STRAFSACHE VETTER

Ich habe gerade einen Anruf von der Kriminalpolizei in Düsseldorf erhalten. In meiner eigenen Sache. Der Beamte hat mir freundlicherweise die Anzeige von Callboy Torsten vorgelesen. Sinngemäß steht darin:

Ich zeige Herrn Vetter an, weil er mich verleumdet. Er behauptet gemeinsam mit dem Herrn von der Krambox, ich wolle nicht, dass meine Seite verlinkt wird. Das ist eine böswillige Hetzkampagne. Dabei will ich doch nur nicht, dass meine Seite verlinkt wird, weil ich ansonsten so viel Traffic habe und mit den Kosten nicht klarkomme. Ich fordere die Polizei auf, die Seite law blog spätestens 12 Stunden nach der Vernehmung des Herrn Vetter zu schließen.

Der Beamte hält eine Vernehmung derzeit nicht für notwendig. Auch eine schriftliche Stellungnahme möchte er nicht. Das lässt sich eigentlich nur damit erklären, dass es ihm an einem Anfangsverdacht fehlt. Er wird die Sache an die Staatsanwaltschaft senden mit dem Vermerk, dass ich Akteneinsicht haben möchte. Aber nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Staatsanwalt einen Paragrafen im Strafgesetzbuch findet, der auf Herrn Rahnerts Anliegen passt.

Ach so, von einer Schließung des law blog sieht der Beamte noch mal ab.

EXTREM KRITISCH

Der Rechtsstreit war etwas bizarr Aber wenigstens hat meine Mandantin gewonnen. Das Amtsgericht Krefeld (4 C 28/06) hat die AXA Versicherung verurteilt, auch das Schadensgutachten zu bezahlen. Das hatte die Versicherung verweigert, weil der Nettoschadensbetrag angeblich unter der Bagatellgrenze lag.

Das Amtsgericht Krefeld stellt zunächst klar, dass es keine starre Grenze gibt:

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht auf Seiten des Geschädigten wird in der Rechtsprechung im Bereich des Verkehrsunfallrechts aber angenommen, wenn der Geschädigte ein Sachverständigengutachten einholt, obwohl der Schaden an seinem Fahrzeug erkennbar unterhalb einer bestimmten Wertgrenze liegt und als Bagatellschaden einzuordnen ist. Der Bundesgerichtshof hat hierzu klargestellt (BGH NJW 05, 356), dass es jedenfalls nicht zu beanstanden ist, einen Schaden von € 715,81 nicht als Bagatellschaden anzusehen.

Eine Untergrenze ist damit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei einem Betrag von € 700,00 gerade nicht gezogen worden. In der Rechtsprechung und der Literatur wird im Übrigen die Bagatellgrenze teilweise mit € 700,- für die alten Bundesländer und € 500,- für die neuen Bundesländer angegeben (Palandt-Heinrichs, BGB, § 249, Rz. 40).

Dann beantwortet das Gericht die Frage, ob die Bagatellgrenze ein Brutto- oder ein Nettobetrag ist:

In den vorliegenden Entscheidungen wird häufig nicht danach differenziert, obwohl der angegebene Schadensbetrag einen Netto- oder einen Bruttobetrag darstellt. Unproblematisch gehört jedoch die angefallene Mehrwertsteuer zum ersatzfähigen Schaden. Das erkennende Gericht hält es daher nicht für sachangemessen, bei der Ersatzpflicht hinsichtlich der Sachverständigenkosten die Entscheidung davon abhängig zu machen, ob die Reparatur bereits durchgeführt wurde oder nicht, ob entsprechend Mehrwertsteuer angefallen ist oder nur die fiktiven Reparaturkosten ersetzt verlangt werden.

Hinzu kommt, dass es in dem Grenzbereich von um die € 700,- für den Laien auch nicht von vornherein absehbar ist, ob er die veranlassten Kosten ersetzt verlangen kann oder nicht. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist hiernach nach Auffassung des erkennenden Gerichts nur gegeben, wenn auch für einen Laien absehbar die voraussichtlichen Kosten inklusive anfallender Mehrwertsteuer unterhalb von € 700,- liegen werden.

Die Versicherung hatte vehement behauptet, ein Kostenvoranschlag wäre völlig ausreichend gewiesen. Das Amtsgericht Krefeld sieht das etwas kritischer und lässt deutliche Kritik an der Regulierungspraxis der Versicherungen anklingen:

Bei der Erstattung von Sachschäden im Bereich des Verkehrsunfallrechts zeigt jedoch die Entwicklung der letzten Jahre, dass die (gegnerischen) Haftpflichtversicherungen verstärkt dazu übergegangen sind, Gutachten und Reparaturkostenrechnungen und -voranschläge extrem kritisch zu prüfen und eigene Gutachten gegenüber zu stellen. Der durch einen Unfall Geschädigte kann bei der gegenwärtigen Praxis nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass ein Kostenvoranschlag seiner Fachwerkstatt von der gegnerischen Versicherung unproblematisch reguliert wird. Gerade deshalb wird er die Feststellung der Schadenshöhe durch ein Gutachten veranlassen.

ZAHLSTELLE

Zum Glück habe ich in dieser älteren Anmerkung zur Hebegebühr nur gesagt, dass ich diese in der Regel vergesse.

Denn heute habe ich für die Weiterleitung von Geld doch mal die Hand aufgehalten. Immerhin habe ich schon 18 Monatsraten à 450 € von einem Prozessgegner erhalten. Wenn ich das Kontenblatt richtig verstehe, holt sich der Mandant sein Geld dann auch schon mal gerne in bar bei uns ab.

Bei dem Aufwand konnte ich der Versuchung dann doch nicht widerstehen, mir jetzt mal ein Prozent der jeweils ausgezahlten Summe zu sichern.

NEUES SCHILD

Ein Mandant parkt seit Jahren morgens auf der gleichen Straße. Wenige Meter vor seiner Firma. Jetzt hatte er eine Verwarnung an der Windschutzscheibe. Fünf Euro soll er zahlen, weil er keine Parkscheibe ausgelegt hat. Wie sich herausstellte, hatte die Stadt am Nachmittag des Vortages ein entsprechendes Verkehrsschild aufgestellt.

Ich habe ihm geraten, erst mal mit der Sachbearbeiterin im Ordnungsamt zu sprechen. Und, je nach Reaktion, mit einem Redakteur der Lokalzeitung.

MEINES ERACHTENS

Gegen eine GmbH hat das Landgericht ein Versäumnisurteil erlassen. Jetzt wendet sich die Geschäftsführerin selbst an das Gericht:

Bezugnehmend auf das Säumnisurteil bitte ich höflichst um Wiederaufnahme des Verfahrens in den vorigen Stand, also um Aufhebung des Versäumnisurteils. Es hat sich herausgestellt, dass Herr RA P. durch Unterlassung seiner anwaltlichen Pflichten das Versäumnisurteil erwirkt hat (Nichteinreichung von Schriftsätzen). In der Zwischenzeit hat RA P. dies zugegeben. Daher bitte ich Sie höflichst das Säumnisurteil aufzuheben, da ich die Geschädigte in diesem Verfahren bin. Meines Erachtens kann ich nicht für anwaltliche Fehler, wie es in diesem Verfahren geschehen ist, meine Existenz verlieren.

Wegen des Anwaltszwangs kann das Gericht den Antrag gar nicht prüfen. Aber unabhängig davon hat die Geschäftsführerin auch in der Sache schlechte Karten. § 85 Zivilprozessordnung bestimmt nämlich:

Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

Aber vielleicht hilft ja die Haftpflichtversicherung des Rechtsanwalts. Wenn er über sechs Millionen versichert ist…

STREIT UM ALTE KNÖLLCHEN

Im Ordnungsamt der Stadt Düsseldorf hat jemand gepennt. Etliche Tausend Bußgeldverfahren aus dem Jahr 2003 wurden nicht ordentlich erledigt. Die Betroffenen werden laut Westdeutscher Zeitung jetzt gemahnt.

Leider ergibt sich aus dem Artikel nicht eindeutig, ob bereits Bußgeldbescheide erlassen waren. Ist dies nicht der Fall, sind die Verkehrssünden längst verjährt.

Wurden dagegen Bußgeldbescheide erlassen und sind diese rechtskräftig geworden, beträgt die Vollstreckungsverjährung nicht drei oder sechs Monate, sondern drei Jahre (§ 34 Ordnungswidrigkeitengesetz) nach Rechtskraft. Rechtskraft tritt ein zwei Wochen nach Zustellung, wenn der Betroffene keinen Einspruch einlegt.

EHER LUSTLOS

Die Generalstaatsanwaltschaft hat eine Gegenerklärung zu einer Revision eingereicht. Meine Revisionsbegründung umfasste die Komplexe 1), 2) und 3). Zu 1) nimmt der Staatsanwalt eingehend Stellung. 2) und 3) würdigt er mit keinem Wort.

Entweder habe ich also Unsinn geschrieben. Oder meine Argumente sind so gut, dass ihm nur Unsinn einfällt. Als dritte Möglichkeit käme natürlich noch was in Frage: null Bock. Kommt ja in den besten Häusern vor.

HART BLEIBEN

Vielen Anwälten fällt es schwer, von einer ungerechtfertigten Forderung abzurücken. Schönes Beispiel ist das Schreiben einer Fachanwältin für Familienrecht. Sie erklärt auf anderthalb Seiten, warum unsere Einwände jedweder juristischen Grundlage entbehren.

Im letzten Satz steht, dass sie die Forderung neu berechnet hat und ab sofort der dortige Endbetrag gefordert wird. Ein Blick in die Berechnung zeigt, dass fast alle unsere Punkte eingearbeitet sind. Auch der Endbetrag entspricht bis auf ein paar Cent der Summe, auf die wir gekommen sind.

Als deren Mandant würde ich mich verschaukelt fühlen.

ZAHLUNGSVERKEHR

Ein Mandant, den ich sehr schätze, hatte wegen einer kleinen Sache ausdrücklich nach einer Rechnung gefragt. Die hat er jetzt auch bezahlt, aber erst nachdem ihm das Sekretariat eine Mahnung geschickt hat (die freundliche Variante, hoffe ich). Im Kontoauszug steht:

TSCHULDIGUNG.

Keine Ursache.

ABMAHNSUMPF

Die Bundesjustizministerin sprach auf dem Anwaltstag:

In letzter Zeit wenden sich immer mehr Privatleute an mich, die für die einmalige Verletzung eines Urheberrechts eine Abmahnung mit einer zuweilen sogar vierstelligen Anwaltsrechnung ins Haus geschickt bekommen. Zum Beispiel ein 15jähriges Mädchen, das ein Foto ihrer Lieblings-Popgruppe auf ihrer Homepage eingestellt hat – oder der Vorsitzende eines Sportvereins, der einen kleinen Stadtplan-Ausschnitt für den Weg zum Sportplatz ins Internet stellt. Und wenn ich dann noch höre, dass eine Anwaltskanzlei täglich bei den Betroffenen anruft, um die Geldforderung einzutreiben, dann muss ich Ihnen ganz klar sagen: Ein solches Verhalten kann nicht akzeptiert werden!

Wir werden deshalb bei Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen den Gegenstandswert präziser regeln und auch deckeln: Einfach gelagerte Fälle mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung dürfen nicht mehr als 50 bis 100 Euro für Abmahnung und Anwalt nach sich ziehen.

Das Problem, Frau Zypries, beschränkt sich allerdings nicht nur auf Privatleute und das Urheberrecht. Auch im Markenrecht wird abgezockt. Und was ist mit den Anschlägen auf die Meinungsfreiheit, die über den Geldbeutel gewonnen werden? Um nur zwei Beispiele zu nennen.

Viele Abgemahnte sind überdies arglos und richten noch nicht mal messbaren Schaden an. Angesichts dessen sollte man den bereits länger diskutierten Gedanken aufgreifen und die erste Abmahnung grundsätzlich kostenfrei halten.

Sogar aus Anwaltssicht ist der Abmahnsumpf ein unappetitliches Terrain. Er gehört trockengelegt.

(Komplette Rede / Anmerkung von Dr. Martin Bahr)

NACHLÄSSIG

Mit wenigen Dokumenten gehen Gerichte so nachlässig um wie mit Strafbefehlen. Das Formular enthält oben links im Briefkopf den eingedruckten Absender „Amtsgericht“. Aber der Ort wird schon mal häufig nicht ergänzt.

Rechts gibt es Platz für „Ort und Tag“. In einem mir vorliegenden Strafbefehl steht darunter „Lippstadt, den 27. April 2006“. Das Feld „Anschrift und Fernruf“ ist aber schon wieder nicht mehr ausgefüllt. Postleitzahl, Straße, Faxnummer – alles Fehlanzeige.

Aber dafür eine ellenlange Belehrung, was der Beschuldigte beachten muss, wenn er Einspruch einlegen will.

FÜHRERSCHEIN-TOURISMUS RELOADED

Der Europäische Gerichtshof hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass die deutschen Fahrerlaubnisbehörden Führerscheine anerkennen müssen, die Deutsche in anderen EU-Staaten erworben haben. Das gilt auch, wenn der deutsche Führerschein entzogen wurde. Nur eine eventuell verhängte Sperre muss abgelaufen sein.

Im entschiedenen Fall war ein Deutscher, dem der Führerschein entzogen war, nach Österreich umgezogen. Nach Ablauf der deutschen Sperrfrist hatte er in Österreich eine neue Fahrerlaubnis erhalten. Nachdem der Mann wieder in Bayern lebte, weigerte sich die Führerscheinstelle, den österreichischen Führerschein in einen deutschen umzuschreiben. Zumindest sollte der Betroffene eine MPU nach deutschem Standard machen.

Dem erteilt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. April 2006 (links oben klicken) eine klare Absage.

Der Führerscheintourismus dürfte damit eine tragfähige Grundlage erhalten haben. Oder das strenge deutsche Fahrerlaubnisrecht den Todesstoß.