Inzest-Paragraf auf der Kippe

Die Kläger gegen den Inzest-Paragrafen vor dem Bundesverfassungsgericht haben einen ersten Erfolg errungen. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gegen Patrick S. vorläufig ab, der mit seiner Schwester vier Kinder gezeugt hat, heißt es in einem Bericht der Nachrichtenagentur ddp.

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, erwartet Verfassungsrichter Hassemer eine „fundamentale Diskussion“ über die Frage, ob der Inzestparagraf verfassungsmäßig ist. Das Bundesverfassungsgericht wolle noch in diesem Jahr über die Beschwerde entscheiden. Da S. derzeit noch keine Ladung zum Strafantritt hat, wies das Gericht einen Eilantrag aus formalen Gründen ab (Pressemitteilung).

Zuletzt im law blog: Beschwerde gegen Inzest-Paragrafen

Sigmar Gabriel verliert gegen Blogger

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat seinen Prozess gegen Parteibuch-Blogger Marcel Bartels verloren. Der Politiker hatte Bartels abmahnen lassen, weil ein Dritter in Bartels Wiki eine Karikatur veröffentlicht hatte. Das Bild zeigte einen treubrav zum Himmel schauenden Gabriel mit der Sprechblase: „Ich will auch zu den Nutten, Herr Hartz“.

Mit seiner Klage wollte Gabriel 756,09 € Anwaltskosten erstattet erhalten. Die Entscheidung liegt noch nicht schriftlich vor. Es ist aber davon auszugehen, dass das Gericht – doch noch – erkannt hat, dass die Satirefreiheit ein Unterfall der Meinungsfreiheit ist und die Grenzen des Zulässigen hier nicht überschritten wurden.

Näheres, auch die Links zur Vorgeschichte, steht beim Gewinner des Rechtsstreits.

Weiter keine Links zu Slysoft & Co.

Von RA DOMINIK BOECKER

Wenn Anwälte abends zusammensitzen, dann wird – vor allem, wenn sie einen sehr ähnlichen Tätigkeitsbereich haben – auch mal über das ein oder andere Verfahren geredet. Als ich vor kurzem mit einem Kollegen beim Kölsch zusammensaß, kamen wir auf das Urteil des Oberlandesgerichts München mit dem Aktenzeichen 29 U 2887/05 zu sprechen: das Verfahren der Musikindustrie gegen den Heise Verlag wegen der Verlinkung der Webseite eines Softwareherstellers.

Das OLG München hat diesen Link wegen Verstoßes gegen das Werbeverbot für Software zur Umgehung von wirksamen technischen Maßnahmen zum Schutz von urheberrechtlich geschützten Werken untersagt.

Gegen dieses Urteil hat der Verlag Verfassungsbeschwerde eingelegt, die das Aktenzeichen 1 BvR 1936/05 trägt. Der Inhalt dieses Gespräches hat mich veranlasst, Anfang dieser Woche ein bisschen weiter nachzuforschen. Telefonisch wurde mir am Montag beim Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass es in diesem Verfahren eine Entscheidung gibt. Sie stammt von Anfang Januar und wurde Anfang Februar an die Beteiligten und den Dokumentationsdienst verschickt.

Beim Dokumentationsdienst erhielt ich am Dienstag die Auskunft, dass die Entscheidung eingegangen sei und ich damit rechnen könne, dass der Beschluss „in den nächsten 14 Tagen“ veröffentlich werden dürfte. Nun ist das Urteil auch online verfügbar.

Die Verfassungsbeschwerde von Heise wurde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist. Heise hat – obschon die Entscheidung dort länger bekannt ist – (noch) nicht darüber berichtet.

Nachtrag: heise online berichtet nun Einzelheiten.

Diese Richter kennen das Leben

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Eine Mutter spürt so was. Natürlich. Muss sie deswegen auch daran glauben, dass ihr erwachsener Sohn Sven mit Heroin handelt? Muss sie es gar wissen? Und falls ja, soll sie den 27-jährigen den Strafverfolgern ausliefern? Renate K. (57) in Neuss hat darauf klare Antworten: „Ich habe es geahnt. Und deswegen wenigstens versucht, Sven entmündigen zu lassen. Damit er in einen Entzug kommt“.

Doch als Kriminalbeamte nachmittags am 31. August 2005 mit einem richterlichen Beschluss die gemeinsame Wohnung durchsuchen, ist es auch dafür zu spät. Sie wird vor knapp einem Jahr im Landgericht Düsseldorf von einer Strafkammer verurteilt, deren Vorsitzender Jochen Schuster sich schon den Ruf des Rüpels erarbeitet hatte. Er verkündet der Mutter im harten Urteil zwei Jahre und sechs Monate Haft. Jetzt soll sie büßen.

Schuster ist eine bekannte Person, die sich schon mal mit provokanter Prozeßführung zeigte: Er hatte in einem anderen Drogenprozess zwei aus Afrika stammende Angeklagte penetrant „Neger“ genannt. Deren Verteidiger hatte er nach einem Beweisantrag vorgehalten, „ja, ja ,der Jud‘ muss brennen“. Den Maler Jörg Immendorff hatte er in dessen Kokain-Prozess gefragt, ob er sexuell „normal“ sei. Schusters diskriminierende Begründung: „Es gibt es ja Leute, die sind homosexuell.“ Renate K. erinnert sich voller Sarkasmus: „Schuster hat mich gesehen und für gut gefunden.“ So sieht das Urteil denn auch aus.

Es zeigt, dass Gerechtigkeit ist, was Richter dafür halten. Renate K. lebt seit 1985 mit ihrem Sohn Sven in einer 3-Zimmer-Wohnung. Sie leidet an Arthrose und Osteoporose, hat mehrere Bandscheibenvorfälle hinter sich, kann nicht mehr arbeiten. Sohn Sven hat schon früh begonnen, sich das Geld für seine Heroinkäufe mit Diebstählen zu besorgen. Er wird mehrfach verurteilt. Seine Mutter ist über seinen Alltag kaum informiert. Er hat ein eigenes Zimmer. Er bemüht sich, ohne Drogen zu leben. Im Juli 2005 merkt die Mutter, das etwas nicht stimmt. Womöglich ein Rückfall, glaubt sie. Dass er mit Heroin gehandelt hat, sagte und sagt sie, wusste sie nicht. Die Strafkammer mit ihrem Vorsitzenden Richter Jochen Schuster beschließt das Gegenteil.

Denn bei der Durchsuchung wurden im mütterlichen Schlafzimmer an die 400 Gramm Heroin in einem Schrank gefunden. In Päckchen aus Frischhaltefolie. Zwischen Spannlaken und Betttüchern. Es war „von weit überdurchschnittlicher Qualität“. Die und die Menge brachten Schuster samt Kammer auf eine simple wie dreiste Schuldformel: „Die Annahme, dass der Angeklagte Sven K. das Heroin ohne die Billigung seiner Mutter in deren Schrank versteckt hat, ist lebensfremd.“

Die Wahrheit ist, was Richter dafür halten. „Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass Renate K. entgegen ihrer Einlassung bewusst war, dass das vom Sohn in ihrem Kleiderschrank gelagerte Heroin zum weit überwiegenden Teil zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war.“

So was wäre dann, wie Spezialisten sagen, Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das Gesetz sieht dafür ein bis fünfzehn Jahre Haft vor. Und hat dabei zunächst professionelle Täter („Dealer“) im Auge. Drogengangster. Die observiert und überführt worden sind. Renate K. gehört seit dem Schuster-Urteil zu diesem Kreis.

Ihr wird zwar mildernd eine „Konfliktsituation“ angerechnet, weil sie einerseits gegen den Drogenkonsum ihres Sohnes „ankämpfte“, dem anderseits eine „Unterstützung“ nicht versagen wollte. Richter Jochen Schuster sieht auch fast zynisch klar, dass Renate K. in ihrem doch fortgeschrittenen Alter, mit ihren gesundheitlichen Problemen „als Erstverbüßerin die Haft voraussichtlich als besonders hart empfinden wird“.

Die Kammer hätte sich ohne Probleme anders entscheiden und ein oder gar zwei Jahre auf Bewährung verhängen können. Der Bundesgerichtshof hat die Revision in drei Sätzen abgeschmettert. Juristisch war das Urteil des Landgerichts Düsseldorf ja sauber begründet: Es wäre ja lebensfremd, wenn…

Während Richter Schuster inzwischen sein Pensionärsdasein genießen kann, soll Renate K. in einigen Wochen für zweieinhalb Jahre hinter Gitter. Sie sagt: „Ich pflege meine 86-jährige Mutter. Wenn der etwas passiert, habe ich auch keine Wohnung mehr.“ Sie sagt: „Die eine Nacht im Polizeigewahrsam hat mich schon bekloppt gemacht.“

Und: „Sven hat immer gesagt: Halt’ Dich aus allem raus, dann kannst du nirgendwo reinkommen!“ Es hat nichts geholfen. Damit sie nicht reinkommt, geht sie gerade den einzigen Ausweg. Sie hat ein Gnadengesuch eingereicht. Vor dieser Art von Recht. (pbd)

Gebührenpflichtige Hörstellen

Muss der Betreiber eines Sonnenstudios für jeden zusätzlichen Lautsprecher, der in den Sonnenbankkabinen angebracht ist, eine weitere volle Rundfunkgebühr zahlen? Auf diesen Standpunkt hatte sich der Südwestrundfunk gestellt und einem Studiobetreiber für sieben Kabinenlautsprecher einen rückwirkenden Gebührenbescheid über 2.160,– € zugestellt.

Der Südwestrundfunk hatte die Auffassung vertreten, dass die Lautsprecher jeweils gebührenpflichtige Hörstellen darstellten, weil sie nicht an der Decke des Raumes, sondern jeweils an der Kabinenwand in Höhe des Kopfes der auf der Sonnenbank liegenden Person angebracht seien und deshalb nicht der Gesamtbeschallung des Studioraumes, sondern nur der Beschallung der einzelnen Kabinen dienten.

Auf die Klage des Studiobetreibers hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz (Az.: 4 K 835/06.MZ) den Gebührenbescheid aufgehoben.

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Eine Rechnung offen

Die mir bislang nicht persönlich bekannte Freundin eines Mandanten rief an und fragte, ob er seine Rechnung bezahlt hat. Sie habe ihm gestern das Geld gegeben und heute das Gefühl, er habe es für was anderes ausgegeben.

Wegen des Anwaltsgeheimnisses konnten wir ihr leider keine Auskunft geben. Allerdings habe ich das starke Gefühl, für den jungen Mann wird es ohnehin kein angenehmer Abend.

Radsportler müssen Helm tragen

Radsportler müssen einen Schutzhelm tragen. Ansonsten erhalten sie bei Unfällen möglicherweise keinen Schadensersatz. Unter Hinweis auf die „Helmpflicht“ wies das Oberlandesgericht Düsseldorf jetzt die Klage eines Radrennfahrers ab. Der Mann war beim Versuch, in einer Kurve einem Traktor auszuweichen, gestürzt und hatte sich verletzt.

Von Freizeitradlern ohne „sportliche Ambitionen“ verlangt das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht, dass sie einen Helm tragen. Hier gebe es keine entsprechende Übung.

Pressemitteilung des Gerichts

Gerade noch

„… ich hoffe, ich sprenge damit nicht Ihren Server.“

Die Anlagen hatten 123 KB und 943 KB.

Also, das geht gerade noch.

Abwassergebühren für die „Pinguine“

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

In der Korruptions-Affäre um die überwiegend staatseigene Landesentwicklungsanstalt (LEG) hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf rund zweieinhalb Jahre nach ihren ersten Ermittlungen jetzt die erste Anklage gegen insgesamt fünf Beschuldigte vor dem Landgericht Düsseldorf erhoben. Dort werden sich demnächst auch Wilfried F., der noch immer amtierende Fraktionsvorsitzende der CDU in Krefeld und Ex-LEG-Geschäftsführer Rainer W. zu verantworten haben. Das bestätigte Behördensprecher Ulrich Thole auf Anfrage.

F. wird Stimmenkauf im Stadtrat und Anstiftung zur Bestechung und Untreue vorgeworfen. W. ist wegen illegaler Vorteilsgewährung angeklagt. Es ging und geht um eine offenbar gängige Kungelei. Die Stadt Krefeld hatte vor sieben Jahren an die LEG eine Abwassergebühren-Forderung von 2,6 Millionen Mark – ob die denn nicht, so das Ansinnen der LEG an F., um die Hälfte gekürzt werden könne? „In unmittelbaren Zusammenhang damit“, so die Staatsanwaltschaft, zahlte die LEG für Scheinrechnungen zweimal rund 260 000 Mark.

Eine Tranche ging wohl an den Krefelder Eishockey-Club „Pinguine“. Dessen Generalbevollmächtigter war, bis die Chose aufflog, besagter Christdemokrat F. Mit von der Partie war der ehemalige Beigeordnete Klaus L.. Er soll von von der LEG einen Beitrag für einen der SPD nahe stehenden Jugendverein in Dortmund gefordert haben. Der bekam über Hans-Joachim S., ehemals Geschäftsführer des SPD Unterbezirks Krefeld, 259 000 Mark zugeschustert. S., der auch Geschäftsführer des Vereins war, wird deshalb der Beihilfe zur Bestechlichkeit beschuldigt.

Einem Ex-Justitiar der LEG wiederum wird vorgeworfen, W. bei den Transaktionen geholfen zu haben. Diese erste Anklage gehört zu nur einem von sieben LEG-Komplexen, die bei der Staatsanwaltschaft ermittelt werden. Der Verdacht der Fahnder: Leitende Mitarbeiter von Berufskammern und Kaufleute aus der Immobilienbranche haben sich bestechen lassen oder bestochen.

Die Strafverfolger glauben, ab 1999 bis 2004 seien Schmiergelder im „fünf- bis sechsstelligen Bereich“ geflossen. Immer ging es dabei um An- und Verkäufe großer Projekte, die einen Wert zwischen 6 bis zu 100 Millionen Euro haben. Der Schwerpunkt lag in Düsseldorf und München, aber auch in anderen deutschen Städten.

In diesem Zusammenhang wurden mutmaßlich illegal erlangte Gelder bereits beschlagnahmt, die bis zu 1 Million Euro reichen. Zum Hintergrund sagte schon vor zwei Jahren der einstige Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Morgenstern: „Wir haben vermutet, dass von Mitarbeitern zum eigenen Vorteil Wohnungen verkauft wurden“. Die Ermittlungen gegen die suspendierte Geschäftsführerin Barbara C., ihren Kollegen Hein A., zwei leitende Mitarbeiter der LEG-Management GmbH und einen hohen Angestellten im Ruhestand sind laut Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen. (pbd)