Verwahrt, auch im nächsten Jahr

Bei einem in der forensischen Psychatrie verwahrten Mandanten steht die jährliche Prüfung an, ob die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Der Ausgang ist – leider – jetzt schon klar, auch wenn die Mutter schreibt:

Bitte holen Sie meinen Sohn raus. Ärzte können und dürfen doch nicht alles machen, was sie wollen, oder?

Sie können, jedenfalls zusammen mit einem Richter. Wobei man in dem Fall aber sagen muss, dass es nachvollziehbare Gründe gibt für den Aufenthalt in der Klinik gibt. Schade ist aber, dass praktisch nichts dafür getan wird, die Ursachen für die Unterbringung zu beseitigen. Für die notwendige Einzelbehandlung, intensive Betreuung, Anleitung und Begleitung fehlen offenbar die Möglichkeiten.

Verwahrung statt Therapie, das ist in diesem Fall leider die traurige Wahrheit. Ich werde erneut vorschlagen, es in einer anderen Klinik zu probieren. Aber leider habe auch ich noch keine gefunden, die dem Betreffenden mehr Perspektiven bietet.

Hoffnung auf die Melde-Welle

Ein V-Mann des Bundesnachrichtendienstes hat bekanntlich für eine DVD voller Steuerhinterziehungsdaten wenigstens vier Millionen Euro eingestrichen – diese Meldung hat der Diplom-Kaufmann Jörg Sprave (43) nicht nur aufmerksam gelesen, er hat sie für sich und seine beiden Gesellschafter auch gründlich umgesetzt. Die Firma Steuerverrat GbR ruft im Internet dazu auf, ihr Steuersünder zu melden.

Mit diesem Wissen will das Trio freilich nicht vorrangig der deutschen Rechtspflege dienen. Die drei wollen schlichtweg Kasse machen. Die Liechtenstein-Affäre, so erzählt Sprave freiweg, habe ihn auf die Idee gebracht. Mit seinem Bruder Hartmut Sprave, einem Diplom-Physiker, und dem 53-jährigen Willi Mattutat gründete er kürzlich die Gesellschaft in Hagen. Einziges Tätigkeitsfeld: Die Vermittlung von Beweismaterial im Bereich der Steuerhinterziehung.

Darüber sind inzwischen auch schon ein Dutzend Staatsanwaltschaften schriftlich informiert worden und bundesweit rund 200 Finanzämter. Denn von solchen Behörden wird eine Zusammenarbeit erwartet. Sie sollen die Hinweise bekommen, die das Trio selbst aus trüben Quellen sammelt. Mit dem einzigen Ziel: die Belohnung durch den Staat. „Es gibt noch keinen Hinweis einer Behörde, dass es keine Zusammenarbeit gibt“, erzählt Sprave hoffnungsfroh.

Und nahezu stolz ist er auch darauf, dass die Gesellschaft schon 17 Hinweise bekommen hat. Er hofft auf eine Melde-Welle und setzt dabei konsequent auch auf niedrige Instinkte: „Es gab ja auch schon Rachefälle betrogener Ehefrauen oder entlassener Mitarbeiter“.

Im Internet wird mit Schlagzeilen gezielt und unverblümt nach Informanten gesucht: „Sie haben Kenntnis über einen Fall der Steuerhinterziehung? Sie besitzen vielleicht sogar Beweise? Sie möchten ganz leicht viel Geld aus diesem Wissen schlagen?“ Die Gesellschaft verspricht, sie übernimmt alle notwendigen Schritte. Die Auswertung etwaiger (anonymisierter) Beweise, die vertrauliche Vermittlung der Informationen an die Behörden.

Wenn es von denen Geld gibt, geht davon 75 Prozent an die ursprünglichen Verräter. Der Rest ist die Provision für die Zuträger-Gesellschaft. Die Frage, ob sie mit ihrem Aufruf nicht Denunzianten züchte, beantwortet Jörg Sprave ebenso ruhig wie nahezu lässig: „Weder unsere Quellen noch wir handeln aus niedrigen Beweggründen. Niemand machte uns einen Vorwurf, wenn wir nach Auto-Dieben suchten.“

Schließlich fahnde die Polizei ja auch öffentlich nach einem vermummten Bankräuber. Folgerichtig hat die Gesellschaft auf ihrer Internet-Seite denn auch eine „Schnellmeldung“ parat. Mit vorgegeben Auswahlmöglichkeiten kann anonym angeklickt werden, ob eine Person oder eine Aktiengesellschaft vermeintlich Steuern hinterzieht; ob die Höhe der Hinterziehung weniger als 1.000 oder mehr als 5 Millionen Euro beträgt; ob sie aus Bilanzmanipulationen stammt oder aus Schmuggel.

„Mit Interesse“ hat der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt Hans-Otto Sallmann das Angebot der Steuerverrat-Gesellschaft zur Kenntnis genommen. Sein Kollege Raymund Schneeweis in Hagen ist bereit, „Erkenntnisse zu Straftaten“ gerne entgegen zu nehmen. Und Dr. Andreas Kondziela von der Staatsanwaltschaft Darmstadt teilt mit, er sei „selbstverständlich an Hinweisen interessiert“.

Was die Vereinbarungen von Belohnung allerdings anbelange, nun ja, da müsse es erst ein „konkretes Strafverfahren“ gebe. Die konkreten Grundlagen dazu haben Sprave und Kompagnons nach eigenen Worten gerade der Staatsanwaltschaft Duisburg offenbart. Es gehe um eine Steuerhinterziehung von 10 Millionen Euro, behaupten sie. Sie sagen sogar, wo der angebliche Täter seine Geschäfte macht und womit.

„Wir prüfen momentan das Angebot“, gibt sich Behördensprecher REolf Haferkamp knapp und zugeknöpft. Der Spagat der Strafverfolger zwischen Wissbegierde und einer klaren Vereinbarung kommt nicht von ungefähr. Sie haben die Strafprozessordnung im Rücken. Die kann aus dem Hagener Trio ruckzuck normale Zeugen machen, die notfalls ohne Belohnung, aber per Beugehaft gezwungen werden können, ihre Quelle zu nennen. Doch selbst für solche Fälle ist Jörg Sprave gewappnet: „Wir schalten einen Rechtsanwalt dazwischen. Der darf die Aussage verweigern!“ (pbd)

Prefetching

Kann man auf Internetservern Spuren hinterlassen, von denen man – wissentlich – gar keine Seiten abgerufen hat? Das ist möglich, insbesondere durch die Prefetching-Funktion. Dabei lädt der Browser schon Seiten im Hintergrund, die auf der aktuell besuchten Seite verlinkt sind. Auf dem verlinkten Webserver wird dann möglicherweise die eigene IP-Adresse gespeichert und der Besuch registriert, obwohl der betreffende Link letztlich gar nicht angeklickt wird.

Prefetching ist zum Beispiel im Firefox serienmäßig aktiviert. Wie man die Funktion abstellt, steht hier.

Warum das Ärger ersparen kann, ist hier nachzulesen.

Auf Zack

Im Nachbarhaus war eine große Werbeagentur. Die Agentur ist weggezogen. Nur wenige Tage später hat die Stadt Düsseldorf auch den Behindertenparkplatz wieder freigegeben, der vor unserem Büro für einen rollstuhlfahrenden Mitarbeiter der Agentur reserviert war.

So ein Tempo muss man auch mal zur Kenntnis nehmen. Vor Jahren wäre so flott garantiert nichts passiert.

Auf Geschäftsreise

Anwaltspost:

Sehr geehrte Frau Kollegin,

soeben erhalte ich Ihr Schreiben vom 09.07.08. Darin fordern Sie Herrn N. auf, bis zum 16.07.2008 die erste Rate aus dem Vergleich zu zahlen. Leider ist Herr N. auf einer Geschäftsreise bis zum Ende der Woche. Ich bitte Sie daher die o.g. Zahlungsfrist stillschweigend zu verlängern.

Das klingt erst mal harmlos. Der Schuldner ist jedoch Unternehmensberater und bringt seinen Kunden das Onlinezeitalter näher. Dass ausgerechnet er auf Geschäftsreise nicht auf sein Konto zugreifen kann (oder will), klingt nicht sehr glaubhaft. Wahrscheinlich ist einfach nichts in der Kasse.

Etwas mehr Ehrlichkeit führt mitunter auch zu mehr Entgegenkommen.

Rückruf-Service

Es gibt auch fürsorgliche Mandanten:

Telefonisch bin ich nur über Handy zu erreichen. Sollten allerdings telefonische Klärungen erforderlich sein, kann ich von diesem Handy kostenfrei auf Festnetz zurückrufen.

Aktion Himmel: Gericht erklärt Durchsuchung für rechtswidrig

Nach den überschwänglichen Erfolgsmeldungen war schnell klar, dass die „Aktion Himmel“ ein Sturm im Wasserglas ist.

Nunmehr merken auch Gerichte, dass die dubiose Datenauswertung der Berliner Polizei in den meisten Fällen nicht mal für einen Anfangsverdacht reichte und die ergangenen Durchsuchungsbeschlüsse rechtswidrig sind. So hebt das Landgericht Aachen mit Beschluss vom 8. Juli 2008 einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Aachen auf und ordnet an, dass die beschlagnahmten Computer unausgewertet zurückzugeben sind.

In dem vom Landgericht Aachen entschiedenen Fall konnte nur eine einzige Verbindung des Computers des Beschuldigten zu einem Webserver mit angeblich kinderpornografischem Material festgestellt werden. Diese Verbindung dauerte insgesamt 45 Sekunden. Während dieser 45 Sekunden sendete der Server 45 Bilder.

Zunächst korrigiert das Landgericht Aachen die Berliner Polizei dahingehend, dass längst nicht alle Bilder kinderpornografisch sind. 39 Bilder stuft das Landgericht Aachen als „Nacktbilder“ ein, die nicht strafbar sind. Als kinderpornografisch bewertet das Gericht 6 Bilder; diese wurden alle nur als Thumbnails an den Rechner des Beschuldigten übermittelt.

Durch diese Datenübertragung allein kann nach Auffassung des Landgerichts Aachen kein Anfangsverdacht auf den Besitz kinderpornografischen Materials begründet werden. Dementsprechend sei auch eine Durchsuchung nicht zu rechtfertigen.

Das Gericht verweist auf die kurze Verbindungszeit und die Menge der in diesem Zeitraum übermittelten Bilder. Es sei schon vom äußeren Bild unwahrscheinlich, dass der Server gezielt aufgesucht und die Daten absichtlich heruntergeladen worden seien. Vielmehr sei es ebenso wahrscheinlich, dass es zum Übersenden der Bilddateien nur durch Verlinkung mit anderen pornografischen Webseiten oder durch Popups gekommen sei.

Ein Anfangsverdacht für eine eine Hausdurchsuchung müsse aber zumindest auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützt werden, die auf die (vorsätzliche) Begehung einer Straftat schließen lassen. Diese tatsächlichen Anhaltspunkte kann das Gericht in den Auswertungen der Berliner Polizei für den vorliegenden Fall nicht erkennen.

(Beschluss vom 8. Juli 2008; 68 Qs 56/08)

Bayern lizenziert das Internet

Wer aus Bayern künftig live für mehr als 500 Nutzer im Netz senden will, braucht eine Lizenz der Bayerischen Landesanstalt für Neue Medien. Die Lizenz soll bei bundesweit relevantem Content, also vermutlich ab dem ersten Beitrag in hochdeutscher Sprache, 1.000 bis 10.000 Euro kosten, berichtet das Medienmagazin DWDL.de.

Erstaunlicherweise soll es für das Geld keine relevante Gegeneleistung geben. Denn für die Lizenz als solche existieren angebliche keine „weiteren Voraussetzungen“. Außer – seeeeeelbstverständlich! – die Medienwächter haben bei den Inhalten Bedenken. Klingt nach einer wunderbaren Möglichkeit, unliebsame „Sender“ vor dem Start abzuschrecken oder wenigstens später abzuwürgen. Sei es über die Kosten, sei es über „Bedenken“ bei den Inhalten.

Immerhin: Abrufinhalte, also Konserven, sollen weiter lizenzfrei bleiben.

Gibt es bei uns nicht dieses komische Recht, „seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“? Hoffentlich klagt ganz schnell jemand gegen diese größenwahnsinnigen Regulierer, damit so was nicht Schule macht. Sonst schalten wir besser gleich um. Nach Peking.

Neue Adresse

Der Titel des handschriftlichen Faxes lautet „Meine neue Adresse“. Dann folgen Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort. Der Mandant würde uns sehr helfen, wenn er auch seinen Namen schriebe. Alternativ würde eine Faxkennung mit einem klitzekleinen Hinweis Sinn machen.

„Ich habe eine Rücksendung“

Die Erklärung, „eine Rücksendung“ zu haben, reicht für einen wirksamen Vertragswiderruf nicht aus. Dies meint zumindest das Amtsgericht Schopfheim. Eine Frau hatte online ein Brautkleid bestellt, dann aber geschrieben, sie habe „eine Rücksendung“. Das Brautkleid selbst schickte sie erst nach der Widerrufsfrist zurück.

Aus dem Urteil:

Zwar ist hinsichtlich der Ausübung eines Widerrufsrechts nicht erforderlich, dass das Wort „Widerruf” verwendet wird, jedoch ist erforderlich, dass für den Erklärungsgegner erkennbar ist, dass ein bestimmtes Vertragsverhältnis beendet werden soll. Dies ist bei der E-Mail-Erklärung der Klägerin vom 16. September 2007 jedoch nicht der Fall. Die Erklärung, „eine Rücksendung” zu haben, stellt nicht ausreichend klar, aus welchem Grunde eine Rücksendung beabsichtigt ist, aus Gründen der Nachbesserung wegen behaupteter Mängel der Ware oder wegen der Absicht, das gesamte Vertragsverhältnis aufzulösen.

Wer auf der sicheren Seite sein will, verwendet also das Wort „Widerruf“. Oder er schickt die Ware selbst rechtzeitig zurück. Das reicht nämlich auch, sogar für das Amtsgericht Schopfheim.

(Urteil gefunden im Jur-Blog)