JEDERZEIT UNGERNE

In der freien Wirtschaft kennt man die Formulierung: „Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie bitte an.“ Oder man steht, etwas gestelzter, „für weitere Informationen jederzeit gerne zur Verfügung“. Beim Amtsgericht Bochum probiert man neue Varianten. Besonders gut gefällt mir die aus einem Schreiben vom 3. Mai 2005:

… Die Herausgabeanordnung wurde an die Gerichtskasse Bochum zur weiteren Veranlassung gegeben. Das Hinterlegungsverfahren ist damit beendet. Die Akte wurde weggelegt. Hochachtungsvoll …

DURCHSCHNITT

In einer Verkehrsstrafsache habe ich der Rechtsschutzversicherung meine Kostenberechnung übersandt. Es geht um eine fette Geldstrafe und 16 Monate Fahrverbot. Bei der zum 1. Juli letzten Jahres eingeführten Grundgebühr (Nr. 4100 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) habe ich die Mittelgebühr von € 165,00 angesetzt. Das ist die Gebühr für „durchschnittliche“ Angelegenheiten.

Darauf schreibt die ÖRAG Folgendes:

Die Grundgebühr VV 4100 für Strafsachen ist der Höhe nach unabhängig von der Ordnung der Gerichte, also anders als bei Verfahrens- und Terminsgebühren. Die Grundgebühr deckt daher den gesamten Rahmen aller Strafsachen ab. Die vorliegende Verkehrsstrafsache ist in diesem Gesamtrahmen im unteren Bereich einzuordnen. Wir gehen daher bei der Grundgebühr von einem Honorar in Höhe von € 100,00 aus.“

Schon der Pflichtverteidiger erhält aus der Staatskasse eine Vergütung von € 132,00. Und zwar bei jeder, auch jeder kleineren Strafsache. Im Übrigen ist es mir auch neu, dass eine Verkehrsstrafsache, wo die Beweisaufnahme sogar mehr als einen Verhandlungstermin dauert, nur eine unterdurchschnittliche Angelegenheit sein soll. Bisher habe ich diese Fälle immer geradezu als die klassischen „Durchschnitts“strafsachen empfunden. Und nicht nur ich.

Letztlich ist auch nicht Sache der Rechtsschutzversicherung, sondern des Anwalts, die Gebühr nach „billigem Ermessen“ festzusetzen. Dass ich mit der Einordnung des Prozesses als „durchschnittlich“ dieses Ermessen ( = Spielraum) fehlerhaft ausgeübt hätte, kann ich so nicht erkennen.

Also bitte, streiten wir um € 65,00. Es wird sich zwar für beide Seiten wirtschaftlich nicht lohnen. Aber wahrscheinlich hofft die ÖRAG ja nur, dass sich Anwälte schon nicht wehren werden.

GASSI FAHREN

Gestern Abend bin ich freiwillig der Forderung der Anwaltskammer nach ständiger Fortbildung nachgekommen. Diesmal war Verkehrsrecht dran. Ich blätterte also in der ADAC motorwelt 5/2005 und stieß gleich auf eine Leserfrage, die ich nicht aus dem Kopf beantworten konnte:

Darf ich den Hund per Fahrrad „Gassi“ führen?

Die Antwort:

„Ja. Die Straßenverkehrsordnung erlaubt das Führen von Hunden vom Fahhrrad aus – bei anderen Vierbeinern ist es dagegen verboten. Voraussetzung: Das Tier ist ,verkehrssicher‘, das heißt, dass es nicht plötzlich erschreckt zur Seite springt und so zum Beispiel den Radfahrer oder andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringt.“

DIE SCHLAUEN COACHES

Viele deutsche Anwälte sind den Anforderungen des Marktes nicht gewachsen. So sieht es zumindest das Handelsblatt.

Bei der Plattheit mancher Empfehlungen frage ich mich allerdings, ob die zitierten Beratungsfirmen den Anforderungen ihres Marktes gewachsen sind.

INFOS ZU MPH

Ich habe mich entschlossen, den vorliegenden Beitrag zu löschen. Der law blog ist kein Internetforum für Beleidigungen und Denunziationen; er ist auch keine Gerüchteküche. Da der Ton immer rauer wurde, war es notwendig, hier die Notbremse zu ziehen.

Vielen Dank für das Verständnis.

WAS ANSTÄNDIG IST, BESTIMMT DER FRANZ

Zugegeben, mein neuer Nebenjob als Zensor sowie zwei oder drei unbedeutende Mandate ließen mir heute gestern nicht genügend Gelegenheit, Herrn M. im Auge zu behalten. Das hat er gleich schamlos ausgenutzt. Seine Partei nimmt nach seinen Worten für sich in Anspruch, „Schutzmacht der Anständigen, der anständigen Unternehmer und der anständigen Arbeitnehmer“ zu sein.

Die Freiheit verabschiedet sich bekanntlich auf leisen Sohlen.

Nachtrag: „Hier geht es erst einmal nicht um Kapitalismus, sondern um Dilettantismus.“ Sehr schön gesagt – in der Zeit.

NOSTALGISCH

Wie lange ist das her, dass mich jemand aus einer guten, alten Telefonzelle angerufen hat? Heute habe ich es mal wieder gehört. Das Klappern der Münzen. Und den Satz: „Wir haben noch 20 Sekunden…“

VERHINDERT

Am 25. Mai 2005 habe ich bereits vier Gerichtstermine. Zwei davon, wenn auch zur gleichen Zeit, um 12.00 Uhr in Köln. Das Amtsgericht Dortmund ist aber trotzdem der Meinung, dass ich um 11.15 dort einen Termin wahrnehmen kann. In meinem Verlegungsantrag habe ich die Gründe meiner Verhinderung dargelegt. Außerdem habe ich darauf hingewiesen, dass meine Partnerin ebenfalls um diese Uhrzeit schon einen Gerichtstermin hat.

Die Antwort: „Eine Verlegung des Termins ist leider nicht möglich.“ Man braucht nur einen x-beliebigen Kommentar zu § 227 Zivilprozessordnung aufzuschlagen, um zu erkennen, dass es so nicht geht. Denn ich habe „wichtige Gründe“ dargelegt, die das Gericht nicht einfach übergehen darf. Es gibt mittlerweile unzählige Entscheidungen der obersten Gerichte zu dem Thema; aber anscheinend werden diese von manchen Richtern (den allerwenigsten!) einfach ignoriert.

Hinzu kommt, dass die Gegenseite aus einer zwölf Jahre alten Vereinbarung auf Ansprüche klagt, die frühestens in 15 Jahren fällig werden können. Von einem Eilbedürfnis kann also nicht die Rede sein.

Warum das Gericht den Termin halten „muss“, erfahre ich leider nicht. Ein weiterer Verstoß gegen das Gesetz, denn der ablehnende Beschluss muss begründet werden (§ 227 Abs. 4 ZPO).

Was ist zu tun? Mit der Richterin telefonieren, sofern das möglich ist. Wenn das nichts bringt, bleibt nur ein Befangenheitsantrag. Dann bleibt der laxe Umgang mit Verfahrensrechten wenigstens nicht unter der Decke.

OLLE KAMELLEN

Ein Schritt zu weniger Bürokratie soll heute auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts stehen. Rot-Grün will, wie angekündigt, etwa 360 überflüssige Gesetze streichen. Doch wer glaubte, es gehe an die Entschlackung heutiger Strukturen, wird eher enttäuscht. Denn vorwiegend handelt es sich um Vorschriften, die längst keiner mehr kennt und die auch keinen mehr interessieren.

beck-aktuell listet einige der Normen auf, die heute keinerlei praktische Bedeutung mehr haben. So zum Beispiel eine Verordnungsermächtigung, die es Kaiser Wilhelm II. gestattet, eine Regelung zur Bildung eines internationalen Verbands „zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst“ zu erlassen. Oder das „Gesetz über die Auflösung, Abwicklung und Löschung von Kolonialgesellschaften“.

ÄRGER AB DER ERSTEN MAIL

Schon die Übersendung einer unerwünschten Werbemail begründet einen Unterlassungsanspruch. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit dieser Begründung ein Urteil der 1. Instanz aufgehoben. Diese hatte noch entschieden, eine Werbemail sei bloß eine „Belästigung“ ist und habe keine rechtlichen Folgen.

Das Oberlandesgericht sieht zwar im Kern auch nicht mehr als eine Belästigung. Allerdings, so das Gericht, gehe es nicht nur um einzelne Sendungen, sondern um den Kampf gegen Spammer insgesamt. Die Richter beziehen sich auf eine Studie, wonach 62 % des gesamten E-Mail-Verkehrs Spam sind und erkennen darin Handlungsbedarf.

Außerdem weist das Gericht darauf hin, dass ein „potenzielles Interesse“ des Empfängers nicht ausreicht, um ihm unverlangt Mails zu schicken. Er müsse vielmehr ausdrücklich zustimmen, wobei sich eine Zustimmung auch aus den „konkreten Umständen“ ergeben könne. Für die Zustimmung sei der Versender darlegungs- und beweispflichtig.

(AZ I-15 U 41/04; Pressemitteilung vom 3. Mai 2005)