Kein Anschluss

Ich erzähle ja immer gern, wie emsig die Polizei mitunter bei Durchsuchungen Hardware beschlagnahmt. In Firmen ist oft nichts sicher, außer dem Digitalkopierer mit der 50-GB-Festplatte.

In einem aktuellen Fall hat die Polizei auch fast alles eingepackt, was in der Wohnung meines Mandanten rumstand. Gut, der Festplattenrecorder (200 GB) wurde nicht als das gesehen, was er vielleicht sein könnte. Aber immerhin entging ein MP3-Player nicht den aufmerksamen Augen der Ermittler.

Auf die immerhin 20 GB große Festplatte des Players wurde dann freilich gar nicht geguckt. Er wurde ununtersucht zurückgegeben.

Warum, steht mit, wie ich finde, entwaffnender Offenheit im Untersuchungsbericht:

Kein Anschlusskabel vorhanden.

Sterbehilfe: Richter stärken Patientenwillen

Wann ist aktive Sterbehilfe zulässig? Der Bundesgerichtshof hat heute zu dieser Frage Stellung genommen – und einen wegen der Beihilfe zum versuchten Totschlag angeklagten Anwalt freigesprochen. Der Jurist hatte den Kindern einer Frau geraten, die lebensverlängernden Maßnahmen bei ihrer im Koma liegenden Mutter selbst zu beenden.

Das Landgericht hat den Anwalt noch zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

Der Jurist ist auf Medizinrecht spezialisiert. Er beriet die beiden Kinder der 1931 geborenen Frau K. Frau K. lag seit Oktober 2002 in einem Wachkoma. Sie wurde in einem Pflegeheim künstlich ernährt. Eine Besserung ihres Gesundheitszustandes war nicht mehr zu erwarten.

Entsprechend einem von Frau K. im September 2002 mündlich geäußerten Wunsch bemühten sich die Geschwister, die inzwischen zu Betreuern ihrer Mutter bestellt worden waren, um die Einstellung der künstlichen Ernährung. Nach Auseinandersetzungen mit der Heimleitung kam es Ende 2007 zu einem Kompromiss, wonach das Heimpersonal sich nur noch um die Pflegetätigkeiten im engeren Sinne kümmern sollte, während die Kinder der Patientin selbst die Ernährung über die Sonde einstellen, die erforderliche Palliativversorgung durchführen und ihrer Mutter im Sterben beistehen sollten.

Nachdem Frau G. am 20.12.2007 die Nahrungszufuhr über die Sonde beendet hatte, wies der Träger der Heime die Heimleitung an, die künstliche Ernährung umgehend wieder aufzunehmen. Den Kindern der Frau K. wurde ein Hausverbot für den Fall angedroht, dass sie sich hiermit nicht einverstanden erklären sollten. Darauf erteilte der Anwalt Frau G. am gleichen Tag den Rat, den Schlauch der PEG-Sonde unmittelbar über der Bauchdecke zu durchtrennen.

Frau G. schnitt Minuten später mit Unterstützung ihres Bruders den Schlauch durch. Nachdem das Heimpersonal dies bereits nach einigen weiteren Minuten entdeckt und die Heimleitung die Polizei eingeschaltet hatte, wurde Frau K. auf Anordnung eines Staatsanwalts gegen den Willen ihrer Kinder in ein Krankenhaus gebracht, wo ihr eine neue PEG-Sonde gelegt und die künstliche Ernährung wieder aufgenommen wurde. Sie starb dort zwei Wochen darauf eines natürlichen Todes auf Grund ihrer Erkrankungen.

Das Landgericht hat das Handeln des Angeklagten als einen gemeinschaftlich mit Frau G. begangenen versuchten Totschlag durch aktives Tun gewürdigt, der weder durch eine mutmaßliche Einwilligung der Frau K. noch nach den Grundsätzen der Nothilfe oder des rechtfertigenden Notstandes gerechtfertigt sei. Die Tochter hat das Landgericht freigesprochen. Sie habe sich auf den Rat des Anwalts verlassen dürfen.

Ausgangspunkt für das Gericht ist die Erkenntnis, zum fraglichen Zeitpunkt habe es unterschiedlichste Urteile zur Sterbehilfe gegeben. Die Rechtslage sei nicht klar gewesen.

Der Gesetzgeber habe diese Fragen aber durch das Patientenverfügungsgesetz im Herbst 2009 ausdrücklich geregelt, so dass der Bundesgerichtshof nun ohne Rücksicht auf die früheren Urteile eine Leitlinie vorgeben kann.

Nach Auffassung der Richter war der Kompromiss zwischen Kindern und Heimleitung rechtmäßig. Dieser Kompromiss sah vor, dass die künstliche Ernährung künftig unterbleibt. Die von der Heimleitung einseitig aufgekündigte Regelung sei somit ein rechtswidriger Angriff gegen das Selbstbestimmungsrecht der Patientin gewesen.

Die im September 2002 geäußerte Einwilligung der Patientin, die ihre Betreuer geprüft und bestätigt hatten, entfaltete bindende Wirkung und rechtfertigte den Behandlungsabbruch. So sei es mittlerweile in § 1901 a Abs. 3 BGB ausdrücklich bestimmt, unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung.

Insbesondere sei bei diesen Umständen auch ein „aktives Tun“ der Betreuer zulässig gewesen. Ausdrücklich betont das Gericht, die klassischen Maßstäbe zwischen Tun und Unterlassen würden dem Prozess des nunmehr vom Gesetzgeber zugelassenen „krankheitsbedingten Sternlassens“ nicht gerecht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Juni 2010 – 2 StR 454/09

Aufschiebende Wirkung

Drei Wochen Räumungsfrist nach einer Wohnzeit von 30 Jahren. Auf solche Ideen können auch nur Behörden kommen – wenn sie das schneidige Ordnungsrecht auf ihrer Seite zu wissen meinen. Von der traurigen Geschichte, die kein gutes Licht auf die Stadtverwaltung Düsseldorf wirft, hatte ich vor einigen Tagen hier berichtet.

Nun scheinen meine Argumente nicht ganz neben der Sache zu liegen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat heute für insgesamt drei Familien die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Es wird also nichts mit dem angedrohten „gewaltsamen Eindringen“ in die Wohnungen. Die Familien dürfen jetzt in ihren Wohnungen bleiben, bis das Verwaltungsgericht endgültig entscheidet. Das kann dauern.

Ich hatte mich übrigens darum bemüht, mit der Stadt einen Vergleich zu finden. Ein paar Monate Frist, um selbst eine Wohnung zu finden – mehr wollten wir nicht. Die Reaktion war über mehrere Etagen hin außerordentlich kühl. Da gebe es überhaupt keinen Spielraum. Ein städtischer Mitarbeiter sagte mir sogar am Telefon, das Verwaltungsgericht entscheide nie zu Ungunsten seiner Behörde.

Na, dann ist das ja mal eine gelungene Premiere.

Ein Umfeld für ältere Gefangene

Der erste Satz ähnelt der Werbung eines Wellness-Hotels: „Am Fuße des Hermannsdenkmales und in der wunderschönen Residenzstadt Detmold liegt sie“ – die Justizvollzugsanstalt im Lippischen Land. Für Gefangene mit langen Haftstrafen mag so ein Internetauftritt bitter klingen, doch für ältere Menschen hinter Gittern aber gilt diese JVA als Vorbild im ganzen Land.

So sagt und hofft es die Leiterin dort. Kerstin Höltgemeyer-Schwick hatte die „gesamtgesellschaftliche Entwicklung“ beobachtet und herausgefunden: „Die „Vergreisung“ spiegelt sich auch im Strafvollzug wieder“. Kriminalität sei nicht mehr eine Sache überwiegend junger Leute. Mit dieser Erkenntnis und Ideen dazu ging die Beamtin vor gut einem Jahr zum Justizministerium und bekam ideelle wie finanzielle Unterstützung.

Inzwischen gibt es in der JVA Detmold im Haftbereich C, dem Untergeschoss des sozialtherapeutischen Bereiches, 22 Haftplätze für lebensältere Gefangene. Diese Männer sind wenigstens 62 Jahre alt, der älteste ist 76. Alle bevorzugen sie ihren „Rückzugsbereich“, sind demnach auch in Einzelzellen untergebracht. Dennoch gebe es auch eine „wohngruppenähnliche“ Atmosphäre im Gemeinschaftsraum, berichtet Höltgemeyer-Schwick.

Von Gewalt könne keine Rede sein, obwohl auch wegen Gewalttaten (Banküberfälle etwa oder Raub) verurteilte Männer hier leben. „Es gibt unter den Gefangenen keine Durchsetzungskämpfe und kein Alpha-Tier-Gehabe.“ Dabei spielt wohl auch die Auswahl eine Rolle. Die Menschen hier haben Lebenserfahrung. Sie ordnen sich dem Wachpersonal (im Durchschnitt um die 40 Jahre alt) zumeist unter, sind Hierarchie gewohnt.

Weil im Alter vor allem chronische Erkrankungen deutlich zunehmen, werden solche Diabetes-, Herz- oder Kreislauferkrankungen in enger Zusammenarbeit mit dem Krankenpflegedienst (im zweiten Stockwerk, mit dem Aufzug zu erreichen) medizinisch versorgt. Um seelische Problemen sorgen sich eine Psychologin und ein Pfarrer. In einer Gesprächsgruppe können Erinnerungen, Erfahrungen, Pläne diskutiert werden.

Eine „Freizeitabteilung“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, den lebensälteren Gefangenen reichliche Angebote zu machen. Auf der langen Liste stehen Gymnastik, Tischtennis, Billard und Schach ebenso wie Karten- und Gesellschaftsspiele.

Auch Gefangene im Rentenalter haben ein Sonderrecht, sie müssen nicht mehr arbeiten. Wer das dennoch in Detmold will, kann tischlern oder basteln und sich so ein Taschengeld verdienen. Ein anderes Ziel in dieser JVA ist es aber auch, soziale Kontakte zu halten, zu schaffen, zu fördern. „Wir arbeiten gegen die Isolation“, versichert die Anstaltsleiterin.

Besuche von Verwandten und Bekannten werden unterstützt, insgesamt 25 Ehrenamtler aus der Umgebung kümmern sich zudem, fünf von denen kommen zum Kochen mit Gefangenen regelmäßig hinter die Mauern. Ein Anstaltsbeirat fungiert als Ansprechpartner und der Verein „Straffälligenhilfe e.V.“ unterstützt die Lebensälteren.

Zu deren Problem gehört natürlich, das verschweigt Kerstin Höltgemeyer-Schwick nicht, die Auseinandersetzung mit dem Tod. „Wir hatten noch keinen Todesfall“, sagt sie. Die Kollegen hätten aber gelernt, mit den Tabuthemen Krankheit, Leiden und Sterben „unter Achtung der Menschenwürde“ umzugehen.

Nicht vergleichbar, dennoch ähnlich delikat seien die Vorbereitungen zur Entlassung aus der Haft. Dazu zählen die helfende Suche nach passender Unterkunft, tragfähigen, soziale Beziehungen und – schwierig – neuen Bezugs- und Lebensmittelpunkten. Möglichst in Nachbarschaft zum Hermannsdenkmal. Und doch weit von der JVA: „Der Drang nach Freiheit ist immer da“, ist die Erkenntnis der Leiterin, „jeder strebt nach draußen.“ (pbd)

„Das haben wir auf Facebook gefunden“

Die Gefahren sozialer Netzwerke werden allerorten beschworen. Heute konnte ich am Landgericht live erleben, wie Inhalte auf Facebook plötzlich zum Prozessthema werden.

Ich vertrete den Nebenkläger. Ein junger Mann, der von anderen heftig gemangelt worden ist – Lebensgefahr inklusive. Seine Kontrahenten müssen sich jetzt wegen Erpressung und Körperverletzung verantworten.

Für die Gegenseite gehört es zum Repertoire, das Opfer möglichst schlecht aussehen zu lassen. Offenbar gilt das -aus meiner Sicht freilich nur wenig aussichtsreiche – Motto: Wenn Kriminelle einen (Klein-)Kriminellen verdreschen und bedrohen, ist das doch nur halb so schlimm.

So kam also das Video ins Spiel, das meinen Mandanten angeblich dabei zeigen soll, wie er großkotzig aus seinem Leben erzählt. Anspielungen auf Drogen eingeschlossen. Auf Facebook soll das Video aufgefunden worden sein, allerdings nicht im Account meines Mandanten.

Nun ja, zur sofortigen Vorführung auf dem Verteidiger-Laptop kam es dann doch nicht. Ich widersprach und bat darum, aus dem Überraschungsbeweismittel doch ein ganz normales zu machen. Immerhin wissen weder mein Mandant noch ich genau, was da präsentiert werden soll. Und ob es nicht vielleicht sogar Gründe gibt, der Verwertung zu widersprechen.

Jetzt muss das Video erst mal ins Verfahren eingebracht werden. Das heißt, der Verteidiger schickt das Video ans Gericht, sofern er denn noch will. Von dort geht es an die Beteiligten. Mit der Möglichkeit, sich noch vor der Hauptverhandlung eine Meinung zu bilden. Und, was für uns natürlich ganz wichtig ist, eine mögliche Erklärung zum Kontext des Filmchens parat zu haben, statt bei einer Adhoc-Vorführung möglicherweise kalt erwischt zu werden. Ist ja auch nicht immer alles ernst gemeint, was junge Leute auf Facebook und Youtube so erzählen.

Wer weiß, vielleicht suche ich sogar noch ein paar augenfällige Beispiele raus…

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Telekom darf IP-Adressen sieben Tage speichern

Telekom-Kunden können nicht die sofortige Löschung ihrer IP-Adressen verlangen. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden. Das Gericht hält es für zulässig, wenn die Telekom die IP-Adressen sieben Tage speichert – selbst wenn der Kunde eine Flatrate hat.

Zur Zeit der Klageerhebung speicherte die Telekom die IP-Adressen nach dem Rechnungsversand noch 80 Tage. Das Landgericht gab der Klage im Juni 2007 insoweit statt, als es der Telekom untersagte, die Daten länger als sieben Tage zu speichern. Im selben Jahr änderte die Telekom ihre Praxis dahin, dass sie die Speicherzeit auf sieben Tage reduzierte. Diese neue Speicherpraxis entspricht einer Absprache mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz.

Mit seiner Berufung ans Oberlandesgericht macht der Kläger weiterhin geltend, die Telekom müsse die IP-Adressen jeweils sofort nach Beendigung einer Internetverbindung löschen. Hierzu sei die Telekom im Interesse des Datenschutzes und des Schutzes seiner Privatsphäre verpflichtet. Weil über die IP-Adressen die Möglichkeit bestehe, das Nutzerverhalten auszuspähen und daraus Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des jeweiligen Teilnehmers zu ziehen, sei auch ein Speicherzeitraum von (nur) sieben Tagen nicht hinnehmbar.

Die Telekom meint, sie sei berechtigt, die IP-Adressen zur Erkennung, Eingrenzung und Beseitigung von Fehlern und Störungen an ihren Anlagen sowie zur Abrechnung mit den Nutzern zu erheben und zu verwenden.

Das Gericht folgte im wesentlichen den Argumenten der Telekom. Es sei kein Rechtsgrund ersichtlich, nach dem die Telekom verpflichtet sei, die IP-Adressen sofort nach Ende der Internetverbindung zu löschen. So habe auch das Bundesverfassungsgericht in einschlägigen Urteilen nicht einmal ansatzweise die Rechtmäßigkeit von Datenspeicherungen durch Dienstanbieter im Zusammenhang mit dem Telekommunikationsverkehr in Zweifel gezogen.

Nach den derzeitigen technischen Gegebenheiten sei davon auszugehen, dass der Telekom bei einer Löschung der IP-Adressen „sofort“ nach Beendigung der Internetverbindung eine Abrechnung mit ihren Kunden gar nicht möglich sei. Bei den IP-Adressen handele es sich daher um für die „Berechnung des Entgelts erforderliche Daten“ im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG).

Dass die Telekom aktuell über bessere technische Möglichkeiten verfüge, habe der Kläger nicht darlegen können. Es komme hinzu, dass es der Telekom bei einer sofortigen Löschung der IP-Adressen praktisch unmöglich wäre, einen relevanten Teil von Störungen und Fehlern an Telekommunikationsanlagen zu erkennen, einzugrenzen und zu beseitigen.

Unter diesen Voraussetzungen könne der Kläger allenfalls die „unverzügliche“ Löschung verlangen, worunter nicht die „sofortige“ Löschung zu verstehen sei, sondern eine solche „ohne schuldhaftes Zögern“. Dass es der Telekom möglich sei, die IP-Adressen schneller als nach Ablauf von sieben Tagen zu löschen, ohne dass dies ihre Abrechnung mit ihren Kunden und die Störungserkennung beeinträchtige, habe der darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht nachweisen können.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.6.2010, Aktenzeichen 13 U 105/07

Der unterlassene Blick in die Kartei

Meine Mandantin kriegt ihr Leben nicht in den Griff. Die Drogen. Früher ist sie viel schwarz gefahren. Seitdem ihre Betreuerin ihr bei der Düsseldorfer Rheinbahn ein personengebundenes Ticket 1000 im Abo besorgt hat, ist das deutlich besser geworden.

Jetzt allerdings flattern wieder Anklagen ins Haus. Die Mandantin soll gleich drei Mal im Stadtgebiet von Düsseldorf schwarz gefahren sein. Eigentlich unmöglich, denn für diesen Bereich gilt ihr Ticket.

Näherliegende Erklärung: Die Mandantin hatte ihr Ticket vergessen. Und es nicht, wie es in den Beförderungsbedingungen verlangt wird, später im Rheinbahn-Kundencenter vorgezeigt. Wenn man das vergessene Ticket vorzeigt, wird wohl nur eine Bearbeitungsgebühr fällig. Man kann also auch nachträglich aus der Sache rauskommen, anders als beim nichtpersonengebundenen Ticket 2000.

Wenn das schon fürs Vertragsverhältnis mit der Rheinbahn gilt, wird die Lage im Strafrecht kaum anders sein. Beförderungserschleichung liegt nur vor, wenn der Täter die Absicht hat, den Fahrpreis nicht zu entrichten. Hier war der Fahrpreis bereits bezahlt. Das bloße Nichtdabeihaben eines Tickets ist vielleicht eine Vertragsverletzung, aber doch nicht strafbar.

Für mich ist nicht nachvollziehbar, wieso die Rheinbahn überhaupt Strafanzeige erstattet. Immerhin dürfte ja auch dort die Elektrifizierung schon so weit fortgeschritten sein, dass man die Personalien eines vermeintlichen Schwarzfahrers ohne großen Aufwand mit der Kundenkartei abgleichen kann. Bei einem Ticket 1000 müsste man dann halt wenigstens die Strafanzeige lassen.

Aber vielleicht ist es da auch manchem egal. Letztlich treffen die Anwalts- und die Verfahrenskosten ja doch nur den Steuerzahler, wenn das Hauptverfahren mangels Tatverdacht nicht eröffnet oder die Angeklagte gar freigesprochen wird.

Wo wollen Sie hin?

Mal wieder eine Frage aus der Leserpost, die man diskutieren könnte:

Ich wohne in München und gehe gerne in die Kultfabrik (teilweise auch ein übles Pflaster da in der Nähe zum Ostbahnhof). Dort lässt abends die Stadt München immer gerne Polizisten patrouillieren (meist in 4-er Gruppen ). Diese machen gerne Ausweiskontrollen.

Heißt man läuft z.B. eine Treppe hoch, oben steht ein Polizist, guckt einen an, winkt einen her – Ausweis raus. Dieser wird vom Kollegen telefonisch abgeglichen.

Gelegentlich werden dann auch Fragen gestellt: Wo wollen Sie hin? etc.

Sind diese Fragen zulässig? Inwieweit muss ich Angaben machen?

Nicht dass ich vor denen was zu verheimlichen hätte – nur dieses arrogante Gehabe geht mir manchmal dermaßen auf den Senkel, und ich würde da gerne wissen, wie die rechtliche Situation ist.

Dreifach

In den Rechtsbehelfsbelehrungen von Behörden, zum Beispiel der Stadt Düsseldorf, heißt es noch:

Die Klage ist … schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten zu erheben. Wird die Klage schriftlich eingereicht, so empfiehlt es sich, sie in dreifacher Ausfertigung einzureichen.

Tatsächlich scheint das zuständige Verwaltungsgericht Düsseldorf schon etwas weiter. In der Eingangsbestätigung von Rechtsmitteln, welche die meisten vermutlich brav kopiert und dreifach eingereicht haben, informiert das Verwaltungsgericht:

Alle Schriftsätze nebst Anlagen sollen nur einfach eingereicht werden, denn an anwaltlich vertretene Beteiligte und Behörden leitet das Gericht Schriftsätze und Anlagen per Telefax weiter.

Aber vielleicht ist die Klageschrift ja ein besonderer Schriftsatz. Oder so.

Kein Konto für Abofallen-Anwalt

Die Osnabrücker Sparkasse muss dem dem Abofallen-Anwalt Olaf Tank kein Konto einrichten. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden, berichtet die Osnabrücker Zeitung.

Die Sparkasse hatte dem Juristen das Konto gekündigt, nachdem innerhalb eines Monats nach Eröffnung 300 Beschwerden aufliefen. Gegen die Kündigung hatte Tank geklagt. Das Verwaltungsgericht Osnabrück gab ihm zunächst noch recht.

Diese Entscheidung korrigierte nun die höhere Instanz. Danach muss die Sparkasse es nicht hinnehmen, dass durch Kunden wie Tank ihr Renommee beschädigt wird.

(Quelle des Links)

Kontrolleur 2.0

Handschellen am Gürtel eines Fahrscheinkontrolleurs? Bei einer Beförderungsgesellschaft, die sich multikulturell nennt und für unbeschwerte Fahrten wirbt? Gerade darin sieht Beatrix G.H. Lourens keinen Widerspruch. Die Sicherheitsleiterin der Rotterdamse Electrische Tram (RET) verblüffte gestern im Essener Colosseum die Teilnehmer eines Kongresses, der das Verhältnis zwischen privaten Diensten im öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) und staatlicher Gewalt diskutierte.

Die ideale Lösung scheint es in Rotterdam zu geben. Während der Polizeibeamte Udo Tönjann vom nordrhein-.westfälischen Innenministerium einräumte, es gebe zur Gewalt in Bahnen und Bussen noch immer „keine aussagekräftigen und belastbaren Lagebilder“ (= Erkenntnisse) und Gerd Neubeck, Sicherheitsleiter der Deutschen Bahn AG, die „gewaltfreie übernächste Generation“ suchend beschwor, lieferte Beatrix Lourens konkrete Beispiele aus offenbar bewährter Praxis.

Seit zehn Jahren, also seit der Änderung des niederländischen Personenbeförderungsgesetzes, gibt es in Rotterdam inzwischen 240 „außerordentliche Ermittlungsbeamte“. Die dürfen und tun was, berichtete Lourens. Die Mitarbeiter haben zwar geringere Befugnisse als Polizeibeamte, aber mehr als Sicherheitspersonal. So können sie beobachtete Gewalttaten amtlich protokollieren – so ein Dokument hat dann „eine stärkere Beweiskraft“ vor Gericht.

Sie ahnden auch selbst harmlos anmutende Delikte, etwa das achtlose Wegwerfen von Papierschnitzeln und die „Störung der öffentlichen Ordnung in angetrunkenem Zustand“. Dabei haben sie weitreichende Unterstützung: Der Notruf eines RET-Kontrolleurs kommt einem Polizei-Notruf gleich; binnen drei Minuten sei Verstärkung da, schilderte Laurens.

Jeden Abend schwärmen in Rotterdam Teams in Bussen und Bahnen aus. „Wir suchen nach Schwarzfahrern, die Polizei findet immer was, seien es Drogen oder Waffen.“ Laurens Fazit: „Wir haben vor Jahren gesehen, dass die Gewalt zu hoch war und Schutz her muss – unsere Botschaft dringt durch.“

Sichtlich beeindruckt lobte ein Aachener Verkehrsexperte den Realitätssinn der Niederläönder und fragte, ob das Konzept nur in Rotterdam gelte. Laurens Antwort, ganz bescheiden: „Die außerordentlichen Ermittlungsbeamte haben überregionale Ermittlungsbefugnis!“ (pbd)

Andersrum

Normalerweise kenne ich die Situation andersrum. Die Zeugen sagen alle zu Gunsten des Angeklagten aus; die Anklage zerbröselt. Staatsanwälte, die keine Lust auf eine Einstellung oder eine andere kreative Lösung haben, lehnen sich dann gern zurück. Mit dem Hinweis, ein Zeuge sei ja nicht erschienen. „Auf den Zeugen kann ich aber nicht verzichten“, heißt es dann. Auch durchaus zu Recht. Manchmal überrascht es ja wirklich, was Zeugen so zu berichten haben…

Allerdings kann ich mich nicht daran erinnern, dass ein Richter in dieser Situation den Staatsanwalt angepflaumt hätte, die Sache sei ja schon so klar, der Zeuge werde nicht gebraucht (wozu wurde er dann überhaupt geladen?), es werde jetzt ein Urteil verkündet.

Das passiert nur, wenn es umgekehrt läuft. Heute war ich in der unerfreulichen Situation, dass mein Mandant doch stark belastet wurde. Einer der Augenzeugen war allerdings nicht erschienen. „Auf den Zeugen kann ich aber nicht verzichten.“ Meine Worte lösten dann bei der Richterin den geschilderten Missmut aus.

Gut, ich mache den Job schon länger. Ich bat dann halt um zehn Minuten Zeit, um einen Beweisantrag zu formulieren. Der an sich unnötig war. Die Aufklärungspflicht hatte sich ja schon durch die Ladung des Zeugen soweit verdichtet, dass kein ernsthaft bemühtes Gericht mehr von der Vernehmung abgesehen hätte, so lange nicht alle Beteiligten auf den Zeugen verzichten.

Die mir entgegengebrachte Stimmung im Gerichtssaal war dann doch deutlich unterkühlt. Ich war erstaunt, denn jeder von uns macht ja nur seinen Job. Aber in dem Gerichtssaal ist es anscheinend nicht gern gesehen, wenn ein Anwaltsbärchen nicht nach der Pfeife tanzt.

Ich ging sogar davon aus, dass der Beweisantrag abgebügelt wird. Was dann allerdings nicht der Fall war. Vielmehr erntete ich auf die Verlesung des Beweisantrags nur noch ein schmallippiges: „Das war’s dann für heute.“

Zu einer Reaktion auf meinen, wie immer, höflichen Abschiedsgruß reichte es allerdings nicht mehr.

Rückenblitzer im Klassenraum

Eine fast unglaubliche Geschichte, welche die Süddeutsche Zeitung da erzählt.

Waren es Hitzewallungen? Oder saß der Pulli falsch rum? Man weiß es nicht genau. Sicher ist nur, dass eine Münchner Lehrerin während des Unterrichts ihren Pullover ausgezogen hat. Für einen kurzen Moment, womöglich wegen des darunter getragenen, aber verrutschten Tops, sollen die Schülerinnen der sechsten Klasse den Rücken ihrer Lehrerin gesehen haben. Und, vielleicht, sogar Teile des BHs.

Die Schulleitung erfährt von dem „Vorfall“ und schreibt einen Bericht. An die „Zentrale Beschwerdestelle für sexuelle Belästigung“. Dort nimmt man gleich die Ermittlungen auf, lädt schließlich vier Schülerinnen zur „Zeugeneinvernahme“ vor. Zwei „Ermittlungsführer“ und der Rechtsanwalt der Lehrerin befragen eines der Kinder rund eine Stunde. Nach Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Beamten werden die anderen drei Kinder wenigstens nur noch schriftlich gehört.

Warum? Die Stadt meint, man müsse Kinder vor „sexuellen Übergriffen“ schützen.

Ich meine, man sollte besser die Kinder vor solchen Schulleitern und dieser Stadt schützen.