Schon alles klar?

Notiz aus dem Sekretariat:

Herr Staatsanwalt J. teilt mit, dass er an dem Haftprüfungstermin am Freitag in der Sache gegen unseren Mandanten N. nicht teilnehmen wird.

Gut, die Staatsanwaltschaft muss an einer Haftprüfung tatsächlich nicht teilnehmen. Trotzdem kein gutes Omen. Denn es ist erfahrungsgemäß so, dass wohl schon was zwischen Staatsanwalt und Ermittlungsrichter vorbesprochen worden ist. Und zwar mit einiger Sicherheit in die Richtung, dass dem Wunsch des Beschuldigten auf Außervollzugsetzung (oder gar Aufhebung) des Haftbefehls nicht entsprochen wird.

Aber die Hoffnung stirbt ja zuletzt, vielleicht hat der Staatsanwalt einfach auch noch keine Weihnachtsgeschenke. Ich mache mich also am Freitag trotzdem gerne sehr, sehr früh auf meine letzte vorab geplante Dienstreise in diesem Jahr.

Dürftiger Vorwurf

Die Polizei ermittelt wegen „§ 240 Abs. 1 Strafgesetzbuch, Nötigung im Straßenverkehr“. Ich zitiere aus dem Anhörungsbogen:

Sie fuhren mit Ihrem Lkw auf der BAB in Richtung Köln und haben kurz vor der Ausfahrt D. ohne den Blinker zu setzen vom rechten auf den mittleren Fahrstreifen gewechselt. Hierbei musste ein folgender Pkw ausweichen.

Dieser alltägliche Vorwurf ist ein gutes Beispiel, warum man bei Post von der Polizei nicht unüberlegt reagieren sollte. Zum Beispiel mit einer schnellen schriftlichen Antwort. Es besteht die naheliegende Gefahr, sich um Kopf und Kragen zu reden.

Eine Nötigung erfordert nämlich weit mehr als das, was die Polizei als Tatvorwurf zu Papier gebracht hat. Die Nötigung ist zum Beispiel ein Vorsatzdelikt. Fahrlässiges Verhalten und eine Nötigung schließen sich aus. Was bedeutet, dass Unaufmerksamkeit am Steuer (hier: das schlichte Übersehen eines Autos auf der mittleren Spur; die falsche Einschätzung des Abstands) zwar nicht empfehlenswert ist, aber eben schon mal keine Nötigung sein kann.

Wenn also schon der Vorwurf durch die Polizei so dürftig ist, dass er tatsächlich gar keine Straftat umreißt, ist das immer eine doppelte Einladung zu einer eingehenden rechtlichen Prüfung, bevor man sich äußert. Abgesehen natürlich von dem Umstand, dass man ohne vorherige Akteneinsicht sowieso niemals etwas sagen sollte.

Wenn man die Polizei beim Wort nimmt, haben wir es eher mit einer Ordnungswidrigkeit zu tun. Die zieht vielleicht eine Verwarnung oder ein Bußgeld nach sich, aber eben kein Strafverfahren. Oft reicht es in solchen Fällen sogar schon genau darauf hinzuweisen. Wenn die Sache zähneknirschend an die Bußgeldstelle abgegeben ist, lässt sich deutlich entspannter mit denen um eine endgültige Einstellung streiten.

Rückwirkende Abladung

Als ich im Amtsgericht die Stufen erklomm und einen Blick auf den Eingang zum Sitzungssaal werfen konnte, schwante mir das Unheil schon. Vor dem Saal saß niemand – obwohl für den Termin etliche Zeugen geladen waren. Auf der Ankündigungstafel, auch Terminsrolle genannt, waren wir schon gar nicht verzeichnet.

Tja, sagte der Richter zu mir: „Die Sache um 12.30 Uhr ist aufgehoben worden. Schon letzte Woche.“ Viel mehr war ihm nicht zu entlocken. Wofür ich auch Verständnis hatte; er leitete ja gerade den vorherigen Verhandlungstermin. Ich vermute mal, dass die Abladung dann morgen oder übermorgen in der Briefpost ist.

Glücklicherweise handhaben es die meisten Gerichte etwas geschickter. Sie schicken ein Fax. Oder rufen gar mal kurz an. Aber immerhin hatte ich noch Glück im Unglück. Zu dem Amtsgericht fahre ich nur zehn Minuten, und auf dem Rückweg liegt eines meiner Lieblingsestaurants.

„Juristen“-Verlosung: die Gewinner

Wie versprochen, gibt es heute die Gewinner der 10 Cartoon-Bände „Juristen“ von Tim Oliver Feicke. Hier noch mal der Link zur Aktion, die letzte Woche begonnen hat. Die Glücklichen sind:

Martin
kräuschen
Tanja Hammerschmidt
Olli
Armin
Andreas Netscher
Lutz Hans
Harald Ebner
chlorophyllosoph
Erica

Die Gewinner werden per E-Mail informiert, damit sie ihre Adresse mitteilen können.

Allen anderen Teilnehmern vielen Dank für das Interesse. Wer noch auf die Schnelle ein schönes Weihnachtsgeschenk sucht, kann ja noch mal eins der Bücher von Tim Oliver Feicke ins Auge fassen. Hier geht es zur Amazon-Bestellseite. Die Cartoons vom Tim Oliver Feicke sind aber auch über den Buchhandel bestellbar.

Noch mal danke an den Lappan Verlag, der die Bücher zur Verfügung gestellt hat.

Gewinnspiel im law blog – letzter Aufruf

Kleine Erinnerung:

Bis morgen gibt es im law blog zehn Cartoon-Bände „Juristen“ von Tim Oliver Feicke zu gewinnen. Wer sich seine Chance sichern möchte, geht bitte schnell auf die Verlosungsseite und hinterlässt dort noch einen Kommentar.

Die Gewinner werden dann am 15. Dezember ermittelt.

Wer sich nicht auf sein Glück verlassen könnte und vielleicht noch ein schönes Weihnachtsgeschenk sucht, kann „Juristen“ auch einfach bei Amazon (Direktlink) oder über den Buchhandel bestellen. Das Buch kostet 9,99 Euro.

Es gibt auch noch weitere Cartoon-Bände von Tim Oliver Feicke. Näheres auf seiner Homepage. Zur Verfügung gestellt werden die Bücher vom Lappan Verlag.

Neuland, auch für die Polizei

Cannabis gilt seit einigen Monaten als Arzneimittel. Wer es ärztlich verordnet erhält und ordnungsgemäß über eine Apotheke bezieht, darf Cannabis konsumieren. Auch in der Öffentlichkeit.

So ganz hat sich die neue Rechtslage wohl noch nicht rumgesprochen, jedenfalls nicht bei der Polizei. In München „erwischten“ Drogenfahnder einen Mann am Ufer der Isar, der Cannabis rauchte. Sie sollen ihn als „Junkie“ bezeichnet, seinen Joint konfisziert und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet haben. Das Rezept des Mannes soll sie nicht näher interessiert haben. Den Joint sollen sie an Ort und Stelle „vernichtet“ haben.

Der Betroffene beschwerte sich. Erfolgreich. Er bekommt nun vom Land Bayern den Wert des Medizinhanfs erstattet, und zwar 6,80 Euro.

Bericht auf t-online.de

Trecker metzelt Blitzer

Im südhessischen Gernsheim herrscht seit gestern „freie Fahrt“. Jedenfalls müssen Autofahrer die stationären Radarfallen in der Gemeinde vorerst nicht fürchten. Ein 63-Jähriger soll die Blitzkisten in der Nacht von Montag auf Dienstag umgemäht haben – mit einem Trecker.

Opfer der sinnlosen Tat wurden die Blitzer in der Heidelberger Straße, der Mainzer Straße und in der Wormser Straße sowie im Stadtteil Klein-Rohrheim in der Mannheimer Straße. Nach Angaben der Polizei entstand ein Sachschaden von mehreren hunderttausend Euro.

Die Polizei hat den 63-Jährigen festgenommen, weil sein Trecker als Tatfahrzeug in Betracht kommt. Über mögliche Motive ist noch nichts bekannt, ebenso wenig, mit welchen Fahrzeugen der Mann sonst so unterwegs ist.

Anwälte mit Superkräften können auch nicht helfen

Zu einem juristischen und wirtschaftlichen Desaster entwickelt sich der Kündigungsschutzprozess zwischen der bisherigen Geschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf und ihrem Arbeitgeber. Die Rechtsanwaltskammer scheiterte zum dritten Mal mit dem Versuch, die Geschäftsführerin mittels (fristloser) Kündigung loszuwerden.

Im aktuellen Verfahren gab das Arbeitsgericht Düsseldorf jetzt vollumfänglich der gekündigten Geschäftsführerin Recht – und zwar ohne Beweisaufnahme. Die neueste Kündigung war darauf gestützt worden, dass die Geschäftsführerin angeblich veranlasst hatte, dass ihre Personalakte von der Anwaltskammer Köln – ihrem bisherigen Arbeitgeber – direkt an sie geschickt wurde und nicht an die Anwaltskammer Düsseldorf. Die Klägerin habe, so die Anwaltskammer, die Personalakte im Anschluss rechtswidrig „unter Verschluss“ gehalten.

Selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, fragt sich schon, wie man auf diesen Vorwurf eine fristlose Kündigung stützen will. Zu allem Überfluss stellte sich nun wohl heraus, dass die Rechtsanwaltskammer dem Arbeitsgericht Blödsinn erzählt hat. Es tauchten nach Angaben des Arbeitsgerichts nämlich Dokumente auf, die belegen, dass der Vorwurf schlicht nicht stimmt. Das Gericht sagte deshalb die Beweisaufnahme ab und erklärte die Kündigung für unwirksam.

Die Gehaltsforderungen der geschassten Geschäftsführerin belaufen sich derzeit auf 230.000 Euro. Dieses Geld wird die Rechtsanwaltskammer nach derzeitigem Stand zahlen müssen, ohne dass die Klägerin nennenswert dafür gearbeitet hat. Hinzu kommen Anwaltskosten, die sich ebenfalls auf mehrere hunderttausend Euro belaufen sollen. Die Anwaltskammer Düsseldorf hatte nämlich Anwälte mit Superkräften (vulgo: „renommierte Arbeitsrechtler“) beauftragt, die nur zu happigen Stundensätzen arbeiten.

Pressemitteilung des Gerichts

Kommt Zeit, kommt Rat

Es ist einer der wichtigsten Ratschläge, die ein Strafverteidiger seinem Mandanten geben kann: Wenn gegen dich ermittelt wird, solltest du es trotzdem nie eilig haben – auch wenn die mit einem Verfahren verbundene Ungewissheit sicherlich niemals angenehm ist.

Aber auf der anderen Seite heißt es nun mal ebenso platt wie wahr: Kommt Zeit, kommt Rat. Schlimmer wird’s durch den Zeitablauf praktisch nie, sondern immer nur besser. Eine Erkenntnis, die nun auch der Bundesgerichtshof mal wieder in prägnante Worte gefasst hat. So heißt es in einem aktuellen Beschluss:

Kommt es bei einem Strafverfahren zu einem großen Abstand zwischen Tat und Urteil, kann dies bei der Bestimmung der Rechtsfolgen unter drei verschiedenen Aspekten von Belang sein.

Zum einen kann der betreffende Zeitraum bereits für sich genommen ins Gewicht fallen.

Unabhängig hiervon kann zum zweiten einer überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer eine eigenständige Bedeutung zukommen, bei der insbesondere die mit dem Verfahren selbst verbundenen Belastungen des Angeklagten zu berücksichtigen sind.

Zum dritten kann sich schließlich eine darüber hinausgehende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu Gunsten des Angeklagten auswirken (Aktenzeichen 1 StR 359/17).

Und überdies ist es natürlich so, dass bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten ja immer neue Fälle dazu kommen. Was vor einiger Zeit noch als superwichtiger Fall durchging, entwickelt sich so schnell zur Altlast. Wer hier letztlich beim Abräumen hilft, kann sich nicht selten einen schönen Rabatt verdienen.

Das Strafverfahren ist also nie der richtige Ort für Hektik – wenn man der Beschuldigte oder Angeklagte ist.

Human ist anders

Erhebliches juristisches Durchhaltevermögen benötigte eine 73-jährige Frau aus Uelzen, die von der Krankenkasse wegen ihrer Sehbehinderung einen Blindenhund genehmigt haben wollte, obwohl sie auf einen Rollator angewiesen ist.

Die Krankenkasse hielt den Blindenhund für unwirtschaftlich, außerdem bestritt sie die persönliche Eignung der Frau, die auch an Multipler Sklerose leidet. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hatte dafür wenig Verständnis. Immerhin hatten vier Gutachter festgestellt, dass die Frau mit einem speziell trainierten Hund erheblich leichter zurechtkommen würde als mit einem Langstock.

Weil die Krankenkasse trotzdem nicht nachgab, überzeugten sich die Richter auf dem Gerichtsflur selbst davon, wie gut die Klägerin noch gehen kann. Hierbei wurde deutlich, dass die Frau die nötige „Grundkonstitution“ hat.

In ihrem Urteil sahen sich die Richter auch veranlasst, die Krankenkasse an ihrer Pflicht zur humanen Krankenbehandlung zu erinnern. Die Kasse hatte im Vorfeld des Gerichtstermins bei der Hundeschule angerufen und versucht, diese von der körperlichen Ungeeignetheit der Klägerin zu überzeugen. Dies, so das Gericht, sei ein mehr als fragwürdiger Versuch, die Realisierung eines Leistungsanspruchs zu behindern (Aktenzeichen L 16/1 KR 371/15).

Die Sache mit den Flaggen

Für ziemlich großes Aufsehen sorgten in den letzten Tagen Demonstranten, die vornehmlich in Berlin die Fahne des Staates Israel verbrannten. Die Aktionen waren Teil der Proteste gegen die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, der Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hatte.

Die Polizei nahm fleißig Anzeigen wegen der brennenden Flaggen auf, Politiker zeigten sich empört – strafrechtliche Folgen wird das Abfackeln selbst aber voraussichtlich nicht haben.

Es ist nicht strafbar.

§ 104 StGB stellt zwar die Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen anderer Staaten unter Strafe. Das gilt aber nur für Symbole, die dem betreffenden Staat bzw. dessen Sympathisanten auch gehören. Wer also eine Flagge von einer Botschaft oder einem Konsulat entwendet, sie beschädigt, verbrennt oder sonstigen „beschimpfenden Unfug“ an ihr verübt, macht sich strafbar.

Wer aber eine ausländische Flagge in einem Souvenirgeschäft kauft oder sie bei Amazon bestellt, darf diese auch verbrennen. Nicht nur, weil sie sein Eigentum ist. Sondern eben auch, weil der erwähnte § 104 StGB nicht für Symbole gilt, die dem Staat nicht direkt zugerechnet werden können.

Bei der deutschen Flagge sieht es übrigens anders aus. Der § 90a StGB („Verunglimpfen des Staates und seiner Symbole“) ist deutlich weiter gefasst. Da reicht schon die Verunglimpfung der Flagge aus, gleich wem sie gehört.

Handsignierte „Juristen“ zu gewinnen

Wer noch ein Weihnachtsgeschenk für einen Juristen (oder auch einen bekehrungswürdigen Juristen-Hasser) sucht, sollte unbedingt weiterlesen. Rechtzeitig zur heißen Phase der Vorweihnachtszeit startet heute noch mal eine kleine Verlosung im law blog. Diesmal sind zehn aktuelle Bücher des Cartoonisten Tim Oliver Feicke zu gewinnen.

Im Band „Juristen“ nimmt Tim Oliver Feicke den Berufsstand pointiert aufs Korn. Dafür ist er auch hoch qualifiziert. Tagsüber arbeitet Feicke nämlich selbst als Richter in Schleswig-Holstein. Er veröffentlicht seine Cartoons in Tageszeitungen und Anthologien sowie im Eulenspiegel. Seine Juristencartoons erscheinen monatlich in den Fachblättern Deutsche Richterzeitung und RENOPraxis.

Jeden der zehn Bände, die es zu gewinnen gibt, hat der Autor handsigniert. Wer mitmachen möchte, schreibt bitte bis zum 14. Dezember einen Kommentar zu diesem Beitrag. Die Gewinner werden ausgelost und erhalten das Buch noch vor Weihnachten zugeschickt, gerne auch an eine Wunschadresse. Bei der Teilnahme bitte eine gültige E-Mail-Adresse angeben, da die Gewinner nur über die E-Mail-Adresse kontaktiert werden.

Wer sich nicht auf sein Glück verlassen könnte, kann „Juristen“ auch einfach bei Amazon (Direktlink) oder über den Buchhandel bestellen. Das Buch kostet 9,99 Euro.

Es gibt auch noch weitere Cartoon-Bände von Tim Oliver Feicke. Näheres auf seiner Homepage.

Der Cartoonist und das law blog bedanken sich beim Lappan Verlag, der die zehn Bände spendiert.

Gesunde Füße, eine lange Zeit

Aus einer Strafanzeige der Polizei:

Die bislang unbekannten Täter hebelten in den Nachtstunden zum 01.12.2017 den Lagerzugang zur Firma P. auf. Es handelt sich um einen Vertrieb für Pharma- und Drogerieartikel. Wegen krankheitsbedingt derzeit geringer Lagerbestände wurden nach Sichtung durch den Geschäftsführer P. folgende Gegenstände entwendet:

– ca. 2.050 Topfschwämme der Firma „aqualine“ (je 3 Stück, bunte Sortierung)

– ca. 1.300 Packungen Hühneraugenpflaster (Produktnummern etc. werden nachgereicht).

Ihr wisst also Bescheid, sofern euch jemand auf der Straße ein unwiderstehliches Angebot macht.

Anwälte dürfen auch mal auf Tische steigen

Der Koblenzer Mammutprozess gegen mutmaßliche Rechtsradikale vom „Aktionsbüro Mittelrhein“ muss fortgesetzt werden. Nach fast fünf Jahren Prozessdauer und 337 Verhandlungstagen hatte die Staatsschutzkammer des Landgerichts im Mai das Verfahren eingestellt, weil der Vorsitzende Richter in Rente ging und ein Ersatzrichter nicht zur Verfügung stand. Das Oberlandesgericht Koblenz sieht jedoch keinen Grund, dass der Prozess gegen ursprünglich 26, zuletzt 17 Angeklagte einfach so endet. Das Verfahren sei vor einer anderen Strafkammer fortzusetzen, ordnen die Richter in einem heute bekanntgegebenen Beschluss an.

Die Koblenzer Staatschutzkammer hatte die endgültige Einstellung vorrangig mit „überlanger Verfahrensdauer“ begründet. Verbunden damit waren schwere Vorwürfe gegen die Verteidiger. Diese hätten das Gericht mit 500 Befangenheitsanträgen, mehr als 240 Beweisanträgen und 400 Anträgen zum Verfahrensablauf bombardiert. Die Richter am Oberlandesgericht Koblenz sehen darin jedoch kein Fehlverhalten. Es gehöre zu den Rechten von Angeklagten und Verteidigern, „strafprozessuale Rechte besonders häufig oder in großem Umfang in Anspruch zu nehmen“. Die anwaltliche Berufsausübung unterliege grundsätzlich „der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des Einzelnen“.

Insoweit attestiert das Gericht der Staatschutzkammer einen grundsätzlichen Denkfehler. Eine überlange Verfahrensdauer könne nur dann zu einer Einstellung des Verfahrens führen, wenn der Zeitverlust auf Versäumnissen der Justiz beruhe, etwa bei schleppenden Ermittlungen, vertrödeltem Verhandlungsbeginn und zu wenigen Verhandlungstagen in der Woche. Hier sei die monierte Verzögerung aber durch die legitime Verteidigungsstrategie der Angeklagten entstanden und somit nicht im Einflussbereich der Justiz.

Das Landgericht hatte auch moniert, dass einige Verteidiger mitunter skurrile Auftritte hinlegten. So bestieg ein Anwalt einmal einen Tisch, um von dort aus zu sprechen. Abgesehen davon, dass sich die zeitliche Verzögerung hieraus in Grenzen gehalten hat, erlaubt der „Kampf ums Recht“ nach Meinung des OLG Koblenz einem Verteidiger nicht nur die Benutzung starker, eindringlicher Ausdrücke, sondern auch ein Verhalten, das von anderen Verfahrensbeteiligten als stilwidrig, ungehörig oder als Verstoß gegen den „guten Ton“ und das Takt- und Anstandsgefühl empfunden werde.

Es sei auch kein Versäumnis der Justizbehörden, dass der Vorsitzende Richter die Altersgrenze erreicht habe. Das Rentenalter sei in Rheinland-Pfalz gesetzlich geregelt und somit bindend. Während ich den vorstehenden Begründungen als Anwalt wenig überraschend zustimme, ist die Argumentation des Oberlandesgerichts in diesem Punkt doch dürftig.

Zu Beginn des Verfahren im Jahre 2012 war schon abzusehen, dass der Prozess mit 26 Angeklagten und 52 Verteidigern sowie einer mehr als tausendseitigen Anklageschrift Jahre dauern würde. Es wurde aber nur ein Ersatzrichter hinzugezogen, und das, obwohl der Vorsitzende Richter gar nicht der erste Rentenanwärter war. Vielmehr ging schon ein beisitzender Richter knapp zwei Jahre nach Prozessbeginn in den Ruhestand. Der einzige Ersatzrichter war also schon frühzeitig fest „verplant“.

Es wäre also von vornherein erforderlich gewesen, zumindest zwei Ersatzrichter einzusetzen, zumal Richter ja nicht nur in Rente gehen, sondern auch mal erkranken oder gar sterben können. Genau darin ist nach meiner Meinung ein greifbares Versäumnis der Justiz zu sehen. Die mangelhafte Prozessplanung führt aber nun dazu, dass fünf Jahre lang ohne Ergebnis verhandelt wurde, obwohl sich die Beweisaufnahme in dem Verfahren an sich dem Ende zuneigte. Man könnte darin also schon einen Verstoß gegen den Anspruch jedes Beschuldigten auf ein zügiges Verfahren sehen.

Es wird sicher interessant, wie das nun zuständige Gericht das Verfahren angeht. Dass die Ehrenrunde so umfangreich ausfällt wie der erste Durchlauf, ist insbesondere auch dem Steuerzahler nicht zu wünschen. 20 bis 25 Millionen Euro dürfte das Verfahren schon bisher gekostet haben. Ein Aberwitz vor dem Hintergrund, dass den Angeklagten fast durchgehend nur kleinere Straftaten zur Last gelegt werden, über die normalerweise das Amtsgericht an einem Verhandlungstag entscheiden würde.

Grotesk aufgeblasen wurde das Verfahren letztlich nur, weil interessierte Kreise im Aktionsbüro Mittelrhein partout eine kriminelle Vereinigung sehen wollten. Das war nach meiner Meinung weniger der Faktenlage geschuldet, sondern mehr dem Umstand, dass die Innenbehörden des Bundes und der Länder im Jahr 2012 dringend Fahndungserfolge präsentieren wollten – um vom eigenen Versagen im NSU-Komplex abzulenken (Aktenzeichen 2 Ws 406 – 419/17).

Freiheit gegen Geld?

Von mit gibt es mal wieder eine neue ARAG-Kolumne. Diesmal zum Thema „Freiheit gegen Geld“. In dem Beitrag erkläre ich, wie das mit der Strafkaution in Deutschland funktioniert und warum diese bei uns eher ein juristisches Schattendasein führt. Auch die Situation bei Auslandsreisen wird beleuchtet.

Viel Spaß beim Lesen.