NETZE

Wie es aussieht, werde ich über das Pfingstwochenende eifrig juristische Spinnennetze weben. Alleine heute muss ich eine Klage fertigmachen, für die 22.000 Euro Gerichtskosten eingezahlt werden müssen. Dementsprechend ist auch der Umfang des Prozessstoffes. Da noch andere Sachen warten, wird es hier wohl erst am Dienstag weitergehen.

Allen Lesern wünsche ich ein schönes verlängertes Wochenende.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

GEPFLEGT

Es geht nichts über eine gepflegte Ausdrucksweise. Wie in diesem Schreiben des Amtsgerichts Mettmann vom 19. Mai:

Sehr geehrte Damen und Herren!

In der vorstehenden Sache erhalten Sie unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 2. April 2004 anliegend eine Ablichtung der in dieser Sache ergangenen Schlusskostenrechnung zur gefl. Kenntnisnahme übersandt.

Mit vorzüglicher Hochachtung
W. Justizamtsinspektor

VERSPÄTUNG

VERSPÄTUNG

Gerichte müssen mindestens 15 Minuten mit der Verhandlung warten, wenn eine Partei nicht erscheint. Hat sich der Beteiligte angekündigt und einen Grund für die Verzögerung genannt, kann auch eine Wartepflicht von 30 Minuten angemessen sein. Das hat das Bundessozialgericht entschieden, so beck-aktuell. Der Kläger hatte sich wegen Durchfalls verspätet.

Fairerweise muss man sagen, dass die allermeisten Richter kulant mit Verlegungsanträgen, Stau- und Bahnproblemen umgehen. Ich habe eigentlich noch keinen Richter erlebt, der Terminsprobleme nicht zur Kenntnis nimmt und sich einer vernünftigen Lösung verweigert.

Es gibt allerdings auch Anwälte, die Ärger provozieren. Wer dafür bekannt ist, dass er freitags nie kann, kann beim 150. Verlegungsantrag schon mal auf einen missmutigen Richter stoßen. Vor allem wenn eigentlich jedem bekannt ist, dass der „seit langem feststehende auswärtige Termin“ auf der Finca in Mallorca stattfindet.

MONSTER

Anwaltskollege Michael Kadlicz berichtet aus Österreich:

Meine Mandantin ist in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt. Am Ende hat sie ein wirklich blaues/grünes/gelbes Auge davongetragen. Der Gegner angeblich eine minimale Schürfwunde am Hals. Nun flattert der Strafantrag der Staatsanwaltschaft Korneuburg ein. Und jetzt bin ich mir ganz sicher: Meine Mandantin muss in Notwehr gehandelt
haben, da sie es offenbar mit einem mehrköpfigen Monster zu tun hatte. Ich zitiere: „Tatfolgen: Kratzwunden im Bereich des linken Halses“ Wer weiß wieviele Hälse der Mann hatte – ich hätte mich auch gefürchtet.

ACHTUNG: ÜBUNG! ACHTUNG: ÜBUNG!

ACHTUNG: ÜBUNG! ACHTUNG: ÜBUNG!

Aufgrund einer durch die Täter herbeigeführten dramatischen
Verschärfung der Lage akzeptierte die Polizei ein gefordertes
Fluchtfahrzeug, um das Leben der Geiseln zu schützen. In diesem
Zusammenhang erreichte die Polizei die Freilassung der Frau. Zur Zeit
befinden sich noch drei Menschen in der Gewalt der Täter. Um das
Leben der Geiseln nicht zu gefährden, können derzeit über
Fahrtstrecke und Standort keine Angaben gemacht werden.

ACHTUNG: Für Rückfragen bitte nur die o.a. Rufnummern nutzen!!

Volker Kühl
PD SH Mitte
Einsatzbegleitende Öffentlichkeitsarbeit im Einsatzstab Geiselnahme

Original-Pressemeldung. Ist es das wahre Leben – oder schon RTL?

(danke an Mathias Schindler für den link)

VERLUST

Dass sich das Kaufrecht vor einigen Jahren komplett geändert hat, ist zwar den meisten Anwälten bekannt. Wie es sich geändert hat, scheint dagegen nicht wenigen ein Rätsel zu sein. Ich rede von der Kategerie Kollegen, deren Gesetzessammlung aus dem Jahre 1982 datiert und die keinen Online-Anschluss haben.

So einer saß mir gestern am Landgericht gegenüber. Mit voller Pulle war er für seinen Mandanten ins Feld gezogen. Wegen eines Unfallschadens, den mein Auftraggeber, beim Verkauf eines Gebrauchtwagens angeblich verschwiegen hat. Da musste natürlich gleich ein Privatgutachten her. Das beruhte zwar auf reiner Gefälligkeit, aber über einen unfachmännisch reparierten kleinen Lackschaden am Kotflügel hinten rechts war wohl nicht zu diskutieren. Den Dötscher hatte mein Mandant wohl unwissenderweise vom Vorbesitzer geerbt.

Statt mal über die Sache zu sprechen, kam gleich die Wandlungserklärung. Schon das beweist, dass der Anwalt in den falschen Kategorien dachte. Denn eine Wandlung gibt es nicht mehr. Das heißt jetzt Rücktritt vom Vertrag. Hinzu kommt, dass der Rücktritt nicht mehr so einfach erklärt werden kann. Vielmehr muss dem Verkäufer erst Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben werden. Anderenfalls kommen nur eine Preisreduzierung (Minderung) oder der „kleine Schadensersatz“ in Betracht.

Wie nicht anders zu erwarten, bestätigte der gerichtlich bestellte Sachverständige, dass es sich nur um einen Bagatellschaden handelte. Rücktritt war also definitiv ausgeschlossen.

Wir erklärten uns großzügig bereit, die Reparaturkosten von ein paar hundert Euro zu bezahlen. Viel Freude wird der Kläger daran nicht haben. Den Prozess hat er nämlich zu 97 % verloren. Die Kosten, die auf ihn zukommen, übersteigen den Entschädigungsbetrag bei weitem. Denn der Gegenstandswert des Rechtsstreits beziffert sich nach dem Wert des (teuren) Autos, dessen Rückgabe der Kläger verlangt hat. Hinzu kommen noch die Kosten für das Privatgutachten.

Insgesamt ein klares Verlustgeschäft. Ein vermeidbares. Aber dafür hätte der gegnerische Anwalt vorher ins neue Kaufrecht schauen müssen.

IM KELLER

Das Sozialamt der Landeshauptstadt Düsseldorf ist nicht bekannt für seine schnellen Entscheidungen. Das jetzt übersandte Schreiben krönt jedoch die bisher bekannten Bearbeitungszeiten:

Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2004 zum Widerspruch vom 23. März 1998 gegen den Bescheid vom 5. März 1998

Kleiner Trost: Der Widerspruch hat zu 93,94 % Erfolg; und in dieser Höhe übernimmt die Stadt sogar unsere Kosten.

So, jetzt schicke ich die Fachangestellte vom Dienst in den Keller: die abgelegte Akte suchen.

LASTWAGEN

Dass Schriftsätze ganze Lastwagen füllen, ist eher selten. Im Fall der 15.000 Telekom-Klagen jedoch an der Tagesordnung. Die Flut der Schriftsätze blockiert eine ganze Kammer für Handelssachen am Landgericht Frankfurt, berichtet heise online. Und aus dem Norden, wo sich noch einmal 14.000 Telekom-Aktionäre an eine Gütestelle gewandt haben, rollt nun eine weitere Klageflut heran.

Ein Ende der Verfahren ist nicht abzusehen.

(danke an Axel Eble und Torsten Kleinz für den link)

MOORLEICHEN

Im Jahre 1983 fanden Torfstecher im britischen Lindow Moss die Überreste einer gut erhaltenen Frauenleiche. Ein Anwohner des Moores wurde daraufhin beschuldigt, vor rund 20 Jahren seine Frau umgebracht zu haben.

Er gestand, unter der Last der Beweise…

Archäologen führten einen Radiokarbontest aus. Der ergab, dass die Moorleiche etwa 2000 Jahre alt ist. Der Mann wurde trotzdem verurteilt, auch wenn sich die Last der Beweise mittlerweile deutlich reduziert hatte.

Was blieb, war sein glaubwürdiges Geständnis.

Gekommen bin ich auf die Geschichte über das von englischen Professoren verfasste, aber trotzdem lesenswerte Buch „Die siebzig großen Geheimnisse der alten Kulturen“ (S. 186: „Moorleichen: Kult- oder Mordopfer“; erschienen bei Zweitausendeins).

Erzählen wollte ich die Geschichte, weil sie wunderbar verdeutlicht, dass es aus Sicht des Beschuldigten nur einen blöden Fehler gibt: eine vorschnelle Aussage.

(Mehr zu den Moorleichen aus Lindow Moss)

KAFFEE

Im „Legal Grind“, der Gesetzesmühle, kostet ein Kaffee 25 Dollar – Rechtsberatung inklusive. Laut Spiegel online boomt in Los Angeles das Geschäft mit dem counseling in legerer Atmosphäre.

Ein falsch recherchierter Fakt ist es allerdings, dass in Deutschland Anwälten Werbung verboten sein soll. Und dass hierzulande Anwälte noch nicht auf die Idee gekommen sein könnten, Erstberatungen relativ günstig anzubieten, ist ebenfalls nicht korrekt. Für ein vergleichbares Informationsgespräch nehmen wir zum Beispiel zwischen 25 und 40 Euro.

Wenn gewünscht, gibt es sogar einen Kaffee…

DUMM GELAUFEN

Eine Kölner Jurastudentin ist laut Express wegen Urkundenfälschung verurteilt worden. Sie hatte die Prüfungsarbeit ihrer besten Freundin als eigene ausgegeben. Ob das mit dem Tatbestand der Urkundenfälschung richtig ist, lasse ich mal dahingestellt. Zu erwähnen ist allerdings, dass die Arbeit in den Augen der Prüfer ohnehin nur ein „mangelhaft“ verdiente.

WOHNFLÄCHE

WOHNFLÄCHE

Um die Größe von Mietwohnungen gibt es immer wieder Ärger. Meistens auf Seiten der Mieter. Jedenfalls habe ich es noch nicht erlebt, dass eine Mietwohnung größer war als angegeben.

Wer bei der Besichtigung nicht das Maßband zücken möchte, kann sich das Recht auf (spätere) Mietminderung sichern. Wichtig ist, dass die Wohnfläche im Vertrag festgehalten wird. Und zwar in Form einer klaren Zusage. Also den üblichen Formularschrott („ca.“, „ungefähr“) so abwandeln, dass der Vermieter für die Fläche Gewähr übernimmt. Vorschläge: „zugesicherte tatsächliche Wohnfläche“, „Wohnfläche nach verbindlicher Angabe des Vermieters“.

Wenn sich dann herausstellt, dass die Wohnung erheblich (so ca. 10 %) kleiner ist als angegeben, kann das leichter als bei den wachsweichen Formulierungen zur anteiligen Mietkürzung berechtigen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil festgelegt.

Die Wohnräume einschließlich Küche und Flur werden komplett eingerechnet. Nicht in die Wohnfläche fließen ein Dachboden, Waschkeller, Keller oder die Garage. Flächen unter Dachschrägen zählen bis zwei Meter voll, zwischen einem und zwei Meter zur Hälfte und unter einem Meter gar nicht. Balkone werden unterschiedlich angerechnet. Je nach Nutzwert mit einem Viertel oder der Hälfte.

Mehr zum Thema auch bei Vertretbar.de.

PS. Für die Betriebskosten kommt es ohnehin immer auf die tatsächliche Wohnfläche an.