vor, wenn die neue Beschäftigung in Bereichen ausgeübt wird, in denen der Ex-Minister während seiner Amtszeit tätig war, oder wenn sie eine Zusammenarbeit mit Personen oder Unternehmen beinhaltet, die bereits damals von „erheblicher Bedeutung“ waren. Zudem muss die Tätigkeit das „Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Landesregierung“ beeinträchtigen können. Die Regierung zieht hierzu ein spezielles Beratungsgremium nach § 5d BbgMinG hinzu, das im Fall Steinbach nun konsultiert werden soll.

Steinbach hat mitgeteilt, seine schon aufgenommene Tätigkeit ruhen zu lassen. Vielleicht interessant: Der Ex-Minister ist Chemieingenieur. CMS ist eine Anwaltskanzlei.

Polizist soll gegen späteren Mörder nicht ermittelt haben

Die Staatsanwaltschaft Coburg hat einen Polizeibeamten wegen Strafvereitelung im Amt angeklagt. Der Beamte sollte einen Fall bearbeiten, bei dem ein 28-jähriger Afghane in einer Asylbewerberunterkunft eine 44 Jahre alte Frau gewürgt und mit einem Messer angegriffen haben soll. Trotz konkreter Anhaltspunkte leitete er als Sachbearbeiter laut Anklage kein Ermittlungsverfahren ein.

Bei dem Angreifer handelt es sich um Enamullah O. Dieser tötete nicht lange nach dem Vorfall in einem Aschaffenburger Park zwei Menschen. Gegen ihn waren auch noch andere Strafen offen, die bis wegen fehlender Gesamtstrafenbildung bis dahin nicht vollstreckt waren, berichtet die Welt.

Das Grundgesetz verbietet es nicht, rechts zu sein

NIUS hat vorhin die sachliche Stellungnahme des rheinland-pfälzischen Innenministeriums zur Nichtzulassung des AfD-Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt In Ludwigshafen veröffentlicht. Der Wahlausschuss hatte die Kandidatur des AfD-Politikers Joachim Paul wegen angeblicher Zweifel an dessen Verfassungstreue abgelehnt – und die AfD damit faktisch aus der für den 21. September Wahl des Stadtoberhaupts herausgekickt. Ein für Anhänger des Demokratieprinzips sehr bedrückender Vorgang, das nun geleakte Papier verstärkt allerdings das Störgefühl bei mir fast zu einem Würgereiz.

Zunächst mal beruht das Schreiben offenbar auf Denunziation. Das Ministerium antwortet in Person des Abteilungsleiters Verfassungsschutz auf „Hinweise“, welche die amtierende Oberbürgermeisterin (früher SPD, jetzt parteilos) als Wahlleiterin gegeben haben soll. Das Ganze ist also eine Art Auftragsarbeit, offenkundig mit dem Ziel initiiert, etwas Konkretes gegen den AfD-Kandidaten ins Feld führen zu können. An sich beschränkt sich die Rolle der Wahlausschüsse traditionell auf das Vorliegen formaler Voraussetzungen. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, ob einem Kandidaten das passive Wahlrecht möglicherweise durch Strafurteil entzogen ist, ob er seinen Wohnsitz an einem zulässigen Ort hat und ob er womöglich unter Betreuung steht.

In Abkehr davon und aus offenkundiger Furcht vor der AfD wird nun also also der Verfassungsschutz aktiv angestoßen, um Munition gegen einen offenkundig unliebsamen Kandidaten zu liefern. Statt dem Wähler die Entscheidung zu überlassen, wird also vorher ausgesiebt. Ich bemühe jetzt gar nicht langatmig den Vergleich, aus welchen Ländern und Gesellschaftsordnungen man so was kennt. Das weiß jeder – sofern er es noch wissen will.

Was der Verfassungsschutz liefert, ist ein wildes Konglomerat aus Bulletpoints. Der Kandidat soll mal irgendwie Kontakt zum sehr rechten Herrn Sellner gehabt haben, er soll Veranstaltungen aufgesucht haben (welche Überraschung bei einem Politiker). Er war möglicherweise an der Organisation des Stolzmonats beteiligt und es wird kolportiert, er habe möglicherweise mal einen Fistbum gezeigt, der als White-Power-Gruß verstanden werden könnte. Alles zwar nicht strafbar, aber halt irgendwie rechts.

Man kann dieses wüste Kompromat mit der Schilderung politischer Aktivitäten natürlich inhaltlich sezieren. Aber erschreckend ist vor allem die Methode. Der Verfassungsschutz lässt via Ministerium ganz klar mitteilen, dass man auf die Nachfrage hin halt mal ein bisschen gegoogelt und aus dem Internetz rauskopiert hat, was man so über den Kandidaten findet. Das alles wird weder in eine Struktur gebracht noch inhaltlich fundiert und vor allem im Zusammenhang bewertet.

Diese Zurückhaltung der Behörde ist aber auch positiv zu werten. Immerhin traut man sich kein „Urteil“ über die Verfassungstreue des Kandidaten zu. Immerhin ehrlich ist auch das ausdrückliche Eingeständnis, dass die Indiziensammlung keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Man erfährt also nicht, was der Kandidat auch sonst so sagt. Selbst die Menge des Textes ist nur vordergründig beeindruckend. Knapp die Hälfte des Schreibens besteht aus einem banalen Glossar mit Begriffserklärungen.

Man kann den Kandidaten Paul durchaus für rechts halten. Aber das Geschreibsel des Verfassungsschutzes ist nicht mal ansatzweise ein Beleg dafür, dass der Kandidat und letztlich seine Partei den Wählern vorenthalten werden muss. Das Grundgesetz verbietet es nicht, rechts zu sein. Umso schlimmer, dass solche Vorgänge fast Alltag werden. Auch in Nordrhein-Westfalen wurden in den letzten Tagen AfD-Kandidaten als Verfassungsfeinde gebrandmarkt und von Wahlen ausgeschlossen.

Die Verantwortlichen sollten ganz schnell innehalten und überlegen, wer hier eigentlich gerade die Demokratie zerstört, und das leider auch noch ebenso offen wie bösartig vor den Augen des noch einigermaßen geneigten Wählers.

NIUS-Bericht, das Originalpapier ist dort als PDF abrufbar

Bilderstürmer bei der Arbeit

Die Hindenburg-Kaserne in Munster (Niedersachsen) wird am 10. September 2025 in Unteroffizier-Friederike-Krüger-Kaserne umbenannt.

Ich fasse die Fakten zusammen:

Die Umbenennung der Kaserne erfolgt im Rahmen der „Traditionspflege“ der Bundeswehr, basierend auf einem wissenschaftlichen Gutachten des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Dieses Gutachten bewertete die sogenannte „Traditionswürdigkeit“ des bisherigen Namensgebers Paul von Hindenburg, dem früheren Reichspräsidenten, neu. Außerdem hat wohl auch eine Art Soldatenrat mitbestimmt. Ausschlaggebend für die Ausmusterung Hindenburgs sollen folgende Gründe sein:

– Hindenburgs demokratiefeindliches Handeln,

– die bewusste Verbreitung falscher Tatsachen,

– seine zunehmend autoritäre Amtsführung als Reichspräsident,

– seine führende Rolle bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten.

Die neue Namensgeberin, Friederike Krüger (1789–1848), war ein(e) preußische(r) Unteroffizier(in), also eine Frau, die sich als Mann verkleidete und – angeblich – als solche unerkannt in den Befreiungskriegen diente. Sie wird als Vorbild für Mut, Pflichterfüllung und Hingabe im Dienst geschildert.

Ich hätte kein Problem damit, wenn ein öffentliches Bauwerk nach dieser bemerkenswerten Soldatin benannt wird. Auch wenn mir der offizielle Name „Unteroffzier-Friederike-Krüger-Kaserne“ doch eher unglücklich gegendert scheint. Aber darf man gleichzeitig eine historisch komplexe Figur wie Hindenburg auf ein paar Spiegelstriche reduzieren, die sich wie noch dazu wie die billige Checkliste aus dem Innenministerium Rheinland-Pfalz gegen AfD-Bewerber für den öffentlichen Dienst lesen?

Früher nannte man das Bilderstürmerei. Hier ist sie auch noch von oben veordnet, was sie nicht unbedingt sympathischer macht. Die Meister der von oben verordneten Bilderstürmereieren waren übrigens die „Helden“ der Französischen Revolution. Das grandiose Scheitern dieser Revolution brachte mit Napoleon ausgerechnet den autokratischen Herrscher hervor, gegen den Friederike Krüger zu Felde zog. Aber auch sie war natürlich keine Freiheitskämpferin, sondern stand im Dienste des ebenfalls nicht sonderlich demokratisch legitimierten Preußenkaisers Friedrich Wilhelm III. Aber was spielt das alles am Ende für eine Rolle, Hauptsache die Symbolik stimmt.

Darf Handgepäck extra kosten?

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat Klage gegen mehrere Fluggesellschaften eingereicht, die zusätzliche Gebühren für Handgepäck erheben. Betroffen sind unter anderem Ryanair, Wizz Air und Eurowings. Der Vorwurf: Die Gebühren für Handgepäck sind unzulässig, da sie Verbraucherrechte verletzen und die Preisgestaltung intransparent machen.

Der vzbv beklagt eine Verschleierung der tatsächlichen Kosten für eine Flugreise. Verbraucher würden bei der Suche auf Preisportalen und bei der Buchung selbst oft mit niedrigen Ticketpreisen gelockt, nur um später mit unerwarteten Zusatzkosten fürs Gepäck konfrontiert zu werden. Die Verbraucherzentrale argumentiert, dass zumindest Handgepäck, welches die üblichen Maße nicht überschreitet, im Ticketpreis enthalten sein sollte. Das Gepäck sei nämlich wesentlicher Bestandteil einer Reise.

Die Klage stützt sich auf EU-Recht, insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008. Diese schreibt vor, dass alle unvermeidbaren Kosten im Endpreis enthalten sein müssen.
Die beklagten Fluggesellschaften verteidigen ihre Praxis und verweisen auf die Wahlfreiheit der Passagiere, die durch unterschiedliche Tarife Flexibilität gewinnen sollen. Kritiker sehen darin jedoch eine bewusste Strategie, um den Basispreis künstlich niedrig zu halten und Kundschaft anzulocken.

Demo-Anweisungen sind keine vertraulichen Worte

Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main beschäftigt sich der Frage, ob man Polizisten auf Demonstrationen filmen darf. Konkret geht es um einen Demonstranten, der Polizisten filmte, die auf einer Corona-Demo Abstandsregelungen durchsetzten. Die Polizei warf ihm vor, gegen § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) verstoßen zu haben.

Nachdem der Mann auf die Aufforderung der Polizei und einen Platzverweis nicht sofort reagierte, wurde er in Gewahrsam genommen. Jetzt wollte die Polizei 106 Euro für den Transport in den Gewahrsam. Zu Unrecht, so das Gericht. Die polizeilichen Anweisungen auf dem öffentlichen Marktplatz waren laut dem Urteil schon gar nicht vertraulich, da der Zuhörerkreis offen war. Eine Straftat nach § 201 StGB lag somit nicht vor.

Zudem war der Platzverweis nach § 31 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz (HSOG) rechtswidrig, da keine Gefahr von dem Mann ausging. Das Gericht betont, dass eine eventuell bereits begangene Straftat normalerweise keine Gefahrenabwehr rechtfertigt, sondern repressive Maßnahmen nach der Strafprozessordnung erfordert. Der Mann hatte das Video auf Anweisung der Beamten gelöscht und es gab auch keine Anhaltspunkte, dass er erneut filmen würde. Somit fehlte die Grundlage für den Platzverweis. Folglich waren auch die nachfolgende Ingewahrsamnahme und der Kostenbescheid rechtswidrig.

Das Urteil stärkt das Recht, polizeiliche Maßnahmen in der Öffentlichkeit zu dokumentieren, solange keine vertraulichen Gespräche betroffen sind. Es verdeutlicht zudem den Unterschied zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung: Ein Platzverweis setzt eine konkrete, zukünftige Gefahr voraus. Diese fehlte hier (Aktenzeichen 5 K 2305/21.F).

Revolution: Gerichte akzeptieren Post auf USB-Sticks

Die (R)evolution im IT-Bereich ist mal wieder mit den Händen greifbar. Bei der Übersendung von Gerichtspost gilt seit dem Monatsanfang eine Änderung. Man mag es kaum glauben: Schriftsätze und Anlagen, welche die Kapazitäten der elektronischen Anwalts- und Behördenpostfächer sprengen, dürfen nun auch anderweitig eingereicht werden – per USB-Stick!

Seit jeher gibt es bei den elektronischen Postfächern Größenprobleme. Anfänglich durften Dateien nur 60 MB groß sein. Außerdem durfte eine Nachricht nur 100 Dateien umfassen. Das wurde mit der Zeit upgegraded. Momentan dürfen Nachrichten bis zu 200 MB umfassen. Es sind 1.000 Dateien pro Nachricht erlaubt. Der graduelle Fortschritt ist zwar da. Aber noch immer belasten diese Limits Anwälte in komplexen Verfahren aus allen Rechtsbereichen. Mitunter muss halt endlos viel „Papier“ produziert und massenweise Dokumente vorgelegt werden.

Ausnahmen? Diese sah die Verordnung mit dem schönen Titel Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung durchaus vor. Die Ausnahmen stehen in der dazu passenden Eletronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung, welche das Bundesjustizministerium gestaltet. Schon bisher mussten Dokumente, welche über der Kapazitätsgrenze lagen, per Post ans Gericht geschickt werden. Immerhin nicht als Ausdruck, sondern als Datenträger. Für die Speicherung der Dateien waren zwei Möglichkeiten vorgesehen: „DVD“ und, es hebe die Hand, wer sie noch kennt, „CD“.

Offenbar wird man nun langsam dem Umstand gerecht, dass auch Bürohardware meist ohne DVD-Player kommt. So darf man ab sofort also auch einen USB-Stick schicken, und zwar in den Dateisystem exFAT oder NTFS. Seit einigen Jahren wird freilich diskutiert, ob man das Größen- und Zahlenproblem nicht besser und vor allem zukunftsträchtiger mit einer Cloudlösung lösen könnte. Aber darauf scheinen wir noch etwas warten zu müssen.


Karikatur: wulkan

Gericht zerschießt Online-Plattform das Geschäftsmodell

„Tschüss Wartezimmer. Hallo Online-Arzt“. So wollte ein Unternehmen werben, das sich auf die Vermittlung von Online-Sprechstunden bei Ärzten spezialisiert hat. Das Sozialgericht München untersagt die Werbung.

Die Werbung erweckt laut dem Gericht den Eindruck, jede Erkrankung lasse sich über eine Online-Sprechstunde behandeln. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) regelt dagegen, dass für sogenannte ärztliche Fernbehandlungen nur geworben werden darf, wenn ein persönlicher Kontakt mit dem Arzt aus fachlicher Sicht definitiv gerade nicht erforderlich ist. Also eher nur in Ausnahmefällen.

Das Gericht stellt auch andere Mängel fest. So seien die Angaben, welche die Patienten bei der Anmeldung machen müssen, das Anlegen einer Patientenakte. Eine Patientenakte führen dürften aber nur Ärzte. Gleiches gelte für Informationen, die die teilnehmenden Ärzte bei der Sprechstunde in einem speziellen Ordner auf der Seite über ihre Patienten speichern. Die Registrierungspflicht auf der Seite verstößt laut dem Gericht gegen die Vorgabe, dass Online-Sprechstunden leicht zugänglich sein müssen. Außerdem beanstandet das Sozialgericht, dass Interessenten nur einen Zeitrahmen erhalten, aber dann die Ärzte entscheiden, wer die Online-Sprechstunde übernimmt. Das verstößt laut dem Gericht gegen das Recht der Patienten auf freie Arztwahl. Weiter dürfen Mitarbeiter der Plattform im Vorfeld des virtuellen Arzttermins keine Symptome abfragen. Denn die Eignung der Mitarbeiter sei nicht sichergestellt, anders als bei einer angestellten Sprechstundenhilfe.

Kurz gesagt, das Gericht zerschießt der Firma komplett das Geschäftsmodell (Aktenzeichen S 56 A 325/22).

Nicht gezeugtes Kind kann im Grundbuch stehen

Können noch gar nicht gezeugte Kinder Rechte an Grundstücken haben? Über diese Frage streiten Juristen seit langer Zeit. Nun hat der Bundesgerichtshof die Frage geklärt.

Eine Frau wollte die Eintragung einer Grundschuld von 187.000 Euro löschen lassen, die ihre verstorbene Mutter für mögliche Enkelkinder eingetragen hatte. Die Frau ist kinderlos und hält mit 60 Jahren Nachwuchs für ausgeschlossen. Grundsätzlich bestimmt § 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), dass die Rechtsfähigkeit des Menschen „mit der Vollendung der Geburt“ beginnt. Daraus wurde mitunter geschlossen, dass ein sogenanntes Grundpfandrecht für noch nicht Geborene gar nicht eingetragen werden kann.

Dies sehen die Richter anders. Laut dem Gericht ist die Rechtsfähigkeit etwas anderes als die Zuweisung einer gesicherten Rechtsposition für die Zukunft. Es gebe auch andere Konstellationen, in denen Ungeborene etwas erhalten können, zum Beispiel bei Verträgen zu Gunsten Dritter. Ungeborene Kinder würden auch häufig als Vermächtnisempfänger, Nach- oder Schlusserben eingesetzt. Dass die Frau mit 60 Jahren nicht mehr Mutter werden könnte, will das Gericht nicht feststellen. Wegen der Fortschritte in der Reproduktionsmedizin stehe so etwas keineswegs fest (Aktenzeichen V ZB 48/24).

Flott unterwegs

Kurzer Blick in den Polizeibericht:

Nicht schlecht staunten die Beamten, als sie ein Pedelec überprüften, bei dem die Trittunterstützung dieses zu einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 140 km/h beschleunigen kann. Die Beamten stellten das Rad zwecks Vorführung bei einem Gutachter sicher.

Cheat-Software ist erlaubt

Einfach mal unbesiegbar sein – welcher Gamer möchte das nicht? Manchmal geht es auch um ein Rätsel im Videospiel, das man schlicht nicht geknackt kriegt. In beiden Fällen kann sogenannte Cheat-Software helfen. Klingt nach Spaß bzw. Erlösung für den Nutzer, aber für den Spielekonzern Sony wurde die Cheat-Software irgendwann zum roten Tuch. Das Unternehmen verklagte die Entwickler einer solchen Software für ein Rennspiel. Der Streit ging bis vor den Bundesgerichtshof.

Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Schnittstelle von Urheberrecht und IT-Basics. Laut dem Gericht schützt das Urheberrecht den Quellcode oder den Objektcode eines Programms, also dessen Herzstück. Die Cheats machen aber was anderes: Sie fummeln an Daten im Arbeitsspeicher der Konsole herum – und das nur vorübergehend. Also handelt es sich um einen vorübergehenden Eingriff in das konkret laufende Spiel, ohne dass der eigentliche Programmcode manipuliert wird. So lange aber der Code nicht umgeschrieben oder kopiert wird, ist kurz zusammengefasst das Gesetz nicht verletzt.

Cheat-Software dürfte damit in den dargestellten Grenzen nun legal sein. Allerdings können Nutzer aber trotzdem gegen die Bedingungen auf Spielplattformen verstoßen, sofern diese Cheats-Software untersagen. Ein Ban wegen der Verwendung solcher Software ist also weiter im Bereich des Möglichen (Aktenzeichen I ZR 157/2).

Niederlage für Dr. Rick und Dr. Nick

Da scrollt man mal durch Instagram, und dann lachen einen verlockenden Vorher-Nachher-Fotos an: Ein schlaffes Kinn wird straff, eine Nase wirkt plötzlich perfekt – alles dank Hyaluron-Spritzen. Genau das haben zwei Ärzte („Dr. Rick und Dr. Nick“), gemacht und so ihre ästhetischen Behandlungen angepriesen. Die Verbraucherzentrale NRW fand das juristisch nicht in Ordnung und zog vor Gericht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun entschieden: Solche Werbung ist verboten.

Der Kern der Sache dreht sich um das Heilmittelwerbegesetz (HWG), speziell § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1. Das Gesetz sagt: Für plastisch-chirurgische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit – also rein kosmetische Maßnahmen – darf man außerhalb von Fachkreisen keine vergleichenden Bilder zeigen. Die Ärzte meinten, Hyaluron-Injektionen seien keine „echten“ Operationen, weil man nicht schneidet, sondern nur mit Kanülen piekst. Minimalinvasiv also, aber damit auch quasi harmlos?

Der Bundesgerichtshof sieht das anders. Auch Spritzen fallen laut dem Gericht unter das Verbot des Heilmittelwerbegesetz. Warum? Weil der Gesetzgeber schützen will vor Werbung, die Menschen zu riskanten Entscheidungen drängt, ohne dass die Gefahren korrekt überschaubar sind. Auch Hyaluron könne Nebenwirkungen haben, und Vorher-Nachher-Bilder wirkten da wie Verkaufstricks, die den Verstand umnebeln. Der Vergleich mit Tätowierungen oder Piercings, die erlaubt sind, schmettert das Gericht ab. Solche Eingriffe seien nur oberflächlich, nicht so tiefgreifend.

Aktenzeichen I ZR 170/24