ICH WOLLTE

Ich bin unterwegs, und schon passieren im Büro lustige Dinge:

Es klingelt. Die Sekretärin öffnet, ein neuer Mandant steht vor der Tür:

Guten Tag, ich wollte zum Sekretariat von Vetter & Mertens.

Ja, das bin ich, was kann ich für Sie tun?

Sie sind also Frau Mertens?

Nein, ich bin das Sekretariat.

(Aufgezeichnet von Sascha Kremer)

FALSCHE RUBRIK

Geschlecht: männlich. Geburtsdatum: 11. Januar 1978. Geburtsort: Tschirtschik / Usbekistan. Häh, denke ich, die Angaben passen doch gar nicht zu meinem Mandanten.

Bis ich merke, dass ich das Feld „Anzeigenerstatter“ lese. Es handelt sich um die Daten des – übrigens sehr korrekten – Polizisten, der die Sache ins Rollen gebracht hat.

UNVERSCHULDET ÄRMER

Es kommt vor, dass Staatsanwaltschaften doppelt ermitteln. So auch im Fall des Herrn S. Aus irgendeinem Grund entstanden zwei Verfahren, eines in der Abteilung 40 Js und eines in der Abteilung 70 Js. Vom Verfahren in der Abteilung 70 Js kriegte Herr S. auch früh etwas mit, denn die Kriminapolizei lud ihn zur Vernehmung vor. Er schaltete mich als seinen Verteidiger ein. Ich legte eine Verteidigungsschrift vor.

Die Abteilung 40 Js war aber deutlich flinker. Dort wurde nämlich sogleich Anklage erhoben. Womöglich unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Aber daran ist halt nichts zu ändern. Mit der Anklageschrift erfuhr ich, dass gegen meinen Mandanten zweifach ermittelt wird.

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TAUCHSTATION

Ein Möbelhaus hatte bei der Anlieferung das Treppenhaus beschädigt. Eine Wand wurde verkratzt sowie eine nicht ganz billige Lampe von der Decke geholt.

„Damit haben wir nichts zu tun, das regelt unsere Haftpflicht“, sagt mir der Geschäftsführer auf die Frage, wieso mein Mandant auf seine Schreiben keine Antwort erhält. Ich habe ihm erklärt, dass uns die Versicherung herzlich egal ist. Das Möbelhaus kriegt die Klage zugestellt, wenn die Assekuranz weiter auf Tauchstation verbleibt.

„Da muss ich denen wohl noch mal auf die Füße treten“, schlug der gute Mann vor. Besser wäre das. Wiedervorlage: 10 Tage.

VERFÜGUNG GEGEN WIKIPEDIA

Die Wikipedia darf (weltweit) den verstorbenen Hacker „Tron“ nicht bei seinem wirklichen Namen nennen. So jedenfalls sieht es eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Berlin vor. Hintergründe bei Telepolis.

(Danke an Mathias Schindler für den Link)

ÜBERFLÜSSIG

Ich habe festgestellt, dass ich am Anfang jedes Diktates sage:

„Das Diktat beginnt.“

Wohl einer der überflüssigsten Sätze überhaupt. Ist schließlich eher unwahrscheinlich, dass ich der Schreibkraft mit der üblichen LUBRA steno-cassette 30 nicht einen Briefentwurf, sondern einen Podcast zukommen lasse.

Man müsste das mal auf zwölf Jahre hochrechen. Aber vielleicht überlege ich besser gar nicht, wie sich die vertane Zeit hätte sinnvoller nutzen lassen.

SOFORT GEKLÄRT

Mauern, so wie wir es gestern Nachmittag erleben durften, ist übrigens keine allgemeine Erscheinung.

In derselben Sache erreichte mich heute um kurz vor neun der Anruf des Jugendrichters, der für den Erlass eines Haftbefehls zuständig ist. Er hatte die Unterlagen gerade auf den Tisch bekommen und teilte mir sofort mit, dass die Vorführung um 11 Uhr stattfinden wird.

Ich kann mich momentan auch nicht erinnern, dass mich ein Haftrichter in jüngster Zeit hat auflaufen lassen. Auch wenn es manchmal wirklich schwierig ist, alle Beteiligten unter einen Hut zu kriegen, konnten die Termine doch immer koordiniert werden.

SCHRUMPEL-PARADE

Blogscout zählt nicht nur die Visits. Der Counter erfasst auch die Besucher, die über Suchanfragen kommen. Je mehr es im Verhältnis zur Gesamtzahl sind, desto schrumpeliger wird das Weblog in der Hitparade geführt.

Das law blog kam gestern auf 19 % Searches und verdiente sich damit eine recht ordentliche Typo. So, jetzt gehe ich n ckt schlafen, lese etwas in meinen F hrtenbuch und höre noch ein wenig T kio H tel. Dann träume ich von H idi K um und den P ssycat D lls. Btw, wer sind J ssica A ba und A izee?

UMWEGE

Die Angehörigen in Aufruhr, der Beschuldigte vom Rest der Welt abgeschnitten. So ist die Situation nach einer Festnahme – wenn die Polizeibeamten mauern. Wie vorhin, als mich eine Frau beauftragte, was für ihren Bruder zu tun. Der war heute Morgen verhaftet worden.

Zwar gelang es der Frau, mit einem der Beamten zu sprechen. Über das Handy ihres Bruders. Auf die Bitte, zu sagen, wo sich ihr Bruder befindet, wurde sie abgebügelt. Auch auf die Frage nach einer Telefonnummer für einen Rückruf, damit sie einen Anwalt beauftragen kann, will sie nur eine unfreundliche, man könnte auch sagen skandalöse Antwort erhalten haben:

Ihr Bruder braucht keinen Anwalt.

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ABGEWIESEN

Der Kollege K. rief mich gerade an und sagte nur: „Im D.-Prozess wurde die Klage abgewiesen.“ Zunächst fiel mir nur ein, dass es in der Sache um ca. zehn Millionen Euro geht. Erst Sekunden später hatte ich gedanklich aussortiert, dass wir die Beklagte vertreten.

Die Formulierung „Wir haben den D.-Prozess gewonnen“ hätte meinem Blutdruck besser getan.

GUTE LAUNE DANK JUR. UND MED.

Eine Mandantin hat ein neues Knie. Mit dem ist sie sehr zufrieden. Dass ich ihr heute, rein zufällig am ersten Tag nach dem Krankenhaus, über ihren gewonnenen Arbeitsgerichtsprozess berichten konnte, war das Tüpfelchen auf dem I. Sagt sie. Ich glaube es gern.

ENTSAGUNG VON VERNUNFT

Die Zunft der Kartenleger kann aufatmen. Auch sie erbringen eine anerkannte Leistung. Und wer seinen Kartenleger nicht bezahlt, kann sich wegen Betruges strafbar machen. So hat es das Landgericht Ingolstadt entschieden.

Das Amtsgericht hatte sich vorher geweigert, eine Anklage gegen einen Kunden zuzulassen, der seiner Kartenlegerin nicht das vereinbarte Honorar zahlen wollte. Das Amtsgericht sah in dem Service eine Entsagung von Vernunft. Kartenlegen habe keinen Wert, deshalb sei ein Vermögensschaden nicht eingetreten.

Das Landgericht ließ die Anklage dagegen zu. Auszüge aus dem Beschluss:

Hier ist als erstes zu beachten, dass die Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsfreiheit einen großen Spielraum haben, welchen Leistungen sie welchen Gegenwert zubilligen. Dies wird nur nach den rechtlichen Grenzen der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit eingeschränkt. Die Vereinbarung von Diensten des telefonischen Kartenlegens gegen ein Entgelt in Höhe von 40 EUR verstößt jedoch weder gegen das Gesetz, noch gegen die guten Sitten.

Zudem liegt auch keine objektiv unmögliche Leistung vor, denn die Erbringung der Leistung des Kartenlegens ist sehr wohl möglich. Hierbei geht es anders, als in den Fällen, bei denen es um Phänomene wie Partnerzusammenführung auf Grund Hexerei oder Geisterbeschwörung geht, lediglich darum, auf Grund der Deutung einer bestimmten Reihenfolge u.ä. von Karten dem Leistungsempfänger irgendwelche Deutungen meistens über die Zukunft mitzuteilen. Dies ist vergleichbar mit dem Erstellen von Horoskopen etc., wobei auch bei diesem Fall ebenso wie beim Kartenlegen jedem selbst überlassen ist, inwieweit er den Angaben und Deutungen Glauben schenkt. Dennoch ist wohl unstreitig, dass die Erstellung von Horoskopen gegen Entgelt einen Vertrag darstellt, an dessen Wirksamkeit keine Zweifel bestehen.

Vielmehr ist anzunehmen, dass bei Diensten wie Kartenlegen und Handlesen gerade bei den insoweit üblichen geringen Honoraren die Kunden selbst davon ausgehen, dass sie keine echten Leistungen i.S. einer Verifizierung des vorher Gesagten erwarten, sondern vielmehr eine jahrmarktähnliche Unterhaltung kaufen wollen oder sich im Rahmen einer allgemeinen Lebensberatung Tipps oder Anregungen holen wollen. Diesen Ansprüchen wird ein solches Kartenlegen nach Ansicht der Kammer gerecht.

Ein wichtiges Anerkennungs-Urteil, auch für verwandte Berufsfelder. Wäre ja noch schöner, wenn die Polizei mit dem Einsatz ihrer neuen Ermittlungshelfer unter der Hand der Wirtschaftskriminalität Vorschub leistet.

(NStZ-RR 2005, 313)

AMTSGEHEIMNIS

Das Informationsfreiheitsgesetz bringt einen Paradigmenwandel, schreibt Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung:

Nun aber, seit dem 1. Januar 2006, ist nicht mehr die Geheimhaltung der Informationen die Regel, sondern ihre allgemeine Zugänglichkeit. Jeder hat einen Rechtsanspruch auf Zugang zu den amtlichen Informationen, es sei denn, es liegen im Einzelfall spezielle Ausschluss- oder Beschränkungsrechte vor.

Nicht mehr der Zugang zu den Informationen der Behörden ist an Bedingungen geknüpft, sondern deren Geheimhaltung. Der Staat muss begründen, warum er Unterlagen nicht herausrückt, nicht der Bürger, warum er sie haben will. Das Wort „Amtsgeheimnis“, das zu den Hauptwörtern deutscher Bürokratie gehört, verliert an Bedeutung.

Der Artikel erzählt die – bis ins Jahr 1830 zurückreichende – Geschichte der Idee von der Informationsfreiheit. Er liefert außerdem Beispiele aus den Bundesländern, in denen es so ein Gesetz bereits gibt.

(Danke an Hartmut Nissen für den Link)