Die tatsächliche Wahrheit steht über der Beweiskraft eines Hauptverhandlungsprotokolls. Wegen Rechtsmissbrauchs verwarf der Bundesgerichtshof deshalb eine Revision, die an sich begründet gewesen wäre. Laut Verhandlungsprotokoll hatte sich eine Verteidigerin aus der Verhandlung entfernt. In Wirklichkeit war sie aber da, was nach Auffassung der Richter bewiesen ist. Die Verteidigung dürfe eine Revision nicht auf eine protokollierte Tatsache stützen, wenn sie wisse, dass es sich tatsächlich anders zugetragen hat und das Protokoll falsch ist.
Mit so einem – zugegeben krassen – Fall wird jetzt ein Einfallstor geöffnet. Die vom Gesetz vorgesehene Beweiskraft des Protokolls wird ausgehöhlt. Das bedeutet dann auch in weniger eindeutigen Fällen, dass man sich seine Wirklichkeit schon hinbiegen wird.
An sich ist ja nichts gegen Ansätze zu sagen, das Revisionsrecht lebensnäher zu gestalten und an der Gerechtigkeit zu orientieren. Dann müsste aber auch damit Schluss gemacht werden, die formalen Hürden für eine Revision so absurd hoch zu hängen. Verfahrensrügen scheitern häufig schon daran, dass die Anwälte den Begründungsanforderungen nicht gerecht werden. Das liegt meistens gar nicht daran, dass die Verteidiger doof sind. Sondern daran, dass ein Revisionsrichter immer ein Haar in der Suppe finden kann, wenn er nur will. Und man kann wirklich nicht behaupten, dass nicht nach diesen Haaren gesucht wird.