„Letzte Generation“: Am Ende steht Gefängnis

Eine Klima-Aktivistin ist in Berlin zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ohne Bewährung. Es ist wohl das bislang härteste Urteil wegen Straßenblockaden.

Die Akteure der „Letzten Generation“ erleben momentan, wie die deutsche Justiz auf Straftaten reagiert: lange zurückhaltend, oft auch nachsichtig, aber bei hartnäckigen Wiederholungstätern mit immer höherem Strafdruck.

Das erste Verfahren wird noch gegen Geld- oder Arbeitsstunden eingestellt, dann folgen die eine oder andere Geldstrafe, schließlich die erste Bewährung, die zweite Bewährung – und dann ist halt irgendwann Schluss mit lustig. Lustig deswegen, weil die „Letzte Generation“ dem Nachwuchs ja mehr oder wenig offen in Aussicht stellt, dass Geldstrafen von interessierten Dritten übernommen werden und somit nicht wehtun.

Bei Haftstrafen ist das natürlich nicht möglich. Auch wenn acht Monate eine lange Zeit sind, ist hier das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Für eine Nötigung kann es bis zu drei Jahre Gefängnis geben. Wenn sich jemand über einen längeren Zeitraum strafbar macht, liegen oft auch die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafe nicht mehr vor. Die Einzelstrafen werden dann nicht zusammengezogen. Sondern addiert.

Am Ende können also Gefängnisaufenthalte herauskommen, welche die eigentliche Höchststrafe in der Summe weit übersteigen. Man kann nur hoffen, dass Klimaklebern diese Konsequenzen für ihr eigenes Leben bewusst sind. Spätestens nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel wird es sich drastisch verändern, am Tag des Strafantritts.

Bericht auf rbb24

Die Deutschlandflagge als Fußabtreter

Das Foto zeigt den Treppenabgang eines Hauses. Am Ende der Treppe ist auf dem Boden eine größere Deutschlandfahne ausgelegt, am Treppenabsatz leigt ein handelsüblicher Fußabtreter drüber. So soll es in Räumlichkeiten ausgesehen haben, die Einsatzkräfte der hessischen Polizei durchsuchten. Es geht um mutmaßliche Clankriminalität, wie die Bildzeitung berichtet. Mir und hoffentlich auch euch stellt sich die Frage: Darf man die Deutschlandfahne als Fußabtreter verwenden?

Tatsächlich wird es nach § 90a StGB bestraft, wenn man die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik verunglimpft – selbst wenn einem die Flagge selbst gehört. Allerdings muss das „öffentlich“ geschehen, also etwa mit einem Post auf Social Media, einer Demo oder einem Ort mit Publikumsverkehr. Von daher ist jedes Fahnen-Voodoo in den eigenen vier Wänden risikolos. Ob das Treppenhaus eines Mietshauses in diesem Zusammenhang schon öffentlich wäre, ist bislang nicht entschieden. Nach dem Foto und dem Polizeibericht dürfte es sich aber um Privaträume gehandelt haben.

Die Verwendung als Fußabtreter ist als solche auch keine Verunglimpfung. Eine kleine Online-Suche ergibt viele Shops, die Fußabtreter in den Farben schwarz-rot-gold verkaufen, meist neben den zu besseren Fußballzeiten sehr beliebten Rückspiegel-Kondomen in Staatsfarben. Ohne besondere zusätzliche Anhaltspunkte wird man also kaum dazu kommen können, dass hier eine Deutschland-Fahne im Sinne des Gesetzes verunglimpft wird.

Letztlich betont das Bundesverfassungsgericht immer, dass Kritik am Staat auch laut, unflätig und geschmacklos sein darf. So ging ein Mann straflos aus, der auf einer Collage scheinbar auf eine Deutschlandfahne uriniert. Der Mann wollte gegen die Militarisierung protestieren. Auch das Wortspiel „Schwarz-Rot-Senf“ billigte das Gericht.

Gegen die mutmaßlichen Clankriminellen wird nach der Razzia wegen zahlreicher Straftaten ermittelt, unter anderem wegen Betrug, Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung, Sozialleistungsbetrug und Geldwäsche. Die Verunglimpfung der deutschen Flagge wird nicht erwähnt. Vermutlich bewerten die Staatsanwälte die Rechtslage ebenso und machen deshalb wegen dieser Sache kein Fass auf.

Rechtswidrig hoch zehn

Das Arbeitsgericht Berlin muss über die Kündigung einer Ex-RBB-Direktorin nicht entscheiden. Weil es den gesamten Vertrag für nichtig hält. Ein „wucherähnliches Rechtsgeschäft“ wird den Verantwortlichen bescheinigt, berichtet Business Insider.

„Sittenwidrig – das ist die größte Ohrfeige, die du bekommen kannst“, sagte Pascal Croset, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin. „Das ist sozusagen rechtswidrig hoch zehn.“ Und in der Rechtssprechung „absolut exotisch“, so Wolf Reuter, ebenfalls Arbeitsrechtler.“

Wenn das Bestand hat, muss die Ex-Direktorin nicht nur auf 1,8 Millionen Euro Ruhegeld verzichten. Man wird sicher auch (noch) mal schauen müssen, wie es bei so krassen Verstößen um die zivil- und strafrechtliche Verantwortung derjenigen steht, die solche Verträge auf Kosten der Beitragszahler abgeschlossen haben.

Haben Bild und B.Z. „journalistische Standards“ gebrochen?

Die taz beklagt sich, dass Bild und B.Z. geplante Straßenblockaden offengelegt haben. Was es der Berliner Polizei sicher erleichterte, diese Blockaden zu verhindern.

Dann folgt ein interessanter Vorwurf:

„Mit der Veröffentlichung der Orte, noch bevor sich dort Blockaden bilden konnten, hat Springer nicht nur diese Verabredung gebrochen und damit journalistische Standards verletzt, sondern sich auch zum Erfüllungsgehilfen der Polizei gemacht.“

Dabei steht im gleichen Text, dass nur „ausgewählte Journalisten“ vorab informiert wurden. Und dass Springer-Blätter gar nicht zu den Auserwählten gehörten. „Möglicherweise erreichten diese Informationen die Springer-Redaktion über Umwege“, heißt es.

Welche Verabredung haben die Zeitungen also gebrochen und damit „journalistische Standards“ verletzt, wenn jemand von den erlauchten Journalisten, mit denen die Letzte Generation redet, die Klappe nicht halten konnte – oder wollte. Im Pressekodex heißt es überdies: „Nachrichtensperren akzeptiert die Presse grundsätzlich nicht.“

Der Vorwurf, die Zeitungen hätten sich zum „Erfüllungsgehilfen der Polizei“ gemacht, ist ähnlich absurd. Dass die Polizei aktuelle Berichte über geplante Straftaten zur Kenntnis nimmt, kann ihr doch nicht verwehrt werden. Im übrigen ist die Begründung der Zeitungen, sie wollten Autofahrer vor stundenlangen Staus bewahren, nicht gerade aus der Luft gegriffen.

Polizeikontrolle: 114 Anzeigen bei 550 Fahrzeugen

Die Polizei in Magdeburg hat mit einer Großkontrolle 550 Autofahrer überprüft. Vorrangig sollte die Fahrtüchtigkeit geklärt werden.

Das Ergebnis macht, nun ja, schon etwas nachdenklich. Hier die Bilanz:

31 x Verkehrsordnungswidrigkeitsanzeigen wegen des Verdachts des Fahrens unter Betäubungsmitteln
2 x Verkehrsordnungswidrigkeitsanzeigen wegen des Verdachts des Fahrens unter Alkohol
51 x sonstige Verkehrsordnungswidrigkeitsanzeigen
10 x Anzeigen wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
9 x Anzeigen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
1 x Anzeige wegen Trunkenheit im Verkehr
1 x Anzeige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs
5 x Anzeigen wegen Verstößen gegen das Waffengesetz
2 x Verstoß Pflichtversicherungsgesetz
2 x Verstoß Aufenthaltsgesetz

Insgesamt ist also gegen jeden fünften Autofahrer ein Verfahren eingeleitet worden. Und oft nicht nur wegen Bagatellen, wie man sieht.

Pressemitteilung der Polizei

Starbucks vor Gericht: Keine Mango im Mangodrink

Bei Subway-Sandwiches hat mal jemand in den USA nachgemessen und festgestellt, das „footlong“-Sandwiches deutlich kleiner sind. Es fehlten bis zu 2,5 Zentimeter. Wurde ein teurer Prozess, und seitdem sollen die Mitarbeiter in den Filialen ein Maßband bereit halten. Nun trifft es Starbucks. Die Kette wird von Verbraucherschützern verklagt, weil in einigen Fruchtdrinks vieles drin ist – nur nicht die beworbenen Früchte.

Konkret geht es um um folgende Drinks, die in den USA zwischen 3,95 und 5,95 Dollar kosten:

– Mango Dragonfruit
– Mango Dragonfruit Lemonade
– Pineapple Passionfruit
– Pineapple Passionfruit Lemonade
– Strawberry Açai
– Strawberry Açai Lemonade

Das etwa als „Mango Dragonfruit“ verkaufte Getränk enthält hauptsächlich Wasser, Traubensaftkonzentrat und Zucker. Aber jedenfalls keine Mango. Starbucks bestreitet vor Gericht gar nicht, dass die genannten Früchte in den Getränken fehlen. Das Unternehmen macht geltend, es werde nur die Geschmacksrichtung beschrieben.

Über diesen Punkt hat der zuständige Bundesrichter nachgedacht. Starbucks‘ Argumentation erscheint ihm nicht überzeugend. Anders als etwa beim sehr vagen „Vanille-Geschmack“ deutet für ihn nichts drauf hin, dass bei Mango, Passionsfrucht und Acai es jemand für möglich halte, dass tatsächlich keine von den Früchten enthalten ist.

Das Gericht hat die Sammelklage auf mindestens fünf Millionen Dollar zugelassen.

Bericht bei Reuters

Größte Mordserie: Behörde macht Verjährung geltend

Von 1999 bis Mitte 2005 beging der Krankenpfleger Nils H. in norddeutschen Krankenhäusern zahlreiche Morde. Verurteilt wurde er wegen 80 Morden, ermittelt wurde in 332 Fällen. Die größte Mordserie der Bundesrepublik hat auch heute noch juristische Nachspiele. So müssen Hinterbliebene vor Gericht um Hinterbliebenenrenten kämpfen. Nicht immer erfolgreich, wie ein Urteil aus Niedersachsen zeigt.

Geklagt hatte eine Frau, deren Vater 2003 von H. zu Tode gespritzt wurde. Sie hatte sich 2014 an die Staatsanwaltschaft gewandt. Zur gleichen Zeit erfuhr auch die zuständige Berufsgenossenschaft von den Taten. Vor Gericht ging es nun darum, ab wann die Hinterbliebenenrente zu zahlen ist.

Die Berufsgenossenschaft beruft sich auf die vierjährige Verjährungsfrist bei sozialrechtlichen Ansprüchen. Diese Verjährung sei erst durch Bekanntwerden der Fälle 2014 unterbrochen worden. Für die Zeit bis Ende 2009 seien die Ansprüche auf Hinterbliebenenrente somit verjährt.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen billigt diese Auffassung. Die Richter sehen keinen Rechtsmissbrauch. Die Hinterbliebene hatte eingewandt, die Berufung auf Verjährung sei bei solchen „Schadensgroßereignissen“ rechtsmissbräuchlich.

Fakt bleibt aber, dass die Verjährung eine Einrede ist. Die Berufsgenossenschaft hätte also in diesem doch sehr speziellen Fall darauf verzichten und zahlen können (Aktenzeichen L 14 U 117/22).

Gericht: Anwalt musss Schriftsätze nicht vorlesen

Blinde und sehbehinderte Menschen stehen im Umgang mit der Justiz vor einem gravierenden Problem. Prozesse werden zum großen Teil schriftlich geführt. Sehbehinderte dürfen nicht einfach darauf verwiesen werden, sich die Schriftsätze von ihrem Anwalt vorlesen zu lassen. Das ergibt sich aus einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts München.

Im Gerichtsverfassungsgesetz (§ 191a GVG) ist ausdrücklich festgelegt, dass alle Schriftsätze barrierefrei zugänglich gemacht werden müssen – und zwar kostenlos. In dem entschiedenen Fall ging es um eine ältere Dame, die wegen einer Augenkrankheit erblindet war. Sie sollte aus ihrer Wohnung geklagt werden. Blindenschrift beherrscht sie nicht. Deshalb beantragte sie, dass ihr die Schriftsätze als Audiodatei zur Verfügung gestellt werden.

Das Amtsgericht war ernsthaft der Auffassung, die im Gesetz an sich festgelegte Verpflichtung zum barrierefreien Zugang könne auch der jeweilige Anwalt umsetzen. Er müsse die Schriftsätze halt vorlesen.

Die Beschwerderichter schauten etwas näher hin. Wer gesundheitlich eingeschränkt sei, habe das Recht, die Dokumente selbst und eigenständig zur Kenntnis zu nehmen. Und zwar so oft wie gewünscht. Eine Vorlesestunde durch den Anwalt erfülle das nicht. Deshalb müsse die Betroffene Audiodateien erhalten (Aktenzeichen 14 T 9699/23).

Das Wort „Transe“ ist (noch) nicht verboten

Das Landgericht Dortmund hat kein Verbot des Worts „Transe“ ausgesprochen – auch wenn viele Medien dies heute so berichten. Es geht um einen Rechtsstreit des Berliner Entertainers Riccardo Simonetti. Dieser hatte gegen einen Instagram-Post geklagt.

Das Landgericht Dortmund erließ wegen des Posts eine einstweilige Verfügung. Untersagt wurde folgende Äußerung:

„Kann diese übergriffige Transe, die selbst nie eigene Kinder haben wird, mal irgendwer wegsperren bitte, damit sie sich nicht an anderer Leute Kinder vergeht!“.

Die Richter haben sich mit der Aussage insgesamt auseinandergesetzt und darin eine Persönlichkeitsrechtsverletzung gesehen. Allerdings geht es eben um den Gesamtkontext – und nicht um die Bezeichnung „Transe“ im Speziellen. In einer besonderen Pressemitteilung des Landgerichts Dortmund heißt es dazu wörtlich:

„Aus den Gründen der Entscheidung geht hervor, dass die Äußerung als Gesamtes einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers darstellt. Zu der alleinigen Verwendung des Begriffes „Transe“ verhält sich die Entscheidung nicht.“

Das Wort Transe ist also (noch) nicht verboten.

Gutachten: Auch AfD-Stiftung müsste Geld erhalten

Die politischen Stiftungen der Parteien können sich jährlich über 700 Millionen Euro freuen. Während es bei der Linken keinerlei Berührungsängste gibt, erhält die der AfD nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung keinen Cent. Das Bundesinnenministerium hilft nun mit einem Gutachten, dass dies auch so bleibt.

Staatsrechtler haben im Auftrag des Ministeriums untersucht, welche Möglichkeiten es zum Ausschluss der „Feinde der Freiheit“ (FDP-Politiker Johannes Fechner) gibt. Nach der Holzhammer-Methode in Form eines schlichten „Ausschluss-Vermerks“ im Bundehaushalt geht es jedenfalls nicht mehr. Das Bundesverfassungsgericht stellte Anfang des Jahres fest, dass parteinahe Stiftungen nur aufgrund eines Bundesgesetzes von der Förderung ausgeschlossen werden können, und das auch nur aufgrund belastbarer Tatsachen. So ein Gesetz gibt es bislang nicht.

Das nun vorliegende Gutachten zeigt, dass eine Ungleichbehandlung durch Bundesgesetz nicht ganz einfach sein wird. So lange die AfD nicht verboten sei, müsse es bei ihrer parteinahen Stiftung allein auf deren Programm, Personal und Aktivitäten ankommen. Als Prüfungmaßstab sehen die Professoren nicht erst mal die bekannte Frage, ob sich die betreffende Stiftung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richtet. Hier müsste eine aktive Gegnerschaft zu Demokratie, Rechtsstaat, Menschenwürde und Völkerverständigung nachgewiesen werden.

Das könnte natürlich schwierig werden, so lange ein AfD-Verbot nicht mal ernsthaft im Raume steht. Deswegen haben sich die Professoren eine „Pflicht zu verfassungsfreundlichen Aktivitäten“ ausgedacht. Die Stiftungen müssten also nicht nur nachweisen, dass sie nichts gegen die Verfassung haben. Vielmehr müssten sie belegen, dass sie diese auch supertoll finden und sich mit aller Kraft dafür einsetzen. Was damit letztlich konkret gemeint sein könnte, wird allerdings nicht gesagt.

Ganz klar sagen die Gutachter, dass eine Stiftung nicht von vornherein per Gesetz ausgeschlossen werden kann. Vielmehr bedürfe es einer genauen Prüfung, wobei einzelne Verstöße nicht ausreichen würden. Wer über den Ausschluss entscheiden sollte, ist die nächste große Frage. Der Rechtsweg lasse sich keinesfalls ausschließen und würde lange dauern. Deshalb überlegen die Juristen, ob nicht gleich das Bundesverwaltungsgericht als „oberste“ Instanz tätig werden könnte.

Nach aktuellem Stand wird es also sehr schwierig werden, der AfD als demokratisch gewählter und nicht verbotener Partei jede Förderung zu entziehen.

Bericht in der Legal Tribune Online

Düsseldorf zeigt Schwarzfahrer nicht mehr an

Ich will meine Heimatstadt Düsseldorf nicht als Schwarzfahrer-Paradies bezeichnen. Aber ein klein wenig geht es schon in diese Richtung. Im Hoheitsgebiet der örtlichen Rheinbahn müssen ertappte Schwarzfahrer zwar nach wie vor das erhöhte Beförderungsentgelt von 60,00 € bezahlen. Auf ein Strafverfahren verzichten die Verkehrsbetriebe aber. Sie zeigen Schwarzfahrer einfach grundsätzlich nicht mehr an.

Dabei handelt die Rheinbahn auf „Anweisung von oben“. Die Zurückhaltung bei der Strafverfolgung ordnete eine Mehrheit von Grünen, SPD, Linken, FDP und der Partei-Klima-Fraktion im Stadtrat förmlich an. An diese Weisung ist die Rheinbahn als stadteigenes Unternehmen wohl gebunden.

Selbst wer in Düsseldorf permanent schwarz fährt, muss also keine Geldstrafen oder gar Freiheitsstrafe fürchten. Beförderungserschleichung kann mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe bestraft werden.

Tatsächlich hat häufigeres Schwarzfahren für viele Menschen drastische Folgen. Rund 7.000 Schwarzfahrer landen jährlich im Knast. Die meisten, weil sie ihre Geldstrafen nicht bezahlen können. Momentan gibt es Gesetzesiniativen, das Schwarzfahren zu entkriminalisieren, zum Beispiel durch Herabstufung auf ein Bußgeld.

Wenn das Düsseldorfer Modell Schule machte, könnte man sich das Ganze allerdings sparen.

Bericht zum Thema

Demokratie: minus 18 Prozentpunkte

Das sind Zahlen, die mich schon etwas schockieren. Sie stammen aus der neuen ARD-Akzeptanzstudie:

„… wurden auch Fragen zum gesellschaftlichen Umfeld gestellt. Danach ist die Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland deutlich auf 54% gesunken. Das entspricht im Bundesdurchschnitt einem Minus von 18 Prozentpunkten. In Ost- und Westdeutschland gibt es dabei deutliche Unterschiede: Im Osten Deutschlands sind nur 33% mit der Demokratie zufrieden (-22 Prozentpunkte) im Westen beträgt die Zufriedenheit 58%, (-17 Prozentpunkte).“

Noch dazu folgendes Ergebnis:

„Die ARD erreicht aber auch die Menschen, die mit der Demokratie nicht zufrieden sind: 71% dieser Menschen nutzen täglich die Angebote der ARD, die Reichweite des Medienverbunds mit aktueller politischer Information liegt hier bei 60%.“

Besonders segensreich scheint die hohe ARD-Reichweite ja nicht (mehr) zu sein. Woran mag das wohl liegen…

„Nicht geimpft“: Gericht sieht keine Volksverhetzung

„Nicht geimpft“ wäre als Aussage in einem Facebook-Post von der Meinungsfreiheit umfasst. Zumindest nach meiner Kenntnis. Aber wie sieht es aus, wenn der Ausspruch auf einem sechseckigen gelben Stern steht? Ist das Volksverhetzung? Diese Frage musste das Oberlandesgericht Braunschweig beantworten.

Nicht jede moralisch fragwürdige Aussage ist eine Volksverhetzung, so das Gericht. Vielmehr müsse sich die nach § 130 StGB strafbare Verharmlosung der NS-Taten nauf eine konkrete Völkermordhandlung beziehen. Die mit dem Judenstern bezweckte Ausgrenzung sei eine Art Vorbereitungshandlung für die Vernichtung gewesen. Mit der eigentlichen Tathandlung dürfe sie jedoch nicht gleichgesetzt werden.

Nun ja, das kann man auch anders sehen. Allerdings führt das Gericht einen wichtigen Punkt an, der bei Volksverhetzung oft nur nachlässsig behandelt wird. Die Aussage muss immer geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Es muss also Ziel sein, Dritte zu Gewalttaten oder Rechtsbrüchen zu bewegen. Dieses Motiv, so das Gericht völlig zu Recht, sei dem Facebook-Post erkennbar nicht zu entnehmen. Freispruch.

Aktenzeichen 1 ORs 10/23

Täter verweigert Fußfessel – und nun?

Wie kann es sein, dass ein mehrfach verurteilter Straftäter die elektronische Fußfessel einfach verweigert – und trotzdem frei herumläuft? Das ist eine Frage, die sich aus dem aktuellen Missbrauchsfall in Edenkoben ergibt. Versuch einer Antwort.

Wenn Straftäter ihre Haft verbüßt haben, kommen sie raus. Bei schweren Straftaten oder hartnäckigen Wiederholungstätern gibt das Gesetz dem Strafgericht die Möglichkeit, den Verurteilten weiterhin zu kontrollieren. Das nennt sich Führungsaufsicht. Das Gericht kann aus einem bunten Strauß von Auflagen wählen. Typisch für Sexualstraftäter sind der Besuch von Präventionsprogrammen, Aufenthaltsverbote an Kindergärten und Schulen, Kontakt- und Fahrverbote.

Auch die elektronische Fußfessel kann angeordnet werden. Die Betonung liegt auf „kann“. Denn obwohl die elektronische Fußfessel vor 12 Jahren ihren Weg ins Strafgesetz gefunden hat, ist sie alles andere als eine Standardmaßnahme. Tatsächlich mussten im Jahr 2020 ganze 122 Verurteilte eine elektronische Fußfessel tragen – bundesweit! Bayerische Gerichte hatten 30 Fußfesseln angeordnet, im bevölkerungsreichsten Land NRW waren es gerade mal sieben.

Aktuellere Zahlen kann ich nicht finden, weil Justiz ist ja Ländersache. Nach meinem Eindruck steigen die Zahlen, aber sicher nicht sprunghaft. Im Verhältnis zur Zahl der Personen, die sich nach ihrer Haftentlassung für eine Fußfessel qualifizieren, ist die Zahl der tatsächlichen Fußfesselträger sicherlich auch heute noch vernachlässigenswert gering.

Im Fall Edenkoben muss man den Behörden somit anrechnen, dass sie den Verdächtigen zu einer Fußfessel verdonnert haben. Das ist weder vorgeschrieben noch die Regel. Anders gesagt: Die Behörden haben erst mal nichts falsch gemacht.

Auf Unverständnis stößt natürlich, dass der Verdächtige die gerichtlich verordnete Fußfessel schlicht verweigert hat und er trotzdem nicht einkassiert wurde. Die Ohnmacht der Behörden in diesem Fall hat seine Ursache in der Art und Weise, wie der Gesetzgeber Verstöße gegen Auflagen bei der Führungsaufsicht sanktioniert.

Wer die Fußfessel verweigert, kann nicht zum Anlegen gezwungen werden. Vielmehr macht sich der Betreffende erneut strafbar (§ 145a StGB). Den Behörden bleibt in diesem Fall nur, ein neues Ermittlungsverfahren einzuleiten. Das alles kostet bekanntlich Zeit.

Natürlich könnte man bei einer beharrlichen Verweigerung der Fußfessel auch mal an Wiederholungsgefahr denken. Aber die Voraussetzungen für einen Haftbefehl auf dieser Grundlage sind kompliziert, auch weil ein Gericht die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten muss. Die Höchststrafe für einen Verstoß gegen Auflagen im Rahmen der Führungsaufsicht beträgt drei Jahre Gefängnis. Das ist halt normalerweise keine Maximalstrafe, die automatisch einen Haftbefehl rechtfertigt.

Die Ereignisse in Edenkoben zeigen auf jeden Fall die greifbare Ohnmacht der Behörden, wenn sich ein Verurteilter der Fußfessel kategorisch verweigert. Aber man muss auch sehen, dass die Fußfessel auch bei entlassenen Sexualstraftätern heute nicht die Regel ist. Ohne entsprechende Auflage hätte wahrscheinlich kaum jemand danach gefragt, wieso der Verurteilte keine Fußfesselauflage hat. Das Resultat bleibt aber so oder so schrecklich genug.

Bericht auf SWR aktuell