Sie haben sechs Monate Zeit – oder auch nicht

Wozu sind Fristen da? Einerseits, damit der Bürger weiß, innerhalb welcher Zeit er eventuelle Ansprüche geltend machen muss. Andererseits, damit sich die Sache nicht endlos verzögert – und halt irgendwann Rechtssicherheit eintritt. Es gibt natürlich tiefgründigere Erklärungen, aber das dürften die wesentlichen Aspekte sein.

In einem Verfahren, dessen Inhalt gar nicht groß was zur Sache tut, habe ich von Gesetzes wegen sechs Monate Zeit, um eventuelle Ansprüche geltend zu machen. Das heißt, die denkbaren Forderungen müssen spätestens am letzten Tag der Frist schriftlich angemeldet sein.

Die Frist läuft ab am 22.10.2018.

Der zuständige Herr bei der Justizbehörde scheint aber auf heißen Kohlen zu sitzen. „Es wird um Bezifferung der Ansprüche gebeten“, schrieb er mir am 08.05.2018. Am 09.06.2018 kriegte ich das Schreiben noch mal. Die Anfrage war gelb markiert, handschriftlich hatte jemand vermerkt: „1. Erinnerung!“ Am 19.06.2018 traf dann die „2. Erinnerung“ ein. Diesmal mit „!!!“

Anfang der Woche fand ich eine Telefonnotiz. Der Beamte teilte mit, es würden noch Unterlagen fehlen. Er habe schon „zwei Fristen“ gesetzt und erwarte die fehlenden Angaben nun spätestens bis Ende Juli. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wieso der Herr meint, er könne hier so einen Druck aufbauen. Die Sechs-Monats-Frist steht, wie gesagt, ausdrücklich im Gesetz.

Gut, vielleicht hat der Beamte belastbare Informationen über einen bevorstehenden Finanzinfarkt der öffentlichen Hand. Oder er hat sonstige gute Gründe, warum er ausgerechnet meinen Antrag – es geht um einen gerade mal dreistelligen Betrag – bearbeiten möchte/muss. Da wäre es dann aber nett, wenn er mir diese Gründe auch von sich aus mitteilt. Und nicht mit Erinnerungen nervt, mit denen ich inhaltlich nichts anfangen kann.

Ich habe dann mal zurückgerufen. Das erschien mir weniger nervig als die Aussicht auf die nächste schriftliche Mahnung. Der betreffende Herr war im Haus, aber nicht zu sprechen. Die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle richtete mir aus, ich solle doch einen Brief schreiben oder ein Fax schicken. Dieses werde schnellstmöglich bearbeitet.

Also, jetzt ist dann aber wirklich mal gut. Weitere „Erinnerungen“ etc. hefte ich einfach ab. Und der Antrag geht genau drei Tage vor Fristablauf raus. Irgendwie bin ich mir aber sicher, dass da eskalationsmäßig noch was von Seiten der Behörde kommt. Ich werde berichten, falls das passiert.

Der Mandant darf umdrehen

Wenn die Ladung zum Strafantritt ins Haus flattert und der Mandant sich im nächstgelegenen Knast melden soll, dann kann man getrost von einem juristischen Notfall sprechen. Traurig finde ich immer die Fälle, in denen Betroffene mit Behördenkram schlicht überfordert sind. Fehlende Sprachkenntnisse sind nur eine von vielen Ursachen für Schicksale, die eigentlich hätten vermieden werden können.

In so einem Fall konnte ich einen Mandanten sehr glücklich machen. An sich hätte er sich spätestens heute (!) bis 15 Uhr in der Justizvollzugsanstalt melden müssen, weil seine Bewährung wegen eines eher überschaubaren Delikts widerrufen wurde. Und das nur, weil er die Zahlung seiner ebenso überschaubaren Bewährungsauflage auf grandios schusselige Art und Weise versemmelt hat.

Ich habe eine umfängliche Beschwerdeschrift eingereicht, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und letztlich Aufschub aus reiner Menschlichkeit erbeten, letzteres vor allem in Telefonaten mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft. Vorhin, als ich telefonisch noch mal nachfragte, kam Entwarnung – Strafaufschub ist erst mal genehmigt. Was ich inhaltlich auch richtig finde, denn die vom Gesetz (§ 67g StGB) geforderte „gröbliche“ oder „beharrliche“ Verweigerungshaltung kann ich in dem – für mich ganz neuen – Fall bislang nicht erkennen. Aber das hilft ja auch nur eingeschränkt, wenn womöglich schon alle Fristen abgelaufen sind.

Ich erreichte den Mandanten in der Straßenbahn 701. Er war schon auf dem Weg in den Knast. Jetzt fährt er erst mal wieder heim und wir können schauen, ob das Gericht meinen Argumenten etwas abgewinnt.

Gefährderansprache via Anwalt

Die Polizeibeamtin N. ermittelt gegen meinen Mandanten und einige seiner Freunde. Es geht um Körperverletzung, nachts vor einem Club. Alltagskriminalität sozusagen.

Heute meldete sich die Polizistin telefonisch. „Könnten Sie nicht mal mit Ihrem Mandanten sprechen?“, wollte sie wissen. „Vor einigen Tagen sollen sich die Herren vor einer Zeugin aufgebaut und sie eingeschüchtert haben.“

Ich erklärte mich bereit, mal ein paar Worte mit meinem Mandanten zu reden. Wobei ich natürlich klarstellte, dass ich deswegen nicht davon ausgehe, an den Vorwürfen könnte was dran sein. Die Beamtin freute sich über meine positive Reaktion. „Ich habe unheimlich viele Sachen auf dem Tisch“, sagte sie. „Solche Gefährderansprachen würden mir jetzt gerade noch fehlen.“

Aber gerne doch. Man hilft, wo man kann. Auch wenn ich jetzt noch nicht so genau weiß, ob und wie ich die zusätzliche Arbeit meinerseits gebührentechnisch erfassen kann.

So allgemein wie spezial

Ein sehr schöner Briefkopf des Amtsgerichts Nürnberg:

Man ist also allgemein zuständig. Aber halt auch spezial – für was auch immer. Nur erläutert wird das nirgends.

Das Ganze hat natürlich seine hergebrachte Richtigkeit, aber was soll das dem formaljuristisch mitunter ja nicht vorgebildeten Empfänger denn nun nahebringen? Am Ende bleibt ein gewisser Abschreckungseffekt. Aber vielleicht ist genau dieser ja gewollt.

Mit Gutschein bezahlte Reise ist abgesichert

Wer eine Reise (teilweise) mit einem Gutschein zahlt, ist trotzdem gegen eine Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert. Die gesetzlich vorgeschriebene Versicherung muss nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main auch zahlen, wenn der Kunde lediglich einen Gutschein „investiert“ hat.

Die Klägerin hatte eine Rom-Reise für 438 Euro gebucht und dafür einen Gutschein eingelöst. Sie erhält die Reisebestätigung und den Sicherungsschein, der gegen die Insolvenz des Veranstalters absichert. Die Versicherung verwies aber darauf, die Frau habe keinen Schaden, weil sie gar kein Geld gezahlt habe.

Nicht überzeugend, urteilt das Gericht: Wenn Veranstalter und Versicherung den Gutschein akzeptieren, stehe dieser einer Zahlung gleich. Das ergebe sich aus § 364 Abs. 1 BGB (Aktenzeichen 30 C 3256/17 (71)).

Münzgeld-Einzahlung darf nicht extra kosten

Eine Bank kann ihren Kunden nicht allgemein eine Gebühr berechnen, wenn diese Münzgeld einzahlen. Vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe wurde über den Fall einer Bank verhandelt, die für jede Bareinzahlung von Münzgeld 7,50 Euro berechnete.

Grundsätzlich könnten Banken Geld für Zahlungsdienste verlangen, sagt das Gericht. Ist ja auch logisch, davon leben Banken ja. Die Grenze sei aber dort überschritten, wo die Bank den Kunden Geld dafür in Rechnung stelle, dass er nur seine eigenen vertraglichen Pflichten erfülle. Als Beispiel nennt das Gericht den Kunden, der Münzgeld auf sein überzogenes Girokonto einzahlt. In diesem Fall tilgt der Kunde nur pflichtgemäß seine Schulden, wird aber extra zur Kasse gebeten.

Schon dieser Punkt führt dazu, dass die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach Auffassung des Gerichts insgesamt unwirksam ist (Aktenzeichen 17 U 147/17).

Frauenüberhang in der Hamburger Justiz

Männliche Bewerber für einen Job bei der Staatsanwaltschaft haben es in Hamburg momentan einen Tick leichter als Frauen. Es gibt nämlich derzeit deutlich mehr Staatsanwältinnen als Staatsanwälte in der Behörde. Nun wirbt die Hamburger Justiz offensiv um männliche Stelleninteressenten.

„Männliche Bewerber werden daher bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorrangig berücksichtigt“, heißt es auf der Homepage der Anklagebehörde unter „Bewerbungs- und Einstellungsverfahren“. Tatsächlich sind von den 195 Strafverfolgern in Hamburg 125 Frauen (64,1 Prozent) und 70 Männer (35,9 Prozent).

Dies hat nun zur Folge, dass das Hamburger Gleichstellungsgesetz nun zu Gunsten von Männern zieht. Bei gleicher Qualifikation werden männliche Bewerber bevorzugt.

Näheres steht in einem Bericht des Hamburger Abendblatts.

Keine großen Diskussionen

Mit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers tun sich Gerichte mitunter schwer. Ist ja auch verständlich. Denn der Pflichtverteidiger kriegt sein Honorar aus der Staatskasse. Am Ende zahlen also wir alle. Deshalb finde ich es auch gar nicht schlimm, wenn ein Richter kritisch hinterfragt, ob die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidiger gegeben sind.

Ärgerlich wird es da, wo die Verweigerungshaltung nur noch als Pingeligkeit ausgelegt werden kann. Hier in NRW gibt es zum Beispiel einen Amtsrichter, der nach meinem Empfinden so gut wie jeden Antrag ablehnt – sofern ihm das Gesetz überhaupt ein Ermessen einräumt. Wenn dann eine Beschwerde erhoben wird, bessert er in 50 % der Fälle selbst nach. Die restlichen 45 % korrigiert dann das Landgericht als Beschwerdeinstanz.

Dass es auch ganz anders geht, erlebte ich jetzt bei einem anderen Amtsrichter. Der hatte die betreffende Abteilung zwar erst vor kurzem übernommen, zeigte sich aber bestens informiert. Er hatte schon selbst recherchiert, dass mein Mandant betreut wird. Und zwar auch aus Gründen, die dafür sprechen, dass der Mandant seine rechtlichen Interessen nicht selbst wahrnehmen kann. Das ist ein plausibler Grund für einen Pflichtverteidiger, auch wenn der Tatvorwurf doch sehr marginal ist.

Da ich den Mandanten schon seit langem helfe, rief der Richter kurz an und fragte, ob ich die Verteidigung übernehme und der Mandant damit einverstanden ist. Der Beiordnungsbeschluss kam dann postwendend, ebenso die Gerichtsakte zur Einsicht. Übernächste Woche ist schon der Verhandlungstermin. So was nenne ich Effizienz. Abgesehen davon macht die Arbeit ohne unnötige Reibungsverluste auch gleich viel mehr Spaß.

Postnachwurf

In einem Verfahren wegen Drogenhandels via Internet beobachtete die Polizei den Briefkasten an einer belebten Straße. Es handelte sich um eines dieser geräumigen Standmodelle mit zwei Einwürfen, einer für den Nah- und einer den Fernbereich.

Für den Fall, dass die möglichen Drogenversender zum Briefkasten kamen, und sie kamen, hatte die Polizei vorgesorgt. Stolz erzählte eine Beamtin vor Gericht, man habe einen „Postnachwurf“ vorbereitet. Also einen Umschlag (ans Polizeipräsidium adressiert), der in den Briefkasten geworfen werden sollte, nachdem die Verdächtigen ihre Sendungen eingeworfen hatten.

Das klang alles sehr wichtig. Bis sich dann die Frage stellte, wozu der „Postnachwurf“ denn gut sein sollte. So richtig konnte die Beamtin das nicht erklären, die Idee hatte ja auch ihr Chef. Jedenfalls schien man der Meinung zu sein, dass Briefe so in diese Art Briefkästen fallen, dass sie fein säuberlich übereinander gestapelt sind. Wobei der amtliche „Postnachwurf“ dann sozusagen eine Art Trennstreifen gewesen wäre, falls nach den Verdächtigen noch jemand was in den Briefkasten schmeißt.

Wer allerdings schon mal zugeschaut hat, wie einer dieser großen Briefkästen geleert wird, weiß natürlich: Drinnen hängt ein recht geräumiger Sack, in den die Briefe plumpsen. Und das jedenfalls nicht im Schichtsystem, sondern je nach Einwurfwinkel ziemlich kunterbunt.

Immerhin scheinen das auch die Richter schon mal gesehen zu haben. Die Strafkammer machte jedenfalls nicht den Eindruck, dass dem ominösen „Postnachwurf“ irgendeine juristische Bedeutung zukommen könnte. Man darf also die Prognose wagen, dass dieses Instrument es auch eher nicht ins Lehrbuch der Kriminalistik schaffen wird.

Bei Wind und Regen

Anzeigenblätter werden ja gern auch mal in Stapeln vor die Haustüren gelegt. Zum Beispiel, wenn die Briefkästen nicht von außen zugänglich sind. Der Eigentümer eines Mietshauses muss das aber nicht hinnehmen, entschied das Amtsgericht Magdeburg.

Der Eigentümer hatte gegen den Verlag eines Anzeigenblattes geklagt, das zwei Mal in der Woche erscheint. Die liegengebliebenen Anzeigenblätter musste er nach seinen Angaben immer mühsam entsorgen, was gerade bei Wind und Regen sicher nicht sehr angenehm ist. Für das Gericht liegt darin ein Eingriff in das Eigentum des Klägers, der zu einem Unterlassungsanspruch führt.

Der Verlag hatte eingewandt, es würden ja auch schon mal Handzettel verteilt. Das ließ das Gericht mit dem Hinweis nicht gelten, ein Anzeigenblatt sei viel dicker, die Verschmutzung durch umherfliegende Blätter deshalb deutlich höher (Aktenzeichen 150 C 518/17).

Wie die Polizei in ihren Formularen blufft

Aus einer Vorladung für eine Vernehmung bei der Polizei:

In der Ermittlungssache Besitz von Marihuana am … in Düsseldorf ist Ihre Vernehmung / Anhörung als Beschuldigter erforderlich.

Dieser Vorladung für Sie liegt ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde.

Ich will nicht verhehlen: Der Satz mit der Staatsanwaltschaft hat bei meinem Mandanten seinen Eindruck nicht verfehlt. Genau das sollte er wohl auch bezwecken. Auftrag der Staatsanwaltschaft. Das klingt ja gleich ganz anders, als wenn nur der Herr Kommissar ein paar Fragen hat.

Allerdings ist das Ganze doch leicht irreführend. Denn die Sache mit dem „Auftrag der Staatsanwaltschaft“ ist nur an ganz anderer Stelle relevant. Zwar auch bei Vernehmungen, aber der von Zeugen. Hier gibt es seit kurzem eine Pflicht von Zeugen, auch bei der Polizei zu erscheinen. Aber eben nur, „wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt“ (§ 163 Abs. 3 StPO). Zu dieser Gesetzesänderung habe ich schon mal Näheres in meiner ARAG-Kolumne geschrieben, auch über die zahlreichen Fragen, die in der Praxis noch nicht einmal ansatzweise geklärt sind.

Bei der Vernehmung eines Beschuldigten hat sich dagegen folgendes geändert: gar nichts. Beschuldigte haben nach wie vor keinerlei Pflicht, auf Vorladungen der Polizei zu reagieren. Vielmehr ist es nach wie vor nur so, dass Beschuldigte verpflichtet sind, auf Ladung zu erscheinen – aber eben nur „vor der Staatsanwaltschaft“ (§ 163a Abs. 3 StPO). Der Staatsanwalt kann sein Recht, den Beschuldigten antanzen zu lassen, nicht auf die Polizei übertragen. Wobei die Erscheinenspflicht für einen Beschuldigten übrigens nicht bedeutet, dass er was beim Staatsanwalt sagen muss. Der Beschuldigte hat nach wie vor ein umfassendes Schweigerecht.

Ein wenig witzig ist es also schon, wenn der tolle Satz mit dem Auftrag der Staatsanwaltschaft jetzt in Vorladungen für Beschuldigte schwappt. Und auch ein wenig abgeschmackt, wenn man sieht, dass sich manche Polizeibeamte halt für keinen billigen Trick zu schade sind.

Außer Kontrolle

Beim Wühlen im Aktenschrank bin ich vorhin auf einen Vorgang gestoßen, der mir vom Namen des Mandanten her rein gar nichts sagte. Ein Indiz, dass in der Sache was nicht stimmt – normalerweise erinnere ich mich nämlich ganz gut an einzelne Mandate.

Nachdem ich in die Akte geschaut habe, bin ich schlauer. Es geht um ein Verkehrsdelikt, das sich angeblich Mitte 2013 ereignet haben soll. Nach einem knappen Jahr erging ein Strafbefehl gegen meinen Mandanten. Gegen diesen Strafbefehl legte ich Einspruch ein, das war im Juli 2014. Seitdem, also nun fast schon vier Jahre, ist nichts mehr passiert. Gar nichts.

Mit bloßer Überlastung des Gerichts dürfte das kaum zu erklären sein. Mein Tipp: Die Akte ist verschollen. „Außer Kontrolle geraten“, wie es auf Justizsprech heißt. Ich werde meine Akte erst mal wieder in den Schrank hängen. Bald wird ja auch das Thema Verjährung interessant. Ich als Verteidiger bin der Letzte, der das Gericht jetzt anstoßen müsste. Das wäre sogar eine Verletzung meiner Berufspflicht, denn es würde dem Mandanten schaden.

Wie auch immer es weiter geht, eins ist jetzt schon klar. Das Fahrverbot von einem Monat wird man meinem Mandanten nach so langer Zeit nicht mehr aufs Auge drücken können. Das Fahrverbot soll eine Warn- und Denkzettelfunktion haben, wie es so schön heißt. Von der kann nach so langer Zeit nun wirklich nicht mehr die Rede sein.

Ansonsten bin ich mit dem Mandanten im Reinen. Die Rechnung hat nämlich schon gezahlt.

Etwaige Folgen der Außerachtlassung dieser Bedingung

Es begab sich vor vielen, vielen Jahren, dass bei den Duisburger Verkehrsbetrieben ein Direktor an die Tür des Hausjuristen klopfte. „Wir hatten doch neulich diesen Fall, wo ein Fahrgast Schmerzensgeld wollte, weil er in einer Bahn gestürzt ist.“ Der Herr Assessor erinnerte sich. „Der ältere Herr, der sich nicht festgehalten hat?“ „Genau. Wir bräuchten mal ein vernünftiges Schild, damit wir künftig abgesichert sind. So rein rechtlich.“

Kein Problem, sagte der Hausjurist. Er vergab den Auftrag an einen Rechtsreferendar, der gerade seinen Vorbereitungsdienst im Unternehmen absolvierte. Möglicherweise war es auch ein Praktikant, so genau weiß das keiner mehr. Genau so wenig, wie ich weiß, ob es sich tatsächlich so zugetragen hat. Aber gut denkbar ist es, denn seitdem es in Düsseldorf die U-Bahn-Linie 79 zwischen Düsseldorf und Duisburg gibt – also schon mehrere Jahrzehnte – , hängt in allen Wagen der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) dieses schöne Schild:

Ebenso lange fahre ich U-Bahn. Jedes Mal, wenn ich das Schild sehe, nehme ich meine gesamten juristischen Kenntnisse zusammen und versuche, die Aussage, inhaltlich wirklich zu durchdringen. Bislang erfolglos. Wenn man die Botschaft des Schildes in einer Anfängerübung zum Zivilrecht analysieren ließe, kämen die Studenten wahrscheinlich fluchend aus dem Klausursaal – obwohl sie wochenlang alles zur Haftung bei Vorsatz, (grober) Fahrlässigkeit und höherer Gewalt gepaukt haben.

Ich will jetzt gar nicht werten, was juristisch nicht angehauchte Fahrgäste wohl mit dem Aushang anfangen können. Zum Beispiel die zahlreichen Freunde des gedruckten Wortes unter den Pendlern, die vielleicht mal von ihrem Kindle aufschauen und sich fragen: Wo bleibt hier eigentlich die Sprachpolizei?

Könnten sich die Duisburger Verkehrsbetriebe auch mal fragen. Der Rechtsreferendar vom Dienst hätte sicher Spaß an der Aufgabe.

Neuer beA-Ärger: Anwälte klagen wegen Pseudo-Verschlüsselung

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat eine Klage für ein sicheres „besonderes elektronisches Anwaltspostfach” (beA) koordiniert. Die Klage gegen die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) wurde am 15. Juni 2018 beim Berliner Anwaltsgerichtshof eingereicht und hat zum Ziel, das beA mit Ende-zuEnde-Verschlüsselung so nachrüsten zu lassen, dass allein die vorgesehenen Empfänger einer Nachricht diese entschlüsseln können.

Die von der BRAK verwendete Verschlüsselungstechnik gewährleistet das nicht, weil sie mit dem so genannten HSM eine „Sollbruchstelle“ aufweist. Die derzeitige Konzeption des beA ist laut GFF eine Gefahr für das Mandatsgeheimnis, weil die Nachrichten unterwegs auf einem Server der BRAK mit einem so genannten HSM „umgeschlüsselt“ werden. Nicht der Absender, sondern dieser zentrale Server steuere damit, wer die Nachrichten lesen kann.

Aufgrund dieser „Schlüsselrolle“ der BRAK sei das beA ein besonders attraktives Ziel für Angriffe durch Kriminelle oder staatliche Stellen des In- und Auslands – ein wesentlicher Unterschied zu Brief oder Fax. Vor dem Hintergrund, dass einfache technische Lösungen für eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung längst verfügbar sind, hält die GFF das Anwaltspostfache in der jetzigen Form nicht für hinnehmbar.

„Es ist nicht nachvollziehbar, warum Rechtssuchende schlechter stehen sollen als jeder normale Nutzer von Messengerdiensten wie Signal, Telegram oder WhatsApp, bei denen die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung längst Standard ist“, sagt der GFF-Vorsitzende Ulf Buermeyer. Mit Unterstützung der GFF klagen nun mehrere Rechtsanwälte.

Ungezählte Druckverschlusstüten

Die Anklageschrift in einem Betäubungsmittelverfahren zählt unter anderem folgende Beweismittel auf:

1 Grow-Zelt nebst Gestänge
ungezählte Druckverschlusstüten
1 Dünger-Anleitung
ungezählte Gelbtafeln
1 Mülleimer

Ich überlege noch, wie ich die ungezählten – vielleicht sind ja auch unzählige gemeint – Gegenstände juristisch instrumentalisieren kann. Wenn ich reichlich formalistisch mit Zwangs-Zählerei drohe, gibt’s nach späterem Verzicht am Ende ja vielleicht einen kleinen Strafrabatt.

Über den Mülleimer denke ich dann morgen nach…