EX-KOLLEGEN

Es gibt Gerichtstermine. Und es gibt Gerichtstermine mit Anwälten aus dem Büro, wo du mal angefangen hast. Normalerweise ein Grund, sich freundlich zuzunicken. Nicht in deinem Fall, denn der Abschied 1995 war, sagen wir mal, eine Mischung aus Hochverrat und anschließender Christenverfolgung.

Dich ans Kreuz zu nageln haben sie aber nicht geschafft, trotz unzähliger Eingaben an die Anwaltskammer und zwei Kilo Dienstaufsichtsbeschwerden gegen einen der sachlichsten Staatsanwälte, die es jemals in dieser Stadt gab. Nicht dein Verdienst, sondern das eines Verteidigers, der sein bescheidenes Pauschalhonorar mehr als wert war und dessen Handynummer du noch heute gespeichert hast für den Fall, dass du mal wieder im Lichtkegel der Schreibtischlampe sitzt.

80 % des Anwaltsbüros zeigen auch nach zehn Jahren noch nicht einmal die leiseste Regung außer einem nervösen Augenzucken, wenn sie dir auf dem Gerichtsflur begegnen. Sozusagen die Fortsetzung der damaligen Korrespondenz, die ja auch immer nur mit „freundlichen Grüßen“ endete.

Du selbst verhältst dich natürlich auch kindisch. Oder warum guckst du immer interessiert auf den Briefbogen von denen, wenn mal was reinkommt, um dich dann klammheimlich zu freuen, dass die angeblichen Cracks auf ihren Rechtsgebieten es auch im sechsten Lebensjahrzehnt noch nicht einmal zu einem Fachanwalt gebracht haben?

In der Verhandlung selbst bemühst du dich natürlich sehr, deine Aversionen nicht zu Lasten des Mandanten auszutragen. Allerdings macht es dir dann doch Freude, demonstrativ mit deinem Mandanten zu flüstern, während er von der Richterin befragt wird. Aus früheren Verhandlungen weißt du, dass die Gegenseite dann sofort anfängt zu nölen, du sollst das unterlassen. Komisch, dass die Gegenseite immer noch nicht weiß, dass du dann lautstark darauf bestehst mit deinem Mandanten zu flüstern, wann und wo du willst. Und dass die meisten Richter dann erklären, dass sie damit überhaupt kein Problem haben.

Was deinen kleinen Lustgewinn allerdings reichlich trübt ist der Umstand, dass du diesen Prozess wahrscheinlich verlieren wirst, zumindest in dieser Instanz. Es gibt eben Niederlagen. Und Niederlagen gegen deine früheren Arbeitgeber.