Nichts besseres zu tun?

Da sitzt man also im Auto oder auf einem Mäuerchen, hat das Netbook auf dem Schoß – und wird von Polizisten angesprochen. Sollte die Frage gestellt werden, ob man über fremde (unverschlüsselte) WLANs surft, wäre das vehement zu bestreiten. Denn ansonsten – hat die Polizei eigentlich nichts anderes zu tun? – droht tatsächlich juristische Ungemach. Bis zur Hausdurchsuchung.

Über so einen Fall berichtet der Kollege Jens Ferner auf seiner Seite schwarz-surfen.de. Weil ein mit Notebook angetroffener Autofahrer bei seiner späteren Vernehmung auf der Polizeiwache nichts Näheres mehr sagen wollte, ließ die Staatsanwaltschaft seine Wohnung durchsuchen. Sein Notebook wurde beschlagnahmt und wird nun ausgelesen.

Selbst wenn man, unter erheblichen juristischen Klimm- und Winkelzügen, das „Schwarzsurfen“ für strafbar hält, fällt am geschilderten Fall eines auf: Es konnte noch nicht einmal festgestellt werden, welches WLAN der vermeintliche Schwarzsurfer überhaupt genutzt hat. Gibt es nicht die Möglichkeit, dass der eine oder andere WLAN-Betreiber sein Netz absichtlich für Mitbenutzer öffnet? Oder es ihm schlicht egal ist, ob der eine mal über sein WLAN online geht? Dann wird es aber doppelt schwierig, den ohnehin nicht passenden Paragrafen, aus den einzelne Amtsgerichte die Strafbarkeit des Schwarzsurfens ableiten, anzuwenden.

Eine Hausdurchsuchung wegen so eines vagen Vorwurfs ist überdies unverhältnismäßig.

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Wuppertal: 81-Jähriger drohen um die sechs Jahre Haft

Die Verlage müssen von der (ohnehin schon reduzierten) Mehrwertsteuer befreit werden, Google muss verboten oder zur Zahlung von Lizenzgebühren verpflichtet werden, ARD und ZDF müssen das Internet verlassen, das Zitatrecht muss drastisch eingeschränkt, das kostenlose Anbieten von Informationen untersagt und die Gratis-Kultur im Internet insgesamt vernichtet werden — dann, ja dann könnten die Verlage vielleicht, möglicherweise, wenn das Wetter stimmt, in der Lage sein, auch in Zukunft Qualitätsjournalismus anzubieten, und womöglich sogar im Netz. Sonst können sie für nichts garantieren.

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Wie der Lufthansa-Streik Fluggästen mehr Rechte bringen kann

AF 447: Eine winzige technische Störung kündigte die Katastrophe an

Die Notbremse ziehen

Man konnte die Rechtslage, wie immer in der Juristerei, so sehen. Oder auch anders.
Ich vermochte eine Strafbarkeit meines Mandanten nicht zu erkennen. Der Richter schon. Insoweit auch nichts Überraschendes. Allerdings wollte es keine Seite auf die Spitze treiben, deshalb redeten wir schnell über eine Einstellung.

200,00 € sollte die Einstellung den Mandanten kosten. Ein Schnäppchen, ach was ein Geschenk des Himmels – im Vergleich zum Risiko einer saftigen Geldstrafe, einer Eintragung im Strafregister und natürlich den absehbaren Verfahrenskosten.

Der Mandant akzeptierte zunächst und zahlte 50,00 €. Dann ließ er es gut sein. Der Richter mahnte mehrmals, dann leierte er das Verfahren wieder an. Der Richter ist, so sagte er mir am Telefon, nach wie vor für die Einstellung zu haben. Sofern der Mandant nachweist, dass er die offenen 150,00 € gezahlt hat. Letzte Gelegenheit: der nun anstehende Verhandlungstermin.

Ich habe nun noch eine Mail geschrieben und dringend dazu geraten, es nun nicht zu überreizen. Immerhin würde allein meine Kostenrechnung für ein Berufungs- und möglicherweise ein Revisionsverfahren doch geringfügig über 150,00 € liegen. Vom absolut ungewissen Ausgang des Verfahrens, die aufgezeigten negativen Folgen inklusive, mal ganz zu schweigen.

Leider bin ich nur begrenzt optimistisch. Aber auch das ist ja ein Aggregatzustand, mit dem man als Anwalt klarzukommen hat.

Weltanschaulich neutral

Kreuze haben nicht in Gerichtssälen zu hängen – das hält Anne-José Paulsen, die Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) in einer „persönlichen Stellungnahme“ fest. Die Gerichtspräsidentin bezieht damit Position in dem aktuellen Streit, der durch die Abschaffung der Kreuze am Düsseldorfer Amts- und Landgericht entstanden ist.

Paulsen räumt einerseits die Bedeutung des Christentums für die abendländische Kultur und für die Werteordnung unserer Gesellschaft ein. Auch deshalb sei das Grundgesetz „im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen“ erlassen worden. Dieselbe Verfassung aber verlange vom Staat und speziell von den Gerichten „sich weltanschaulich neutral zu verhalten“.

Mit diesem Grundsatz sei auch zu erklären, warum weder in den Bundesgerichten (wie etwa dem Bundesverfassungsgericht oder dem Bundesgerichtshof) noch im Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in den Sitzungssälen Kreuze hängen.

In nur 40 bis 60 von etwa 1.300 Gerichtssälen gibt es Kreuze an den Wänden, bilanziert die OLG- Präsidentin. Bereits vor 40 Jahren seien alle Kreuze aus den Sitzungssälen der Verwaltungsgerichte und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen entfernt worden.

Anne-José Paulsen, verweist darauf, dass es „gerade auch im Rheinland“ in praktisch keinem Gerichtssaal Kreuze gibt. Weder in der Domstadt Aachen noch am Sitz des Erzbischofs von Köln. Das sei auch nie in den letzten Jahren von der Öffentlichkeit oder der Politik beanstandet worden. (pbd)

Freiwillig

Die Gerichte besinnen sich wieder auf den Richtervorbehalt bei Blutproben. Die Polizei entwickelt naturgemäß Gegenstrategien, schon um sich nicht selbst zu blockieren. Denn zuständige Richter sind vielerorts nachts einfach nicht aufzutreiben. Eine Methode ist die „Freiwilligkeit“. Der Beschuldigte bestätigt mit seiner Unterschrift, dass er die Blutprobe freiwillig abgibt. Das sieht so aus:

An sich sollte man meinen, dass bei so einer Ausgangssituation nur eine eine vorherige langjährige Tätigkeit als Staubsaugervertreter den Weg zur Zustimmung des Beschuldigten ebnet. Denn warum sollte jemand an seiner eigenen Überführung auch noch freiwillig mitwirken, nachdem er es schwarz auf weiß hat, dass er nicht muss und sich damit auch kaum nützen dürfte?

Der mit dem Formular ausgerüstete Polizeibeamte, den ich aus einem ganz anderen Grund angerufen habe, rühmte sich aber beiläufig einer Ja-Sager-Quote von „90 Prozent“. Dazu gehört auch mein Mandant, der jetzt Großartiges von mir erwartet – zum Beispiel, dass ich die ansehnliche Menge Tetrahydrocannabinol samt zugehöriger Metaboliten in seinem Blut wegdiskutiere.

Selbstmord in München

München: In München-Schwabing hat sich ein prominenter Jurist umgebracht. Der Anwalt, der auf umstrittene Abmahnungen im IT-Bereich spezialisiert war, hatte seinen Selbstmord zuvor telefonisch angekündigt. Er erschoss sich unmittelbar nachdem die alarmierte Polizei in seine Wohnung eingedrungen war. Der 61-Jährige war Anfang 2009 unter anderem wegen Betrugs zu 14 Monaten Haft verurteilt worden.

(Quelle: Videotext Bayrischer Rundfunk)

Gericht droht Staatsanwalt mit Zwangshaft

Weil er vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) umfassend die Aussage verweigert hat, muss der ehemalige Vizechef der Wuppertaler Staatsanwaltschaft 300 Euro Ordnungsstrafe zahlen – falls Alfons Grevener dieser Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht folgt, muss er eine zweitägige Erzwingungshaft antreten.

Der PUA untersucht, ob es politische Einflüsse bei den strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wuppertal gegen Harald Friedrich gab, den Ex-Abteilungsleiter des Umweltministeriums. Grevener hatte geltend gemacht, mit seiner Aussage könne er sich eventuell selber strafbar machen. Diese Annahme sei eine durch nichts belegte Vermutung, befand das Gericht. (pbd)

Richter?

Aus einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung:

Die Durchsuchung war rechtswidrig.

Die Rechtswidrigkeit ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der Richtervorbehalt nicht beachtet wurde. Die Anordnung von Durchsuchungen ist gemäß § 105 Abs. 1 StPO grundsätzlich dem Richter vorbehalten. Der 3. Februar 2010 war ein Mittwoch. Um 16.20 Uhr hätte problemlos ein richterlicher Beschluss eingeholt werden können. Um diese Zeit ist in …. ein Ermittlungsrichter im Gericht anzutreffen, jedenfalls ist er aber erreichbar. Die Annahme von Gefahr im Verzug, welche ausnahmsweise eine richterliche Anordnung entbehrlich macht, verbietet sich schon aus diesem Grund.

So oft wie ich das so oder ähnlich in den letzten Monaten geschrieben habe, speichere ich es wohl besser mal als Textbaustein.

Resolut mit Rollator

Von einer resoluten, aber auch trotzigen Frau berichtet Aachens Polizei. Die 52-Jährige hat mit einer rollenden Gehhilfe auf dem Amsterdamer Ring für eine halbe Stunde den Verkehr lahmgelegt: „Zig Autofahrer kamen nicht weiter, weil die Frau die Fahrbahn versperrte und dabei sowohl Hupen als auch wütende Proteste der Autofahrer beharrlich ignorierte.“

Zuvor hatte ihr ein Autofahrer aufgrund eines Rückstaus den Weg über den Zebrastreifen versperrt. Dass der Mann sein Auto beim Anblick der Frau mit ihrem Rollator zurücksetzte und den Weg frei machte, stellte die 52-Jährige jedoch nicht zufrieden. Sie fühle sich als Verkehrsteilnehmerin nicht ernstgenommen, erzählte die Frau den alarmierten Polizeibeamten. Deswegen habe sie eine „erzieherische Maßnahme“ für notwendig gehalten.

Die Beamten lösten den Stau auf und zeigten die 52-Jährige an. Sie erwartet jetzt ein Strafverfahren wegen Verdachts der Nötigung. (pbd)

Mit den Augen besitzen

Das Hamburger Oberlandesgericht meint in einem aktuellen Urteil, auch das bloße Anschauen kinderpornografischer Inhalte sei strafbar. Das wurde bisher anders gesehen, denn nach dem Wortlaut des Gesetzes beginnt die Strafbarkeit beim „Besitz“, genau genommen beim Versuch, sich Besitz zu verschaffen.

Ich habe Johannes Boie von der Süddeutschen Zeitung dazu einige Fragen beantwortet und gebe für alle, die es interessiert, ab zur „Schaltzentrale“.

Keine Kreuze mehr im Gerichtsaal

Wenn ich die Rheinische Post richtig verstehe, sind am Düsseldorfer Amts- und Landgericht in diesen Tagen alle Kreuze aus den Sitzungssälen entfernt worden. Auf jeden Fall wird es im Neubau an der Werdener Straße, der Anfang März bezogen wird, keine Kreuze in den Sitzungssälen mehr geben. So berichtet es die WZ und liefert die ergänzende Information, dass es damit fortan in keinem Düsseldorfer Gericht unter dem Kreuz verhandelt wird. Aus Oberlandesgericht, Arbeitsgericht und Verwaltungsgericht soll das christliche Symbol schon länger verschwunden sein.

Ich hatte bislang einen einzigen Mandanten, der sich an einem Kreuz im Sitzungssaal störte; das sagte er mir vor der Verhandlung. Anruf bei der zuständigen Richterin. Die musste erst mal nachschauen, ob in ihrem Stamm-Sitzungssaal überhaupt ein Kreuz an der Wand hängt. Was wohl der Fall war, denn sie rief zurück und gab durch, dass wir nun in einem anderen, kreuzlosen Raum verhandeln werden.

Rüder Ton

Frau N. hat eine Zahlung von der ARGE erhalten. Nur ein paar Euro, und die waren auch nicht für sie bestimmt. Denn Frau N. bezieht gar keine Sozialleistungen. Wie es zu der Zahlung kam? Vermutlich hat ihr früherer Ehemann in seinem Hartz IV-Antrag etwas nicht auf die Reihe gekriegt – und das Konto seiner Ex genannt.

Frau N. sagt, sie hat den kleinen Betrag nicht bemerkt. Umso heftiger ist jetzt das, was die zuständige ARGE veranstaltet. Schon im ersten (!) Schreiben ist davon die Rede, Frau N. habe die „Zuvielzahlung“ (?) bemerken und das Geld unaufgefordert erstatten müssen. Da sie nicht zurücküberwiesen habe, liege „Betrugsvorsatz“ vor. Frau N. müsse deshalb mit einer Strafanzeige rechnen.

Mag ja sein, dass die ARGE meint, im Umgang mit ihren Kunden einen rüden Ton anschlagen zu müssen. Oder zu dürfen. Aber hier hat sie es mit einer unbescholtenen Bürgerin zu tun, die nichts beantragt hat, die ihre Kontonummer nicht genannt und auch den Zahlungseingang nicht bemerkt hat. Und selbst wenn wäre es höchst fraglich, ob jemand von sich aus aktiv werden muss, bloß weil ein Geldbetrag bei ihm eingeht, den er nicht genau zuordnen kann.

Aber damit nicht genug. Die ARGE kündigt auch noch vollmundig an, gegen Frau N. einen „Rückforderungsbescheid“ zu erlassen. Einen Bescheid außerhalb eines Leistungsverhältnisses? Ohne es jetzt (schon) überprüft zu haben, klingt das für mich wie ein ganz normaler Fall der ungerechtfertigten Bereicherung. Dafür ist der Zivilrechtsweg gegeben, und mit Bescheiden ist gar nichts zu machen.

Aber wir werden es vermutlich auch nicht klären müssen. Frau N. möchte das Geld nicht behalten. Sie wird den Kleckerbetrag zurücküberweisen – und noch nicht mal mit den Anwaltsgebühren für die von mir noch zu diktierende verbale Retourkutsche aufrechnen.