Teure Familienfotos

Aus einer Anzeige:

Herr S. teilte mit, dass ihm beim Einbruch in seinen Pkw ein USB-Stick mit Familienfotos im Gesamtwert von 500.- € entwendet wurde.

Der USB-Stick war ein Kingston DataTraveler 101, der vor einem Jahr um die 15 Euro gekostet hat. Ich bin nun auf die Hauptverhandlung gegen den mutmaßlichen Dieb gespannt. Wenn’s kein anderer macht, werde ich fragen, woraus sich der stattliche Wert der Familienfotos ergibt.

Am Tatort vergesslich

Die Berliner Polizei berichtet von einem auf kuriose Weise missglückten Raub:

Zwei junge Männer hatten gegen 16 Uhr 20 eine Bäckerei in der Greifenhagener Straße betreten und den 45-jährigen Inhaber mit einem Messer bedroht. Während einer der Männer das Opfer in den hinteren Geschäftsbereich drängte, entnahm dessen Komplize Geld aus der Kasse.

Anschließend flüchtete das Duo zu Fuß in unbekannte Richtung. Nachdem die von dem unverletzt gebliebenen Opfer alarmierten Polizisten eingetroffen waren, kehrten plötzlich die Räuber zurück, weil sie ein Handy vergessen hatten. Die beiden 16 und 17 Jahre alten Jugendlichen wurden festgenommen und nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen ihren Eltern übergeben.

Sie sehen nun einem Ermittlungsverfahren wegen schweren Raubes entgegen.

law blog für mobile Endgeräte

Eine hoffentlich erfreuliche Nachricht für unsere Leser, die mobile Endgeräte nutzen und sich mit Browserdarstellungen und Datendrosselungen herumschlagen. Es gibt nun auch eine Mobil-Version des law blog. Der Abruf spart nicht nur Daten, auch die Texte sollten auf Handy  & Co. besser lesbar sein.

Die Mobil-Version ist unter http://m.lawblog.de/ zu erreichen.

Das Design ist noch default. Falls jemand ein schönes Theme rumliegen hat, nehmen wir das natürlich kurzfristig gerne :-). Ansonsten ist alles erst mal beta. Hinweise auf Bugs sowie  Verbesserungsvorschläge nimmt der Maschinenraum gern über lawblog@gmx.de entgegen.

Akademiker unter sich

Gastbeitrag von Paul Kemen, Pressesprecher der Polizei Aachen

Ein praktizierender Arzt und ein Rechtsanwalt sind am Dienstag in Aachen auf offener Straße zu Streithähnen mutiert, und das vor einem staunenden Publikum.

Beide waren als Autofahrer unterwegs und fuhren hintereinander. Der Vordere, in diesem Fall der Rechtsanwalt, bremste ab, weil er rechts abbiegen wollte. Dieser Vorgang dauerte dem Nachfolgenden, dem Arzt, offenbar zu lange. Jedenfalls soll der dann nach Zeugenangaben zunächst gehupt und dann versucht haben, an dem Vordermann vorbeizufahren. Der betitelte diesen dann bei herunter gelassenem Fenster als Idiot. Ferner soll der Po in seiner abfälligsten Formulierungsform erwähnt worden sein.

Diese offen vorgetragene Art der geringen Wertschätzung veranlasste beide, das sichere Gefährt zu verlassen und nunmehr die körperliche Auseinandersetzung – auf offener Straße – zu suchen. So kam es zunächst zu einem eher folgenlosen Gerangel, später zog einer dem anderen an der Krawatte, was ein zu-Boden-gehen zur Folge hatte. Die letzte Runde wurde eingeläutet, als einer der Kontrahenten hinter der kleinen Mauer eines benachbarten Grundstückes landete.

Der Rechtsanwalt klagte über Schmerzen im Nacken. Er will selbstständig einen Arzt aufsuchen. Der Arzt wiederum erlitt Schürfwunden. Er wird einen Rechtsanwalt einschalten.

“Wegsperren und Vergessen” hat keine Zukunft

Das Bundesverfassungsgericht hat heute über die Sicherungsverwahrung entschieden. Die Karlsruher Richter folgen auf dem Papier den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und erklären sämtliche Regelungen über die Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig. Gleichzeitig ordnen sie aber nicht die sofortige Freilassung der Betroffenen an, sondern erklären die bisherigen Regelungen trotz ihrer Rechtswidrigkeit für weiter anwendbar; der Gesetzgeber muss binnen zwei Jahren die Sicherungsverwahrung auf eine neue Grundlage stellen.

Bis zum Inkrafttreten neuer Gesetze ordnet das Bundesverfassungsgericht eine Übergangsregelung an. An sich zu entlassende Straftäter dürfen trotzdem weiter verwahrt werden, wenn sie hochgradig gefährlich sind. Das muss spätestens bis Ende 2011 positiv festgestellt werden. In jedem Fall, so das Gericht weiter, muss außerdem die Verhältnismäßigkeit jeder Maßnahme “strikt” überprüft werden.

Ich bezweifle, dass die Lösung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Bestand hat. Der Gerichtshof hatte klipp und klar geurteilt, dass die nachträgliche, erst in der Haft angeordnete Sicherungsverwahrung unzulässig ist. Gleiches gilt für die später ausgesprochene Verlängerung über 10 Jahre, obwohl dies seinerzeit das gesetzliche Höchstmaß für die Sicherungsverwahrung war.

Bei solchen Verstößen gegen das geltende Recht (sogenannten Altfälle) kommt es nach Auffassung der Straßburger Richter gerade nicht darauf an, als wie gefährlich der Sicherungsverwahrte einzustufen ist. Sie sehen schlicht keine gesetzliche Grundlage, ihn weiter einzusperren. Dem setzt Karlsruhe nun wiederum eine doppelte Abwägung entgegen, und das ausgerechnet in Form der an sich in diesen Fällen unzulässigen Gefährlichkeitsprüfung.

Nicht ganz nachvollziehen kann ich auch, was neu an der zweiten Prüfungsstufe  ist. Eigentlich sollte man annehmen, dass bei derart drastischen Eingriffen in die Freiheitsrechte schon bislang strikt geprüft wird, ob eine Maßnahme verhältnismäßig ist. Entweder haben die Behörden bislang ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht oder  diese Regelung läuft weitgehend leer. Mir erscheint sie wie ein reines Schaulaufen, um die Übergangsregelung etwas gehaltvoller wirken zu lassen.

Das Verfassungsgericht bleibt also seiner Linie treu, die Versäumnisse des Gesetzgebers auf dem Rücken der Sicherungsverwahrten auszutragen. Es dürfte nicht lange dauern, bis diverse Fälle wieder am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte landen. Dieser hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er sich nicht mürbe machen lässt und deshalb konsequent immer wieder zu Gunsten der Betroffenen entschieden. Die nächste Zurechtweisung für die deutsche Justiz liegt damit in der Luft.

Dies gilt umso mehr, als das Verfassungsgericht wortreich begründet, warum die Europäische Menschenrechtskonvention unter dem Grundgesetz steht und deutsche Gerichte nicht direkt bindet. Deutsches Recht müsse aber “völkerrechtsfreundlich” ausgelegt werden – was dann immerhin zur Verfassungswidrigkeit der geltenden Regelungen führt.

Eine gute Nachricht ist es allerdings für uns alle nicht, wenn die wichtigste Verbriefung der Menschenrechte auf europäischer Ebene nun auch offiziell auf gleicher Ebene steht wie eine EU-Verordnung oder das Bundeskleingartengesetz. In schlechteren Zeiten kann das eine Einladung sein, diese Vorgaben als minderwertig und verzichtbar abzutun. Insoweit hätte die Europäische Menschenrechtskonvention schon ein paar wärmere Worte verdient.

In einem wichtigen Punkt bewegt das Karlsruher Urteil aber doch viel in Sachen Sicherungsverwahrung. Die Richter stellen unmissverständlich klar, dass sich die Vollzugspraxis ändern muss:

Das Leben in der Sicherungsverwahrung ist, um ihrem spezialpräventiven Charakter Rechnung zu tragen, den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen. Dies erfordert zwar keine vollständige räumliche Loslösung vom Strafvollzug, aber eine davongetrennte Unterbringung in besonderen Gebäuden und Abteilungen, die dentherapeutischen Erfordernissen entsprechen, familiäre und soziale Außenkontakte ermöglichen und über ausreichende Personalkapazitäten verfügen. Ferner muss das gesetzliche Konzept der Sicherungsverwahrung Vorgaben zu Vollzugslockerungen und zur Entlassungsvorbereitung enthalten.

Außerdem, so das Bundesverfassungsgericht, müssen die Betroffenen vernünftige Möglichkeiten erhalten, ihre Rechte durchzusetzen. Das bislang häufig praktizierte Konzept “Wegsperren und Vergessen” hat nach diesen Vorgaben keine Zukunft mehr.

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 4. Mai 2011, 2 BvR 2365/09

Originalkopie

Der Staatsanwalt hat es höchstselbst verfügt, bevor er mir die Ermittlungsakte zuschicken ließ:

Inhalt Bl. 20 zur Handakte nehmen.

Beim Inhalt von Blatt 20 handelt es sich um eine CD. Auf dieser soll sich die Aufnahme einer Überwachungskamera finden. Das Video soll zeigen, wie mein Mandant eine Sachbeschädigung begeht.

Nun existieren außer diesem Video offenbar keinerlei Beweise oder Indizien, die meinen Mandanten belasten. Die Polizei hat ausdrücklich festgehalten, dass es keine Augenzeugen gibt. Es ließen sich auch keine sonstigen Spuren sichern. 

Nun frage ich mich, wieso ich zwar Akteneinsicht erhalte, mir aber ausgerechnet die CD mit dem Video vorenthalten wird, indem sie zur Handakte genommen wird, die immer bei der Staatsanwaltschaft verbleibt. Mögliche Verlustängste erschienen mir übertrieben, zumal ich natürlich immer sorgfältig mit Führerscheinen, Drogentütchen und allem, was sonst so aus Akten purzelt, umgehe.

Das “Original”video ist es ja ohnehin nicht. Das hat der Anzeigenerstatter noch auf seinem Rechner; er gab der Polizei nur eine Kopie auf CD. Überdies könnte man ja auch eine Sicherungskopie für die Handakte behalten. Oder die “Original”kopie auf CD behalten und mir die Sicherungskopie schicken.

Allerdings nehme ich an, dass die Kopie der Kopie schon deshalb nicht möglich ist, weil weder Staatsanwälte noch Geschäftsstellen technisch dazu in der Lage sind. Wahrscheinlich hätte die Akte erst zu einer Fachabteilung der Polizei geschickt werden müssen, damit man dort die Kopie kopiert.

Bei allem Verständnis für die technischen Nöte der Staatsanwaltschaft scheint es schon wichtig, zu wissen, was auf dem Video denn nun genau zu sehen ist. Ich werde also um höflich um ergänzende Akteneinsicht bitten und bin schwer optimistisch, dass mir der Staatsanwalt darauf hin die CD in einen Umschlag tut. Jedenfalls hoffe ich nicht, dass er mich 150 Kilometer fahren lässt, um das Video in seinem Büro anzugucken.

Als ich das letzte Mal so einen Aufwand treiben musste, ging es um ein Tapeziermesser mit Blut dran.   

Anwaltsbüro: Anrufer dürfen zahlen

Die Zahl der Rechtsanwaltsbüros, welche die Kontaktaufnahme möglichst gebührenpflichtig gestalten, hält sich in Grenzen. Derzeit kenne ich persönlich diese Praxis eigentlich nur von einer Kanzlei: der Rechtsanwalt Rainer Haas & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft in Baden-Baden. Die Anwälte sind einer der größten Anbieter auf dem Inkassomarkt.

Eine E-Mail-Adresse nennt die Anwaltsgesellschaft auf ihrem Briefbogen nicht. Lediglich ein Internet-Service ist erwähnt. Dort kann man Nachrichten hinterlassen. Allerdings sind schon die Kontaktformulare abschreckend, denn sie fordern jeweils neu die Eingabe von Name, Adresse und Geburtsdatum. Ohne diese “Pflichtangaben” lässt sich eine Nachricht nicht senden.

Für Telefon und Fax hält die Anwaltsgesellschaft die Hand auf. Telefonanrufe und Faxe sind nur über kostenpflichtige 01805-er Nummern möglich. Jeder Anruf bzw. jedes Fax kosten 14 Cent pro Minute, aus dem Mobilfunknetz 42 Cent pro Minute.

Weiter im Angebot ist ein “Rückruf-Service”. Was auf den ersten Blick nach einer vernünftigen Sache klingt, hat es aber in sich. Die SMS, mit der man die Rückrufbitte äußern kann, ist an eine Premiumnummer gekoppelt. Jede SMS kostet 49 Cent. Was dann zum Beispiel für jemanden mit Festnetzanschluss und Flatrate bedeutet, dass er für den Preis der Rückrufbitte schon mal dreieinhalb Minuten über die normale 0180-er-Nummer mit dem Anwaltsbüro sprechen kann.

Diese für ein Anwaltsbüro eher seltsamen Hürden hielten mich heute nicht davon ab, in einer Sache mal bei Haas & Kollegen anzurufen. Bezahlt habe ich dafür aber nichts, denn wofür gibt es so praktische Datenbanken wie die von Teltarif.de? Dort ist aufgeführt, welcher kostenfrei anrufbare Festnetzanschluss sich hinter der 0180-er-Nummer verbirgt.

Klappte problemlos, auch wenn das Gespräch selbst ein Fiasko war.

Den Schein des Anstandes wahren

“Ich bin heute erst einmal hier, um zu sagen: Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten.” Bundeskanzlerin Angela Merkel

Ich nehme Frau Merkel ihre Freude uneingeschränkt ab. Schon ihr Außenminister Guido Westerwelle hatte sich heute morgen geradezu euphorisch über den amerikanischen Fahndungserfolg gezeigt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel suchte seinerseits zumindest nach einem originellen Ansatz. Er beglückwünschte deshalb nicht nur die USA, sondern forderte kurzerhand die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung. Liegt ja auch nahe, gerade nach der Eliminierung eines Terrorführers, der in seinem Haus weder Telefon noch Internet hatte.

Allerdings gehört es ja wohl auch noch heute zu den Kardinaltugenden eines guten Politikers, nicht dem eigenen Fundament das Wasser abzugraben. Dazu könnte es aus rein taktischen und langfristigen Gründen mitunter erforderlich sein, nicht dem Instinkt nachzugeben, sondern zumindest den Anschein des Anstandes zu wahren. Heute wäre so eine Gelegenheit gewesen.

Ihr diesbezüglich sicher vorhandenes Talent ließ die Bundeskanzlerin, die ja für uns alle spricht, bei ihrer Pressekonferenz aber im Stich. Gleich mehrfacher Jubel über die gezielte Tötung eines Menschen ist nach den Wertmaßstäben unserer Verfassung nämlich völlig deplatziert – und gefährlich überdies.

Selbst wenn der Betreffende ein noch so großer Verbrecher ist, wie es bin Laden wohl war, ist ein Kommando “Retrieve & Kill” nicht mit unseren Grundrechten in Einklang zu bringen. Vom großen C im Namen der Kanzlerinnenpartei will ich gar nicht reden.

Wenn Frau Merkel also unverhohlene Freude über die gezielte Tötung eines Menschen äußert, relativiert sie ohne Not verfassungsrechtliche Eckpositionen wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Heute tut sie das für Terroristen und Massenmörder. Morgen macht sie es vielleicht für Serienkiller, übermorgen für Sexualstraftäter. Andere tun es dann irgendwann auch für weit harmlosere Zeitgenossen. Eine passende Schublade lässt sich auch für dich und mich finden, wenn die Dämme mal gebrochen sind.

Die Kanzlerin hat ihre Äußerung übrigens auf die Frage gemacht, ob sie eine gezielte Tötung gut findet und ob unsere Sicherheitskräfte so was auch dürfen sollten. Statt diese Steilvorlage zu nutzen und sich zum Rechtsstaat zu bekennen, flüchtet sich Angela Merkel in pure und platte Begeisterung für die amerikanische Taktik.

Was hätte gegen den Hinweis gesprochen, Deutschland habe Verständnis für die raueren Sitten anderer Länder, aber für deutsche Sicherheitskräfte werde es immer vorrangig sein, das Grundrecht auf Leben jedes Einzelnen zu achten, so dass eine absichtliche Tötung auch des schlimmsten Kriminellen eigentlich nur bei Notwehr oder Nothilfe in Frage kommt? Wir wissen, was dagegen sprach. Frau Merkel hätte sich dann als besonnene Politikerin präsentiert, aber damit das Risiko auf sich nehmen müssen, irgendwie als Weichei da zu stehen.

Und wie hätte Bild wohl darauf reagiert?

Nachtrag: Thomas Darnstädt analysiert auf Spiegel online die Rechtslage

Ab heute “Netzwoche” in Bielefeld

In Bielefeld beginnt heute die “Netzwoche”, bei der ich letztes Jahr auch einen Vortrag halten durfte. An der Universität beschäftigen sich eine Woche lang Vorträge Diskussionen und Workshops mit Themen rund um die digitale Gesellschaft. Auch Gäste sind zu den Veranstaltungen willkommen, betonen die Veranstalter vom AStA.

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Gewaltbereitschaft wird vermutet

Wer bei einem Fußballspiel einen Mundschutz dabei hat, macht sich nach dem Versammlungsgesetz strafbar. Er führt nämlich eine “Schutzwaffe” bei sich. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden.

Der Angeklagte wollte am 2. August 2009 ein DFB-Pokalspiel besuchen. Bei der Personenkontrolle vor dem Stadion am Bieberer Berg wurde in seinem Schuh ein schwarzer Mundschutz gefunden. Der damals 21-Jährige sagte, er habe sich mit dem Mundschutz für den Fall von Fanrivalitäten schützen wollen. Einen Einsatz gegen Vollstreckungsbeamte habe er hingegen nicht beabsichtigt.

Das Amtsgericht Offenbach hatte den Angeklagten freigesprochen, weil es sich bei dem Mundschutz nicht um eine Schutzwaffe im Sinne des Versammlungsgesetzes handele. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Das Oberlandesgericht sah die Sache anders.

Der Mundschutz sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts als Schutzwaffe im Sinne von § 17 a Absatz 1 Versammlungsgesetz anzusehen, deren Mitführen bei einer Veranstaltung unter freiem Himmel verboten sei. Schutzwaffen in diesem Sinne seien dazu bestimmt, dem Schutz des Körpers gegen Angriffsmittel bei kämpferischen Auseinandersetzungen zu dienen.

Im Mitführen solcher Schutzwaffen sehe der Gesetzgeber ein sicheres Indiz für offenkundige Gewaltbereitschaft. Ein Mund- oder Zahnschutz, wie er bei dem Angeklagten gefunden worden sei, werde bei bestimmten Kampfsportarten – etwa beim Boxen – zum Schutz der Mundpartie vor den Auswirkungen eines Schlages eingesetzt und sei damit Schutzwaffe im Sinne des Versammlungsgesetzes.

Beim Mitführen von Schutzwaffen werde Gewaltbereitschaft und damit die Gefahr unfriedlichen Verhaltens unwiderleglich vermutet. Es komme nicht darauf an, ob die Schutzwaffe tatsächlich bestimmungsgemäß gebraucht werde.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.4.2011, Aktenzeichen 2 Ss 36/11

Datenkuh

Den Zustand des deutschen Qualitätsjournalismus kann man heute im Berliner Tagesspiegel ausloten. Dort lamentiert Autorin Anna Sauerbrey über die ebenso naive wie dumme deutsche Datenkuh. Damit meint sie jeden, der seine Daten Unternehmen und sozialen Netzwerken anvertraut.

Darüber lässt sich, abgesehen von der Wortwahl, natürlich diskutieren, auch wenn die im Artikel vorgebrachten Platitüden in der Sache keinen Zentimeter weiter helfen. Zumindest das Ende des Beitrags ist aber bemerkenswert. Die Autorin tut sich nämlich mit einer großartigen Idee hervor:

Anders als sie gern behaupten, sind deutsche Politiker nicht machtlos. Ein Anfang wäre ein Auskunftsrecht per Gesetz, mit dem jeder bei einem Unternehmen abfragen kann, welche persönlichen Daten es gespeichert hat.

Genau dieses Auskunftsrecht haben wir schon seit etlichen Jahren. Es steht in § 34 Bundesdatenschutzgesetz.

(via RA Thomas Stadler)

Stadtplanschnipsel: Uralt-Links können teuer werden

Lange Jahr waren sie ein gutes Geschäft, die Abmahnungen wegen Stadtplanschnipseln auf Homepages. Vor allem in den Anfangsjahren des Internets traf es meist Handwerker, kleine Firmen, Vereine und Privatpersonen. Sie hatten in ihre Anfahrtsbeschreibungen auf der selbstgebastelten Homepage Ausschnitte aus urheberrechtlich geschützten Stadtplänen eingebaut. Hierfür wurden sie teuer zur Kasse gebeten. Doch die Zeiten haben sich geändert…

Es hat sich nämlich rumgesprochen, dass für Stadtpläne das “Zitatrecht” nicht gilt. Deshalb kann auch der kleinste Ausschnitt aus einer Karte das Urheberrecht verletzen. Mit der Aufklärung ging die Zahl der Abmahnungen natürlich drastisch zurück. Was sich auch daran zeigt, dass die Kartenproduzenten und ihre Anwälte in den letzten drei, vier Jahren auf eine andere Masche verfallen sind.

Sie kramen die alte URL heraus, unter der das Bild damals erreichbar war. Viele Abgemahnte haben zwar dafür gesorgt, dass der Stadtplan beim Zugriff auf die Seite nicht mehr angezeigt wird. Sie haben aber nicht daran gedacht, die Grafik selbst vom Server zu löschen. Oder sie zumindest zu blockieren. Der Kartenausschnitt wird also nach wie vor angezeigt, wenn man die Bild-URL kennt.

Das Versehen gründet natürlich meist in technischer Unkenntnis. Trotzdem wird es von der Abmahnbranche rigoros ausgenutzt. Unter Berufung auf das “nach wie vor im Internet auffindbare Bild” wird nachgekartet. Die Betroffenen sollen Vertragsstrafen zahlen, obwohl ihre Unterlassungserklärungen bereits Jahre zurückliegen.

Natürlich stellt sich die Frage, ob das so richtig ist. Der Stadtplanschnipsel hängt ja sozusagen im Dark Room des Internet. Nur wer die konkrete URL besitzt, kann darauf stoßen. Selbst wenn Suchmaschinen den Schnipsel katalogisieren, tendiert der Informationsgehalt gegen Null.

Aber das alles sind nun mal Argumente, für die sich das Urheberrecht kaum interessiert. Demgemäß hat das Amtsgericht München entschieden, dass auch Kartenausschnitte, die scheintot auf dem Server liegen, das Urheberrecht verletzten. Sie müssen nur irgendwie von außen aufrufbar sein.

Den Beklagten, einen Münchner Geschäftsmann, kostet diese Erkenntnis knapp 1.500 Euro. Die Prozesskosten kommen noch hinzu.

Gleiche Stelle, gleiche Welle

Mein Mandant hat sich womöglich im Straßenverkehr nicht ganz korrekt verhalten. Zu Schaden gekommen ist niemand, aber von dem güldenen Getränk und dem weißen Pulver auf einer After-Work-Party, was auch immer es war, dröhnte ihm noch am nächsten Tag der Kopf.

Nachdem ich von der Sache erfahren hatte, klingelte ich den zuständigen Kommissar im Verkehrsdezernat an. Der hatte die Unterlagen schon von den Polizisten erhalten, die meinen Mandanten in einer nordrhein-westfälischen Mittelstadt auf dem Heimweg von der Feier rausgewunken hatten. Den Führerschein konnten sie nicht einbehalten, denn der lag noch zu Hause.

Eigentlich wollte ich den Kommissar fragen, ob und wie wir vielleicht um eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis rumkommen. Danach hätte ich auch den Staatsanwalt angerufen, denn der hat das letzte Wort. Große Erwartungen hatte ich nicht. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

All das war jedoch nicht erforderlich, denn mir kam eine glückliche Fügung zur Hilfe. Unser Gespräch entwickelte sich so:

Soll ich schnell ein Fax schicken? Mein Mandant hat doch Familie…

Machen Sie sich keinen Stress. Hier passiert sowieso nichts.

Nein?

Nö, es ist jetzt 14.25 Uhr. In fünf Minuten bin ich vier Wochen weg. Ihren Fall kann ich erst bearbeiten, wenn ich wieder da bin.

Oh, Urlaub. Da bin ich aber ein wenig neidisch. Aber Sie haben es sich bestimmt verdient.

Da sagen Sie was.

Und jetzt tut sich also nichts?

Nö, wenn ich in einem Monat wieder am Schreibtisch sitze, lese ich mir Ihr Schreiben durch.

Aber Ihr Vertreter, macht der vielleicht was?

So was haben wir nicht. Erst nach neun Wochen. Oder bei Mutterschutz. Ich schließe meinen Schreibtisch zwar ab, aber es geht auch so keiner freiwillig dran.

Ja, gut. Dann kann ich mir ja wirklich Zeit lassen…

Wie gesagt, in vier Wochen. Gleiche Stelle, gleiche Welle.

So recht wollte ich das nicht glauben. Deshalb rief ich nach einigen Tagen noch mal bei der Polizei an und fragte nach der Urlaubsvertretung. Gibt es nicht, hieß es. Ich soll es in dreieinhalb Wochen noch mal probieren, dann sei der Kollege von seiner Fernreise wieder da.

Mein Mandant war natürlich glücklich, dass er trotz seines Ausrutschers erst mal weiter fahren kann. Er braucht den Führerschein nämlich beruflich. Nun will er die Zeit nutzen und sich einen Job im Innendienst suchen.

Dann überlegte er noch, ob er dem urlaubsreifen Beamten einen Amazon-Gutschein mailt. Ich habe ihm aber von Dankesbezeugungen jeder Art abgeraten.

Anmerkungen von RA Carsten Hoenig zum Beitrag