PRALL

Zehn prallvolle Ordner Hauptakte, dazu noch fünf weitere mit Dokumenten. Kann man das in zehn Werktagen durcharbeiten? Eine vernünftige Verteidigungsstrategie ausarbeiten? Eigene Ermittlungen anstellen?

Geht. Vielleicht. Aber nur, wenn man ansonsten nichts zu tun hat. Das ist aber nicht der Fall. Deshalb muss ich beantragen, das Verfahren zunächst auszusetzen. Falls das Gericht dem nicht stattgibt, geht es zumindest ein erhebliches Risiko ein. Denn zu wenig Vorbereitungszeit kann als unzulässige Beschränkung der Verteidigung gewertet werden; ein absoluter Revisionsgrund (§ 338 Ziff. 8 Strafprozessordnung).

HARDWARE UPDATE

Ein bisschen neidisch bin ich schon. Auf den neuen Computer, den mein Bruder (danke für den geopferten Nachmittag!) für meine Kollegin installiert und ins Netzwerk integriert hat. Ein Dell Optiplex. Hervorstechendstes Merkmal: unhörbar. Dagegen klingt mein Sony Vaio wie ein Müllwagen.

Kleiner Trost 1: Den nächsten Neuen kriege turnusmäßig ich. Jetzt erzählt mir bitte nicht, dass so ein Sony praktisch unverwüstlich ist.

Kleiner Trost 2: Ich habe mir einen Minidrucker für die Aktentasche bestellt.

HOCHARBEITEN

Die Financial Times berichtet über Personalsuche und -politik deutscher Anwaltskanzleien:

Dabei ist gerade bei jüngeren Anwälten eine besonders hohe Wechselbereitschaft zu beobachten. Manche von ihnen erkennen nach einiger Zeit in einer internationalen Großkanzlei, dass ihnen die überschaubaren Strukturen in einer kleinen Sozietät doch lieber sind. Andere vermissen die berufliche Perspektive. Zwar können sich die Associates in den Top-Kanzleien von einem Einstiegsgehalt von 65 000 Euro in einigen Jahren auf 150 000 Euro hocharbeiten. Doch ihre Aussichten, irgendwann einmal Partner zu werden, sind schlecht.

EXPRESS

Wäre es nicht so traurig, könnte man drüber schmunzeln. Selbst abgehalfterte SPD-Funktionäre suchen schnell noch ein Plätzchen im Kapitalismuskritik-Express, möglichst nahe beim Oberschaffner Müntefering.

Ihre neuesten Äußerungen lassen darauf schließen, dass der Zug ideologisch einen klaren Kurs steuern wird: zurück in die Vergangenheit, ab nach Osten. Für Mitropa-Fans könnte sich hier die Chance einer späten Genugtuung ergeben. Die BRD als sozialistischer Freizeitpark, in dem u.a. das Neue Europa (visafrei) die Gespenster von gestern bestaunt und wohlig schaudert.

Könnnte glatt eine Marktlücke sein.

TESTZUGANG

Was sich als Probeabo ausgibt, kann schnell zur Kostenfalle werden. Gerade im Internet soll es immer mehr Angebote geben, die mit einem kostenlosen oder preiswerten Testzugang oder einem Probeabo werben. Was der Kunde aber häufig übersieht: Ohne Kündigung geht das Abo in einen festen Vertrag über. Häufig gleich mit einer Laufzeit von sechs Monaten oder einem Jahr.

Dieser Beitrag von Rechtsanwalt Thomas von Olnhausen zeigt einige Aspekte auf, mit denen sich ein Besteller doch wieder vom Vertrag lösen kann. Überdies spricht vieles dafür, dass solche Klauseln schon wegen ihres Überraschungseffekts („Probe“abo) unwirksam sind (§ 305 Absatz 1 BGB).

VERSCHLOSSEN

Ich stand gerade etwas verwirrt vor der Anwaltshalle im Düsseldorfer Landgericht, wo ich noch was zu erledigen hatte. Verschlossen. Durch eine Stahltür. Links an der Wand ein Touchpad. „Nach 15 Uhr öffnen Sie die Tür mit dem Ihnen bekannten Code“, klärte ein Schild auf.

Mir hat niemand einen Code mitgeteilt. Aber vielleicht liegt das daran, dass ich kein Mitglied im Deutschen Anwaltverein bin. Einen Kollegen durch die Scheibe heranwinken, der mir von innen aufmacht, auch dieser Wunsch blieb leider unerfüllt. Die Anwaltshalle war verwaist. Kein Wunder – bei dem schönen Wetter und um die Uhrzeit trifft man sich auch zweifellos besser vor dem Uerige.

VERANTWORTUNG ABSCHIEBEN

Der Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in einem asiatischen Land bedauert, kein Besuchervisum für den Neffen eines Mandanten erteilen zu können. „Die Ausländerbehörde vor Ort hat leider nicht zugestimmt“, erklärt er mir am Telefon. „Von uns aus ist alles klar“, sagt mir der zuständige Mann im Ausländeramt. „Wir haben die Einladung aufgenommen, alle Papiere geprüft und keine Einwände erhoben.“

Als nächstes wird sich die Botschaft sicher auf ihren Standardsatz berufen, den man aus zahllosen anderen Ablehnungen kennt:

„Please understand that, under German law and in line with estabilished international practice, no reasons for such a denial need to be given.“

Bleibt trotzdem die Feststellung, dass eine der Behörden nicht die Wahrheit sagt.

VORLEISTUNG

Über „Erfolgshonorare“, die ja mittlerweile in eingeschränktem Maße zulässig sind, sprechen potenzielle Mandanten in der Regel nur bei aussichtslosen Sachen. Dass ich aber auch noch die Gerichtskosten – immerhin ein paar Tausend Euro – vorstrecken soll, ist wirklich eine brillante Idee. Wäre interessant zu erfahren, ob sich ein anderer Kollege darauf einlässt.

+40

Ich starre aufs Display. +40 … Hamburg, zu so später Stunde? Tatsächlich kommt der Anruf aus Rumänien. Auch im neuen Europa erwacht anscheinend der Bedarf an grenzüberschreitender Rechtsberatung. Mehr kann ich derzeit leider nicht verraten.

BEFLÜGELND

Müntefering legt nach

Würde mich nicht wundern, wenn so etwas, sagen wir mal, Gespräche zwischen Citibank und Deutscher Bank beflügelt. Wenn der Firmensitz dann New York oder Zürich ist, werden statt 6.000 Arbeitnehmern wahrscheinlich 15.000 auf die Straße geschickt. Aber das ist dem Herrn Müntefering anscheinend so was von egal …

Noch ein anderer Aspekt: Leute wie er machen die Demagogie hoffähig. Das kann sich ganz schnell rächen. Denn was dröge Sozialdemokraten können, können andere mit Sicherheit besser.

BEEINDRUCKT UND GEWARNT

Die Staatsanwaltschaft begründet, warum sie ein Ermittlungsverfahren wegen geringer Schuld eingestellt hat:

Es kann erwartet werden, dass der Beschuldigte durch das bisherige Ermittlungsverfahren hinreichend beeindruckt und gewarnt ist.

Immerhin hat der Beschuldigte ja mindestens einen Brief bekommen. Die Vorladung zur polizeilichen Vernehmung. Er war abgebrüht (und schlau) genug, gar nicht darauf zu reagieren.

Was für Tatsachen dafür sprechen könnten, dass ihn das Verfahren beeindruckt hat, erschließt sich mir nicht. Aber es ist ja, wie man lesen kann, nur eine Erwartung.

RECHNUNG

So sieht die Anwaltsrechnung aus, wenn man sich vor Gericht um einen Strafzettel von zehn Euro streitet:

Rechtsanwaltsvergütung – berechnet nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz:
1. VV 5100 Grundgebühr 85,00 €
2. VV 5101 Verfahrensgebühr – Geldbuße weniger als 40,00 € 55,00 €
3. VV 5102 Terminsgebühr in Verfahren nach Nummer 5101 (3.02.2005) 55,00 €
4. VV 5102 Terminsgebühr in Verfahren nach Nummer 5101 (10.02.2005) 55,00 €
5. Dokumentenpauschale – Nr. 7000 Ziff. 1 VV
a. aus Gerichts- u. Behördenakten / Anzahl: 6
Gesamtanzahl zahlungspflichtig: 6 3,00 €
6. Post- u. Telekommunikationsentgelte – Nr. 7001 bzw. 7002 VV 20,00 €
Zwischensumme: 273,00 €
16 % Mehrwertsteuer: 43,68 €
7. Steuerfreie Auslagen:
Aktenversendungspauschale 12,00 €

Summe: 328,68 €

WÜHLARBEIT

Zum Glück ist das wirkliche Leben wie Windows. Nichts ist wirklich sofort weg. Jedenfalls haben wir das vermisste Dokument noch aus dem großen Papierkorb im Sekretariat gefischt.

Mandanten und der Postbote, die in der Zwischenzeit reingekommen sind, guckten ob des Chaos zwar etwas verwirrt. Aber da konnten wir nun wirklich keine Rücksicht drauf nehmen. Denn, um ehrlich zu sein, es war ein verdammt wichtiges Schriftstück.

Morgen, nachdem die Putzfrau da gewesen ist, hätten wir schon in der Mülltonne wühlen müssen.