Ein verschwundenes Handy bereitet dem Land Nordrhein-Westfalen große Sorgen. Ein ehemaliger Hauptschüler aus Haan hatte es vor dem Sportunterricht seiner Lehrerin gegeben. Die packte es, zusammen mit anderen Sachen, in eine offene Kiste. Weil das Handy seit Ende des Unterrichts im Jahre 2004 nicht mehr zu finden ist, muss sich die 16. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal mit diesem Verlust befassen. Er soll ein Präzedenzfall werden.
400 Euro verlangte Kai Sturm, der Solinger Anwalt des Ex-Schülers, in seiner Amtshaftungsklage vom öffentlichen Schulträger, dem Land. Immerhin sei das Handy von der Lehrerin ja „in Verwahrung“ genommen worden. Doch das Land bestreite fast alles. Die drei Richter der Kammer, um Schlichtung bemüht, machten einen Vorschlag. Sie errechneten den Wert des Handy zur Zeit des Verlustes, halbierten den Betrag und boten Rechtsanwalt Sturm und seinem Mandanten 150 Euro an.
Diesen Vergleich akzeptierte Sturm schon aus „verfahrensökonomischen Gründen“. Doch das Land blieb stur beim Nein. Sturm wundert sich: „Wir haben reichlich Beweismittel angeboten“, wenigstens zwei Zeugen könnten zugunsten seines Mandanten aussagen. Jetzt seien fünf Juristen mit der Sache befasst, die Akte ist auf 5 Zentimeter gewachsen, dicker also als das Handy: „Das ist ja lächerlich“. Ist es nicht, sagt der fünfte Jurist, er ist der Anwalt des Landes.
Guido Wacker zweifelt erstmal grundsätzlich: „Hatte der Schüler denn ein Handy dabei?“ Falls ja, habe er selbst Schuld. Er habe vom Sportunterricht gewusst und dennoch sein Handy mitgebracht. Und habe es eigenhändig weggegeben. Es sei auch kein Verwahrungsvertrag zustande gekommen – die Lehrerin habe eher einen Freundschaftsdienst geleistet.
Und überhaupt: Der Verlust solcher Sachen in Schulen sei „ein beliebtes Spiel“. Demnächst fehle womöglich Bargeld. „Stellen Sie sich vor, wir hätten den Vergleichsvorschlag angenommen“, skizziert Anwalt Wacker ein landesweites Szenario, „das wäre doch ganz schnell übers Internet verbreitet worden!“
Genau so sieht es Hans-Peter Schröder für die Schulaufsicht der Düsseldorfer Bezirksregierung. Er hat keine konkreten Zahlen, weiß aber: „Die Fälle mehren sich, deshalb wollen wir eine grundsätzliche Klärung durch das Gericht!“ Die 16. Kammer in Wuppertal will bald eine Entscheidung treffen. Sollte sie zugunsten des Schülers urteilen, ist schon jetzt klar: Das Land ruft die nächste Instanz an. Dann wird ein Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf berufen sein, ein richtungsweisendes Urteil zu sprechen. Bis dahin sind die Prozeßkosten auf das 2-fache des ursprünglichen Handywerts gestiegen. Auf genau 856,12 Euro. (pbd)